August 28th, 2019

FRANK BOLZ (#144, 2010)

Posted in interview by Jan

„Kommt vorbei und bringt Gehörschutz mit, wenn ihr Wimps seid…“
Interview mit dem EA80 Mischer und AJZ Bahndamm Wermelskirchen Soundmann Frank Bolz

Der AJZ Bahndamm in Wermelskirchen (mitten im nirgendwo im Bergischen Land zwischen Remscheid, Leverkusen und Wuppertal) war als Ort meiner (nicht nur musikalischen) Sozialisation seit 1992 schon ein paar Mal Thema im Trust. 2006 fand dort auch ein Trust-Redaktionstreffen statt, umrahmt von einem Konzert mit Ideoblast, Schwarz auf Weiß und Quest for Rescue.

In der Trust Ausgabe # 110 von 2005 interviewte ich den immer noch aktiven Frank Kaluscha von der Koordinationsgruppe und Guido „Lohm“ (eigentlich ging es um seine Band World Downfall, aber auch ein wenig um seine früheren Konzertgruppenaktivitäten im Bahndamm und darüber hinaus). Gerade fällt mir auch auf, dass ich im Bahndamm 2005 mit meiner Freundin zusammengekommen bin, beim ersten Fiend Force Records Horrorpunk-Konzert…Wahnsinn! 2010 feiert der Laden sein 20 jähriges Bestehen und dieses Ereignis soll am 03.09 – 04.09. mit einem kleinen Festival begangen werden. Als stellvertretenden Interviewpartner für die Geschichte und Gegenwart des Ladens sprach ich mit Frank Bolz, Besucher seit Anfang der 90er und seit 1997 dort Techniker. Zudem noch EA80 Mischer und Inhaber eines eigenen Studios namens SAW in Wuppertal.

Soundmänner sind auf Punkkonzerten etwas in der schwierigen Rolle zwischen „Punk ist, wenn man einen scheiss Sound hat, Hauptsache laut und verstimmte Gitarren“, das alte Credo „Never tune your guitar live on stage“ vs. „Man würde schon mal ganz gerne überhaupt was hören neben dem ganzen Feedback“. Darum soll es auch gehen in diesem Interview. Aber einfach auch mal um puren Gossip. Frank hat viele viele alte Klassiker im Bahndamm live gesehen, Green Day, Gorilla Biscuits, Neurosis, EA80, Boxhamsters, Tragedy, Brutal Truth, Drop Dead, Molotov Soda, World Downfall uvm.

Und auch den Wandel der Zeit im Bahndamm miterlebt. Vom politisch engagierten Jugendzentrum mit vielen Aktivisten und improvisierter Technikaustattung für Konzerte, bis hin zur der Tatsache, das einige Leute von damals immer noch die Fäden ziehen und sich der Nachwuchs für Kulturarbeit leider in Grenzen hält. Eintritt zahlen und abfeiern? Sich unterhalten lassen heißt die Devise, die der einst verbreiteten D.I.Y – Mentalität heute den Garaus macht? Zusätzlich hat man im Laufe der Jahre aufgrund gestiegener Ansprüche bei Bands und Zuschauer viel Geld in Technik und Inventar des Bahndamms gesteckt.

Ich persönlich denke, dass dieses Interview, was Ende Februar 2010 fertig wurde, eines meiner interessantesten ist, was nicht an meinen Fragen liegt, sondern an Frank selber bzw. halt an der Tatsache, dass man hier mal über den Tellerrand Label / Band hinausblickt und mit jemanden redet, der jung im Kopf ist, aber alt an Erfahrung…

Bevor ich auf deine Tätigkeit als Live- und Studiomischer eingehe, vorab einige Bemerkungen zum Namen Frank Bolz bzw. SAW Studio. Eigentlich ein gelungener Name für eine klassische Powerviolence Band und SAW für den sprichwörtlich sägenden Sound dazu.
Ich glaube, das Adaptionen wie Kate Mosh oder Asshole Parade sich eher eignen, wobei „Bolzenschmeisser“ schon schmeichelt. Zumal der Studioname SAW oft fehl interpretiert wurde und nicht synonym für krachigen Sound, sondern vielmehr für Schallarchiv Wuppertal steht.
Die meisten kennen dich als Besucher bzw. Mischer von Konzerten im Rhein-Ruhrgebiet bzw. bergischen Kreis. Du machst ja in einigen etablierten Clubs, aber auch gelegentlich in JZs (Mülheim, Wuppertal), den Sound. Vorwiegend trifft man dich aber im Bahndamm in Wermelskirchen an. Wann und wo hast du angefangen?
Interessiert hat mich das Ganze schon in den 80ern, als man mit bescheidenen Mitteln versucht hat, schlechte Live-Aufnahmen irgendwie aufzupeppen. Daraufhin erstes Equipment besorgt und Halbwissen angeeignet. In der Zwischenzeit vom Autodidakten zum Hiwi konvertiert und sich bei diversen PA Verleihern prostituiert. Dann in den 90ern selber Konzerte veranstaltet und gemischt. Später ergab es sich dann, dass man für befreundete Bands gemischt hat.

Der Bahndamm ist halt mittlerweile so etwas wie zweite Heimat geworden. Nette Leute, cooles Ambiente und das Booking wird von verschieden Leuten mit unterschiedlichen Geschmäckern betrieben. Wer schon mal dort war, wird das Bestätigen können. Bisher wollten jedenfalls alle Bands wiederkommen, weil alles gestimmt hat. Leider läßt die Anbindung durch den ÖPNV sehr zu wünschen übrig. Ohne Auto geht selten etwas.
Einige kennen dich als live-Mischer von EA80 oder auch durch den „Krachsound“ aus dem Hause SAW. Wie kam es dazu? Erzähl´ uns doch, was Du im Studio machst. Siehst Du dich auch als Produzent wie beispielsweise Steve Albini?
Meinen Bezug zu EA80 brauche ich ja wohl nicht weiter erläutern, da ich seit Ewigkeiten bei Konzerten zuerst als Besucher und Fan, später dann als Mischer dabei war / bin. Entscheidend ist wohl, dass wir im Studio alles live aufnehmen, abgesehen von zusätzlichen Gitarrenspuren bzw. Gesang etc. Deshalb ist das Wort „Produzent“ wohl übertrieben und möchte ich mir auch nicht anmaßen, gerade wenn die Bands lang genug im Geschäft sind. Aber wenn du die Frage auf junge, Studio unerfahrene Musiker beziehst, dann wohl schon.

Da wird (wenn gewünscht) an den Verstärkern gedreht und am Schlagzeugsound gefeilt. Mit Steve Albini hat das nichts zu tun, kreiert er doch bei seinen Bands einen sehr räumlichen Schlagzeugsound mit hohem Wiedererkennungswert. Rick Rubin ist auch großartig. Slayer beispielsweise haben durch ihn bei „South Of Heaven“, „Seasons In The Abyss“ und zuletzt „Christ Illusion“ einen coolen warmen Schlagzeugsound erhalten.
Gerüchten zufolge sollst du ja ein riesiges Tonarchiv zu Hause haben. Gibt es Mitschnitte von Konzerten, die du abgemischt hast und archivierst du diese?
Wenn gewünscht, kommt das schon vor, meist bei den Metalbands aus Amiland, da diese selten Aufnahmen von ihren Europatouren haben. Allerdings kommt über die Jahre aus allen Bereichen schon einiges zusammen. Glücklicherweise standen bisher keine ungebetenen Gäste vor der Tür. Oft dienen die Mitschnitte eher der eigenen Kritik, ob man die Sachen an dem Abend richtig wahrgenommen hat. Schlimm wird es dann, wenn bei Raumaufnahmen nervtötende „Konzertbesucher“ ihre Saufexzesse des letzten Malle-Aufentaltes einander mitteilen und diese nachher lauter zu hören sind, als die eigentliche Musik.
Was bleiben dir für Erinnerungen an besonders schöne Konzerte, bei denen du den Sound gemacht hast? Oder besonders schlechte?
Man neigt ja dazu, gute Konzerte nostalgisch zu verklären, deshalb spare ich mir die Kommentare zu schönen Momenten und gehe direkt zu den obskuren Sachen über. Körperflüssigkeiten – die Erste: Nachdem „Exhumed“ (für Nichtkenner – Goregrind aus Amiland) die Bühne im AJZ Bahndamm mit einer unappetitlichen Mischung aus Kunstblut, Puderzucker, Bier und Erbrochenem (dem Bassisten sei Dank) neu dekoriert hatten, wusch sich eben dieser nach dem Konzert genüßlich die Hände darin, um anschließend seinem Gesicht einen neuen Teint zu verleihen. Auf meine lakonische Bemerkung, dass wir auch fließendes Wasser hier hätten, entgegnete er mir nüchtern, dass er dieses von zu Hause auch nicht anders gewohnt sei!?! Auf der nächsten Tour war er jedenfalls nicht mehr dabei.

Körperflüssigkeiten – die Zweite: Von gleichem Kaliber waren auch die kanadischen „Dayglo Abortions“, die bei ihrem ersten Auftritt im Jahre 2000 ebenfalls für Erheiterung im bereits erwähnten Etablissement sorgten. Nachdem die Band bereits vor der Show alle alkoholischen Flüssigvorräte im Selbstversuch vernichtet hatte, dauerte es nicht lange und der Sänger reierte im hohen Bogen und unter Szenenapplaus in die ersten Reihen, nur um dann nahtlos an seinen Liedtext anzuknüpfen. Respekt. Leider konnten die ersten Ränge, trotz akutem Platzmangel, nicht wieder besetzt werden.

Körperflüssigkeiten – die Dritte: Als „Dystopia“ Ende der 90er wieder mal im Bahndamm spielten, waren sie vom Brechdurchfall gekennzeichnet und wir fragten uns, ob sie überhaupt auftreten könnten. Hart gesotten wie sie sind, stellten die Jungs sich kurzerhand zwei Eimer links und rechts an den Bühnenrand kotzten so ziemlich kontinuierlich nach jedem Song in die bereitgestellten Behälter. Eine Dreiviertelstunde lang. Hut ab.
Kommen wir etwas genauer zu deiner Rolle als Mischer. Du hast im Bahndamm ja auch viel mit Metalbands zu tun, die bekanntermaßen mehr Wert auf guten Sound legen als die Punkfraktion. Sind Krach- bzw. HC-Bands tatsächlich pflegeleichter? Wie sind da so deine Erfahrungen?
Normalerweise bringen bekanntere Bands ihre eigenen Mischer mit und dann ist man raus aus der Sache. Meine Erfahrung ist oft, das ausländische Bands (besonders Bands aus Amiland) viel cooler in Sachen Sound reagieren und einem freie Hand lassen, während deutsche Bands, die das erste Mal mit fetter PA und Monitoranlage spielen, oft die Welle machen und das unabhängig vom Musikstil. Wichtig ist, dass die Musiker sich auf der Bühne gut hören und man berücksichtigt, dass manche Sounds erst ab einer gewissen Lautstärke gut rüberkommen, da ist es dann entscheidend genug Leistungsreserven beim Monitorsound zu haben. Natürlich auch druckvoller Sound nach vorne entsprechend der PA.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Art und Weise wie eine Band ihr Zeug aufbaut und der Qualität der musikalischen Darbietung?
Nicht direkt, aber es gibt schon einen Zusammenhang zwischen professionellen Musikern, die Wert auf gutes Equipment legen und der Riege der Freizeitmusiker mit abgespeckten Geraffel. Wenn allerdings Leute mit verschimmeltem Zeug anrücken, die Schlagzeugfelle einer Buckelpiste gleichen und man Worten begrüßt wird wie „Ey, mach mal großen Stadionrocksound“ fehlen mir die Worte.
Du bist ja mittlerweile schon auf eine gewisser Art und Weise „berühmt berüchtigt“ – zum einen wegen der EA80 Geschichte und dem oft gandenlosen Brettsound – anderseits aufgrund deiner unkonventionellen Art den Bands ihre Grenzen aufzuzeigen. Ist letzteres nur purer Gossip, da der Job als Soundmann bei low budget Punkkonzerten einem einiges abverlangt? Findest Du, dass es ist ein undankbarer Job?
Grundsätzlich versucht man seine Arbeit so gut wie möglich und im Interesse der Musiker zu machen. Allerdings scheinen nicht alle Bands diese Ansicht zu teilen. In deren Augen sind alle Mixer Wichser, weil sie erwarten, wieder gesagt zu bekommen, wie laut man auf der Bühne zu sein hat. Wenn alles passt, d.h. Schlagzeuger bzw. Sänger mit ihren Saitenakrobaten mithalten können, dann geht das völlig in Ordnung. Ich habe letztlich noch einen Konzertbericht über den Tragedy und EA80 Auftritt im Bahndamm gelesen, wo man sich positiv über den kompakten und druckvollen Sound in einem Etablissement dieser Größenordung geäußert hat. Das fasse ich Mal als Kompliment auf, auch wenn die Öhrchen nachher klingeln. Ansonsten gilt sicherlich der alte Grundsatz „if shit comes in, shit comes out“!!!
Was waren bisher deine größten Konzerte als Techniker? Würdest Du auch Mainstreambands mischen?
Als Mischer sicherlich die überschaubaren Open-Airs mit EA80 bzw. den Boxis, aber auch größere Konzerte, SO36 in Berlin oder im Exzess in Frankfurt. Es gibt genug gute Mischer für bekannte Bands. Sollte dennoch mal eine Band anfragen, dann heißt die Devise „den Netzstecker ziehen und warten bis deren Anfall vorbeigeht“.
Wenn Leute ebenfalls in dem Bereich arbeiten wollen, was hättest du für Tipps für sie?
Grundlagen darüber vermittelt jeder engagierte PA Verleiher, wenn mal ein Praktikum machen möchte. Wenn einen dann schon Dankbarkeit von Bands zufrieden stellt und Geld eher eine marginale Rolle spielt, ruhig mal reinschnuppern. Davon seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, bleibt wohl eher die Ausnahme, es sei denn man arbeitet gleichzeitig für die Industrie und/oder macht Galaveranstaltungen.
Gibt es Bands, die dich damals wie heute bewegen? Was sind deine Lieblingsplatten?
Sicherlich viele. Ich versuche mich mal auf die zu beschränken, die bleibende Eindrücke hinterlassen (haben). Hier mal die ersten 30 – alphabetisch aufgelistet. 16 – Drop Out (Theologian). A Witness – Loudhailer Songs (Ron Johnson) Big Black – Atomizer (Homestead) Blast – The Power Of Expression (Greenworld / SST) Bog-shed – Let Them Eat Bog Shed (12”, Vinyl Drip)

Boltthrower – For Victory … (Earache) Cavity – Somewhere Between The Train Station … (Rhetoric Records) Cephalic Carnage – Xenosapien (Relapse) Converge – Jane Doe (Equal Vison) Cravats – In Toyland … + The Colossal Tunes Out (Crass Rec.) EA80 – Mehr Schreie (Eigenprod.) Gang Of Four – Entertainment! (EMI) Godflesh – St + Streetcleaner (Earache) Jerry´s Kids – Is This My World? (Funhouse) Kyuss – Blues For the Red Sun (Dalui Rec. / Warner) Kurt – ST (X-Mist) Loop – Fade Out (Reactor) Locust – ST (GSL) Naked Raygun – All Rise (Homestead)

No Trend – When Death Won´t Solve Your problem (Widowspeak) Razzia – Tag Ohne Schatten (Weird System) Repulsion – Horrified (Relapse) Slayer – South Of Heaven + Seasons In The Abyss (Def American Rec.) Sonic Youth – Bad Moon Rising (Homestaed) Spaceman 3 – Sound Of Cofusion (Fire Rec.) The Fall – Live At The Witch Trails + Dragnet (Step Forward) Tragedy – ST (Tragedy Rec.) Terrorizer – World Downfall (Earache) Tools You Can Trust – Sharpen The Tools (Singles Comp.) Unleashed – Where No Life Dwells … (Century Media)
Hast du einen Gruß an die Leser? Frank, ich danke dir schon mal und bis zu den Heartcoretagen im April.
Kommt vorbei und bringt Gehörschutz mit, wenn ihr Wimps seid ….

Interview: Jan Röhlk
Kontakt: http://www.ajzbahndamm.de bzw. durch den Bahndamm gehen, Tür mit dem Operation Ivy Logo öffnen, sich nach schräg rechts Richtung Soundkabine wenden, die dortigen Stufen hoch klettern…

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