Februar 12th, 2018

AJZ BAHNDAMM WERMELSKIRCHEN (#110, 02-2005)

Posted in interview by Jan

Interview mit Frank Kaluscha über den schönsten (Konzert-) Laden von Welt, das AJZ Bahndamm Wermelskirchen

Wermelskirchen liegt im Bergischen Land in NRW und ist mir durch den Besuch meines erstes HC-Konzertes (nach Megadeath und Ramones 1993) in schöner Erinnerung geblieben. Yuppicide aus New York im AJZ, ich war 15 und damals nahm man die Anfangszeiten auf den Flyern noch ernst. 19:30 Einlass bedeutete also für die Schwester eines Freundes, die uns von Leverkusen aus dort hinfuhr (hey, aber uns natürlich etwas entfernt von dem Laden abgesetzt hat, man will sich ja nun nicht direkt blamieren), dass wir um 19:00 dort aufkreuzten.

Um 23:30 sollten wir dann abgeholt werden, das würde ja wohl reichen. Immerhin ne halbe Stunde von Yuppicide haben wir gesehen, und das hat wirklich gereicht: ein überfüllter Laden und eine Wahnsinns-band, die man vor lauter Stage-Divern nicht sehen konnte. Der Physiktest am nächsten Tag in der Schule wurde dann ne knappe Vier und der Laden im Laufe der Zeit mein Lieblingskonzertort. Frank Kaluscha organisiert dort die Punk-und HC- Konzerte und ihm schickte ich im Juni 2004 ein paar Fragen per Email, die dann direkt schon im August beantwortet wurden.

Lieber Frank, danke, dass du dir Zeit nimmst für ein Interview fürs Trust. Liest du eigentlich Fanzines oder wie informierst du dich so über Musik und neue Bands?

Ein Abo hab ich nur vom Plastic Bomb. Ansonsten kauf ich mir auf Konzerten mal ein Fanzine. Neue Bands lerne ich eigentlich sonst eher über Tipps oder von irgendwelchen Demos kennen, die ich zugeschickt bekomme.

Auf euer Homepage gibt es ja eine Geschichte vom Bahndamm – erzähl doch mal eure Anfangszeit. Ist der alte Kern eigentlich noch dabei?

Die Geschichte auf unserer Seite ist eigentlich viel zu kurz und auch nicht ganz korrekt. Wir wollten immer mal die Sache neu schreiben, ist aber bei unseren Ansprüchen und Rechtschreibkenntnissen viel Arbeit. Von den alten Leuten ist noch ein ganzer Teil aktiv dabei. Wir machen zwar weniger aber immerhin. Andere kommen eher nur noch als Besucher, es gibt aber auch Leute die erst nach Jahren den Arsch hoch bekommen haben und jetzt aktiv mitarbeiten. Ja und dann sind da noch die Leute die weiter weggezogen sind. Die siehst du dann nur noch Weihnachten.

Oft sind ja so Aufgaben wie Kasse machen sehr beliebt, aber dann das Aufräumen am nächsten Tag eher nicht, trotzdem klappt das ja bei euch seit 1989. Wie organisiert ihr das?

Glaubst du! Eigentlich klappt das auch ganz gut, Ärger gibt es trotzdem immer mal wieder. Wir zahlen unseren Thekenleuten und auch den DJ`s Kohle, so zwischen 25 und 50 Euros. Die gibt`s aber erst am nächsten Tag nach dem Putzen. Außerdem hängen sowieso immer Leute im Bahndamm rum, die helfen dann auch mal und so klappt das dann. Für unsere Bandwohnung und so seltene Putzarbeiten wie Staubwischen und Fensterputzen haben wir einen Nacktputzer engagiert, der bekommt auch ein bisschen Kohle.

Wie laufen bei euch generell Entscheidungsprozesse ab, also wenn eine Punkband bei euch ein Konzert spielen will? Was sind die Konditionen für ein Konzert?

Kommt darauf an. Wenn einer von unseren Leuten, also alle die schon mehr als ein Konzert bei uns gemacht haben, eine Band machen wollen, können sie das auch tun. Voraussetzung ist ein freier Termin und eine bezahlbare Gage. Grundsätzlich ok ist auf Eintritt zu spielen, wir machen aber auch schon mal eine Festgage oder einen Mix aus beidem. Unsere Kosten sind die GEMA (meistens), unser Hausmixer und Essen + Trinken. Damit kommst du bei drei Bands ungefähr auf 200 bis 250 Euros, die wir gerne vom Eintritt hätten. Die Bands als solches werden eigentlich nur bei größeren Veranstaltungen untereinander abgesprochen, meist läuft das so im kleinen Kreis.

Wie viel Aktive habt ihr denn eigentlich?

Insgesamt sind wir bestimmt 30 bis 35 Aktive, die regelmäßig was machen. Wobei zu unseren wöchentlichen Treffen meist zwischen 10 und 20 Leuten kommen. Hängt immer von den aktuellen Problemen, Kartenvorverkauf oder anstehenden Hausverboten ab. Auf diesen Treffen werden dann die entscheidenden Sachen besprochen. Meistens sind wir uns einig, hin und wieder gibt es auch schon mal knappere Entscheidungen. Letztes Jahr haben wir mal eine Party für alle Aktivisten gemacht. Im weiteren Sinne sind wir da auf circa 70 Leute gekommen. Die meisten Aktivisten vom Bahndamm wohnen ja auch in Wermelskirchen.

Was gefällt dir eigentlich so in Wermelskirchen, die meisten wollen doch in die größeren Städte, wenn sie wegkönnen vom Land?

Im Grunde stimmt das auch. Die meisten sind aber nicht weiter als bis Köln gekommen. Im Prinzip ist Wermelskirchen ne pissige Kleinstadt mit einem netten Club. Ohne den wären vielleicht auch mehr Leute weggezogen. Aber du bist von uns aus ja in einer halben Stunde in Köln oder in Bochum, ist also nicht weit. Entscheidend sind aber die Mietpreise, denke ich. Für den gleichen Preis, für den du in Köln eine Besenkammer bekommst, kannst du hier ne vernünftige Wohnung mieten. Ich bin hier wohnen geblieben, weil ich in Wuppertal studiert habe und weil ich hier Fußball spiele.

Kannst du dir eigentlich erklären, warum es AJZ’s oft im Umland gibt, also z.B. in Köln gibt`s keines, dafür aber euch und das AZ Mühlheim an der Ruhr? Vielleicht ist so ein AJZ nur machbar mit einem Freundeskreis, der sich über Jahre kennt und das ist in der Großstadt vielleicht schwieriger, weil die Leute eher wechseln und neue dazukommen?

Dafür gibt es viele und auch sehr unterschiedliche Gründe. Die Politiker und Verwaltungsdeppen auf dem Land sind sicher einfacher zu überrumpeln, als in einer Großstadt. Bei uns wussten die auch zu Beginn gar nicht, was ein AJZ bedeutet und eine Hausbesetzung hatte es hier noch nie gegeben. In einer Kleinstadt kannst du nicht einfach eine Hundertschaft holen und alles zusammen knüppeln. Das ist hier nicht so anonym, da kennt jeder irgendwen. Wirklich wichtig ist aber der richtige Zeitpunkt, ein bisschen Glück und die Menschen die einen solchen Laden haben wollen. Grundsätzlich will eigentlich keine Stadt ein AJZ oder ein AZ, das war bei uns so und auch in Mühlheim, Aachen oder Leverkusen.

In Köln gab es bis vor ein paar Jahren doch auch immer einen genialen Konzertladen mit Kneipe und Konzertgruppe, zuletzt das Rhenania, und dann immer mal wieder Versuche, was zu starten wie den Bauwagenplatz unter der Rheinbrücke. Wenn du dir die Gründe für die Schließung des Rhenania überlegst kommen dir doch die Tränen. Seit dieser Schließung sind die Konzertpreise in den kommerziellen Läden stark gestiegen, die scheinen auch ein Interesse daran zu haben. Außerdem gibt es in den Großstädten schon auch linke, politische Läden. Die sind aber eher politisch orientiert und haben einen anderen Anspruch an ihre Arbeit. In der Provinz musst du auch eher mit Leuten zusammenarbeiten, die nicht die identische Einstellung haben und den Schwerpunkt auf „Kultur“ legen.

Das macht auch die Verhandlungen mit den Städten etwas einfacher. Vielleicht ist man hier auch eher bereit, Kompromisse einzugehen, um überhaupt etwas sinnvolles in seiner Freizeit machen zu können. Wir hatten das Glück, dass unser Laden als städtisches Jugendzentrum geschlossen werden sollte und für zwei Jahre kein Ersatz angeboten wurde. Das war unsere Chance! Ein relativ fertiger, leerstehender Laden und Erklärungsnotstand bei der Politik. Stress hat es in den 15 Jahren immer gegeben und den gibt es auch noch heute. Gerade am Anfang ist natürlich ein Freundeskreis oder eine feste Gruppe gut, damit intern nicht so viele Streitigkeiten aufkommen. Aber wir waren auch nicht alles Freunde, wir waren immer auch eine Zweckgemeinschaft aus Bands, politisch Interessierten und Musikfreunden. Aber allen gemeinsam war die Idee selber was zu machen. Von städtischen Läden und Sozialpädagogen, Konzert bis 23.00 Uhr etc., hatten wir die Schnauze voll.

Seit wann machst du im Bahndamm mit und was sind so deine Aufgaben? Kannst du so ungefähr deinen Zeitaufwand schätzen, den du für den Bahndamm aufwendest, also z.B. wie viel Emails du denn so am Tag bekommst?

Ich bin schon zu Zeiten einer städtischen bzw. kirchlichen Trägerschaft in den Bahndamm gegangen. Das war früher ein Drogenberatungszentrum mit offenem Bereich und da haben wir schon Konzerte mit Klamydia und Molotow Soda organisiert. Im Bahndamm mache ich so vier Konzerte im Jahr, immer nur Sachen, auf die ich Lust habe. Ich bin also nicht der Konzertorganisator, sondern mach auch schon mal was. Bei einigen Konzerten helfe ich Leuten, die nur mal hin und wieder was bei uns machen, ich bin dann sozusagen der Verantwortliche vom AJZ.

Wichtig ist auch meine Karriere als DJ beim Kaluscha Brother Sound System. Daneben mache ich öfters Kasse und die Terminabsprachen. Das sind die Sachen, die Spaß machen. Weniger Spaß machen Verhandlungen, Anträge an die Stadt und die Buchführung! Der Zeitaufwand ist schwierig zu schätzen, für die Verwaltungssachen so zwei Stunden die Woche. E-Mails bekomme ich so drei bis fünf am Tag, die auch nur teilweise beantwortet werden. Die Sachen, die mich nicht interessieren, lösch ich einfach. Teilweise bekommst du aber auch eine Scheiße zugeschickt, unglaublich.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es für dich bestimmt auch schon Situationen gab, wo du auf den ganzen Stress, der ja unbezahlt ist, oft gar nicht gewürdigt wird und wenn, dann durch Kritik, keine Lust mehr hattest – was sind so Situationen für dich, wo du merkst, „Yes, das ist genau mein Ding, es macht Spaß, dass zu organisieren, toller Abend“, und wo denkst du manchmal daran, alles sein zu lassen?

Mit dem Stress hast du schon recht, man braucht schon manchmal ne Pause, aber ein bisschen Stress brauch ich auch im Leben. Für mich ist die Arbeit im Bahndamm neben der Spaßsache ein politisches Ding. Ich glaube, das sind auch die entscheidenden Punkte, weiterzumachen. Musik und Politik. Mir macht diese Art der politischen Betätigung hundert mal mehr Spaß, als politische Arbeit an der Uni oder in einer Gruppe. Wir haben ja auch mal eine eigene Zeitung gemacht, aber dafür haben wir leider keine Zeit mehr.

Die letzte echt geile Situation war vor einem Monat, als es mal wieder Stress mit der Stadt gab und die uns einen Teil vom Laden abreißen wollten. Wir haben dann in einer Woche richtig mobilisiert und Stress gemacht und auf der entscheidenden Ratssitzung sind wir mit 250 bis 300 Punks, Metalls, HipHoppern und anderem Gesocks aufgetaucht. Das war schon geil, so viele Leute zu sehen, die zu einer schimmeligen Ratssitzung gekommen sind, um zu zeigen, wie wichtig ihnen der Laden ist. Fürs erste war die Aktion auch sehr erfolgreich, wir durften doch noch verhandeln und sind auch eigentlich mit dem Ergebnis ganz zufrieden. Bleibt nur die Frage ob auch alles so umgesetzt wird.

Als wir in Leverkusen unsere Konzertgruppe im Jugendzentrum Bunker gestartet haben, war für uns der Bahndamm immer das absolute Vorbild – als wir uns dann mal mit eurer damaligen Konzertgruppe „Ape Core“ getroffen haben, um mal ein bisschen Einblicke zu bekommen, war ich schon recht erstaunt: man hat den Eindruck, dass so viele Leute im Bahndamm aktiv sind, aber es stellte sich dann heraus, dass es ähnlich war wie bei uns im Bunker: an wenigen Leuten hängen viele Aufgaben, und die Leute opfern nicht nur ihre Freizeit, bekommen aber irgendwie keinen Dank und ziehen sich dann zurück; dass ist doch irgendwie ein Prozess, der doch in vielen Konzertgruppen ähnlich abläuft, woran liegt so was eigentlich?

Wir sind ja eigentlich anders organisiert als die Konzertgruppen sonst. Bei uns organisieren immer nur ein bis drei Leute die Konzerte. Thekenpersonal trägt sich selber ein, fürs Kochen und Kassemachen findet sich fast auch immer einer. Das ist für alle Musikrichtungen bei uns gleich. Aber auch bei uns hören Leute auf, Konzerte zu machen. Ich glaube aber nicht, dass das nur an mangelndem Dank liegt. Irgendwann hast du auch keine Lust mehr, Konzerte zu organisieren. Das ist ja neben dem Spaß auch viel Arbeit und sehr zeitintensiv. Zur Zeit haben wir kaum Leute, die Punk- und Hardcore-Konzerte machen.

Also, für mich war ja das Yuppicide- Konzert 1993 das erste Mal im Bahndamm – da war auch schon der Dickies – Clown als Bühnenhintergrund; haben die das da vergessen oder was?

Die Dickies kamen seinerzeit aus Holland und der Gitarrist oder der Bassist hatte das reine holländische Heroin nicht vertragen. Der Typ war in Holland schon verschollen und hat dann bei uns den Gig im Sitzen gespielt. Der Dickies Clown hatte uns einfach gut gefallen und war der Kompromiss, mit dem alle leben konnten. Da gab es eigentlich kein Hintergedanken bei. Na ja und dann konntest du den Clown in Fanzines oder auf Plattencovern wiedererkennen. Das hat dann den Ausschlag gegeben, den Clown beizubehalten, obwohl es auch Stimmen gab die etwas anderes im Hintergrund haben wollten.

Stimmt es eigentlich, dass Green Day, NOFX, Gorilla Bisquits und RKL bei euch gespielt haben?  Gibt es Konzerte, die dir persönlich in Erinnerung bleiben werden, im Guten wie im Schlechten?

Ja, die haben alle bei uns gespielt. Das waren aber auch andere Zeiten, es gab nicht so viele Läden, in denen du vernünftig Konzerte organisieren konntest und die Gagen waren bezahlbar. Anfang der 90er haben auch die kommerziellen Clubs nicht so hohe Eintrittspreise genommen und so konnten wir die gleichen Gagen zahlen. In Köln haben die Bands zu dieser Zeit meist im Roseclub gespielt und der ist ja noch kleiner als unser Laden. Gorilla Bisquits war echt witzig. Zu der Zeit hat der Harald angefangen, bei uns Konzerte zu machen. Der stand auf die Hardcore- und auch auf die Straight Edge Sachen. Wir haben ja eher Punkrock gemacht. Da Gorilla Biscuits als Straight Edger galten, haben wir dann das Konzert ohne Bierverkauf gemacht. Mit der Band sind wir dann zum Chinesen und haben erst mal festgestellt, dass die gar nicht so drauf sind. Die haben auch ein Bierchen gesoffen. Der Abend hat dann geendet, wie es kommen musste.

Konzert war geil und da wir ja offiziell keinen Bierverkauf hatten, haben wir uns mit diversen Leuten immer wieder in den Bierkeller verkrochen und waren am Ende richtig dicht und glücklich. Das war dann auch unser letztes Konzert ohne Bierverkauf. Witzig war auch das erste Klamydia-Konzert. Die haben dann bei mir gepennt. Ich habe noch nie ne Band erlebt, in deren Taschen soviel Biervorrat verschwinden konnte. Als wir bei mir ankamen, haben die erst mal die Hälfte der Pullen verloren. Richtig stressig waren die Konzerte eigentlich selten. One Way System wollten uns mal auf die Fresse hauen, weil wir die Gage dem Booker gegeben hatten und der sich dann verpisst hatte. Das waren für uns schon richtige englische Kanten und Assis und wir waren ja auch noch jung, klein und schön. Die haben dann aber eingesehen, dass der Booker der Typ war, der sie abgezogen hatte, was aber eigentlich auch nicht stimmte.

Dann gab es da noch die Geschichte mit Hammerhead und Impact, dass war ne Massenschlägerei. Die Impactleute haben dann aber noch ein paar Mal bei uns gespielt, auch als Winchester 73. Wichtig war auf jeden Fall das erste Molotow Soda Konzert 1989. Das war eines unserer ersten Konzerte überhaupt. Der Laden war rappelvoll, Eintritt war frei. Die alten Sozis haben schwachsinniger Weise sonst immer nur jeder Band das gleiche gezahlt. Egal wie weit die fahren mussten und ob 5 oder 150 Besucher kamen. Da dann ihre Ära zu Ende ging und wir die lange bequatschten, haben die dann die letzte Etatkohle ausgegeben. Es war einfach genial. Ich glaube, da sind wir von dem Virus „Konzerte machen“ angesteckt worden. Unser vollstes Konzert war auf jeden Fall EA 80 Anfang der 90er. Da haben wir im Konzertraum die Notausgänge aufgemacht und vorne haben die Leute bezahlt. Am Ende waren über 500 Leute drin. War eigentlich eine Frechheit, aber ein super Konzert.

Neben super Konzerten sind auf jeden Fall eure Partys erwähnenswert, z.B. kann ich mich da an einige Geburtstagspartys erinnern, wo sich immer wieder bewiesen hat, dass Linke mehr saufen können als Rechte (ob das jetzt gut oder schlecht ist, weiß ich nicht), zumindest habe ich selten soviel Bierkästen für 100 Leute an einem Abend trotz Freibier weggehen sehen. Finanziert ihr mit euren 1.Mai- und Sylvester-Partys die Konzerte oder ist das andersrum?

Die Partys sind schon gut besucht. Kult war die Freibierparty nach unserem Fußballspiel um 51 Kisten Bier. Das weiß ich noch genau, ich hatte nämlich einen Großteil zahlen müssen. Das war einen Tag nach Rheinkultur, super heiß, wir noch dicht vom Vortag und wir haben die anderen überlegen mit 5:4 nach Verlängerung von der Asche geschickt. Bei Partys, wie du sie oben angesprochen hast, verdienen wir schon gut Kohle, die dann aber eher in die Anlage oder ins Haus investiert wird. Wir brauchen auch im Monat so 600 Euros, um unsere laufenden Kosten zu decken. Da nehmen wir dann auch das Geld für. Die Konzerte sollten sich eigentlich selbst tragen. Zur Zeit funktioniert das auch ganz gut. Früher lief unsere Freitagsdisco so gut, dass wir jede Menge Konzerte machen konnten und eigentlich egal war, ob wir Verlust gemacht haben. Aber das war nur bis Mitte der 90er so. Seitdem achten wir darauf, dass sich alles einigermassen deckt.

Interessant finde ich ja, dass ihr wirklich alle Spektren von Independent Musik bedient – ihr habt die wohl bestbesuchteste Underground Metaldisco in NRW, den Outbreak of Evil, Reggae mit der International Crew of G., diverse DJ`s mit eigenem Sound, dann noch die Heartcore-Tage einmal im Jahr – in der Metalszene ist das AJZ ja auch sehr geschätzt, seht ihr euere Schwerpunkte dann so zwischen Punk und Metal?

Ich glaube, dass liegt eher daran, dass wir auch schon immer anderen Subkulturen die Möglichkeit gegeben haben, bei uns was zu machen. Wenn du dir unsere HipHopper und die Dancehall-Leute anschaust, sind die ganz anders als deren Vertreter in unserer Umgebung. Die kommen einfach aus unserem Laden und haben sich auch von unserer Organisationsform anstecken lassen. Das meine ich auch mit politisch bei uns. Die HipHopper haben nach jahrelangem Kampf hier in Wermelskirchen eine eigene Rollsporthalle bekommen und organisieren das ähnlich wie wir.

Auch die Bandszene ist für eine kleine Stadt wie unsere äußerst aktiv. Dass das mit den Metallern bei uns so gut läuft, liegt vor allem an den Leuten, die diese Abende organisieren. Die sind eigentlich auch nur ein harter Kern von zwei Leuten. Am Anfang hat es auch Reibungspunkte gegeben. Auch Faschos aus der Blackmetalszene sind hier anfänglich auch schon mal aufgetaucht. Aber wir waren uns dann schnell einig und haben hier klar Stellung bezogen zusammen mit den Metalls. Das war in deren Szene nicht unbedingt üblich. Nach einer Zeit, wo beide Seiten sehen, dass das jeweilige Ding korrekt läuft und gut ist, wächst auch die Akzeptanz. Mittlerweile kommen auch die Metalls zu Veranstaltungen, die eigentlich eher von uns gemacht werden oder wir veranstalten zusammen z.B. die Silvesterparty.

Wie sieht die aktuelle Situation für den Bahndamm aus? Das nette Waldgrundstück um euren Laden ist weg, eine Umgehungsstrasse wird gefährlich nah an euch herangebaut, ein Plus Markt kommt in die Nachbarschaft und dafür muss vielleicht ein Stück Biergarten weichem und bei dem „Sons of Tarantula“ -Konzert in diesem Sommer kam die Polizei.  Dreht die Stadt durch?

Tja, die Idylle ist vorbei. Das war aber klar wenn diese neue Straße kommt, an der man schon seit 40 Jahren plant. Damit kommen wir auch ins Blickfeld der Öffentlichkeit und unsere Innenstadtlage ist sehr lukrativ. Wie ich oben schon geschrieben habe, scheint mit dem Plus alles einigermaßen geordnet abzulaufen. Wir behalten unseren Laden in mindestens gleicher Größe. Das schöne Wäldchen und die Ruhe sind aber leider für immer verloren. Mit den Bullen gab es genau einen Monat Stress, das hat sich wieder gelegt. Warum weiß keiner, lag sicher auch an der riesigen Baustelle und den genervten Nachbarn.

Frank, leider muss ich es ansprechen: einmal im Jahr macht ihr ja auch ein Fussballturnier – 1997 haben wir euch mit der Wilden Wiese Leverkusen ja völlig zu Recht vernichtend geschlagen mit 4:1, seit dem gab es einen gefälschten Sieg von euch in der Hölle von Tente – was ist deine Prognose für den Sieger dieses Jahr bei eurem Turnier?

Da wir euch ja mittlerweile gewinnen lassen haben, braucht es hier keine Prognose mehr. Aber erstens habt ihr seinerzeit 5:1 gewonnen, so viel Zeit muss sein, aber du willst doch diese Wiese, auf der wir spielen mussten, nicht als Fussballplatz bezeichnen (Anm: Na gut, stimmt, es war das Bayer Werksgelände vorm Pförtner 4 :)). Blumen mitten auf dem 270 m langen und 25 m breiten Platz, tiefster Dschungel als Seitenbegrenzung und Kuhfladen als Elfmeterpunkte und ich dachte wir kommen vom Land. Aber die Antwort habt ihr ja schon bekommen und nach internationalen Regeln (kennt ihr so was überhaupt) haben wir euch deklassiert, demoralisiert und nie wieder mit Fussballschuhen auf unserer heiligen Asche gesehen. Solltet ihr aber dennoch nochmals Lust auf eine Demonstration der höheren Fussballschule haben, stehen wir gerne zur Verfügung.

Frank, trotz grober Analyseschwächen im letzten Frage-Teil vielen Dank für das Interview.

Interview: Jan Röhlk, der meint: Wer ist eigentlich ABC No Rio 🙂 ?


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