August 28th, 2019

PUNKSTELLE aus # 181, 2016

Posted in interview by Jan

„Die Punkstelle soll einfach ein Multiplikator für die lokale Punkrock-Szene in Köln/Bonn und Umgebung sein. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.“

Sozusagen als Nachschlag zu meinem Interview mit der Rhein-Main-online-Terminseite Copyriot gibt es jetzt ein Interview mit Niels von der Kölner Punkstelle. Die Punkstelle ist ein online-Kalender mit allen wichtigen Punk-HC-Konzerten im Kölner Raum bzw. Rheinland. Es gibt aber nicht nur AJZ-Gigs, sondern auch grosse Konzerthinweise wie z.B. AC/DC.

Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sagen, dass die Punkstelle das wichtigste Info-Medium für HC-Punk-Konzerte in Köln ist. Da ich dieses Werk seit Jahren selber nutze, aber keine Ahnung habe, wie die Punkstelle funktioniert, interviewte ich diesbezüglich den Macher Niels. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass diese Arbeit von Online-Terminkalender-Menschen so unglaublich geil und auch wichtig ist, deshalb soll dieses Interview natürlich auch irgendwie eine Würdigung an die ganzen anderen Online-Kalender-Leute bundesweit sein, sorry, ich schaffe es nicht, alle zu interviewen…

Hey Niels, schön, dass du dir Zeit für das Interview nimmst. Ich nutze die Punkstelle seit vielen Jahren, weiss aber gar nichts über den Macher, also dich. Du bist Deutschpunka, aber wat noch, har har?
Niels: Haha, als Deutschpunka wurde ich noch nie bezeichnet. Passe da nicht zum pflegelhaften Erscheinungsbild des gemeinen Deutschpunka. Es gibt hier in Köln noch ein paar andere Nilse, denen man die Punkstelle eher zutrauen würde. Da hat es auch schon kuriose Verwechslungen gegeben. Zum 15. Geburtstag der Punkstelle Anfang des Jahres, der mit einem 3 tägigen Konzert im Sonic Ballroom gefeiert wurde, hat ein anderer Nils einer Band zugesagt.

Da ich zu dem Zeitpunkt eh gerade im Hamburg unterwegs war, er aber ganz im meinem Sinne gehandelt hat, muss er mittlerweile dafür mit mir zusammen auch die Postings für die Punkstelle bei Facebook schreiben. Den Job teilen wir uns seit einiger Zeit da also. Konzerte organisieren kommt bei mir seltener vor, im Durchschnitt alle 5 Jahre. Da ist der andere Nils deutlich aktiver. Ich gehe lieber selber auf Konzerte und das dafür umso häufiger.

Da hat man meistens mehr von und kann die Bands stressfrei genießen. Bei der Vielzahl der Konzerte, die es im Köln/Bonner Raum zum Glück gibt, habe ich auch den Kalender gemacht. Dadurch verliere ich selber nicht ganz den Überblick und verpasse keine Konzerte mehr. Also ist die Arbeit quasi ganz das Gegenteil von selbstlos und uneigennützig. Auch wenn ich zugegebenermaßen wegen der Updates manchmal eine faule Sau bin. Ab und an habe ich auch noch den meist recht undankbaren Job und darf irgendwo als Kneipen-DJ auflegen, was mir aber immer wieder Spaß macht.

Habe sonst viel zu selten Gelegenheit meine Musiksammlung in netter Umgebung zu durchstöbern und neu zu entdecken. Tja, und ganz nach dem Motto „der Schuster hat die schlechtesten Schuhe“ bin ich beruflich dann noch Webentwickler, denn ich kann auch wirklich professionelle und gute Websites machen! Glaubt mir ehr keiner, der sich mal den Quellcode der Punkstelle angesehen hat. Man soll ja am besten immer nur das machen, was einem auch Freude macht! Versuche mich daran zu halten.
Danke für die umfassende Vorstellung, lieber Niels. Dann hast du den online-Kalender also gar nicht gemacht, „um aktiv etwas für die Szene zu machen“, sondern für dich, damit du deine Konzertobessionen besser pflegen kannst?
Niels: Letztendlich tut man doch fast alles auch immer für sich. Als ich vor 15 Jahren in Bonn die Homepage mit FrontPage Express zusammengebastelt habe, gab es dort inhaltlich noch einiges mehr zu entdecken. Adressen von Läden, News aus der Szene, ein Forum, meine komplette Plattensammlung für den Tausch von Kassettenkopien und ne verdammt umfangreiche und sehr beliebte Linksammlung von Punkbands aus Deutschland mit einer kleinen Kurzbeschreibung.

Der Kalender war damals immer nur ein Teil davon. Mir ging es darum eine persönlich geprägte regionale Infoseite zu machen, die hilft sich schnell einen Überblick zu verschaffen was in Bonn und Umgebung los ist. Ich komme ja ursprünglich eher vom Dorf aus der Ecke Lohmar/Siegburg bei Bonn und fand solche gedruckten Szene-Adresssammlungen wie „Buch dein eigenes beficktes Leben“ immer selbst extrem hilfreich. Aber sowas zu drucken ist natürlich suboptimal.

Das Internet ist halt immer viel aktueller. Google war aber damals noch nicht so groß wie heute und von Social Media und Web 2.0 hat damals noch keiner gesprochen. Wenn man in der Stadt unterwegs war achtete man viel stärker auf Plakate, sammelte Flyer und stand minutenlang vor ellenlangen ausgedruckten Konzertlisten an Vorverkaufsstellen. Und da hat sowas wie die Punkstelle echt einfach gefehlt, was sich dann später auch in den recht ordentlichen Zugriffszahlen wiederspiegelte. In Köln gab es vom Müllamanfred die Website „koelnkrach.de“, die das gleiche Konzept verfolgte.

Früher war halt alles noch etwas überschaubarer, da gab es nicht soviele Seiten im Web auf denen man sich informieren konnte. Auch für Konzertveranstalter waren die Konzerttermine hilfreich um zu prüfen, dass sich die eigenen Termine nicht mit anderen Veranstaltungen überschneiden. Heute achtet da niemand mehr drauf. Noch nicht einmal werden Konzerte notfalls zusammengelegt. Das ist schon ein wenig bedauerlich. Trotzdem finde ich toll wie aktiv hier in Köln die unterschiedlichen Veranstaltungsgruppen sind und propagiere immer „Support your local Punkscene“!
In den 15 Jahren gab es aber auch Pausen, wo die Punkstelle offline war, warum das eigentlich?
Niels: Das war eigentlich nur eine Pause, dafür war diese dann direkt eine mehrjährige Offline-Zeit. Das fing alles damit an, dass die Website gehackt wurde. Das waren jetzt kein Hackerangriff von Nazis, aber natürlich auch so schon extrem ärgerlich genug. Da ich mir Sorgen machen musste, dass man über die Punkstelle Schadware auf seinen Rechner bekommt, habe ich die Seite komplett aus dem Netz genommen. Später fand ich die gesamte Website ist im Zeitalter von Facebook & Co. doch stark überholt und machte nach meinem Empfinden so keinen Sinn mehr.

Denn es läuft ja fast alles nur noch über Facebook und so hat sich bei mir auch alles nur noch auf Facebook und die Fanpage der Punkstelle konzentriert. Da jedoch gerade im Punkbereich viele Facebook nachvollziehbarerweise extrem kritisch gegenüberstehen und nicht nutzen, gab es viele Beschwerden, dass die alte Website ganz weg ist. Zuletzt war ja eigentlich auch immer nur noch der Kalender den Leuten wirklich wichtig und so habe ich den dann halt wieder gepflegt und online gestellt. Ich war überrascht, dass nach der langen Zeit die Besucherzahlen wieder wie früher war. Also ist die Arbeit scheinbar auch nicht für’n Arsch. 🙂
Nein, deine Arbeit ist überhaupt nicht für den Arsch, im Gegenteil! Man müsste ja sonst alles selber recherchieren, regelmässig die Homepage der revelanaten Läden absurfen, das wird einem ja nun total abgenommen und von dir klasse aufbereitet, danke danke danke dafür. Wie bist du eigentlich auf den Namen „Punkstelle“ gekommen? Noch zufrieden damit?
Niels: 1997 kam von Nasty Vinyl, Wolverine und Impact Records ein gemeinsamer Gratis-Label-Sampler mit dem Titel „Die Drei von der Punkstelle Vol. 1“ raus, der auch die CD-Beilage zum Plastic Bomb war. Die drei Labels bewarben damit ihre aktuellen Veröffentlichungen. Ich fand die Wortschöpfung ganz originell und passend. Da es auch nie eine Fortsetzung davon gegeben hat, fand ich das legitim den Namen für meine Homepage aufzugreifen. Vermute aber dass der Ursprung bei irgendeinem Musikjournalisten liegt, denn die ÄRZTE wurden wohl früher auch schon als „Die 3 von der Punkstelle“ bezeichnet, angelehnt an die s/w Filmkomödie „Die Drei von der Tankstelle“. Vor 2000 hieß meine Seite übrigens nur „Punkpage“ mit dem Untertitel „Niels gelbe Seiten“.

Für die Verwendung von „gelbe Seiten“ gab es recht schnell ne Abmahnung. Vermutlich auch nur weil mich Google zeitweise mit diesen Suchbegriffen besser positionierte als die große DeTeMedien GmbH. Sorry, Gelbe Seiten, war keine Absicht! :-)) Den Untertitel habe ich kurzerhand zu „Niels seine Seiten“ umbenannt, die Seiten durften freundlicherweise punkig gelb bleiben. Wegen „Punkstelle“ hatte dann niemand Rechtsansprüche erhoben. Habe mich mittlerweile an den Namen gewöhnt, dass ich das Gefühl habe er wäre meiner Schöpfung entsprungen und gebe den jetzt auch nicht mehr her! Hehe. Wenn irgendwann alle Ressourcen der Erde aufgebraucht sind, wird kein Kind mehr erfahren was eine Tankstelle ist. Daher bin ich mir sicher, dass die Punkstelle die Tankstellen noch überleben wird! Aber tätowieren muss ich mir das Punkstelle-Logo jetzt aber auch nicht.
Verstehe, interessante Geschichte, die Verbindung zur Tankstelle habe ich erst jetzt verstanden, ähem ja… Du hast ja wirklich eine große Bandbreite an Konzerten drin, von AC/DC bis AZ. D.h. du bringst nicht nur die Konzerte in DIY-Länden, sondern aus fast allen Läden. Finde ich natürlich vom Service-Gedanken klasse, so muss ich nicht gucken. Ist das organisch gewachsen oder war das eine bestimmte Entscheidung, alles abzubilden?
Niels: Ursprünglich wollte ich nur Konzerte aus der näheren Umgebung aufnehmen, die ich persönlich interessant oder unterstützenswert finde. Das hat sich mit der Zeit nach und nach doch etwas geändert. Mittlerweile liste ich auch Konzerte auf, die ich nie besuchen würde. Aber bei denen ich mir vorstellen könnte, dass sie für meinen Bekannten- und Freundeskreis interessant sein könnten. Der Schwerpunkt liegt aber eindeutig auf lokale Punk-Rock/Hardcore Shows und so soll und wird es auch bleiben.

Heavy-Metal und Doom, Hip-Hop und Rap, Schlager und Pop kann ich nicht ausstehen. Das liegt sicher nicht an den Musikern dahinter, die durchaus total nette und coole Typen sein können. Aber das ist musikalisch halt so gar nicht mein Ding. Bei so etwas wie Indie, Rock, Ska und Liedermacher bin ich jedoch toleranter. Kleine Acts, für kleines Geld, in kleinen Läden sind aber immer die wahren Geheimtipps für geile Konzerte. Auch wenn ich AC/DC auf den Kölner Jahnwiesen tatsächlich sehr gerne gesehen hätte. :-))
In Köln gibts für linksradikale Politik ja auch den Plotter – politische Veranstaltungen, DJ-Termine in Kneipen oder gar Kino-Filme in DIY-Läden, das wäre zu viel oder?
Niels: Ja, das sehe ich auch so. Bin ja schon mit dem Kalender in der jetzigen Form total überfordert. 😉 Bin sehr froh, dass es den Plotter in Köln gibt! Aber diesen emanzipatorischen Anspruch habe ich bei meinem Kalender sicher nicht. Neben den Konzerten finden sich manchmal auch ein paar andere Termine wie antifaschistische Demos in der Stadt oder Lesungen von Autoren der Punk-Szene. Das gehört einfach dazu!
Gabs auch schon mal Kritik, dass du zu kommerzielle oder zu sexistische Konzerttermine aufgenommen hast, erzähl uns von Skandalen, das wollen wir von der Presse doch eigentlich am liebsten wissen, har har.
Niels: Bei Ankündigungen von Konzerten im AZ Köln muss ich mir da ja hoffentlich keine Gedanken machen. Har har. Stop. Obwohl? Wenn ich da an WHAT WE FEEL aus Moskau denke? Da gab es wirklich von einigen wenigen Menschen den Vorwurf die Band sei sexistisch und homophob. Das war aber wirklich haltlos. Natürlich gibt es Bands, die viele nicht im Kalender der Punkstelle sehen wollen, wie zum Beispiel DIMPLE MINDS („niveaulos“), OHL („fragwürdige Symboliken“), EXPLOITED („Wattie mit Nazi“), BROILERS („kommerzieller Pop“), SUPERNICHTS („Chauvinisten“) oder KASSIERER („primitiv“). Diese Kritiken erreichen mich dann aber meist auch nur von Freunden und dann diskutiere ich auch gern und lasse mich belehren oder auch nicht.

Vermutlich ist manche Kritik teils auch nicht ganz unberechtigt. Aber ich denke jeder kann sich doch seine eigene Meinung bilden. Und jeder muss selbst wissen auf welche Konzerte er geht oder nicht. Macht mich aber bitte ruhig aufmerksam, wenn ihr meint eine Band entdeckt zu haben, die nicht in den Kalender gehört. Fehler passieren! Bei der Vielzahl der Bands im Kalender ist er mir leider unmöglich vorher genau nach jeder Gruppe im Internet zu recherchieren.

Und vieles, was im Internet steht, ist ja auch manchmal nur Quatsch. Zum Glück wohne ich ja aber nicht im Ruhrpott, sondern im beschaulichen Köln/Bonner-Rheinland. Hier ticken die Konzertveranstalter, -gruppen und Läden alle etwas behutsamer. Auf die meisten kann man sich da wirklich verlassen, so bleibt die Kritik auch meist aus. Echte Skandale kennt man hier nicht. Und falls doch mal, werden diese auch schnell wieder vergessen! :-))
Niels, man munkelt, es gebe – ähnlich dem Pirelli-Kalender – an auserwählte Menschen eine Print-Version der Punkstelle… Nee, ist natürlich frei erfunden, wobei, hast du mal an eine gedruckte Version gedacht?
Niels: Der Pirelli-Kalender ist erfolgreich geworden ohne dass ein einziger Konzert-Termin darin steht. Respekt! Vielleicht sollte ich zukünftig auch einfach auf die Termine verzichten? Werden eh überbewertet und zuviel Text liest eh keine Sau mehr. Ich hatte mal überlegt den Kalender als Hörbuch raus zu bringen. Natürlich auf Vinyl, aber die ganzen „Punkrock“-Label waren irgendwie nicht zu überzeugen. Wer ne gedruckte Version haben will muss sich leider einen Job suchen, damit man die Webseite auf der Arbeit ausdrucken kann. Kürzel Strg+P! Vor dieser Papierverschwendung rate ich jedoch ab. Mit dem Papier kann man besseres anstellen, z. B. Papierhüte oder zeitlose Interviews abdrucken. 😉
Machst du eigentlich die Punkstelle ganz alleine, war das immer schon so?
Niels: Das was unter www.punkstelle.de zu sehen war und ist, habe ich zusammengestellt. Aber es gibt Informanten und Sympathisanten, die mir hilfreich und auch beratend zur Seite stehen. Ganz vorne steht da auch der bereits erwähnte Nils, der nun mit mir zusammen die Facebook-Seite macht. Der Nils ist überall aktiv und bekommt den ganzen Tratsch und Klatsch immer mit. Wir ergänzen uns ganz gut, weil wir ständig völlig gegensätzliche Ansichten vertreten. Es ist aber nicht wirklich wichtig wer dahinter steckt. Ich bin auch austauschbar. Die Punkstelle soll einfach ein Multiplikator für die lokale Punkrock-Szene in Köln/Bonn und Umgebung sein. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.
Tja, ich bin soweit mit meinen Fragen durch… gibt’s noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Niels: Eine Zulu-Weisheit lautet: „Ein alter Mensch hat den Kalender im Bauch.“ – Na dann, lasst euch die Termine schmecken, guten Appetit! 😉

Interview: Jan Röhlk
Kontakt: punkstelle.de, facebook.com/punkstelle.de

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