April 1st, 2020

WØLFENSTEIN (#170, 2015)

Posted in interview by Thorsten

Noch recht jung an Jahren, was das Bandalter betrifft, ist die als Nebenprojekt gestartete Band Wølfenstein gleich zu Beginn ihres Daseins im Sommer 2012 mit einem ordentlichem Knall in der hiesigen Szene aufgeschlagen. Grund dafür waren vierzehn Songs, die zum Großteil bereits innerhalb der ersten gemeinsamen Probe entstanden sind, nach wenigen Stunden von Frontmann Edgar mit Texten versehen waren und dann auch sehr schnell als Debüt-Demo erschienen. Auf die Ohren gab es dabei kein anspruchsvolles Gefrickel oder Post Post Core, sondern Hardcore Punk, wie er nur noch selten in Erscheinung tritt: aneckend impulsiv, dreckig hingerotzt und voller Mittelfinger. In Genres gesprochen: eine Mischung aus crustigem Punk, Power Violence, Fastcore und ruppigem Hardcore. Ein besonderer Aspekt an der Band ist darüber hinaus, dass die vier Stuttgarter eine ordentliche Portion politisch fokussierten Punk-Spirit atmen, der sich zum Beispiel in den zumeist sehr kurzen, nicht selten simpel gehaltenen, stark antikapitalistischen oder antifaschistischen Lyrics widerspiegelt oder auch in einigen Statements auf ihrer Facebook-Page durchschimmert, geht es etwa um Political Correctness, Unterstützung für Flüchtlinge oder Anti-Nationalismus. Was die Band zu solchen Themen zu sagen hat, konnte ich mit der bunt gemischten Truppe – Alter zwischen 19 und 26; zwei Veganer, ein vegan lebender Straight Edger; Drummer Lorenz und Bassist Michi studieren noch, während Frontmann Edgar als Sozialpädagoge arbeitet und Gitarrist sowie Songschreiber Max eine Ausbildung macht – Mitte Oktober in ihrem Proberaum im JuHa West zu Stuttgart bequatschen.

Jetzt konnte ich in dem kurzen Abriss zu eurer Band-Geschichte entnehmen, dass die erste Wølfenstein-Demo, die ja doch gut für Furore sorgen konnte, Ergebnis einer sehr kurzen, aber dafür immens produktiven, quasi „Kennenlern“-Phase eurerseits war. Sind die Unterschiede zwischen eurer Demo, die viele sehr kurze Tracks hat, und den letzten, etwas komplexeren Songs auf diesen Umstand zurückzuführen oder rührt das woanders her?

Edgar: Zum Teil, es hat verschiedene Gründe. Wølfenstein als Nebenprojekt und die damit verbundenen Demo-Songs waren zu dem Zeitpunkt für mich eine willkommene Abwechslung, weil es verdammt schnell und straight war, während in meiner damaligen anderen Band das Songwriting sehr langatmig war und wir eher langsame Songs spielten.
Max: Zudem haben wir alle zu dem Zeitpunkt selber nicht gedacht, dass das mit Wølfenstein etwas Ernstes wird. Es war eigentlich nur ein Nebenprojekt, welches aber eben total gut funktioniert hat.
Michi: Aber wir haben es uns auch recht einfach gemacht, dass muss man schon sagen.
Edgar: Ja, wir spielen von der Demo nur noch eins, zwei Songs, weil wir die eigentlich nur noch schrecklich finden. [lacht]
Max: Es war halt ultramotivierend, der ganze Output gleich zu Beginn. Ich kannte das vorher von keiner Band, das es von der ersten Probe an so gut funktionieren kann.
Edgar: Aber auch die darauf folgenden vier Songs, die jetzt auf der Split mit Sullen Walk drauf sind, haben wir recht schnell geschrieben. Es hat nur recht lange gedauert, ehe wir uns entschieden haben, wie wir aufnehmen, ob DIY oder in einem Studio, welches Medium, haben viel herum diskutiert, und dann hatte es auch nicht mehr richtig mit unserem Drummer funktioniert, der zeitlich immer stärker durch seinen Job eingebunden war. Das hat alles sehr lange gedauert, ehe es dann wirklich zur Aufnahme kam.
Max: Ich habe zudem erst 2011 angefangen, Gitarre zu spielen, deswegen waren die Demo-Songs natürlich simpler, weil wir zum Teil einfach auch nicht mehr konnten. Und es ist weiterhin ein für uns wichtiger Prozess, dass wir schauen, dass wir einfach das Beste aus unserem Können machen. Unser musikalischer und lyrischer Anspruch ist auf jeden Fall gestiegen, einfach auch, weil wir gemerkt haben, dass es mehr als fünf Leute gibt, die uns mögen.

Aber man kann schon sagen, dass eure Demo sehr gut angekommen ist oder? An den Facebook-Likes ist heute ja doch einiges abzulesen, da würde ich sagen habt ihr mit eurer Demo einiges richtig gemacht und auch überregional für Aufsehen gesorgt.

Michi: Ja, kann man schon so sagen, wir hatten überwiegend positive Rückmeldungen.
Edgar: Wir haben auch recht schnell viele Anfragen für Shows erhalten, was wir so gar nicht erwartet haben – es war schon ein bißchen verrückt, da eben nur diese Demo existiert hat und wir auch nicht aktiv für Shows angefragt haben.
Max: Wir haben alle nicht erwartet, dass die Demo so gut ankommt. Zum anderen aber kam die Demo genau zu einer Zeit heraus, in der die Leute wieder angefangen haben 90er Power Violence und auch schnelleren Hardcore Punk zu feiern und Punch gerade als Fastcore-Band sehr gut ankam. Von denen haben wir uns zum Teil auch inspirieren lassen, das kann man auch ein wenig hören. Ich glaube schon, dass dieser Trend uns auch gepusht hat, so bescheiden sind wir dann schon. Aber es war eben auch krass zu sehen, wie schnell man uns auch außerhalb von Stuttgart kannte.

Apropos Stuttgart, wie empfindet ihr die Szene hier? Ihr als eher jüngere Band, wie sind da die Connections zu den vielen anderen Bands wie Empowerment, Hell & Back, Pessimistic Lines oder Lion City?

Edgar: Das ist ein ganz gutes Miteinander hier. Wir spielen z.B. sehr gern mit Pessimistic Lines zusammen, die ja doch eher zur älteren Generation gehören. Es ist eine sehr positive Szene hier, man pusht sich gegenseitig, das läuft alles sehr freundschaftlich.
Lorenz: Gerade das Anti-Establishment-Festival vor einer Weile, das war ein sehr gutes Beispiel dafür. Es waren eigentlich nur Bands aus Stuttgart am Start, und wir haben uns alle sehr gut verstanden – das war echt eine gute Sache.
Edgar: Und auch gerade mit den Älteren, da ist man sehr schnell auf einer Ebene und wird auch von ihnen unterstützt. Da gibt es kein Gemecker über die Jungen oder das es früher besser war. Keiner ist abgehoben, ich find´s toll hier in der Stuttgarter Hardcore-Szene.

Und wie ist generell euer Verhältnis zur Stadt Stuttgart? Gerade auch mit Verweis auf den aktuellen Cover-Song von Empowerment, „Stuttgart“ von WTZ, der ja mit „Stuttgart Stuttgart – falscher Schein, ich will nicht in Stuttgart sein!“ endet.

Edgar: Sag du mal [zu Lorenz], du bist ja eben erst hier hingezogen.
Lorenz: Ja, also ich bin schon gern hier. Klar, das ist schon sehr personenspezifisch, ich mag z.B. den Wasn gar nicht, und wenn die die Wasn-Zeit ist, dann ist es hier weniger schön. Aber an sich, ich komme auch eher vom Dorf, gefällt mir das Großstadtleben hier schon.

Also ihr würdet nicht so einen Anti-Stuttgart-Song schreiben?

Edgar: Ich denke nicht. Aber ich glaube auch Empowerment haben den eher aus Ironie gecovert, ich denke die mögen Stuttgart. Die haben ja auch einen Song, der „Stuttgart Asozial“ heißt, und in ihren Songs wird Stuttgart an sich auch viel thematisiert, als prägender Ort der Sozialisation und so, und deswegen ist es glaube ich eher Ironie. Also sie mögen ihr Lebensfeld in Stuttgart, aber kritisieren das andere Stuttgart, rund um die Königsstraße mit seinen ganzen teuren Geschäften und die Theodor-Heuss-Straße. Zu mir persönlich kann ich sagen, dass ich auch zugezogen bin, vor sechs Jahren ungefähr, und Stuttgart ist schon mein Zuhause geworden. Wir haben auch einen neuen Song geschrieben, der heißt „Städter“, nach einem Gedicht von Alfred Wolfenstein, wo es um das Stadtleben geht, in dem viele Menschen eng beieinander leben, aber einsam sind. Und wenn ich den Song singe, dann denke ich an Stuttgart, wie ich hier zu Beginn herkam, aus einer Kleinstadt mit vielen Faschos. Und der Prozess des Einlebens, du bist alleine, deine Freunde sind weg, und dann lernst du neue Menschen kennen, findest eine Subkultur – das ist für mich „Städter“.
Max: Aber man muss schon ein wenig unterscheiden, da Stuttgart für eine recht große Stadt relativ subkultur-ungeeignet ist. Es gibt kaum eine DIY-Kultur, und wenn ich an Berlin oder Leipzig denke, mit ihren breiten Angeboten, was AZs, besetzte Häuser oder Wohnprojekte betrifft, oder den kulinarischen Aspekt, …
Edgar: Man kann in Berlin um drei Uhr nachts vegane Pizza essen gehen! Und der Laden ist voll.
Max: … dann ist eben sehr schade, dass es das bei uns weniger gibt. Es rüsten jetzt zwar langsam alle nach, was zum Beispiel die vegane Küche betrifft und natürlich schön ist, aber manchmal würde ich am liebsten mit der kompletten Band nach Berlin ziehen.
Edgar: Das ist auch das, was ich meine. Ich mag Stuttgart halt, weil ich hier einen wichtigen Teil meines Lebens gelebt habe, aber das hat mit dem lokalen Ort Stuttgart erst einmal nichts zu tun. Mir geht es da eher um die emotionale Verbindung, weil ich mich hier zuhause fühle. Stuttgart als Ort: geht so. Stuttgart als Gefühl: geil! [lacht]

Wie sieht´s hier generell mit Nazis aus? In Göppingen, was ja nicht so weit entfernt ist, scheint z.B. immer viel los zu sein.

Michi: In Stuttgart an sich sieht man nur selten Nazis, aber wenn man ein wenig nach außen geht, Göppingen, Heilbronn oder Pforzheim, da gibt es schon viele Stories, wo z.B. Hütten, in denen Ausländer gefeiert haben, angezündet wurden.
Max: Es ist zum Teil sehr schwer zu beurteilen. Die sitzen immer außerhalb der Stadt und treffen sich an Orten und Kneipen, wo es dann heißt „Geschlossene Gesellschaft“. Es erinnert mich an „Der Hobbit“, es passiert alles sehr stark im Dunkeln.
Edgar: Ich finde den Vergleich richtig gut. Es ist halt sehr lokal getrennt und wenn man sich nicht in den Kreisen bewegt, kriegt man eben nichts mit. Es ziehen eben keine Horden von Faschos durch die Königsstraße, die haben auch keine richtige Plattform hier. Bei der letzten Kundgebung, bei der ich war, waren zehn Faschos und knapp eintausend Gegendemonstranten. Es passiert eher alles draußen, z.B. eben in Göppingen und drum herum.

Und wie sieht es in der Szene hier aus, gibt es da Nazis?

Michi: Bei Konzerten oder so habe ich noch keine gesehen, aber es gibt halt Leute, die z.B. Burzum hören und das ist für mich ein klares No-Go.
Edgar: Es sind eher subtile Sachen, eben mit Burzum-Shirts oder Political Incorretness, was sich meiner Meinung nach auch immer stärker in der Hardcore-Szene, lokal wie global, gerade verwurzelt. Es ist halt immer geil edgy zu sein, z.B. den Macker zu machen und Leuten auf Shows auf die Schnauze zu hauen oder eben dumme Witze zu machen, über Frauen, das gibt es schon viel. Und je nachdem, auf welche Show du gehst, ist es dann auch krass verbreitet. Ich arbeite auch oft auf Shows hier im JuHa West und dann gibt es schon manchmal Bands, von denen ein Bandmitglied krass Mädels angräbt, sie anpackt und mit Sprüchen wie „Sei nicht so prüde“ belegt, wenn sie darauf kein Bock haben. Klar, das sind keine Nazis und wenn man sie fragt, dann sind sie sicherlich auch gegen Nazis und Sexismus, aber sie machen Hardcore und deswegen muss man das kritisieren. Das ist schon sehr schwierig. Und ich will auch gar nicht sagen, dass wir nicht angreifbar wären. Jeder hat schon einmal etwas Problematisches gesagt oder gedacht, und Hardcore bietet da nur noch sehr wenig eine Plattform, wo es zumindest diskutiert und besprochen wird.

Der Mainstream im Hardcore ist schon eher unpolitisch, und klar, jeder ist gegen Nazis.

Edgar: Ja, das ist auch dieses Standard-Ding, gegen Nazis, Rassisten und zum Teil auch gegen Homophobie. Aber das sind viel zu oft auch einfach nur Phrasen.

Ich hatte mal vor einer Weile die Facebook-Page von „Hardcore Worldwide“ geliket, um ein paar neue Bands kennenzulernen. Musikalisch war das dann zum größten Teil sehr rumpelig und anspruchsarm, aber viel krasser waren eben die Videos an sich, wo dann jeder dritte Clip entweder vom Saufen oder von Frauen in Bikinis handelte oder aber gänzlich im Gangster-Style gedreht wurde. Ich musste das leider recht schnell wieder disliken.

Edgar: Ja, das finde ich auch sehr problematisch. Klar, es ist immer leicht, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, und ich weiß, dass jeder schon mal etwas Problematisches gedacht, gesagt oder getan hat. Die Tatsache ist eben, dass dies nicht mehr diskutiert wird, sondern dass diese Sachen einfach toleriert werden – und das ist sehr schade.
Michi: Der Mainstream im Hardcore schmettert Kritik ganz einfach ab. Es ist schon eher verpönt, was Kritisches zu sagen, von wegen „Oh, political correctness, voll blöd“.
Max: Wir hatten auch letztens eine Diskussion mit einem richtig stolzen Antifa-Typen zum Thema Sexismus, und da ist mir auch aufgefallen, dass selbst die Antifa´s sexistische Witze machen oder das so etwas zumindest dulden. Ich glaube auch, das liegt generell ein bißchen am Süden, weil hier alles etwas ländlicher ist und hier viele Grauzonen-Typen unterwegs sind, die FreiWild hören und eben auch ein bißchen Hardcore.
Edgar: Sie schüttelt den Kopf. [deutet auf Juja, eine Freundin der Band, die beim Interview dabei ist]
Juja: Ich bin viel in den Szenen im Ruhrgebiet und im Rheinland unterwegs, und da ist es genauso schlimm. Mit Sexismus ist es eigentlich überall krass.
Edgar: Man muss sich damit einfach auseinandersetzen und Leuten auch Kontra geben. Ich wusste vor vier Jahren auch noch nicht, was Feminismus ist. Da musste mich auch erst mal jemand darauf hinweisen und eben sagen: „Fick dich, das war dumm was du gesagt hast“. Dann kannst eben auch sagen „Fick dich!“ und zumachen, oder du kannst anfangen zu reflektieren.

Ein Grund, warum ich euch ein Stück weit in der Nähe auch zum Deutsch-Punk sehe, war, dass ihr am Tag der Deutschen Einheit auf Facebook etwas meines Erachtens sehr Anti-Deutsches (“Today is the anniversary of the german unity. As every year people gather to gather to celebrate this day. As every year we absolutly disagree with celebrating a nation built on racism, opression, exclusion, capitalism, poverty and exploitation. We will forever stand for a world free of nations, free of borders. No nation, no borders, no Germany!“) geschrieben hat, was so in der Form sehr selten in der Hardcore-Szene stattfindet, also eben dieses Anti-Deutsche.

Michi: Es war weniger Anti-Deutsch als Anti-National.
Edgar: Also wir sind nicht Anti-Deutsch, falls du das meinst.
Michi: Wir sind Leute, die sich nicht über ihre Nation definieren. Wir kommen eben aus Deutschland und wenn Tag der Deutschen Einheit ist, dann sagen wir eben: „Wir glauben nicht an so etwas wie Nationen.“ Ich lehne jegliche Form von Nationalismus ab.
Lorenz: Aber wir wurden schon oft gefragt, ob wir anti-deutsch sind.
Edgar: Uns hat gleich am ersten Tag einer Tour eine Band aus Griechenland gefragt, ob wir anti-deutsch sind.
Michi: Ich hab gesagt: „Ne, wir saufen nur.“
Edgar: Und witziger Weise er hat dann gemeint: „Ah, da ist ja gut.“
Max: Ich denke zu Anti-Deutsch-Sein gehört noch ein ganzes Stück mehr dazu als so ein Statement.
Edgar: Mir ging es wie gesagt nicht um Deutschland an sich, ich finde den amerikanischen Nationalismus genauso schlimm, sondern darum, dass ein Konzept wie Nation einfach Exklusion mit sich bringt, wir Deutschen und die Ausländer, wir Bürger und die Nicht-Bürger und Flüchtlinge. Und der Tag der Deutschen Einheit wird eben instrumentalisiert, diese Nation zu feiern, aber beschäftigt sich in keiner Weise damit, warum es die Teilung von Deutschland überhaupt gab. Und die Teilung gab es aufgrund des Dritten Reiches. Es gibt halt Leuten eine Plattform, Scheiße zu verbreiten.

Aber findet ihr, der Tag der Deutschen Einheit wird wirklich gefeiert?

Max: Vielleicht nicht richtig feiern, aber es ist eben schon ein großes Thema hier, und sei es, weil es ein Feiertag ist und die Leute saufen können: Saufen für Deutschland!
Edgar: Ja oder die Werbung greift das Thema an dem Tag auf, mit irgendwelchen Specials, z.B. für irgendein Auto oder so. So wird dann Nation und dadurch auch Nationalismus wieder salonfähig gemacht.
Max: Wäre der Konsens in der Hardcore-Szene so hinsichtlich diesem Tag und dem Thema, dann würden wir so etwas auch gar nicht posten. Aber es ist halt immer noch so, dass es sehr viele in der Hardcore-Szene gibt, die Deutschland geil finden. Man merkt zum Teil erst bei solchen Anlässen wie der Fußball-WM, wie krass die Liebe für Deutschland bei einigen Freunden ist.

Gut, jetzt weiß ich, dass eure Debüt-Demo eher in sehr kurzer Zeit hingerotzt wurde, aber was ist der Ursprung von Zeilen wie „we live inside a world, where no love exists, we all will die alone”? Woher stammt dieser immens düstere Blick auf die Welt?

Edgar: Prinzipiell bin ich ein sehr positiver Mensch, aber das Schreiben von Texten ist eben eine Form der Verarbeitung, vom Auslassen einfach. Es gibt noch viel simplere, noch viel plakativere Texte auf der Demo, aber diese Scheibe war eben einfach ein reiner Impuls. Und wenn du dir die Welt anschaust, wie es gerade läuft, mit IS, vor kurzem wieder Gaza, Israel, dann finde ich auf einer emotionalen Ebene, dass wir wirklich elendig miteinander umgehen. Nicht nur mit uns, auch mit anderen Lebewesen, mit der Natur, mit allem. Und meine Texte sind dann einfach eine Form der Verarbeitung damit, frustriert zu sein, darüber, warum es so etwas gibt. Ich war sehr lange sehr idealistisch und hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, da war mir nicht verständlich, warum es so etwas wie Krieg gibt. Und mein Idealismus ist irgendwann verschwunden, er war einfach weg, und das ist eben die Aussage. Wir gehen auf sämtlichen Ebenen einfach schrecklich miteinander um, und das ist – ganz simpel gesagt – einfach schade.

Obwohl ihr sie ja nicht mehr hören könnt, bringt ihr eure Demo dieser Tage noch einmal auf Tape heraus. Warum eigentlich? Und warum das Medium Kassette?

Edgar: Weil die Leute sie halt irgendwie geil finden. Und der Alex aus Leipzig, der Drugusingpeoplerecords betreibt, hat uns eben gefragt, ob wir die Demo noch einmal als Kassette herausbringen wollen. Er hat uns das angeboten und wir haben einfach „Ja“ gesagt, und die laufen auch ganz gut.

Hört ihr selber Tapes?

Edgar: Also ich habe zwei. [lacht]
Max: Man muss ja auch gestehen, dass sich Tapes immer sehr schlecht anhören, aber man kann es ja auch herunterladen. Es ist schon eher so ein Sammler-Ding.
Edgar: Ein Sammel-Ding und irgendwie auch ein „Ich bin mir bei dieser Band noch unschlüssig, ob ich sie geil find, deswegen kaufe ich mir ein Tape, weil die so günstig sind“. So kann ich die Band unterstützen, ohne gleich Shirt und Platte für 20 Euro zu erstehen und mich dann zu Hause darüber aufregen, dass ich die Band gar nicht so geil finde. Wir werden die Songs von unserer Split mit Sullen Walk wahrscheinlich auch noch einmal nachmischen lassen – der Sound war nicht so gut –, und dann auf Tape herausbringen, wenn die Split ausverkauft wird.

Wie kam es eigentlich zu der Split mit der Vegan xSEx-Band Sullen Walk?

Max: Durch Freundschaft. [lacht] Nein, ich weiß es gar nicht mehr richtig.
Edgar: Ich weiß es noch. Die haben mal in Herrenberg gespielt und uns vorher via Facebook angeschrieben, dass sie unsere Demo mögen. Und dann haben wir miteinander gequatscht, dass wir doch zusammen was machen könnten. Sie sind alle straight edge und vegan, da hat das ganz gut gepasst.

Und schreibt ihr aktuell an neuen Sachen?

Michi: Es wird bald eine neue Split erscheinen, für die die Songs auch schon aufgenommen sind. Sie wird mit den großartigen kapytaen aus Würzburg zusammen sein und gegen Ende des Jahres 2014 erscheinen. Und dann kommt ein Album, von welchem auch vier Songs schon fertig sind. Aber wir wollen uns viel Zeit nehmen für die Songs und ordentlich dran arbeiten.

Und wie kam die Split mit Sullen Walk an? Also mögen die Leute auch die längeren, etwas komplexeren Songs?

Lorenz: Wir haben viel positives Feedback bekommen und vor allen Dingen „Automatisiert“ gefällt vielen sehr gut. Nur den Sound kritisieren einige, die Produktion ist leider nicht so gut geworden, da das Recording auch recht hektisch war.
Edgar: Es gab Leute, die wollten wegen der Split schon nicht auf die Show kommen, weil der Sound einfach zu lahm und etwas flach ist. Aber live konnten wir sie dann wieder überzeugen.

Wer sind musikalisch eigentlich so eure Vorbilder, auch von der Inspiration her?

Max: Ich orientiere mich aktuell ganz gern mal an Alpinist und Jungbluth, einfach weil ich ihr Songwriting innovativ und spitze finde. Ich verstehe zum Teil gar nicht, wie die das hinbekommen [lacht]. Und ganz am Anfang fand ich es sehr schwer, überhaupt etwas zu schreiben, und man will ja auch sein eigenes Ding finden. Da haben mich vor allen Dingen Punch und All Teeth beeinflusst. Zudem hat unser alter Drummer auch stark am Songwriting mitgearbeitet, was natürlich auch den Sound beeinflusst hat. Und bei der aktuellen Split war es die Zeit, das merkt man schon ein wenig, da haben wir alle gerade Code Orange Kids abgefeiert.
Edgar: Ich glaube auch, so großmäulig bin ich jetzt mal, dass wir mit den neuen Songs auch langsam unseren Wølfenstein-Sound finden. Davor war es schon ein Stück weit die Suche, was will man machen, und langsam pendeln wir uns ein.

Zu guter Letzt: Welche Bands sollte man aktuell eurer Meinung nach auschecken?

Max: Ich sage kapytaen und Mahlstrom. Und SØMERSET aus Münster. Und auszenseiter sind ziemlich cool.
Michi: Bait aus Würzburg sind noch ganz cool, die lohnt es sich mal auszuchecken.

Interview: Lars Schubach

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