März 20th, 2020

WITH LOVE aus #75, 1999

Posted in interview by Jan

with love aus italien ließen bands wie initial state heutzutage recht blaß aussehen, hätten diese es nicht vorgezogen, bereits bei zeiten die segel zu streichen. paolo, nico, giovanni, simone und andrea vereinen auf ihrem aktuellen album (siehe review weiter hinten im heft) elemente oben genannter amis mit modernen emo-, jazz- und grind parts. ihre musik steckt voller leidenschaftlicher emotionen, und mit sänger nico haben sie einen recht mitteilungsbedürftigen frontmann.

ok, womit verdient ihr eure millionen, wie alt seid ihr, und wer von euch schleppt die meisten groupies ab?
with love setzt sich aus 5 sehr unterschiedlichen menschen zusammen… wie dem auch sei, wir sind alle studenten und leben bei unseren eltern. 3 von uns arbeiten noch nebenher. wir sind 24, 22, 21, 20 und 22 jahre alt. giulio green, unser gieriger manager, ist der einzige der hier viele groupies abschleppt…

musikalisch gesehen ist WITH LOVE ja nicht notwendigerweise eine reine hardcore band. sehr viele unterschiedliche einflüsse reichen von metal und jazz zu punk, hardcore und krach krach krach. aus diesen diversen einflüssen kochen WITH LOVE ein extremes süppchen, daß im grunde in etliche schubladen gekippt werden könnte. warum hat gerade die hardcore szene euch ins herz geschlossen. warum gerade ist dies eure spielwiese?
ok, musikalisch ist WITH LOVE sicher mehr als lediglich hardcore. aber bei hardcore dreht es sich ja nicht nur um musik. WITH LOVE ist in erster linie unser weg kreativ zu sein, sowie eine kommunikationsmöglichkeit. wir versuchen schon mehr als nur bloßes entertainment zu sein. wir haben eine menge non-punk shows gespielt, um die reaktionen der unterschiedlichen leute zu sehen. wir haben in pubs, bars, auf parties, in pizza läden und auch sonst in allen erdenklichen läden gespielt. aber nur wenn der eintrittspreis niedrig war, und man keinen verzehrzwang auf´s auge bedrückt bekam. während diesen shows redeten wir zwischen den songs viel über vegane ernährung, diy, tierversuche, krieg, migrantINNen, tier befreiung, punk, individualität, anarchie, polizei, homophobie, religion und über tonnen anderer themen.

manchmal fühlten sich einige leute wirklich von uns ans bein gepinkelt. mehr als einmal warfen sie uns verbale nettigkeiten an den kopf. und ich erinnere mich sogar an einen typen, der uns doch ernsthaft verkloppen wollte. wir sind in der punk community groß geworden. deshalb fühlen wir uns auf hardcore shows am wohlsten. vom ersten tag an wurden wir als hardcore band betrachtet, obwohl wir zugegebener weise nicht wie die 08/15 punk band klingen. aber um ganz ehrlich zu sein, es scheint eine negative entwicklung im punk bereich zu geben.

nicht alle shows sind so der bringer. die meisten zwar schon, aber eben nicht alle. ich betrachte hardcore heute nicht mehr als dieses große tolle ding. meiner meinung nach tummeln sich dieser tage sehr viele leute in der hardcore szene, die sich nur unwesentlich, wenn überhaupt, von durchschnittlichen schläger prolls unterscheiden. auf der einen seite kann ich zwar nicht verstehen warum PRO LIFE mist, homophobe tendenzen, gewalt bei konzerten, religiöse indoktrination etc. in der szene toleriert werden, auf der anderen aber fühlen wir uns doch immer noch sehr mit der punk szene verbunden. WITH LOVE kommt aus dieser szene und hätte außerhalb dieser community nicht existieren können.

was denkst du über die möglichkeit von deinen band aktivitäten zu leben? würde das nicht kompromisse bedeuten? du müßtest deinen musikalischen output, wenn auch nur unterbewußt, immer als dieses produkt betrachten, welches verkauft werden MUß. von daher, würdest du vielleicht hier und dort noch ein bißchen ändern, um mehr zu verkaufen, um dich letzten endes anzupassen. die frage ist doch, können kunst und kapitalismus überhaupt eine glückliche verbindung eingehen?
hmm, ich glaube nicht, daß sich WITH LOVE musikalischen veränderungen unterwerfen würde, um mehr einheiten abzusetzen. da bin ich mir ziemlich sicher. die frage könnte aber sein: WIE WÄRE DEINE REAKTION WENN DIR JEMAND VIEL GELD BIETET OHNE DAS DU DEINE MUSIK ÄNDERN MUßT? die antwort wäre immer noch nein. wenn ich die meisten bands so sehe, die größer werden… die credebility bleibt auf der strecke. vielleicht ist das nicht immer so, aber meistens schon. klar haben sie so die möglichkeit ihre message einem größerem publikum zu präsentieren.

aber hört dieses größere publikum wirklich zu? da bin ich mir nicht so sicher. es bedeutet mir wirklich einen scheiß eine WITH LOVE platte neben GREEN DAY und PAVAROTTI in jedem verdammten plattenladen zu finden. kunst und kapitalismus? wenn wir davon ausgehen, daß es wirkliche, ehrliche, non-kompromitierte kunst gibt, wird diese sicherlich nie mit kapitalismus assoziiert werden können. da mag ich vielleicht naiv klingen. aber ich betrachte kunst als einen realen kreativen selbstdarstellungs drang. wie kann etwas künstlerisch ehrlich sein, wenn geld der eigentliche antrieb ist?

das derzeitige gesellschaftliche verständnis von erfolg ist einzig und allein materialistischer natur. kann eure musik als reaktion auf gesellschaftliche normen betrachtet werden?
with loves musik als reaktion auf gesellschaftliche verhältnisse? ja das könnte sein. aber so einfach ist das ja meistens nicht. jeder ist ja irgendwo in dieser materialistischen welt gefangen. und ihr zu entkommen ist häufig auch nicht das leichteste unterfangen. nur weil jemand aggressive wütende musik macht, bedeutet das nicht zwingender weise, daß er gesellschaftliche verhältnisse damit bekämpft. unsere musik ist schon ausdruck unserer ablehnung gesellschaftlicher werte. am wichtigsten sind uns aber die persönlichen probleme der einzelnen band individuen.. wir versuchen täglich unsere eigenen unangepaßten wege zu gehen.. das spiegelt sich wieder in der wahl unserer nahrung, unserer sprache, wie wir uns kleiden, in unserem sexualverhalten, in den autos die wir fahren und so weiter.

ich bin weit davon entfernt zu behaupten, daß wir uns 100% aus der materialistischen welt ausgeklinkt haben. wer kann das auch schon von sich behaupten.. in einer band brauchst du equipment. du brauchst einen kleinbus und all diese dinge kosten geld.. aber um auf deine frage zurück zu kommen. wir sind absolut nicht zufrieden mit den derzeitigen gesellschaftlichen werte vorstellungen and for that I´d love to say WITH LOVE is action and reaction.

glaubt ihr, daß musik eine politische plattform sein kann? haut das hin? oder ist es im endeffekt doch nur entertainment?
für uns kann es beides zur gleichen zeit sein. wir versuchen musik als politische plattform zu benutzen. zur gleichen zeit wollen wir aber auch spaß und eine gute zeit haben, nette leute treffen usw. wenn man sich selbst als ´politische band´ sieht, mußt du nicht unweigerlich nur über politische dinge singen und dich so PC wie möglich verhalten. letzten endes kommt es doch eh auf deine taten an, und nicht auf gerede. ich bin mir absolut sicher, daß musik eine musikalische plattform darstellt. ich sehe das an mir selbst und an bands wie STRUGGLE, BORN AGAINST, DOWNCAST oder CHOKEHOLD. alles bands, die mich inspiriert haben.

musik kann immer beides sein, entertainment und plattform. selbst wenn eine punk band nur songs ohne politische message schreibt ist es immer noch mehr als nur bloßes entertainment. alleine die tatsache in einem kleinen besetzten haus zu spielen, in einer garage, oder bei bekannten weit weg von zu hause, vor 30 leuten für spritkohle, wo du vielleicht auf dem boden schlafen mußt und das essen auch nicht immer das beste ist, alleine das ist politisch. weil es ein zeichen setzt. ein zeichen, daß dies immer noch besser ist, als das, was dir die gesellschaft im gegenzug zu bieten hat. man steckt doch so all seine bemühungen, all sein geld und seine zeit in etwas, daß sich gegen den mainstream richtet. und daher ist punk/hardcore, oder wie immer du es nennen willst, schon eine politische plattform.

die deutsche hardcore szene ist fast eine reine männergesellschaft. häufig sind kaum frauen auf konzerten. frauen in hardcore bands findest du relativ selten. ich nehme mal an, daß dies in italien nicht wesentlich anders ist. eure theorie warum dies so ist und wie man diese situation verbessern könnte.
ich wünschte ich hätte ein patentrezept, um diese situation zu ändern. aber ich habe leider keines. in meiner gegend, im nord osten italiens, ist die situation nicht ganz so schlimm. dort kommen schon recht viele frauen zu shows, und diese macho attitüde gibt es eigentlich auch nicht. die hardcore szene ist hier nicht sehr groß, eher klein und leidenschaftlich. in der regel haben wir so shows mit 100 leuten und viele hinterhof shows. club shows sind eher seltener. ich weiß nicht, aber vielleicht gehen die leute in einer kleinen szene, in der jedeR jedeN kennt respektierlicher miteinander um.

vielleicht gibt es dann zwangsläufig weniger differenzen zwischen männern und frauen. frauen fühlen sich oft unwohl, wenn auf shows brutal getanzt wird. wir haben als band nichts gegen pogo oder stage diving. wir sind lediglich gegen leute, die das ganze übertreiben und somit eine gefahr für andere darstellen. natürlich würde es uns freuen mehr frauen aktiv in der szene zu haben. eine männerdominierte szene ist immer auch eine kranke szene. um eine szene voran zu treiben, müssen wir uns miteinander auseinander setzen. da führt kein weg dran vorbei.

glaubst du der alkohol oder drogen konsum bringt einem im leben die große erleuchtung, bringt einen auf irgend eine art und weise weiter? führt er eventuell sogar zu erkenntnissen, die einem mit klarem verstand vielleicht auf immer und ewig verborgen geblieben wären?
ich denke nicht, daß alkohol oder sonstige drogen mir helfen können ein besserer mensch zu werden. mich, und hier spreche ich ausschließlich für mich alleine, würden diese substanzen eher daran hindern einfach nur ich selbst zu sein. ich werde wahrscheinlich nie völlig mit mir zufrieden sein. wenn ich ein ziel erreicht habe ist das ja nicht das ende der fahnenstange. es geht immer einen schritt weiter. mein persönliches wunschbild meiner selbst ist immer einen schritt voraus. dieses wissen gibt mir immer wieder den ansporn tief in mich hinein zu schauen, um ein besserer mensch zu werden. ich sehe nicht, wie drogen dabei von nutzen sein könnten.

wir kamen ja oben schon einmal auf das thema religion. lehnt ihr einen wie auch immer gearteten glauben ab?
wir gehen nicht in die kirche und für mich kann ich sagen, daß ich nicht an gott glaube. wir hassen organisierte religionen wie zum beispiel die katholische kirche hier in italien. sie kontrolliert und manipuliert menschen. natürlich haben wir nichts gegen menschen, die an gott glauben, oder jene, die vielleicht auch viele götter haben. wir hassen aber genau die, die aus den gefühlen anderer ihren nutzen ziehen. jene, welche die gefühle anderer ausbeuten. und hier in italien passiert das jeden tag.

die dinge vor denen du am meisten angst hast, die du am meisten haßt und die du über alles in der welt liebst: angst:
mich in einem teufelskreis aus dingen, die ich hasse, gefangen zu sehen. mich kompromitieren zu müssen, um zu überleben.

haß:
ins green records lager zu kommen und mit der bitte, den boden zu wischen, konfrontiert zu werden. oder andere beschissene jobs für herrn repetto erledigen zu müssen.

liebe:
in dieser szene aktiv zu sein, meine freunde, meine freundin, meinen hund GRISU, mein eigenes kleines label.

interview: torsten *master of erdbeereis*

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0