Mai 31st, 2008

ULME (#125, 08-2007)

Posted in interview by jörg

Meine Worte zur letzten Platte „Dreams Of The Earth“: Zorniger klingen sie, zumindest eingangs, das Artwork und der Titel könnten auf Apokalyptisches hinweisen. Aber das ist Spekulation. Sicher ist: Ulme bleiben weitestgehend ihrem Dampfwalzen-Rock treu, der die Melvins’sche Brachialität mit einer ergreifenden Wehmut vereint, wie es nur wenige Bands können (zugegeben, mir fällt gerade auch keine zweite ein, aber ich, es gibt sie).

Hier geschieht eine ganze Menge: Stimmungen, Atmosphären, die sich selbstredend sämtlichst im unwirtlichen Land zwischen Melancholie, Wut und (tja…) Trauer herumtreiben, hier facettenreicher denn ja aufgefächert. Und weil wir ja immer wieder gern lesen, warum sich aufgelöste Bands wieder zusammenraufen (wer mal selbst in solch einer diffizilen Einheit gewirkt hat, weiss, dass das erstere meist weit leichter fällt als zweiteres), habe ich keine Kosten und Mühen gescheut, für euch alles wichtige und einiges weniger wichtige herausgefunden.

Nachdem die Anfänge der Band unspektakulär sind, wurde aus dem Trio aus zwei Brüdern und einem Cousin eine der eindrucksvollsten Rockbands des Landes – mindestens. Es kam, was kommen musste (s.o.) und nach mehreren guten bis tollen Alben lösten sich Ulme auf. Auf der bandeigenen Internetseite steht dazu folgendes (und auch auf inständiges Bitten hin liessen sie nicht mehr verlauten, als dass es Sachen gebe, die in der Familie bleiben sollten):

„August 1999: Die Release-Party zum 3. Album“Green Growing Soul… in the Gala of Love“ (bluNoise records) endet nach bester Rockmusikertradition in einer Schlägerei zwischen den Bandmitgliedern. Worum es eigentlich ging, wird hier nicht verraten und das nicht, weil es besonders geheim wäre, sondern weil sich daran niemand mehr so richtig erinnern kann. Nur soviel: Es wird gemunkelt, dass auch Alkohol im Spiel gewesen sein soll, es vielleicht irgendwie mit Sex zu tun hatte und man sich eben einfach irgendwann tierisch auf den Sack geht, wenn man Monate lang im Studio und auf Tour zusammen hängt und sich auch noch ein ganzes Leben lang kennt.“

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Mein Freund der Baum

Immerhin verriet Arne Heesch den Ursprung des Bandnamens: „Der Name kam von Gunnar.Er meinte, dass der Harfenspieler von Wickie ein cooler Bandname wäre – fanden wir auch… Ausserdem ein Baum als Sinnbild, das passte zu unserem Lebensgefühl. Diese eigentlich komisch-humorige Seite passte immer schon zu unserem Selbstverständnis als Band ,trotz aller Düsternis.“

Wie ist denn so euer Lebensgefühl? Da gäbe es ja eine Fülle von Assoziationen zum Thema Baum…

Arne: Wir fühlten uns immer schon sehr naturverbunden.Ein Baum steht halt fest verwurzelt auf dem Boden und reckt seine Krone gen Himmel: Dies auf den Menschen zu übertragen, ist doch eine wunderbare Vorstellung… Mit dem nötigen Halt durchs Leben gehen und den Kopf in den Sternen haben…

Ist das eigentlich irgendwie anders, mit den eigenen Brüdern Musik zu machen? Wenn ich mir da meine vorstelle, kommt entweder gar nichts oder etwas sehr Seltsames heraus… Vielleicht kennt ihr es ja auch gar nicht anders, oder hat es in den schlimmen Jahren zwischen Ulme und Ulme andere Bands für und mit euch gegeben?

Arne: Ulme war immer mehr als nur eine Band.Früher haben wir sogar zusammen gewohnt und Musik gemacht, das war mal intensiv… Zwischen den Jahren hatte ich noch eine geile Band namens Ahab am Start, danach kam auch schon wieder Ulme.

Was hast du mit Ahab veranstaltet?

Arne: Es existiert ein Demoaufname mit drei Songs. Stilistisch geht es schon in die Ulme-Ecke.

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Schwarze Hunde

Interessant fand ich neben dem Offensichtlichen, der Melvins-Schwere zum Beispiel (wenn ich euch damit nicht zu nahe trete), dass ihr immer ein gerüttelt Mass an Blues in eurer Musik mit euch herumschleppt. Dazu passte dann wieder der „Black Dog“ von Nick Drake, den ihr euch mal ganz eindrücklich einverleibt habt. Woher denn diese ganze Schwärze in euren Liedern?

Arne: Der Vergleich mit den Melvins schmeichelt uns schon ein bisschen, aber wir klingen ja eigentlich trotzdem ganz anders.Der melodische Aspekt im Kontrast zum Lärm hat uns immer schon gefallen. Die Achterbahnfahrten innerhalb der Songs, sei es emotionaler oder musikalischer Natur. Zu der ‚Schwärze in unseren Liedern‘ kann ich nur etwas fragen: Warum macht man Musik? Wegen des Geldes, des Ruhmes oder irgend einem anderen Scheiss? Oder aus tieferen, organischeren Gründen wie etwa dem Wunsch nach mehr Ausgeglichenheit, nach Schmerzfreiheit?

Es gibt für mein Verständnis sehr selten Gründe Songs zu schreiben aus einem Gefühl der Glückseligkeit und Zufriedenheit. Stärkere Energie entsteht aus den ‚anderen‘ Aspekten des Lebens, aus Schmerz entsteht Veränderung und neues Leben. Wenn ich einfach nur glücklich bin, schreibe ich keine Songs, dann bin ich glücklich…

Natürlich klingt ihr anders als die Melvins – und wer wäre da nicht geschmeichelt?! Wo seht ihr euch denn – ausser bei euch selbst? Was wären deine Inselplatten?

Arne: 1. Kyuss-alle, 2. Unsane-alle, 3. St. Vitus mit Wino, 4. AC/DC mit Bon, 5. Mudhoney-alles.

Eure neue Platte ist die vielseitigste Ulme-Platte bislang – zumindest von denen, die ich kenne. Der Einfluss „des Neuen“ oder ein verändertes Lebensgefühl? Ich weiss ja nicht so genau, wie bei euch der Musikfindungsprozess abläuft, darüber könntest du auch noch ein paar Takte sagen.

Arne: Warum kennst Du nicht alle? Es ist schon ein verändertes Lebensgefühl,es sind immerhin einige Jahre ins Land gegangen. Tim (Liedtke, Ex-Bassist der Sissies) hat damit natürlich ’ne Menge zu tun. Da verändern sich natürlich einige Sachen und somit auch die Musik.Der Prozess ist recht einfach. Arne kommt mit Songs und die werden dann zusammen ausgearbeitet.

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Liebe

Ihr habt euch nach Jahren mit BluNoise für ein anderes Label erschienen. Dabei habt ihr doch zu bluNoise gepasst, wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer. Der Kasten Bier, den angeblich euer neuer Chef spendiert hat, soll es ja doch nicht gewesen sein…

Arne: Guido (Lucas) und sein Label (BluNoise) haben immer zu uns gepasst und würden immer noch zu uns passen. Es war halt mal an der Zeit etwas neues auszuprobieren, neue Wege zu beschreiten. Dass wir jetzt auf Noisolution sind, hat nicht im geringsten irgendetwas mit einer Abkehr von irgendwem oder irgendwas zu tun. So gross ist die ‚Szene‘ ja nun auch nicht, man ist sowieso ständig in Kontakt…Hier noch mal für alle: Guido, ich liebe Dich. Bei Noisolution fühlen wir uns jedenfalls super aufgehoben. Ach ja, Arne G(esemann, Noisolution)., dich liebe ich übrigens auch…

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Ein versöhnliches Schlusswort von wortkargen Nordmännern – die schon seit jeher die Axt besser führen als das grosse Wort. Ich muss das wissen. Und Ulme schwingen ihre schweren äxte mit einer ganz besonderen Energie.

Interview/Text: Stone

Links (2015):
Wikipedia
Discogs

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