August 31st, 2016

ULME (#57, 04-1996)

Posted in interview by Jan

Es war einmal im Herbst des Jahres 1995…

Es klingelte an meiner Wohnungstüre, und diese rassige Blondine von der Deutschen Post AG überreichte mir lächelnd ein kleines Päckchen. Ich atmete dreimal sehr tief durch, und ich blickte der Dame noch lange hinterher. Wann würde ich sie wiedersehen…

Reden wir aber nun lieber über das Päckchen. Es kam von BLUE NOISE Records, und ein kleiner Silberling mit dem Namen ULMe stach mir ins Auge. Da ich wußte wo Ulm liegt, und ich auch schon mal mit dem Auto durchgefahren bin, murmelte ich mehrmals „in Ulm, um Ulm, und um Ulm herum“ in mich hinein.

Leicht erheitert fielen mir dann zum Überfluß auch noch Laubbbäume wie Kastanie und Eiche ein… Musikalisch wurde ich von ULMe, vom ersten Ton an, eines Besseren belehrt, und so habe ich blitz-schnell geschalten und den ULMe Schlagzeuger Janic, mehr als 1/4 Jahr später, mit meinen Fragen glöchert.

Natürlich weiß ich, was eine Ulme ist. Warum nennt ihr euch so? Hat der Name irgendeine Geschichte?

Janic: Gunnar, unser Bassist, hat den Namen ULMe aufgebracht. Zusammen machen wir jetzt seit etwa fünf Jahren Musik. Nebenbei bemerkt bin ich Gunnars und Arnes Cousin! Vor vier Jahren kam dann Gunnar mit dem Namen ULMe an. Er hat sich damals immer die Comic-Serie Vicky reingezogen, und da hieß eine der Figuren „Ulme“.

Ach so, ihr habt also nichts mit irgendwelchen Bäumen zu tun?

Janic: Doch, doch schon! Lediglich die erste Idee stammte aus dem TV, und da wir einen Baum als Sinnbild für unsere Band auch gut finden, war der Name ULMe praktisch wie geschaffen für uns. Ein Baum ist in der Erde tief verwurzelt mit dem Ziel zu wachsen. ULMe als Bandname ist außerdem wesentlich besser als Eiche – (schmunzelnd) damit könnte man Probleme bekommen…

War nach all den Jahren ‚Re-Fuse Me (6,3A/250V)‘ eigentlich eure erste „richtige“ Veröffentlichung?

Janic: Ja. Wir hatten auch erst 1993 in Berlin unser erstes Demo aufgenommen.

Wie hat sich die „Familienbande“ ULMe zusammengefunden?

Janic: Früher habe ich in Hamburg gewohnt (jetzt auch noch so ein bißchen…) und Gunnar und Arne in Izehoe. Ich habe auch mit ganz anderen Leuten Musik gemacht. Dann, an irgeneinem Wochenende, sind wir, sozusagen als Familiengag, zusammen in den Übungsraum gegangen, und daraus wurde dann eine Band. Es hat mir absolut gut gefallen mit meinen Cousins zusammen zu spielen. Das war es, was ich schon immer machen wollte! Ich habe daraufhin in Hamburg alles stehen und liegen lassen und bin nach Flensburg gezogen! Nach etwa einem Jahr sind dann auch Arne und Gunnar nachgekommen, wegen der Musik. Aufgrund unserer Familie waren wir ja schon immer dick befreundet, jetzt hatten wir uns auch noch in der Musik gefunden.

Wenn wir schon bei der Musik angelangt sind. Ihr seid drei Musiker und jeder spielt ein Instrument. Ihr bringt eure Aussage allein schon musikalisch sehr gut rüber. Wie wichtig sind die Texte für euch?

Janic: Die Texte werden ausschließlich von Arne geschrieben. Für ihn sind die Worte sehr, sehr wichtig. Ich kann versuchen einmal kurz für ihn zu sprechen. Er braucht das Ganze sozusagen als Ventil. Er muß es rauslassen. Er schreibt sich die Texte Zuhause auf, macht Musik dazu, oder auch nicht. Arne ist ständig am Machen und Tun. Er muß es rauslassen, noch mehr wie Gunnar und ich. Ein Statement über den Inhalt unserer Texte abzugeben, da stehen wir alle drei dahinter, sparen wir uns. Die Menschen, die unsere Musik hören, die sollen sich selbst Gedanken darüber machen. Je nach Blickwinkel werden Arnes Emotionen sowieso unterschiedlich gesehen werden. Letztendlich muß ich aber schon betonen, daß die Texte ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Musik sind!

Wenn ich eure Musik so höre, bekomme ich den Eindruck, daß der „klassische“ Hardcore einer euerer Einflüsse zu sein scheint.

Janic: Ja, das stimmt. Das liegt eigentlich überwiegend an mir. Ich komme zwar aus keiner der sogenannten Ecken, aber früher hat mich Hardcore und Punk schon ein wenig geprägt. ULMe hat jedoch wahnsinnig viele Einflüsse. Angefangen bei Bands wie NEW MODEL ARMY, NIRVANA, den ganzen Noisekram, den es gibt, bis hin zu den Hardcore-Sachen von früher. Wir spielen eine Synthese aus allem, was wir gut finden, und wir gehen auch keine Kompromisse ein. Das brauchen wir auch nicht, da wir annähernd den gleichen Musikgeschmack haben. Dieser Umstand hilft uns auch beim Songwriting sehr. Oft entstehen neue Stücke in fast schon erschreckend kurzer Zeit!

Kannst Du in kurzen Worten einen ULMe-Gig beschreiben?

Janic: Wir sind live ziemlich laut. Durch die tiefe Tonart, in der wir uns bewegen, kommen wir relativ brachial rüber. Ich sitze hinter meinem Schlagzeug, und es haut mich sozusagen fast um. Ich habe dann dieses bestimmte Kribbeln am ganzen Körper. Arne versucht immer sein Bestes zu geben. Er ist ein Mensch mit sehr vielen Emotionen. Das merkt natürlich auch das Publikum. Teilweise tun sie sich wahrscheinlich schwer das Ganze richtig einzuordnen, wenn Arne auf der Bühne schreit, gröhlt und dann wieder melodisch singt. Gunnar ist da etwas ruhiger. Er ist der sprichwörtliche „ruhende Pol“ in der Band. Ich haue halt rein, so gut es geht. Wir geben uns einfach so wie wir sind und ziehen keine gekünstelte Show ab! ‚Hating Yours‘ ist meistens das Stück, mit dem wir unser Live-Set beginnen. Für uns auf der Bühne geht es dann auch gleich voll los, wie so eine Entladung, ein kleiner Orgasmus!

Beschreibe mir bitte kurz euren Weg zum BLU NOISE Label!

Janic: Das hat ein wenig mit EFA zu tun. Es war aber zu einer Zeit, als ich noch nicht für EFA arbeitete. Irgendwie gelangte unser Tape zu Peter Beckmann, und der wiederum hat dem Guido bei einem ESPANDRILLOS Gig unser Tape zugesteckt. Guido fand anfangs unsere Musik eigentlich gar nicht so toll, er war von Arnes Stimme fasziniert. Ja, so hat sich der Kontakt zu BLU NOISE entwickelt. Guido hat uns auch erst im Dezember 1995 zum ersten Mal live gesehen, also eine deutliche Zeit nach den Aufnahmen für unsere CD! Ganz schön mutig!

Kommen wir zum Cover und zum Titel euerer CD – ich steige da nicht ganz durch!

Janic: Haha, hahaha! Ja, das Coverbild ist eine Negativaufnahme meines Bauches! Einen Fetengag! Arne zückte plötzlich die Kamera und wollte meinen „dicken“ Bauch fotografieren. Das hat er bekommen! Arne lag am Boden und hat von unten herauf geknipst. Ich habe mit den Händen in den Speck reingegriffen. Das war’s. Als wir dann das Negativ dieser Aufnahme sahen, fanden wir es so gut, daß aus einem Gag ein CD-Cover wurde! Der Titel ‚Re-Fuse Me (6,3A/250V)‘ hat eine etwas längere Geschichte. Die Hinfahrt zum Studio war schon das totale Chaos.

Wir hatten uns dafür einen alten VW Bus, ein wirklich altes Teil, ausgeliehen. Das Auto ist dann laufend stehen geblieben – große Probleme mit der Elektrik. Laufend mußten wir Sicherungen erneuern. Nach etwa 14 Stunden sind wir dann endlich im BLUBOX-Studio in Troisdorf angekommen. Was für ein Stress! Aber es ging noch weiter! Am zweiten Studiotag ist dann die Sicherung der Aufnahmemaschine durchgeknallt. Das war die 6,3A/250V-Sicherung! Das war aber immer noch nicht das Ende. Daraufhin kam ein starkes Sommerunwetter. Ob du es glaubst oder nicht, der Blitz hat im Studio eingeschlagen und sämtliche Sicherungen waren durch… Das klingt wie in einem verrückten Märchen, aber es ist wirklich wahr, irgendwie sogar geil!

Wie sieht es mit ULMes Zukunft aus?

Janic: In erster Linie ist es für uns wichtig live zu spielen. Das macht uns gewaltig viel Spaß. Da kommt auch dann wieder das Hardcore-Element zum Zuge, da ich selbst das Booking für ULMe mache. Uns ist es auch nicht unbedingt wichtig für viel Geld in großen Hallen zu spielen. Der Spaß steht im Vordergrund! Wir spielen sehr viel in kleinen Läden, und das ist auch ok, so wie es ist! Für uns ist es wichtig, daß wir 100% so weitermachen können wie wir wollen! Wir haben auch eine zweite CD in Planung. Und egal was kommen wird, wir bleiben bei BLU NOISE! Guido ist nicht nur Produzent und Labelchef für uns.
Kontakt:

Jan-Eric Heesch
V. Heinrich Straße 13
24937 Flensburg

So, so! Das war also die Befragung einer emotional-aggressiven Baumcoretruppe! ULMe müssen ein ganz witziges Trio sein, das steht für mich nach diesem Gespräch mit Janic fest. Und wenn diese Band auch noch so weit weg von Ulm residiert, kann mir keiner etwas vormachen! Aber hallo! – Es klingelt – ist wieder Zeit für die Deutsche Post AG. Mal sehen wer, äh was heute kommt! – Oh Gott, der Bärtige…

Interview: Howie

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