Juli 22nd, 2019

Treedon (#172, 2015)

Posted in interview by Jan

Dicke in der Hölle
Treedeon

Manchmal weiß man ja wirklich nicht so genau, was man aus einem Interview eigentlich herausholen will. Manchmal erledigt sich die Frage im Vorbeigehen. Manchmal scheitert man grandios. Schweigt sich an. Redet aneinander vorbei. Manchmal aber gibt es durchaus ein intrinsisches Motiv, das dann an den konkreten Bedingungen sich zerreibt. Oder zumindest den Zweck beeinträchtigt. Zum Beispiel in diesem Fall. Das Brummen der Landleitung ließ sich noch per Mobiltelefon umgehen. Mein Spaß am Vorabend hätte sich zwar wohl umgehen lassen – aber nun war es zu spät.

Und eigentlich war die Idee natürlich gewesen, Treedeon, bestehend vor allem aus Arne (uns bekannt geworden durch die Band Ulme) und Yvonne, lange Zeit Sängerin von Jingo de Lunch irgendwie gemeinsam zu interviewen, was möglicherweise dann auch stattfand, aber andererseits auch wieder nicht. Dass von Yvonne im Folgenden kein Satz überliefert ist, hat seinen Grund nicht in technischen Mängeln, editorischen Sensibilitäten oder journalistischer Ignoranz. Selbst eine mehr oder minder direkte Ansprache hatte nicht den gewünschten Effekt, obwohl Arne ihre Gegenwart bestätigte: „Yvonne sitzt sozusagen neben mir.“ Inhaltlich hätte es vielleicht auch gar keinen Unterschied gemacht. Und schließlich ließ auch schon Andy Warhol gelegentlich andere für sich antworten. Insofern: Sei’s drum. Ein Selbstläufer wurde es auch so nicht. So eine alte Ulme (und das Baummotiv setzt sich fort im Namen der neuen Band), zumal, wenn sie eigentlich aus dem hohen Norden kommt, ist eben keine Labertasche. Trotz durchaus vorhandener Laune. Aber die ging eben mir ein wenig ab. Das Nötigste haben wir dann aber doch besprochen, zumindest in Teilen. Und: Eine gute Band ist diese Trio, das, wie ihr auch gleich erfahren werdet, auf der Bühne nicht so leicht zu erwischen sein wird. Ich hoffe, es klappt dann doch eines Tages.

Arne, seit wann bist du denn in Berlin?
Arne: Dreieinhalb Jahre oder so.
Mein letzter Stand war, dass ihr nach Hamburg gezogen seid.
Mit Ulme, stimmt, das ist schon ein bisschen länger her. 2011 oder 2012, glaub ich. Aber jetzt bin ich in Berlin.
Auf eurer Facebook-Seite war zu lesen, dass ein Treedeon ein menschenvernichtendes Baumwesen ist. Eigentlich ist es aber doch genau andersherum, oder? Zumindest hat irgendetwas die Ulme kaputtgemacht.
So würde ich das nicht sagen. Leute leben sich eben auseinander. Das Ding mit Ulme ist nicht in dem Sinne kaputtgegangen, es ist eher eingeschlafen und dann hat’s halt nicht mehr gepasst. Ganz friedlich alles.
Von internen Meinungsverschiedenheiten war irgendwo zu lesen, da kann man sich ja alles und nichts drunter vorstellen.
So wie’s halt immer ist (lacht) Es gab keinen großen Knall oder so. Wir haben halt die letzte Platte gemacht und waren damit sehr zufrieden. Dann kamen wir nicht auf einen Nenner, wo die Entwicklung hingehen sollte. Eins kam zum anderen, und irgendwann war’s das dann. Es war schade zu der Zeit, aber vielleicht war es ja auch sinnvoll, sonst wäre nicht das entstanden, was wir jetzt machen.
Ihr wart als Ulme eingeladen, auf dem South Of Mainstream zu spielen…
2012 meinst du? Eigentlich gab es Ulme da schon gar nicht mehr. Andreas Kohl (von Exile On Mainstream Records – d. Red.) hat mich eingeladen, ein Solo-Set zu machen. Da hab ich dann mit Yvonne zusammengespielt, das war eine gute Sache.
Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Wir haben uns kennengelernt, als Ulme und Jingo de Lunch zusammen eine Show in Hannover gespielt haben. Da haben wir uns schon entschieden, zusammen was zu machen. Da wurde sozusagen der Grundstein gelegt.
Von Yvonne würde ich gern wissen, seit wann sie Bass spielt. Bei Jingo hat sie das ja nicht gemacht.
Seit wann Yvonne Bass spielt… Lass mal überlegen. Zwei Jahre ungefähr.
Sie hat also für Treedeon Bass gelernt?
Im Prinzip schon. Wir haben akustisch angefangen, mit zweistimmigem Gesang und so weiter, hatten aber immer im Hinterkopf, dass wir ein bisschen Krach machen wollen. Und dann hat sich halt der Boomer bei uns vorgestellt und hat gesagt: Ich spiele Schlagzeug, sucht ihr jemanden? Dann haben wir noch jemanden gebraucht, der Bass spielt, und Yvonne hat gesagt: Dann mach ich das halt. Und dann hat sie angefangen damit.
Das heißt, ihr hattet vorher schon Konzerte mit der Wandergitarre gespielt.
Naja, so viele waren das nicht, drei Shows oder zwei, glaube ich. Dann ging es relativ schnell, als Boomer dabei war, dass es in Richtung Krach ging.
Der Name stand von Anfang an?
Ja, im Prinzip haben Yvonne und ich das gegründet. Erst war die Idee, ruhigere Sachen mit zweistimmigem Gesang zu machen, aber im Hinterkopf schon mit der Idee, wieder ein bisschen Krach zu machen.
Der Name – ist das ein Kunstwort oder kommt das aus „Herr der Ringe“ oder wo man sich seinen Bandnamen sonst so klaut?
(lacht) Das hatten wir bestimmt im Hinterkopf. Treedeon ist eigentlich dadurch entstanden…. Es gibt ja den Namen Gedeon, der bedeutet: der, der Bäume fällt. Wir haben uns überlegt, dass wir eigentlich ein Wesen brauchen, das die Menschen fällt. Deshalb Treedeon. Das ist schon ein bisschen metaphorisch gemeint als Gegenpol zur Menschheit.
Die Texte haben sich mir nur sehr auszugsweise erschlossen. Eine Zeile, die ich sehr prägnant fand ist: „Your boyfriend sucks dicks in hell“…
(lacht) Ja, das kann sein. Hast du so rausgehört?
Ich glaube schon, dass das da von jemandem gesungen wird.
Ja, kann durchaus sein. Und du wolltest jetzt wissen, warum ich das singe?
Genau.
Ach so! (lacht) Generell kann ich nur sagen, dass viele Songs, die ich schreibe, Momentaufnahmen aus meinem Gefühlsleben sind. Deswegen will ich auch gar nicht viel erklären. Einige Sachen sind relativ irrational aus dem Bauch, Sachen, die ich aufschreibe, weil ich das loswerden muss. Der Song ist eine Reaktion auf eine Sache gewesen, die mich schwer frustriert hat, weshalb ich da mit einem gewissen Zynismus reagiert hab. Aber da mag jeder raushören, was er will (lacht).
Im Beiblatt steht, dass Yvonne im Franken arbeitet – man verkauft ja auch keine Platten mehr als kleine Band. Was seht ihr für euch als Perspektive? Auch euer Label-Chef hat sich ja aus dem Musikgeschäft weitgehend zurückgezogen.
Meine Erfahrung mit Ulme war, dass das Touren immer schwieriger wurde, weil immer weniger Leute kamen, weshalb wir uns entschieden hatten, mit befreundeten Bands im Package zu touren. Und natürlich kaufen die Leute weniger Platten. Das hat sich sehr verändert. Wir wollen einfach Musik machen, live spielen und freuen uns total, bei Andreas auf dem Label zu sein, das ist ein tolles Forum. Wir haben einfach Bock zu spielen.
Du hast auch einen Dayjob hinterm Tresen?
Ich steh nicht hinterm Tresen, ich bin Physiotherapeut. Ich quäle die Leute ein bisschen.
Dehnen, massieren…
Der Knochenbrecher sozusagen, im positiven Sinne. Ich helf den Leuten.
Du hast mal gesagt, Musikmachen sei für dich therapeutisch.
Immer schon, von Anfang an. Um klarzukommen, im Gleichgewicht zu bleiben – deswegen mach ich Musik.
Treedeon ist deutlich näher an Ulme als an Jingo de Lunch. Schreibst du die meisten Sachen?
Im Augenblick ist es noch so, dass ich mit den Ideen komme und wir daraus zusammen Songs machen.
Aber du hättest nichts dagegen, wenn die anderen auch schreiben würden?
Im Gegenteil, ich bin total froh, wenn Yvonne oder Boomer mit etwas ankommen. Und die Texte, die Yvonne singt, schreibt sie auch selbst. Wenn jemand von uns was zu sagen hat, dann sagt er das, dann wird da ein Song draus.
Man arbeitet ja musikalisch nicht mehr so schnell, wenn man einen Dayjob hat…
Wenn wir können, proben wir schon relativ oft. Bevor wir ins Studio gegangen sind, waren wir zwei bis dreimal die Woche im Proberaum. Danach wurde es etwas weniger. Wenn’s geht, proben wir schon öfter. Ich hab nicht das Gefühl, dass das zu kurz kommt. Ist eigentlich ganz gut so, wie es ist.

Text und Fragen: Stone

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