Juni 15th, 2020

TOMBS aus #142, 2010

Posted in interview by Jan

Tombs

Aufgrund der Popularität im rechtsextremen Milieu gibt es neben Neofolk kaum eine Musikrichtung, die so umstritten ist wie Black Metal. Ein Auslöser war der Inner Circle Norwegens, dessen Mitglieder Haftstrafen wegen Mordes, Grabschändungen und Brandstiftungen verbüßten und zu dessen faschistischem Höhepunkt Burzum-Gründer „Count Grishnackh“ (Varg Vikernes) zählt, der wegen Mordes an Gitarrist „Euronymous“ (Øystein Aarseth) von Mayhem bis zum letzten Jahr inhaftiert war. In der Zeit des Gefängnisaufenthalts wandte er sich der rechtsextremen Szene Norwegens zu und ist unter anderem Gründungsmitglied der Allgermanischen Heidnischen Front.

 

In Haft änderte Vikernes den Stil seines Projekts vom Black Metal zu Ambient und wurde damit für den musikalisch interessierten Teil der Blackmetalszene uninteressant. Nicht verhallt sind die ersten sechs Alben, deren dunkler, atmosphärischer Stil von vielen Blackmetalbands immer wieder zitiert wird, jedoch einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.

Als ich die Split von Tombs und Planks das erste Mal hörte, konnte ich nicht viel mit dem Stil von Tombs anfangen. Erst ein Freund wies mich darauf hin, dass sich Tombs am Black Metal orientieren und es die eine oder andere Anlehnung an Burzums Musik gibt. Doch ist die Band keine Ausnahme, denn wenn man genauer die Szene betrachtet, fallen gegenwärtig immer wieder Bands auf, die sich dunkel geben und an einer Songstruktur anlehnen, die bestimmt ist von schnell gespielten Akkorden und langsamen Akkordwechseln auf der Gitarre in Kombination mit hämmerndem Schlagzeug und einer hoch keifenden Stimme. Ein wichtiges Element ist das Keyboard, mit dem sich Anfang der neunziger Jahre Burzum vom Rest der Norwegischen Szene abhoben.

Weder Keyboard noch eine hohe Stimme kann Gitarrist Mike Hill von Tombs vorweisen, dennoch ist die Musik geprägt von einer Atmosphäre, die sich als Soundtrack für das Dämmerlicht am Ende kurzer, kalter Wintertage eignet. Vorab kann ich schon mal sagen, dass Mike aus dem Hardcore kommt und keine Tendenzen zum rechten Lager hat. Ich treffe ihn und Andrew Hernandez (Schlagzeuger, der kein einziges Mal in diesem Interview zu Wort kommen sollte) vor dem Auftritt im Berliner Cassiopeia…

Wie kam damals der Kontakt zu Planks zustande?
Ich habe Ralph [Gitarrist und Sänger von Planks] vor sechs Jahren kennengelernt, als ich mit meiner alten Band Anodyne in Deutschland war. Wir wurden Freunde und als es Tombs gab, war klar, dass wir zusammen auf eine Split gehören.

Das war das erste Lebenszeichen, das ich von euch wahrgenommen habe, doch ich glaube, die meiste Aufmerksamkeit habt ihr durch das Debütalbum ‚Winter Hours‘ bekommen. Das Album löst bei mir ein Gefühl aus, das ich auch von manchen Blackmetalbands kenne. Etwas, das mich an verschneite, kurze Wintertage erinnert, die nicht viel Licht haben. Wie sieht es aus mit euren Einflüssen? Welche Blackmetalband hat euch geprägt?
Black Metal hat einen großen Einfluss auf unsere Arbeit, aber die Bands sind einer von vielen Einflüssen, denn genauso wichtig sind für uns „The Swans“, „Joy Division“ oder „Neurosis“. Also alles, was dunkel und atmosphärisch ist.

Ein Freund von mir meinte, dass ihn eure Gitarrenriffs manchmal an Burzum erinnern.
Na ja, in der Hinsicht wurden wir mehr von der Band „Von“ beeinflusst, einer amerikanischen Blackmetalband, die Burzum beeinflusst hat. Diesen Stil gab es zuerst in Amerika, bevor ihn norwegische Bands wie Burzum oder Darkthrone für sich entdeckten. Es ist komisch, „Von“ wird kaum als eine der ersten Bands beschrieben. Es wurde mir bewusst, als ich die Demosongs hörte und dann auf die Zeit schaute, als diese aufgenommen wurden. Es ist repetitive, atmosphärische, dröhnende und mit dunklen Texten unterlegte Musik. Ich habe „Von“ damals entdeckt, als ich die anderen norwegischen Bands kennen lernte und war verwundert, dass sie aus den USA stammen. Ich wurde mir des Einflusses bewusst, seitdem ich bei Tombs spiele. Für die Vorgängerbands [Anodyne, Sino Basila] hatten Blackmetalbands kaum einen Einfluss.

Die Split mit Planks war der Grund mich mit Black Metal zu beschäftigen. Ich wusste schon vorher, dass das Genre einen Hang zum Rechtsextremismus hat, jedoch habe ich mich erst seitdem mit dem Thema auseinandergesetzt. Ich frage mich, ob Black Metal neu definiert werden sollte, um sich vom National Socialism Black Metal [NSBM] abzugrenzen. Ich denke, Tombs ist ein erster Schritt, denn ihr referiert auf Black Metal und habt dennoch Hardcoreparts in eurer Musik.
Wie gesagt, wir sind nicht nur vom Black Metal stark beeinflusst worden und wir versuchen auch nicht eine Blackmetalband zu sein. Hinter diesem ganzen musikalischen Statement gibt es immer eine Ideologie. Ich meine jetzt nicht nur die NSBM-Ideologie, sondern auch so etwas wie Satanismus oder Spiritualismus. Es geht jedoch nicht darum, dass die Band solch ein Thema in ihrer Musik transportiert. Die Texte sind zwar sehr dunkel, aber es ist eher ein emotionales als ein philosophisches Statement. Klar, in den Texten steckt auch eine Philosophie, aber der Ursprung ist emotional. Gerade bei einigen neueren Blackmetalbands wie Deathspell Omega ist die Philosophie mit satanischen Aspekten verwurzelt.

Meiner Meinung nach definiert das eine Blackmetalband. Wir wurden vom Black Metal inspiriert, wollen uns aber nicht dazu zählen, denn wir haben diese satanistische Anschauung nicht. Mit der Verbindung zu bestimmten Namen oder Labels kann man sich immer Hardcore-, Punk- oder Powerviolenceband nennen, jedoch ist man automatisch an seine Musik gebunden. Vielleicht wird unsere nächste Platte nach Angels of Light, Death in June oder der ersten Platte von Joy Division klingen. Aber ich möchte nicht sagen, dass wir etwas Neues von was auch immer sind, denn ich müsste mich damit auf musikalische Optionen beschränken.

Zu den Bands, die ich in der letzten Zeit entdeckt habe, gehören auch Wolves in the Throne Room, jedoch musste ich dort feststellen, dass es anscheinend mit der Band auch ideologische Ungereimtheiten gibt. In einem Interview mit dem Vice-Magazin erwähnte die Band, es habe auch positive Züge im Nationalsozialismus gegeben.
Ich glaube, sie meinten den Faschismus an sich, anstatt des Nationalsozialismus. Ich kenne die Mitglieder persönlich und ich wäre sehr überrascht, wenn sie meinen würden, dass es irgendetwas Positives am Nationalsozialismus gäbe, denn ihre philosophische Ausrichtung geht eher in die des Naturalismus. Meiner Meinung nach wurde die Aussage in dem Interview aus dem Zusammenhang gerissen. Einer meiner philosophischen Haupteinflüsse ist Chuck Dukowski von Black Flag, der einmal meinte „Fascism for you, Anarchy for me“.

Ich verstehe darunter, dass ich als intelligentes Wesen, machen kann, was ich will und die Drohnen in der Reihe stehen müssen. Ich glaube, es ging ihnen darum, zu sagen, dass manche Menschen keine eigenen Entscheidungen treffen können, ohne gegen sich selbst zu handeln. Leute zerstören sich zum Beispiel immer noch gegenseitig oder schmeißen Plastik in den Mülleimer und denken, dass es dann verschwindet. Ich denke, das trifft eher die Aussage, die sie treffen wollten und nicht die Umarmung des Nationalsozialismus.

Zudem muss man sagen, dass das Vice-Magazin auch einen komischen Stil hat.
Ja, ich gebe dem Magazin auch keine journalistische Aufmerksamkeit, aber sie produzieren viele Dokumentationen wie „Heavy Metal In Bagdad“.

Ahh…noch nicht gesehen.
Das musst du sehen. Ich dachte am Anfang, es wäre irgendetwas Witziges, aber der Film zeigt, wie es ist in Bagdad Metal zu spielen. Es zeigt den Unterschied, zu Ländern wie Deutschland oder Amerika, wo Religionsfreiheit herrscht und man raus gehen, Instrumente kaufen und nach etwas Übung eine Band gründen kann. Ich gebe dem Vice etwas mehr Gewicht, was das Hauptquartier angeht, aber ich kenne nicht die englische oder deutsche Ausgabe.

Okay, ich habe mich, als ich eure Musik verstanden habe, gefragt, woher es kommt, dass jemand, der eher aus dem Hardcore kommt, sich für Black Metal interessiert. Für ein Genre, das viele negative Seiten hat. Hardcore hat sich im Grunde doch vom Punk emanzipiert und sagt lieber ja als nein zum Leben.
Im Hardcore gibt es auch viele dunkle Hardcorebands, zum Beispiel Deadguy oder Black Flag. Bands, die in ihren Texten emotionaler sind. Ich bin zum Beispiel emotional negativ dem Leben und den Menschen gegenüber eingestellt, wenn ich sie sehe, wie sie sich gegenseitig belehren oder wenn ich überlege, wie viel Energie die Menschen aufwenden um sich selber zu generieren. Als ich mitbekommen habe, dass Hardcore mehr und mehr zu einem Fashion-Ding wurde, in dem es um Styles geht, welche die coolste Band in der Szene ist, oder wer der Typ ist, der das richtig Fanzine, Label oder Distro macht, wollte ich mich dem entziehen und habe Black Metal entdeckt.

Für mich ist es eine Art individuelle Freiheit, denn was mit dem Genre einhergeht ist Satan. Es gibt viele Definitionen von Satan und die, die für mich zutrifft, ist eine Definition über die Selbstveredelung. Also lebe dein Leben, wie du es möchtest, aber jede deiner Entscheidungen hat Konsequenzen und diese müssen akzeptiert werden. Das gilt für mich und die Philosophie des Black Metal. Black Metal ist, wie ich vorhin gesagt habe, sehr individuell, denn die Corpsepaint ist nicht etwas, das… also entweder ist man drin oder nicht.

Es gibt auch die Church Of Satan deren Philosophie sich gegen die Gesellschaft wendet und ebenfalls mit vielen Schockern arbeitet.
Ja, ich habe viel darüber gelesen und kann sagen, dass es eher wie Nietzsches Selbstüberwindung ist. Die umgedrehten Pentagramme und Kreuze sind nur Symbole. Jesus, Gott und Satan sind ebenfalls nur christliche Konzepte. Um Religion abzulehnen muss Satan als Gott abgelehnt werden, sowie Jesus, Jehova und so weiter. Es ist eigentlich irrelevant ein Satanist zu sein, denn wenn man einer ist, gewinnt Gott oder Jesus Christus ebenfalls an Bedeutung.

Nun gut, bei Black Metal geht die Bedeutung des Christentums in die Ablehnung des schwachen Menschen…
Das ist wieder so eine extreme Sichtweise der Anthropologie wie des Sozialdarwinismus, dem viele Leute angehören. Ich glaube, die Leute, die der Theorie nachgehen, sind über sich selber ungewiss. Ich persönlich habe eine darwinistische, nietzschistische Ansicht über die Welt, das Leben und mich selbst, aber ich würde nicht denken, dass der Stärkere über den Schwachen herrschen soll. Ich denke, wenn ich mich irgendwie vorwärts bewegen kann, um mich zu verbessern, dann bedeutet das für mich Stärke. Die andere Seite kommt wie gesagt von Leuten, die sich im eigenen Leben unsicher sind und die ihre extremen Ansichten mit dunklen Extrempunkten mischen, um sich stärker zu fühlen…

Jedoch steht Varg Vikernes in Verdacht Kirchen angezündet zu haben, um in einen Krieg mit dem Christentum zu geraten.
Das ist eine andere Geschichte, denn als das Christentum nach Norwegen kam, hat es versucht die gesamten heidnischen Ideen zu zerstören. Das Christentum ist generell in Skandinavien tief mit einer humanistischen Gesellschaft verwurzelt und wenn bei einer Person der heidnische Glaube mitschwingt, dann ist es natürlich, dass das Christentum abgelehnt wird. Das ist ihr Trip. Das ist wieder der angesprochene Punkt der Church Of Satan. Aktion und Konsequenz. Er hat die Kirche niedergebrannt, gemordet und all den anderen Kram gemacht, dafür saß er im Gefängnis…

Jedoch haben er und bestimmte Teile des Black Metals an Berühmtheit gewonnen.
Ich glaube nicht, dass er dadurch berühmt wurde. Es war eher wie ein kurzes Aufleuchten eines Punktes auf dem globalen Radar, das nun wieder verschwunden ist. Vor ein oder zwei Jahren wurde „Lords Of Chaos“ von Michael Moynihan, der übrigens ein Nazi ist, veröffentlicht, in dem er schrieb, dass kaum Leute auf diese Sachen aufmerksam wurden. Es war nicht so, dass man in einen amerikanischen Supermarkt gehen konnte und das Bild von „Count Grishnackh“ in der Zeitung gesehen hat. Die meisten Leute hatten keine Ahnung, wer er war.

Und was ist mit dem Bekanntwerden des Black Metals durch Absurd?
Ich denke, da gibt es Unterschiede, denn es gibt auch andere Blackmetalbands aus Deutschland, die nicht dem NSBM angehören. Ich meine, wenn du in irgendeiner Form rassistische, faschistische, nationalsozialistische Tendenzen hast, dann ist es egal, welche Musik du spielst. Schau dir Death Metal an, da gibt es auch rassistische Bands. Ich denke, die Musik ist einfach ein anderes Vehikel um ihre Ideologie loszuwerden. Es ist doch im Hardcore nicht anders.

Äh…noch mal, mir ist bewusst, dass Tombs keine Blackmetalband ist.
[Gemeinsames Lachen]
Ja, ich weiß, ihr Deutschen habt in der Hinsicht komische Gedanken. Doch glaub mir, ich bin sehr einfühlsam.

*

Am Ende unterhalten wir uns noch über den Naturalismus von Neurosis und Mike erklärt die positiven Aspekte. Ich entschuldige mich, dass wir kaum über die Band an sich gesprochen haben. Ich gebe zu, ich war etwas vorschnell mit meinem Schluss, dass Burzum einen so starken Einfluss ausüben. Dennoch stellt sich die Frage, ob solche Musik „gehört werden darf“. Ja, mit dem Wissen, um die Hintergründe? Oder sagt man, so wie Mike, dass es sich dabei um Extrempunkte handelt, von denen man die Finger lässt?

Interview: Matthias Lehrack

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