März 13th, 2020

THE SHONDES (#163, 2013)

Posted in interview by Thorsten

Aus Brooklyn stammt diese ungewöhnliche Band, die sich nach dem jiddischen Wort für Schande benannt haben, womit wir auch schon beim Thema wären. Neben ihren Bezügen zur Queer-, Trans, und Riot-Grrrl-Szene, thematisieren die vier auch immer wieder den Israel-Palästina-Konflikt. Während sie in den USA als Anti-Zionist_innen innerhalb der linken Szene viele Verbündete haben, sind sie auf ihrer ersten Europatour in manchen Städten hart dafür angegangen worden. Grund genug mal bei Sängerin und Bassistin Louisa nachzufragen, was sie von der Tour mitgenommen hat und einen externen Blick auf die Spaltung innerhalb einer sonst vermeintlich solidarischen Szene einzufangen. Aber auch musikalisch ist bei den Shondes seit dieser Tour einiges passiert. Diesen September erschein ihr neues Album The Garden bei Katy Ottos sympathischem Exotic Fever Label, das für politisierten Post-Punk steht.

Kein Wunder also, dass die Shondes, deren Musik am ehesten an die Butchies mit Klezmer-Einfluss erinnert, dort gelandet sind, nachdem sie in den ersten Jahren ihrer Bandgeschichte ihre Musik selber veröffentlicht hatten. Das neue Album ist schwungvoll und optimistisch und beherzigt dennoch die Fakten der realen Welt, die hoffnungsvoll zu sein nicht immer einfach macht. Hoffentlich kommen sie im Zuge dieser Veröffentlichung wieder auf Tour und präsentieren ihren schrägen Mix aus großen Rockgesten und zurückhaltender Virtuosität. Während Frontfrau Louisa auf der Bühne eher dem Bild der Femme Fatale entspricht (anziehend und doch gefährlich), stehen Geiger Eli (dessen Stimme großartigerweise an den leider verstorbenen Jeff Hanson erinnert) und Gitarrist_in Fureigh eher für geschlechterverwirrende Performanz. Leider wird die immer grinsende Temim nicht mehr das Schlagzeug bedienen aber auch davon lassen sich die restlichen Shondes nicht unterkriegen… und schon gar nicht von der Kritik hinter deutschen Bühnen auf die sie das nächste Mal noch besser vorbereitet sein werden.

Wenn euer neues Album ein Tier wäre, welches wäre es?

Auf jeden Fall ein Bär! Bären sind sanft und stark und loyal und wütend und zärtlich.

Euer neues Album heißt The Garden wie auch dessen erstes Stück. Was verbindest du mit diesem Bild?

Gärten erzeugen so viele Bilder bei mir. Natürlich den Garten Eden – so eine alte, grundlegende Geschichte, die in so vielen kreativen Arbeiten auftaucht, die sich mit der Idee der Unschuld beschäftigen. Es ist fast unmöglich über Dinge wie Unschuld oder Verlust nachzudenken, oder sich zu trauen sich eine bessere Welt vorzustellen ohne dabei an Geschichten über Eden nachzudenken. Aber auch Geschichten wie Der Geheime Garten, die für mich persönlich sehr bedeutsam waren, verwenden das Gartenbild so, dass Leben und Verlust, Potenzial und Aufgeben, wichtige Dinge zu verstecken und sie aufzudecken verknüpft werden. Ich habe über alle diese Dinge nachgedacht während ich diese Sammlung von Liedern und vor allem das genauso betitelte geschrieben habe.

Bei mir kamen gerade religiöse Bezüge an, wie eben das Paradies oder der Garten Eden, so dass den Garten aufgeben auch bedeuten würde seine Spiritualität aufzugeben. Welche Rolle spielt Religion in deinem Leben?

Die Textzeile „who told you to give up on the garden“ ist eher persönlich gemeint. Im Sinne von: Wer hat dir befohlen, die Hoffnung aufzugeben? Dinge aufzugeben die dir wichtig und heilig sind? Religion ist an und für sich kein großer Bestandteil unserer Leben, aber sie ist mit unserer Geschichte als jüdisches Volk verknüpft und wir haben alle individuelle Wege gewählt um Spiritualität mit der Welt zu verbinden. Spiritualität nimmt in meinem Leben eine bedeutende Rolle ein, aber die Leute sind geneigt sich anzumaßen zu wissen was das genau heißt. Es ist nicht so, als ob ich jeden Tag in der U-Bahn Gebete aufsage.

Ihr stellt selber immer heraus, dass ihr eine jüdische Band seid, und eure Fans tun dies meistens auch. Auf welchen Gebieten ist diese Information wichtig, um die Shondes zu verstehen: Eure Politik, Texte, Lebensführung oder musikalischen Einflüsse?

Jüdisch zu sein ist Teil unserer Identität. Ich glaube, dass das oft erwähnt wird, weil wir die Band nach einem jiddischen Wort benannt haben, weil wir einer Geschichte Tribut zollen wollten, die zum größten Teil zerstört wurde. Als wir in Europa auf Tour waren hat es sich besonders bedeutsam und wichtig angefühlt, diese zu repräsentieren.

Ihr wart mehr oder weniger kürzlich in Europa auf Tour und wurdet in vielen deutschen Städten von der antideutschen Bewegung konfrontiert. Wir hast du deren Motivation verstanden euch zu kritisieren und was hast du aus den Erfahrungen gezogen?

Ich bin keine Autorität was die antideutsche Bewegung oder die deutsche Linke im Allgemeinen betrifft, aber ich habe versucht so viel wie möglich darüber zu lernen während ich dort gereist bin. Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ich es falsch finde, wenn Deutsche (oder irgendwer sonst) unkritisch die US-amerikanische Außen- und Israelpolitik unterstützen. Jede Person, die den Rassismus beenden will, muss willens sein kritisch zu denken und auf marginalisierte Stimmen zu achten – zum Beispiel die von uns in der jüdischen Linken, die aus unserer Geschichte, also der Geschichte der Judenverfolgung, gelernt haben schwierige Fragen zu stellen, sich gegen Antisemitismus zu lehnen und systemischen Rassismus aufzudecken. Jede Person die sich mit der Geschichte von Israel und Palästina beschäftigt und mit der großen Zahl an Aktivist_innen spricht die daran arbeiten die Besetzung zu beenden (Israelis, Palästinenser_innen und der Rest von uns), wird erkennen, dass Israel ein großes Unrecht begangen hat. Genauso wie wir uns gegen unsere US-amerikanische Regierung stellen, drängen wir darauf, dass sich das jüdische Volk gegen den Staat wehrt, der uns alle als potenzielle Bürger_innen reklamiert, während er Palästinenser_innen tötet und verscheucht, deren Familien dort schon gelebt haben bevor es den Staat Israel gab. Die Orte in Europa zu besuchen an denen der Genozid der Juden verübt wurde war schwer genug. Herauszufinden, dass es Deutsche gab, die uns wegen unserer antirassistischen Überzeugungen boykottierten und das mit eben dieser Geschichte begründeten war mehr als schmerzlich und aufwühlend. Mir wird immer noch übel, wenn ich darüber nachdenke.

Hast du das Gefühl, dass die Diskussion über (Anti-)Zionismus in den USA ganz anders geführt wird und wo positionierst du dich dort?

Ich glaube, es gibt einen kulturellen Kontext von Zionismus in Deutschland, den ich nicht komplett verstehe. Weil manche Menschen Israel als Antwort auf das, was die Nazis getan haben sehen, mag es für Deutsche schwierig sein, das anders zu sehen. Leider kann keine Nation den Horror des Genozids lösen und das jüdische Volk hat nie einen Konsens über die Vorstellung von jüdischer Staatlichkeit erzielt. Wir hatten damals das Recht, das zu diskutieren und das Recht haben wir heute ebenso. Ich kann nicht verstehen, warum uns irgendwelche Deutschen diese Debatte verweigern wollen. Und das ist besonders ironisch wenn es in die Sprache gekleidet ist, die Faschismus und Antisemitismus angreift. Um Antisemitismus etwas entgegenzusetzen, muss man dem jüdischen Volk zugestehen, ebenso kompliziert und verschiedenartig zu sein wie jede andere Gruppe von Menschen. Und dazu sei hinzugefügt, dass wer auch immer Rassismus ablehnt auch Araber_innen und Moslems erlauben muss, ebenso kompliziert und verschiedenartig zu sein wie jede andere Gruppe von Menschen. In den USA existiert ein virulenter Rassismus und Islamophobie aber ich war schockiert über das explizite Ausmaß, das in ganz Deutschland dahingehend erreicht wurde. Wenn ich meine deutschen Freund_innen um eine Sache bitten könnte, wäre es, dass sie gegen diese steigende Tendenz ankämpfen – und anerkennen, dass es immer noch Rassismus ist, selbst wenn es sich hinter der Idee versteckt solidarisch mit dem jüdischen Volk zu sein. Die beste Art um diese Solidarität in den Nachwehen des zweiten Weltkrieges auszudrücken ist uns zuzuhören und die Realität der bei uns weiterhin stattfindenden Debatten und Machtkämpfe zu respektieren. Versucht den Marginalisierten beizustehen, anstatt die Festigung neuer herrschender Klassen innerhalb der vormals Unterdrückten zu unterstützen.

Um mal auf euer neues Album zurückzukommen: Mein Lieblingslied ist Sing For You, das ich als Ode an DIY/alternative Musikszenen verstehe, wie auch als eine Art Coming-Out-Stück im Sinne von, I don’t wanna sing for you (=Männer) anymore. Wie weit bin ich damit von der Wahrheit entfernt?

In Sing For You geht es auf jeden Fall darum mit Sexismus in der Musikindustrie zu ringen und um die spezifischen Erwartungen die Männer oft an Frauen innerhalb derer haben. Das Lied drückt mein Verlangen aus aufzuhören sexistische Fantasien im Namen von Karrieremachen zu bedienen. Selbst als Feministin, die es gewohnt ist sich gegen Dinge auszusprechen, habe ich mich in einigen Momenten in Absprachen mit dem Patriarchat wiedergefunden. Das ist manchmal bedrückend und verwirrend und bei Sing For You geht es um die Herstellung von Selbstbestimmtheit innerhalb der Industrie.

Im Werbevideo für euer letztes Album betonst du wie wichtig die Idee der Band als Kollektiv zu dem alle beitragen für euch ist. Wie umgehst du Situationen, in denen die Sängerin sofort als Sprecherin für die ganze Band angesehen wird?

Es gibt verschiedene Modelle für kollektive und kollaborative Arbeit. Unseres entwickelt sich immer weiter und als Hauptsongschreiberin und Frontfrau tendiere ich dazu etwas mehr der kommunikativen Aufgaben zu übernehmen. Ich habe mich sehr der Zusammenarbeit verschrieben – das ist das Zentrum meiner Politik. Ich glaube aber nicht daran, dass wahre Zusammenarbeit bedeutet, dass man die ganze Arbeit zu 100% gleich aufteilt. Tatsächlich finde ich, da das eh nicht möglich ist, verschleiert man Ungleichheiten, wenn man dieses Ideal trotzdem hochhält. Es ist mir wichtig die unschätzbaren Beiträge aller Bandmitglieder widerzuspiegeln aber das heißt nicht, dass wir alle an jeden Interview teilhaben müssen. Wir versuchen lediglich transparente Absprachen über unsere jeweiligen Rollen und Pflichten zu treffen.

Während The Garden entstanden ist habt ihr die Schlagzeugerin gewechselt. In wie weit war eure neue Schlagzeugerin Teil des kollektiven Songschreibprozesses und wie stark hört man Temim in den neuen Liedern noch heraus?

Temim ist ein Gründungsshonde und hat die Band dauerhaft geprägt. Das ist in vielen unterschiedlichen Dingen verankert – unserem Ethos, Zielen, Prozessen und Klängen. Im Bezug auf die Stücke von The Garden kann man sowohl Temim als auch Allison hören. Viele von Temims ursprünglichen Schlagzeugideen waren die Basis für Allisons vollendete aber Allison hat den Schlagzeugparts sicherlich auch neue großartige Perspektiven, Verfeinerungen und Umschreibungen gebracht. Wir hatten auch ein paar neue Stücke nach Temims letzter Tour mit uns gemacht, die Allison sehr stark mitgeprägt hat.

Was haltet ihr vom Touren? Wie viel des Jahres sollte damit idealerweise gefüllt sein und hast du jemals das Gefühl gehabt, du würdest am Liebsten früher nach Hause fahren um bei Dir bleiben zu können? Einige dieser Gedanken werden meines Erachtens ja auch in Follow The Storm angedacht, wenn ich mich nicht täusche.

In einer perfekten Welt würde ich gerne die Hälfte bis 3/4 des Jahres auf Tour sein. Es gibt eine Art heiliges Gleichgewicht, das sich aus dem Adrenalin des Reisens und jeden Abend Spielens und der Sehnsucht und tatsächlichen Rückkehr nach Hause ergibt. Für mich ist es auf jeden Fall anstrengend so wenig Privatsphäre zu haben und mich unverankert zu fühlen aber das ist die einzige Möglichkeit die ganze Zeit Konzerte zu spielen, was mich tatsächlich gesund hält.

Wie gefällt dir deine Erwerbstätigkeit und wärest du bereit diese für die Band ganz aufzugeben?

Oh ja, wir haben alle schon oft unsere Jobs gekündigt und unser Motto ist, dass die Band an erster Stelle steht. Sie ist meine Karriere. Dennoch muss gesagt werden, dass ich großes Glück hatte einen Job zu finden, der so viel mehr als das ist. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich mir durch ihn ein Leben in New York ermöglichen konnte.

Ich frage das, weil du an der New School studiert hast: Was hältst du von Hannah Arendt und siehst du Parallelen darin welche Reaktionen sie auf Eichmann in Jerusalem bekommen hat und wie Judith Butler aktuell von Teilen der jüdischen Gemeinde angegangen wird?

Wow, was für eine tolle Frage. Ich denke nicht, dass mich die New School zur Autorität über Hannah Arendt macht aber ich habe viel daraus gezogen als ich während des Studiums etwas über sie gelernt habe. Ich würde sehr gerne nochmals Eichmann in Jerusalem lesen und es in einer Gruppe diskutieren. Aber aus dem Kopf: Ja, ich sehe da ein paar Parallelen in diesen Kontroversen. Hauptsächlich im Fehlen eines Konsens innerhalb von Gruppen verfolgter Menschen, der für Außenstehende immer problematisch zu sein scheint. Deswegen sind so viele von uns, vielleicht sogar wir alle, darauf getrimmt überall Muster zu sehen und Komplikationen zu simplifizieren damit wir mit der Realität umgehen können oder um Schlussfolgerungen zu ziehen, die uns weiterbringen. Auf Gedeih und Verderb hat sich Hannah Arendt vielen der „gesunder Menschenverstand“ Erklärungen des Holocausts widersetzt, die sich in den 20 oder mehr Jahren nach seinem Ende festgeschrieben hatten. Dieses Infragestellen von Normen, Dinge zu hinterfragen die gar nicht mehr hinterfragungswürdig erscheinen, ist so wichtig um nach einer besseren und gerechteren Welt zu streben. Judith Butler ist eine wahre Heldin für mich. Eher wegen ihrer ehrlichen und wagemutigen Versuche ihren eigenen menschlichen Prozess in der Ausformung politischer Meinungen abzubilden statt ihrer gigantischen theoretischen Beiträge zur Welt. Die Art wie sie ihre Gefühle und Analysen bezüglich Israel/Palästina beschreibt ist rühmenswert, genauso wie die Positionen, die sie bezogen hat, so wie, den Boykott zu unterstützen.

Text/Interview: Alva Dittrich

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