Juli 31st, 2019

THE GHOST (#93, 2002)

Posted in interview by Thorsten

Wow, ich sag´s einfach ohne großes tam tam frei heraus. Endlich mal wieder eine band, die mich von der ersten bis zur letzten note komplett weg bläst. Endlich mal wieder eine band, die nicht nur druck und energie versprüht, sondern auch die kleinen sensiblen nackenhärchen zu stimulieren weiß. Gänsehaut! Hier klickt es einfach sofort. Die neue lp THIS IS A HOSPITAL verschwendet keine zeit mit introvertierter brillanz, welche zu ergründen für gewöhnlich wochen dauern kann. nein, dieser brillant kommt straight ahead zum punkt. klassischer gefühlsrock, schwungvoll lässig in szene gesetzt und zugleich mit der anschubkraft einer pershing versehen. Was Steve Albini produziert, some records veröffentlicht und ein haufen jungspunde hier eingespielt hat, ist eine platte, wie sie bestenfalls alle 2 jahre mal veröffentlicht wird. Emotion pur, melodie satt, und das ganze zudem so schön druckvoll präsentiert, daß man kaum weiß, ob man zuerst das tanzbein schwingen, laut mitsingen oder einfach nur den arm in die luft schnellen lassen soll. The Ghost sind fraglos eine klasse für sich. Fast schon eine league of their own. Denn wieviel wirklich große platten hat es in den letzten jahren denn gegeben? Also platten, die auf heavy rotation jeden tag, jede stunde, jede minute immer und überall virtuelle orgasmen auslösen konnten? Nicht so richtig viele. Wenn ich mich recht entsinne, vermochte dies nur der musikalische output von HOT WATER MUSIC, AT THE DRIVE-IN und STRIKE ANYWHERE. Well, zumindest was das hauptquartier des kommando friesische wiese betrifft konnte bisher nichts und niemand in diese heilige bastion eindringen. Bis, ja bis plötzlich aus dem nichts dieser ausgelassene power rocker hier auftauchte. Gott was bin ich froh, daß mir eine band noch dermaßen viel spaß bereiten kann. Dies sind die momente, wo wieder einmal alle selbstzweifel über sinn und unsinn von punk, szene, schreiberei etc. über board geworfen werden. Momente, in denen es mir noch egaler ist als sonst, wenn uns mal wieder jemand langweilig findet, oder meint, hier würde der stillstand die eigene existenz zu einem bloßen symptom degenerieren. stillstand ist doch letztlich nicht mehr als ein individuell wahrgenommenes gefühl welches sich einzig und allein am eigenen befinden orientiert. diese wahrnehmung aber auf eine szene projizieren zu wollen, die so vitale energieschübe wie THE GHOST ihr eigen nennt, darf dann doch mit fug und recht als extrem abenteuerlich betrachtet werden. Apropos, sagte ich schon daß ich diese band liebe, daß ich sie tag ein tag aus hören MUSS? Wow, verdammte axt, von dieser band will ich mehr wissen…
torsten

So, dann wollen wir mal mit dem kleinen groupie einmaleins beginnen. Eben jenem basis krams wie zum beispiel dem WER IST WER.

Jordan spielt bass, Brian singt und spielt gitarre. Randall spielt schlagzeug und ich Shane spiele ebenfalls gitarre. Wir sind alle zwischen 21 und 22 und ein gutaussehender haufen flotter burschies. Na gut, letzteres ist eher fraglich.

Na jungs ich weiß ja nicht, ob das jetzt so den groupieschub geben wird. Aber gut, lassen wir das. Ich habe jüngst erst wieder ALMOST FAMOUS geschaut. Weiß zwar jetzt nicht genau, ob ihr diesen film überhaupt kennt, aber das ist eigentlich auch egal. In einer szene erzählt der herausgeber des Creme magazine einem jungspund von aufstrebendem möchtegern musikjournalisten, daß es ja dumm sei, daß er rock n roll verpaßt hätte. Alles was er noch mitbekäme, wäre das letzte todesröcheln. Nun, nimmt man diese aussage aus den frühen 70´s mal für bare münze, scheint es sich ja um einen endlosen slo-mo tod zu handeln, oder nicht?! würdet ihr als teil dieses ganzen zirkus einem solchen statement überhaupt zustimmen? Ist rock n roll und sein revolutionärer impact wirklich schon seit langem am ende, begraben durch industrielle geschäftemacherei und leute, die nur auf den schnellen fick aus sind?

Solange es bands wie fugazi gibt, wird wahrer rock auch nicht aussterben. Klar gibt es eine schwemme an wenig integeren leuten in diesem business. (i use the term business loosely because it wasnt that when any rock kid picked up his dads guitar or decided to sit at his mother piano. atleast i hope that didnt cross anyones mind) Aber die, die das ganze nicht aus vollem herzen betreiben, werden schnell wieder von der bildfläche verschwunden sein. Wenn wir in 10 jahren im wesentlichen immer noch das gleiche machen wie zur zeit und all die, die hier nur für den schnellen fick sind, kühlschrank klempner geworden sind, the truth will shine through.

Als vormalige bay area bewohner habt ihr ja sicher am eigenen leib die viel zitierte invasion der dot.com firmen in diese zuvor ´jungfreuliche´ gegend mitbekommen. Soweit ich weiß hat dieser trend einzig und allein zu abenteurlich hohen mieten und einer yuppidisierung der region geführt. Wie hat sich das ganze new economy business eigentlich auf das dortige underground network ausgewirkt? Hat es das leben generell verändert, in dem es schwieriger wurde mieten zu bezahlen, shows zu veranstalten etc.? ich habe gehört, daß aufgrund dieser entwicklungen eine menge leute die gegend verlassen haben. Klingt ja auch nicht gerade nach einer sehr gesunden entwicklung für eine vormals intakte szene.

Ehrlich gesagt habe ich sogar anderthalb jahre für eine solche dot.com firma gearbeitet. Nicht weil ich spaß dran hatte, oder irgendwelche wichtigen aufgaben dort hatte. Sondern einzig und allein, weil es ein job war, den sie mich haben machen lassen. Insofern war ich in der lage, die sache von beiden seiten zu betrachten. Von der INDIE- und von der CORPORATE seite. Die beschriebene entwicklung hatte große auswirkungen auf die gesamte san francisco bay area region. Dieser teil des landes hat new york lange als teuerster flecken der USA hinter sich gelassen. Was uns persönlich angeht, so konnten wir dem ganzen mehr oder weniger aus dem wege gehen. Ich zum beispiel wohnte in west oakland, dem schlimmsten getto, daß ich jemals gesehen habe, und zahlte dort eine in meinen augen niedrige miete. Nun ja, zumindest dachte ich das, bis ich nach chicago zog und mitbekam, was der rest des landes als ´cheap´ erachtet. Wir haben in der bay area alles so dermaßen für bare münze genommen, daß wir erst aus der ferne betrachtet feststellen konnten, wie sehr man uns dort eigentlich unser gesamtes leben abgerippt hat.

Wie lief eigentlich euer umzug von kalifornien nach chicago so? Warum habt ihr das überhaupt gemacht? Ist es nicht recht hart dieses schöne warme klima gegen das windige chicago zu tauschen?

Das ist alles super gelaufen. Wir alle lieben diese stadt. Seit ich klein war hatte ich eine vorliebe für chicago. Brian und ich haben schon vor 2 jahren ernsthaft an einen dauerhaften umzug gedacht. Und jetzt kam einfach die zeit, wo wir das ganze durchziehen konnten. Und zu dem konnten wir all unseren freunden beweisen, daß wir nicht nur lauwarme schwätzer sind. Von der sprichwörtlichen schönheit der stadt mal ganz abgesehen ist die music community, zumindest zum überwiegenden teil, einfach fantastisch. Sozusagen ein spiegelbild der szene in berkeley, kalifornien.

Meinst du, daß euer umzug nach chicago den gesamten band sound zukünftig stärker prägen wird? Es ist ja nun nicht gerade so, als ließen sich nicht schon jetzt gewisse elemente trockenen, emotionalen chicago rocks in euren songs finden. Aber was THIS IS A HOSPITAL angeht, so ist der sound doch noch sehr fugazish/jawbreakerish/pop-emo-corish geprägt. Wird sich dieses konzept in naher zukunft vielleicht noch stärker in eine noise-rockigere richtung entwickeln? Wer ist überhaupt die treibende kreative kraft hinter THE GHOST? Gibt es diesen berüchtigten mastermind, oder handelt es sich bei euch mehr um eine gruppe gleichwertig kreativer köpfe.

Selbstredend wird sich dieser schritt auf die musik auswirken. Aber es wird eine natürlich entwicklung sein. Ich will die band weder zu einer ´noise-rock´kapelle im wahrsten sinne des wortes machen, noch möchte ich als ´emo-pop-core´ bezeichnet werden. Denn ich denke, daß wir nichts von beidem sind. Ich möchte, daß es leuten schwer fällt, ihren freunden zu beschreiben, wie und nach was wir nun eigentlich klingen. Es sei denn, sie haken uns eh als komplette ´scheiße´ ab, was von haus aus schon nicht gut kommt. Die kreative kraft sind wir alle gemeinsam. THE GHOST würde es in dieser form nicht geben, würde sich nicht jeder einzelne von uns kreativ in diese band einbringen.

Habt ihr euch in chicago eigentlich neue jobs gesucht, oder konzentriert ihr euch dieser tage völlig auf die band? Ich persönlich stelle es mir ziemlich hart vor, solch einen umzug hinzulegen und gleichzeitig von der band leben zu wollen.

It´s always a struggle. Auch wenn wir uns alle sehr auf die band konzentrieren, müssen wir trotzdem noch nebenher arbeiten. Einigen von uns fällt das leicht, anderen hingegen eher schwerer. Ich sollte jetzt eigentlich auch gerade da draußen irgendwo auf jobsuche sein. Aber nein, statt dessen mache ich hier dieses interview. Oh well, morgen ist auch noch ein tag.

Apropos arbeit. Wie lief´s eigentlich so mit Steve Albini? Der mann hat ja schon den ruf eines ziemlich schwierigen menschen. Hattet ihr mal die chance ein auge auf seine heilige und weithin bekannte mikrophon sammlung zu werfen?

Steve und die gesamte electrical audio group sind verblüffend. Steve ist ein sehr direkter mensch. Wenn man auf das hört, was er versucht dir zu sagen, dann läßt es sich super mit ihm arbeiten. Alles was er einem im studio sagt sollte man als in stein gemeißelte heilige worte hinnehmen, denn er weiß genau wovon er spricht. Gleichzeitig aber gewährt er einem volle künstlerische freiheit. Er greift den sound deiner band auf und verpaßt ihm einen bestmöglichen klang. Seine equipment kollektion ist atemberaubend. Das gesamte gebäude ist immakulat, wie eine festung.

Hey, warum habt ihr eigentlich nicht euren alten bandnamen THE TRUST FOUNDATION behalten. Der hat mir irgendwie gefallen. Aber das liegt wohl in der natur der sache.

The trust foundation war doch lediglich ein side project. brian und ich waren vor THE GHOST ja auch schon 10 jahre in einer anderen band aktiv. Die ganze musik szene ist sowieso höchst inzestös.

Ihr kennt doch sicherlich den guten alten klassiker Kampfstern Galactica, oder?! War das nicht irgendwie unser aller lieblings trash flick als wir klein waren?! Doch so sehr wir es auch geliebt haben, blieb uns eines für ewig ein rätsel. Wozu war der mittlere knopf auf dem steuerknüppel der kleinen kampfjets gut? Der rechte war für Schubumkehr und der linke zum feuern. Aber wozu verdammt war der mittlere Knopf da? Jahrelang rätseln wir nun schon an diesem mysterium herum. Aber vielleicht braucht es ja auch einfach nur die findigkeit von ein paar schicken neu-chicagoern um endlich mal licht in dieses dunkel zu bringen.

Also ich weiß ja nicht… während du damit beschäftigt warst, dein hirn mit übermäßigem fernsehkosum zu erweichen, habe ich meines mit Atari´s GALLAGA zerstört. Dem besten spiel aller zeiten.

Ach du scheiße, ich sehe schon. Ich habe wieder mal überhaupt keinen plan von gar nichts. Gallaga what?

Was?? Du hast nie von Gallaga gehört? Was habt ihr denn da drüben in den 80´s getrieben? Das ist das beste Atari spiel aller zeiten.

Nee, außer Gattaca kenne ich nichts. Aber das ist ja wieder eine ganz andere party. Und übrigens ist Atari sowieso ein scheiß thema. Denn ich mußte ja damals so eine kack Intelevision konsole zu weihnachten bekommen. Nix Atari, nix C64. Nee, statt dessen gab´s diese fürchterliche mißgeburt von ´top modernem´ telespiel, wo man nicht mal ordentliche joysticks anstöpseln konnte. Ach was sage ich, joysticks! Dieses ding hatte ja nicht mal welche. Dafür durfte man sich dann mit einem bedienteil aus druckknöpfen und drehscheiben herum ärgern. Was ein horror! Kann sich wahrscheinlich niemand vorstellen, was das für traumatische einschnitte hinterläßt, wenn man Defender ohne dauerfeuer spielen muß. Scheiße mit der scheiße! Danke daß ihr mich daran erinnert habt. Ich hasse euch. *breitgrins*

interview partner: Shane

photos: geklaut

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