September 9th, 2019

THE GEARS aus # 191, 2018

Posted in interview by Jan

„The Gears sind die beste 70er L.A. Punk-Band, die du noch nie gehört hast” (LA Weekly)

THE GEARS

Schuld ist doch nur das Razorcake Fanzine aus Los Angeles! Ich bin seit vielen Jahren großer Fan von (HC-Punk aus) Los Angeles und in einer älteren Razorcake-Nummer stand sinngemäß drin, dass die „Rocking at Ground Zero“-Platte der Gears (von 1980) einfach die beste Los Angeles-Punkplatte aller Zeiten wäre. Huh? Den Bandnamen kannte ich zwar, aber ich habe peinlicherweise die Musik nie ausgecheckt. Und was soll ich sagen, die Platte ist der Hammer. Auf der Gears-Facebook-Seite heißt es zu der Musik nur lapidar „Four Speed Punk RocknRoll“.

Das Razorcake schrieb zu der Wiederveröffentlichung des ersten Albums, das sie eine Art Sixties-Variante von südkalifornischer RocknRoll-Musik spielen, eine “greasy”-Variante der Clash, bevor diese Disco wurden. Derweil die LA Weekly etwas von „unterbewertet” konstatierte und des Weiteren berichtete, dass die Gears als Los Angeles Punkveteranen sicherlich nicht den weltweiten Ruf wie X oder die Germs haben, aber ein wichtiger Teil des Punkrock-Virus waren, der Ende der 70er in der Stadt ausgebrochen ist. Ich finde, dass das auch stimmt, bei L.A. Punk denkt man eben in erster Linie an die Germs, Black Flag, Circle Jerks, Social Distortion, X, Adolescents…

Einige Zeit später las ich dann wieder im Razorcake, dass die Gears eine Doku-DVD namens „Don´t be afraid to Pogo“ (benannt nach einem ihrer Hits) raus haben. Problem: diese DVD gab’s nirgends zu kaufen oder zu sehen. Ich mailte auf Facebook den Gears-Sänger Axxel G Reese an, ob ich die DVD von ihm via Paypal kaufen könnte. Dabei erwähnte ich meine Trust-Mitarbeit nicht, ich wollte mal schauen, wie er reagiert und wenn mir dann die DVD gefallen sollte, dann mache ich ein Interview, das war der Plan. Er meinte dann, dass er mir die DVD für umme nach Germany schickt, weil wegen Gears-Fan und so! Yeah! Und der Film ist sehr interessant, ein Zeitdokument über eine Band, die Ende der 70er in Los Angeles Beach-Punk machte, aufhörte und sich dann wieder zusammentat und bis heute live spielt, leider hauptsächlich nur im Großraum der südkalifornischen Metropole.

Ihre erste Singe „Lets Go To The Beach“ erschien übrigens 1979, das bereits erwähnte Debüt dann eben 1980, 1982 löste sich die Band auf und Axxel machte dann die D.I.´s (nicht die Orange County-Band natürlich). Dazu gibt’s folgende nette Anekdote von der Band selber: „Als Tipper Gore mit ihrer Tirade gegen Schmutz und Pornographie in der Pop-Musik begann, wurde sie in einer TV-Sendung live aufgenommen, als sie vor Tower Records auf dem Sunset Boulevard stand und ein Exemplar unserer D.I.-„Lock and Load”-Platte hochhielt mit den Worten ´Genau das meine ich´. Tower Records verkaufte davon dann mehr als 500 Exemplare in weniger als sieben Tagen”.

In den 90er gab’s die Gears wieder, es erschien 2004 die „Four on the Floor“-EP und 2015 folgte eine neue Platte, „When things get ugly”. Der Film über die Gears begeisterte mich übrigens auch deswegen total, weil die Leute so down to earth sind, so “menschlich” und keine LA-Poser-Heinze. Deshalb und weil ihre erste Platte immer noch so dermaßen Arsch tritt findet ihr nun dieses anlassfreie Interview mit Sänger Axxel G. Reese. Bekanntlich liegt die Kürze in der Würze und bei weiteren offenen Fragen checkt ihr am besten die DVD ab!

Axxel, du warst Augenzeuge der alten End-70er-Hollywood-Punk-Szene, wie war der Vibe damals? Einige Leute sagen, dass die originale Szene viel diverser war im Vergleich zu der Hardcore-Szene, die dann von den Stränden kam?
Ich bin echt dankbar und gesegnet, dass ich die 70er Los Angeles-Punkszene mitbekommen hatte und ein Teil davon war. Ich war im Masque und sah großartige Bands wie X, The Weirdos und The Controllers, das ist die Band, die von Kidd Spike gestartet wurde. Die Szene war divers, soviel ist sicher: du hattest Black Randy, Geza X, The Bags und viele mehr. Später kamen dann Keith Morris und Black Flag, das war zur der gleichen Zeit, als es auch bei uns mit den Gears losging. Wir haben damals zusammen „geprobt“, das war in deren Kirche, die sie besetzt hatten. Und dann nochmal später kamen die Strand-Skins-Leute und besuchten die Gigs. Sie hatten ihre eigene Agenda, definitiv.
Was war der Grund für den Start der Gears, ich vermute, eine ganz spezielle Liebe für die Ramones?
Die Ramones waren auf jeden Fall ein großer Einfluss, aber wir waren auch von den britischen Bands inspiriert. Wir waren vom Herzen her RocknRoller, Punkrock war für uns RocknRoll.
Fast alle alten Bands haben sich jetzt wieder zusammengetan, sind die Konzerte heute total anders als wie damals?
Die Gigs sind heute ganz anders wie damals. Es ist vielmehr ein Mix aus alten Fans und jüngeren Kids, die neugierig sind und auf der Suche nach Spaß sind, denke ich. Und die Band selber ist natürlich auch anders. Es hat sich stark entwickelt, zum besseren hin, ohne die Kraft der vergangenen Lineups zu verlieren. Wobei klar, jede Version der Gears hat ihre eigenen Abenteuer zu berichten.
Ich liebe total euren Song „Darlin´Baby“, worum geht´s da eigentlich, ich verstehe irgendwie nur, dass es um das Auseinandergehen mit der Freundin geht oder so…?
„Darling Baby”, um es jetzt einfach und ungehobelt zu sagen, repräsentiert das amerikanische Axiom von wegen „Kumpels vor Nutten“. Keine Beleidigung, Ladies! (Anmerkung JR: im Original „bros before hoes“. No offense, ladies!)
Würdest du sagen, dass „Don´t be afraid to Pogo“ schon euer Hit-Song ist?
„Don’t Be Afraid To Pogo” ist unsere Hymne, einfach unser Tanz. Es war unsere erste Single und wurde dann auch der Titel von dem Dokumentarfilm des Filmemachers Chris Ashford. Ein Gears-Set ohne diesen Song wäre kein echtes Gears-Set.
In eurer exzellenten Doku-DVD wird auch erzählt, dass Mick Jagger die Gears für eine Major-Label-Plattenveröffentlichung auscheckte, aber dann entschied man sich für die Stray Cats… Wow, was wäre passiert, wenn alles wie geplant gelaufen wäre und ihr dran gekommen wäret. Bist du eigentlich mit eurem Film zufrieden?
Tja, wenn man vom Teufel spricht: in der Dokumentation werden alle unsere Höhen und Tiefen erzählt, auch von unseren naheliegenden Missgeschicken, eben das die Stones nicht an uns interessiert waren, denn das hat offensichtlicher Weise nicht funktioniert. Und natürlich fragen wir uns immer, was wäre wenn doch? Das jetzt beiseitegelassen, wir haben immer weitergemacht. Besonders der späte großartige Dave Drive und ich, da rede ich auch von unseren anderen Band, The D.I.s. Zwischen den verschiedenen Inkarnationen von den Gears hatten wir beide diese Band für zehn Jahre, mit Leuten wie Jimmy Reed von Levi and the Rockats, Jonny Ray Bartel von The Knitters und Ron Emory von T.S.O.L. Wir mögen unsere Dokumentation, weil sie davon und noch von vielem anderen erzählt.
Warum habt ihr euch eigentlich damals ausgelöst?
Zu welcher Zeit meinst du? Es gibt hier nicht ausreichend Platz beziehungsweise Schreibgeschick, um diese Frage zu beantworten. Wir sind einfach nur eine Band mit verschiedenen Persönlichkeiten und Egos. Tja, Scheiße passiert.
The Drill Instructors (The D.I.) haben sich 1992 aufgelöst – warst du dann immer noch danach Teil der Szene und bist auf Konzerte gegangen und so?
Ja, die bereits erwähnten D.I.s gab es von 1982 bis 1992 und es war eine andere Szene und eine neue Welt, sehr aufregend, aber das ist eine andere Geschichte. Die Haare wurden länger bei den Männern, auch bei mir, sehr zum Verdruss einiger Gears-Fans.
Warum kam es dann zur Gears-Reunion, Kohle?
The Gears haben sich einfach wieder zusammengetan, weil wir es konnten. Keiner war oder ist bislang gestorben, von daher, warum nicht? Es ging nie um das Geld. Wir sind arme Punks.
Warum habt ihr 2014 die „When things get ugly”-Platte gemacht?
Wir machten die Platte, weil wir und die Szene etwas hässlicher wurden. Vielleicht haben wir einfach zu viel gesehen! Die Scheibe repräsentiert die Band, wie sie heute ist, adäquater als „Rockin at Ground Zero“, denke ich.
Kannst du uns das aktuelle Line-up vorstellen?
Unsere momentane Besetzung besteht aus Erik Arcane an der Gitarre, Mike Manifold am Bass und Sean Shift am Schlagzeug. Sie alle kommen von bzw. spielten in anderen, ebenfalls bedeutenden Bands. Alles Profis und Veteranen. Sean und Mike waren jetzt länger bei den Gears als unsere ursprüngliche Rhythmus-Gruppe mit Dave Drive und Brian Redz existierte. Kidd Spike war mal dabei und dann mal wieder nicht, das ging öfters so, wie gerade jetzt, aber alles ist gut auf beiden Platten dokumentiert. Einmal ein Gear, immer ein Gear, für dein ganzes Leben.
Wenn du Los Angeles damals mit der Stadt heute vergleichst – was hat sich geändert, was ist gleich geblieben?
2018 bedeutet der vierzigste Jahrgang der Gears. Und klar, sehr viel hat sich in L.A. und überall anders auch verändert. Was geblieben ist, das ist die Tatsache, dass die Band immer noch in der Gegend (bzw. drum herum lebt), in der wir damals angefangen haben, das ist der Nordosten von Los Angeles oder Nela, wie wir es nennen (Anmerkung JR: eben „Northeast Los Angeles“). Dave uns ich haben uns in der fünften Klasse in der Schule getroffen, die war hier in der Straße weiter unten, dort lebe ich immer noch.
Was gefällt dir am Leben in L.A., das Wetter, das mexikanische Essen? Was ist nicht so toll?
Die Stadt ist großartig, das Wetter und die Menschen, alles super! Das ist unser Zuhause.
Gibt´s Pläne für eine Europa-Tour?
Wir planen, Europa in diesem Frühling zu bereisen. Also, wenn Gott es zulässt und keine Scheiße passiert. Wir arbeiten mit Munster Records an der Wiederveröffentlichung von unseren Platten, die sollen dann in ganz Europa erscheinen, also, wenn ich richtig informiert worden bin. Wir haben wirklich totalen Bock, rüber zukommen und für euch alle zu spielen, also, haltet die Augen auf, wir kommen!

Interview: Jan Röhlk
Kontakt: facebook.com/thegears

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