Januar 19th, 2020

TEN VOLT SHOCK aus # 182, 2017

Posted in interview by Jan

„Wenn du eine Band gründest mit dem Vorsatz, so oder so zu klingen, ist das Projekt ja schon zum Scheitern verurteilt. Wenn deine Musik klar in eine Schublade gesteckt werden kann, ist es meistens schon zu langweilig, da es sicherlich hundert andere Bands gibt, die darin origineller sind“

In den 90er entwickelte sich das Trust teilweise zu einer echten Noise-Rock-Fachzeitschrift: im HC-Punk hatte man alles in den 80er erlebt, in den 90er gab es dann Sub Pop-, Touch and Go- und Amp Rep-Bands, die die damaligen SchreiberInnen mehr interessierte. Schon damals hätten die drei Noise-Rocker von TEN VOLT SHOCK aus Freiburg bzw. dem Schwarzwald gut in unser Heft reingepasst, alldieweil, sie gibt es erst seit 2000. Nach einigen Konzerten mit ihnen ist es mir weiterhin etwas unklar, warum, aber immer, wenn ich das superbe Vergnügen habe, mir TEN VOLT SHOCK live anzuschauen (drei Gigs müssten es gewesen sein, Trier vor Jahren war der Hammer!), muss ich an Slayer denken.

Ähem ja, rein musikalisch eine „etwas“ andere Baustelle, aber vielleicht ist die Gemeinsamkeit die unglaubliche Power und Gewalt, die die Schwarzwälder genauso wie die Thrash-Metaller live entfachen? Was auf Platte schon geil kommt, entfaltet sich auf der Bühne zu einem brutalen Monster. Ten Volt Shock stecken auch mit diesem ganzen süddeutschen Inzest-Noise-Rock-Szene-Konglomerat von X-Mist – ich sage nur Kurt – unter einer Decke, und neuerdings musiziert man auch noch bei YASS. Ich bin mir sicher, dass schon einige mit TEN VOLT SHOCK vertraut sind, für die, aber auch natürlich für alle anderen gibt es nun mehr Infos in diesem Gespräch, dass ich mit Gitarrist und Sänger Frank führte. Wenn ich das richtig verstehe, ist das ihr erstes Magazin-Interview, geil. Danke an X-Mist Armin für den Kontakt zur Band.

Als erstes möchte ich sagen, dass euer Bandname natürlich total irreführend ist; auf Platte seid ihr schon deutlich mehr als 10 000 Volt, aber der 100 000 Volt-Schock kommt, wenn ihr live auftretet, da seid ihr echt die Gewalt. Wie kamt ihr auf den Bandnamen, war das Absicht, etwas tief zu stapeln?
10 Volt an der Zunge angelegt ergibt ein herrliches Kribbeln.

Ihr habt euch 2000 gegründet, was war damals die Intention, Ten Volt Shock zu machen? Treibt euch `ne Message um, von der ihr verkünden wolltet, oder ging es „nur“ darum, fett zu rocken?
Die Intention, Ten Volt Shock zu gründen, war Musik zu machen, an der wir Spaß haben, nicht unbedingt der Zuhörer. Wir hatten oder spielten auch noch in anderen Bands, bei Ten Volt Shock hat es menschlich und musikalisch gepasst. Messages halten wir eher für albern, das überlassen wir den Erwachsenen, ebenso wie das „fett rocken“ im entsprechenden Rock-Kostüm und dem coolen Gemache auf der Bühne. Das Dilemma ist natürlich, dass genau das von vielen Leuten erwartet wird.

Musiker sind Typen, die eine Message haben, sich besonders cool verhalten und fett abrocken, daher diese vielen furchtbar langweiligen Konzerte. Ich weiß nicht, woher das Interesse an diesen Bands kommt, aber die Magazine sind voll davon. Vermutlich entscheidet die Vermarktung durch Plattenfirmen und deren Netzwerke über Erfolg und Bekanntheitsgrad der Bands, nicht unbedingt die Musik. Das macht das Ganze ja so eintönig.

In unserem Fall ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir trotz der langen Bandhistorie mit KURT, Ten Volt Shock und YASS, seit 1993, mit vielen Platten und etlichen Touren, noch nie in einem Magazin waren. Wenn du nicht zufällig mal auf einem unserer Konzerte gestrandet bist oder dich ein Bekannter darauf aufmerksam gemacht hat, wirst du voraussichtlich nie auf unsere Musik stoßen. Hätte man die ganze Bandgeschichte medienorientierter auf Erfolg und Vermarktung ausgerichtet, hätten wir jetzt im Schnitt vielleicht auch mehr als 30 Zuschauer, haha.

Die Frage ist natürlich, ob man das am Ende des Tages wirklich will… dann hat man es unweigerlich mit kommerziellen Veranstaltern, Tourmanagern, Promotion-Kram und den ganzen wichtigen Leuten zu tun und nach dem Konzert gehst du in dein Hotel und freust dich, dass du deine Ruhe hast. Das ist nicht das Band- und Tourleben wie wir es kennen und zu schätzen gelernt haben.

Wenn ich das richtig verstanden habe, kommt ihr alle aus dem Schwarzwald, seid aber in Freiburg ansässig, seid ihr dann alle wegen der Band dahin gezogen? Blöde Frage, aber…
Nein, Markus und Mario kommen aus Freiburg, Mario wohnt aber inzwischen in Zürich und ich bin wieder zurück in den Schwarzwald gezogen.

Wie ist die Szene so in Freiburg, gibt es dort noch andere (Noise-Rock-) Bands, mit denen ihr euch verbunden fühlt?
Wir waren schon in einigen Proberäumen mit vielen anderen Bands. Meistens hingen da so aussagekräftige Flyer wie „Drummer sucht Band mit Management“ oder Einladungen zu diversen Workshops von erfahrenen Musikern z.B. „How to start a band“, wo man von kompetenten Leuten genau erfahren kann, wie eine Band zu funktionieren hat, auf was man alles achten sollte und wie man dann total steil durch die Decke geht, haha, da bleibt wenig Platz für Musik, die zur Erfolgslosigkeit verdammt ist. Aber in irgendwelchen dunklen Proberäumen wird sicherlich auch zeitloser Noise-Rock zelebriert.

Ihr seid oft in Europa getourt, wo genau und wie war es so?
Frankreich läuft für uns immer ganz gut, d.h. nicht finanziell, haha, sondern das ein paar Leute zu den Konzerten kommen, die begeisterungsfähig sind und sich wirklich für die Musik interessieren. In Österreich trifft man immer jede Menge Leute mit ganz feinem Humor, super. In der Schweiz passt meistens fast alles außer den Zuschauerzahlen. Belgien, Holland, Spanien, alles abhängig von Veranstalter und Veranstaltung. Kann super sein oder auch…

Wie kamt ihr dazu, in Australien aufzutreten, Goethe-Institut?
Nein, das haben wir, wie auch die letzte Japan-Tour, alles selbst geplant und organisiert. Australien kam durch eine befreundete australische Band, „Kids of Zoo“, zustande, die uns geholfen hat, Kontakte zu knüpfen und dann haben wir das mit unzähligen E-Mails festgemacht. DIY ist eben viel, viel Arbeit!! Aber im Nachhinein ist es natürlich genial, die Möglichkeit zu haben, solche Touren zu machen.

Bei eurem Standort in Süddeutschland habt ihr sicher schon oft in Frankreich gespielt, unterscheiden sich die dortigen Konzerte von denen in Deutschland?
Oh ja, die Leute sind im Schnitt älter, musikbegeisterter, offener und verrückter… und unser Name hat sich dort im Laufe der Zeit herumgesprochen, so dass man auch mal zu größeren Konzerten oder Festivals eingeladen wird.

Was ist an Strasburg so geil, dass ihr eine LP nach der Stadt benanntet?
Der Keyboarder von Electric Electric hat dort gewohnt. Dort haben wir aufgenommen und abgemischt und alle Albumtitel haben etwas mit dem jeweiligen Aufnahmeort zu tun, 6Null3 wurde z.B. in der gleichnamigen Diskothek aufgenommen.

Ihr habt auch auf Labels in Frankreich und den USA veröffentlicht, welche waren das, gibt’s die noch?
Ja, die gibt es noch. Bakery Outlet aus Florida ist das Label von Rich Diem, einem Freund, der in den 90iger Jahren in der Band Twelve Hour Turn gespielt hat und bei Konzerten und Touren mit KURT in Deutschland und USA mit dabei war. Die französischen Labels Rejuvenation Records, Theatre Records und Bigout Records sind ebenfalls Labels von Freunden, die wir im Laufe der Jahre kennen und schätzen gelernt haben. Insgesamt haben wir inzwischen mit elf unterschiedlichen Labels zusammengearbeitet, wobei Salon Alter Hammer und vor allem X-Mist Records die Labels sind, über die die ganze Sache läuft.

Sagt doch mal was zu den folgenden Bands: Kurt, Craving, Chung und Party Diktator; sind das alles eure Freunde, die gute alte deutsche Noise-Rock-Community, oder ist es „Konkurrenz“?
Mit Chung und Party Diktator waren wir leider nie in Kontakt, Leute von Craving spielen jetzt in Buzz Rodeo, mit denen wir letztes Jahr zusammen gespielt haben. Den Begriff „Konkurrenz“ kennen wir aus dem Sport, mit Musik hat es, glaube ich, nichts zu tun. Ich spiele noch bei KURT mit und KURT spielen noch immer jedes Jahr Konzerte, seit 1993, haha.

Die Beschreibungen eurer Musik im Netz ist durchaus gemischt, da ist vom „hektischen, noisigen Postcore, den alte Hasen mit Touch & Go assoziieren“ oder vom „Emo-Noise-Rock Trio“ die Rede, ihr werdet mit Melt Banana oder VAZ bzw. Hammerhead verglichen… wie würdet ihr eure Musik beschrieben?
Einer meiner Lieblings-„Philosophen“, haha, Ian Svenonius, der auch dieses Jahr neben seinen herrlichen Bandprojekten das geniale Buch „Censorship Now!!“ herausgebracht hat, bemerkte mal vortrefflich: „…a group doesn’t even know what it is until they make something. And then they look at it and reflect on it, and people pretzel a meaning under it…“ Das finde ich super, da es bei den meisten Bands wohl genauso ist bzw. sein sollte. Wenn du eine Band gründest mit dem Vorsatz so oder so zu klingen, ist das Projekt ja schon zum Scheitern verurteilt.

Wenn deine Musik klar in eine Schublade gesteckt werden kann, ist es meistens schon zu langweilig, da es sicherlich hundert andere Bands gibt, die darin origineller sind. Die von dir genannten Schubladen sind aber sicherlich irgendwo zutreffend, die beiden Bands aber sicherlich nicht, wobei Hammerhead’s „Into the Vortex“ ein echter Klassiker ist, der mich persönlich sehr beeinflusst hat.

Sind dann Konsensbands, die ihr alle gut findet, zum Beispiel diese hier und falls ja warum? SHELLAC, BIG BLACK, SONIC YOUTH, JESUS LIZARD und GIRLS VS. BOYS?
Shellac und Jesus Lizard klar, super, Sonic Youth und GvsB haben teilweise gute Songs und Platten rausgebracht, haben uns aber nicht beeinflusst.

Wie seid ihr zu X-Mist Records gekommen? Ihr habt dort die “6 Null 3”-Platte veröffentlicht; Armin schrieb damals dazu: „ undoubtedly one of the BEST Noise-Rock albums of the century so far!”. Im Anschluss gab’s auf X-Mist noch eine Split-Single mit LOISIRS und die „78 Hours“-Platte erschien dann auch bei Armin, es gefällt euch also gut bei ihm?
X-Mist hat noch weitere Ten Volt Shock-Sachen rausgebracht, außerdem alle KURT Platten und jetzt noch die YASS-Platte…Armin ist ein super korrekter und vor allem ehrlicher und direkter Typ, der kein Blatt vor den Mund nimmt und dir ordentlich einschenken kann, haha, streitbar und kompromisslos seit den 80er und und und und. Für mich als Musikliebhaber vertreibt er aber vor allem die beste Musik, stets innovativ und in seinen Worten „scheißcool“, seit Jahrzehnten!

Wer gefällt euch besser, Touch and Go Records oder Amphetamine Reptile Records?
Unter vielen anderen, sehr coolen Labels sind die beiden wohl die Bekanntesten in diesem Musikgenre. „Besser gefallen“ ist aber relativ, da es ja letztendlich um die tollen Bands geht, die die Labels rausgebracht haben. Bei Amrep sind es z.B. Tar, Hammerhead, Helmet, Guzzard oder Today is the Day, bei Touch and Go ist es natürlich um einiges vielschichtiger, Brainiac/Enon, The Jesus Lizard/Scratch Acid, Killdozer, Laughing Hyenas, Monorchid/Skull Control, Shellac/Rapeman, Slint, !!!, TV on the Radio, … alles tolle Bands.

Ihr spielt keinen Punkrock von der Musik her, würdet ihr sagen, dass euch vielleicht eine „Punk“-Attitüde ganz gut steht (viel in AJZs auftreten, wenig Merchandise, kein Rockstar-Bullshit etc.)? Auf welche aktuellen Punk-Bands steht ihr?
Oh je, schwierige Frage, über die man bestimmt eine ganze Abhandlung schreiben könnte… was ist Punk, was ist Punkrock, Punk im Alltag, jeder kann und sollte sich das selber zurechtlegen und definieren, nicht zuletzt das Trust behandelt dieses Thema wohl schon seit 1986. Amüsant ist aber, was sich alles unter dem Begriff Punk und Hardcore im Laufe der Zeit angesammelt hat, gerade auch hinsichtlich der Vermarktung dieser Begriffe und wie bieder und konservativ die meisten werden, nachdem sie ausgeschrien und ausprotestiert haben.

Ein paar aktuelle, spannende Bands können wir dir aber aufzählen… zum Beispiel Dictaphone, Electric Electric, Niveau 100 oder La Colonie de Vacances aus Frankreich, oder Bands wie Guerilla Toss, Black Puss, Skoal Kodiak, Mayyors, Dope Body, Spray Paint oder Blind Shake, aber auch kommerziellere Sachen wie Beak, Battles, die neue Suuns oder auch Electro-Musik mit Punk Hintergrund, z.B das Diagonal Label mit Not Waving, Prostitutes oder Powell und noch vieles mehr…

Was wollt ihr in euren Texten ausdrücken, sind diese wichtig für euch? Nicht wenige Noise-Rock-Bands standen ja viel auf einem politisch unkorrektem Aggro-Inhalt, das seid ihr ja nicht.
Nein, die Texte sind immer persönlich und mehrdeutig, d.h. jeder könnte die Texte eventuell ein wenig anders verstehen, je nachdem, welche Erfahrungen er im Leben gemacht hat und diese mit den Texten in Verbindung bringt. Aber diese provokanten, überzogenen Texte finde ich super, auch abseits des Noise-Rock. Country Teasers & Ben Wallers waren super, Kool Keith im HipHop, ebenso aktuell natürlich Sleaford Mods und Chain & the Gang.

Habt ihr schon neues Material in der Pipeline?
Schon seit längerem, aber wir haben leider noch keine Zeit gefunden, weitere Songs zu schreiben, um eine Platte aufnehmen zu können. Touren, wie gerade erst in Japan, verschlingen eine Menge Zeit, daneben noch Beruf, Familie und weitere Bands wie KURT und YASS müssen ja auch noch untergebracht werden, das erfordert schon einiges an Abstimmung. Das schöne ist, es wird nie langweilig.

Danke für das Interview, habt ihr noch irgendwelche letzten Worte oder Grüße?
Kauft mal wieder eine Platte, zum Beispiel auf www.x-mist.de, hört euch die neue YASS-Platte an und lest „Censorship Now“!!

Kontakt: tenvoltshock.de, yass-theband.de, kurttheband.bandcamp.com

Interview: Jan Röhlk

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