Juni 5th, 2019

SUNN O))) (#137, 2009)

Posted in interview by Jan

Sunn O)))
Kein Kindergarten oder Who The **** is Alice?

Ein kalter Tag im Februar, es schneit, nur wenige Wochen nach der Sonne Kaliforniens der kurze Dienstweg nach Berlin, im ICE Rosamunde Pilcher Raymond Carver lesend. Der Anlass ist eine Schallplatte.

Vorspiel mit ICE
Sunn O))) haben zur so called Listening Session geladen, ganz wie die Großen. Dass die Werbeabteilung ihres Labels und/oder die Band das künstlerisch begründen, hat einen seltsamen Beigeschmack. Sinnig erscheint es immerhin: So können Sie gleich auch noch die notwendige Interview-Runde machen, nachdem sichergestellt ist, dass die Schreiber die Musik auch wirklich gehört haben.

Davor hat der Herr allerdings den Öffentlichen Personennahverkehr (im folgenden: ÖPNV) gesetzt. Raus nach Oberschöneweide geht es, im Volksmund (good ol‘ Berline Schnauze): Oberschweineöde. „Das Ding“ hören. Keine Tonbandgeräte (obwohl: hätte eh keinen Sinn das erhabene Dröhnen auf meinem noch mit analogen Kassetten arbeitenden Diktiergerät mitschneiden zu wollen), keine Kameras. Die holzvertäfelten Studios, in denen schon Walter Ulbricht seine legendäre Maxi-Single „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“ aufnahm. Nach dem Hören das Fühlen: Bei belegten Brötchen erfahre ich, dass ich als letzter mit dem Gespann Anderson / O’Malley reden werde. Also in die Stadt, Leute sehen, die ich selten sehe. Pläne, am Abend Neko Case im Roten Salon der Volksbühne zu sehen. Und wieder zurück in die Schweineöde. Der Portier erkennt mich jetzt entweder wieder, oder es ist ihm egal, wer ich bin. Raucht. In seiner Schreibstube.

Das letzte Band…

Also ein Wiedersehen mit Sunn O))). Was fragen? Nach einem Bier vielleicht. Das klappt. Aber das ist schließlich auch nicht interview-füllend. Wahrscheinlich haben sie schon alle Fragen dieser Welt beantwortet. Also fragen wir mal so…

Gibt es irgendetwas, worüber ihr heute noch nicht gesprochen habt?
Stephen O’Malley (O): Equipment.
Echt?
O: Ja, nicht ausdrücklich jedenfalls, was ein bisschen überraschend ist. Aber vielleicht ist darüber schon genug geredet worden. Wir haben aber viel über Instrumente gesprochen.
Was ziemlich wichtig ist, weil Instrumente und Verstärker für das, was ihr tut, sehr wichtig ist, für die Klangtexturen.
Greg Anderson (A): Eines der wesentlichen Dinge, die wir tun, ist Tonmanipulation. Und wir waren wirklich ziemlich obsessiv mit Verstärkern und Ton. Das ist ein wichtiger Teil der Band.
O: Das Hauptthema.
A: Wir sind Fachidioten bei Ausrüstung, sammeln bestimmte Geräte und Verstärker.
Also checkt ihr die Musikgeschäfte in jeder Stadt, die ihr besucht?
A: Ja, das – und Plattenläden.
O: Wir spielen demnächst in Mexiko. Wir waren noch nie da, aber ich habe über dieses Leihhaus mitten in Mexiko City gelesen, das es seit 1750 gibt, es ist wohl das zweitgrößte auf der Welt. Früher konnte man in ein Pfandleihgeschäft gehen und etwas Erstaunliches finden, sie hatten Sunn-Amps…
A: Die Sache ist, dass es mexikanische Sunn-Amps gibt, sie haben spanische Beschriftung statt englischer.
Ist das der einzige Unterschied?
A: Ich weiß nicht, ich hab noch nie einen gespielt. Neulich hat jemand auf Craig’s List einen verkauft, den ich fast gekauft hätte. Ich schätze, sie unterscheiden sich nicht allzu sehr.
O: Ich habe mich mit einem Typen in Yucatan unterhalten, der im Rahmen der gleichen Tour ein Solo-Konzert für mich organisieren wollte, was nicht funktioniert hat. Den habe ich wegen Sunn-Amps gefragt, weil ich ein paar Sunn-Boxen habe, die in Mexiko hergestellt worden sind. Wahrscheinlich sind sie dort nur hergestellt worden, weil es dort billiger ist. Es ist keine Frage des Stils, sondern eher eine der NAFTA. Jedenfalls fragte ich ihn, und er sagte, Sunn-Amps wurden dort in den Achtzigern verkauft. Er meinte sie seien schrecklich. Ihr Ruf ist, dass sie billige Verstärker sind.
A: Sie fingen an als Verstärker für Anfänger. Deswegen gibt es eine Menge Combos, die kleiner sind, Verbrauchermodelle, ähnlich wie Peavey. Wahrscheinlich ist das auch das, was in Mexiko passiert ist. Die frühen Sunn-Amps wurden nicht in Massen produziert und hatten Röhren.
Wann fing man an, die herzustellen?
O: 1967
A: Und als die Firma erfolgreicher wurde, stellten sie fest, dass sich nicht jeder diese großen, gut verarbeiteten Röhrenverstärker leisten konnte, und sie begannen mit kleineren Modellen. Wenn Leute Interesse entwickelten, würden sie sich vielleicht später einen größeren Verstärker kaufen. Viele Firmen arbeiteten so, Fender, Marshall und viele andere hatten ein Anfängermodell.

Überraschend konsistent
Sprechen wir über Musik. Euer neues Album ist stärker komponiert als frühere Platten. Eyvind Kang (siehe Fussnote 1) hat eine Partitur für die Musiker geschrieben.
O: Nicht für alles. Aber er hat Arrangements für die akustischen Musiker und den Chor geschrieben, zum Teil auf dem Computer, aber zum Teil auch handgeschrieben. Das ist seine Art, mit den klassisch ausgebildeten Musikern zu kommunizieren. Und unseren Sound zu interpretieren.
Wie ist das gelaufen?
A: Der größte Teil der Platte hat begonnen wie jede Sunn-Platte: Steve und ich benutzen Ideen und Riffs als Grundlage und entwickeln die Stücke weiter. Diese Platte ist auch so entstanden. Die Sachen von Eyvind entstanden getrennt davon und zusätzlich.
Er hatte also Aufnahmen von den Basic Tracks, als er zu komponieren begann?
A: Ja, er kam auch ins Studio, er war da während des Kompositionsprozesses, entwickelte Ideen und machte sich bekannt mit dem, was passierte.
O: Er unterhielt sich auch viel mit uns. Ich schätze, er versuchte herauszufinden, wie er mit uns über unsere Ideen kommunizieren könnte. Ich meine, ich habe in der Schule Musik nach Noten gespielt, aber ich weiß nicht, wie man unsere Gitarrensachen notieren oder auf diese Weise über unsere Musik kommunizieren kann. Es ist eher eine abstrakte Kommunikation. Er versuchte zu verstehen, woher wir kommen. Interessant an seiner Partitur war, dass er die Metren herausfand. Und sie sind ziemlich stetig.
In „Big Church“, dem zweiten Stück, gibt es eine Menge Wechsel von 6 Schlägen auf 4. Es ist ziemlich konsistent, was mich überrascht hat. Es war nicht geplant?
O: Nein.
A: Wir spielen nicht nach Click oder irgendeinem Schlagzeug.
Ihr kommt also mit der Idee zu einem Riff, aber ihr zählt es nicht aus.
A: Normalerweise nicht. Manchmal sagen wir: Lass uns diesen Teil zehnmal spielen.
O: Die Wiederholungen vielleicht, ja. Aber nicht das Ding selbst. Eine der angenehmen Seiten daran, mit ihm als Arrangeur zu arbeiten, ist die Musikalität zu sehen, wie sie sich auf dem Papier wiederfindet, und zu sehen: Oh, wir spielen tatsächlich in einem 6–4-Maß, das hätte ich nie gedacht. Zu sehen, wie die Notierung der Musik lebendig wurde…
Aber er hat nicht transkribiert, was ihr spielt?
A: Er notierte es, nachdem wir es gespielt hatten, und ging von da aus weiter.
Wie frei war er dabei?
A: Sehr frei.
O: Er gab uns ein paar Anhaltspunkte, zum Beispiel Gerard Grisey, ein französischer Komponist, den er sehr mag. Der ist (2) neben Tristan Murail einer der Protagonisten einer Schule, die sich Musique spectrale nennt. Das hat sehr viel mit der Computeranalyse von Klang zu tun und damit, den Prozess in eine Partitur umzuwandeln. Diese Typen arbeiten wissenschaftlich, nehmen zum Beispiel Vogelgesang auf, schauen sich den Frequenzgang an, übertragen das auf die Stimmung und den Tonumfang der Instrumente und übersetzen das für ein Orchester. Vieles von dem, was Tristan Murail macht, klingt wie elektronische Musik, wie Synthesizer oder Bandeffekte. Wenn du die Musik hörst, ohne zu wissen, was es ist, denkst du wahrscheinlich, dass es Musique concrete ist, aber es ist wie eine Symphonie. Es ist ein bisschen halluzinatorisch oder illusionär. Eyvind dachte, es wäre ein cooler Bezugspunkt, das Feedback auf Streicher zu übertragen beziehungsweise auszudehnen mit Streicher. Oder die Kontrabässe folgen zuerst der Bassgitarre, treten dann aber hervor.
Habt ihr also die Ideen gemeinsam entwickelt, er kam mit seinen Ideen und ihr sagtet, machen wir es eher so oder so?
O: Unsere Unterhaltungen gingen eher um unsere Gefühle hinsichtlich der Instrumente oder das Gefühl, das wir bei der Musik hatten. Er wollte wissen, woher wir innerhalb eines Stücks kommen.
Kannte Kang eure Musik?
O: Zum Teil.
A: Der Typ, der das Album aufgenommen hat, Randall (Dunn), hatte schon oft mit ihm zusammengearbeitet, und ich schätze er hat ihm einiges vorgespielt. Uns wiederum hat Randall Eyvinds Sachen vorgespielt.
O: Eyvind hatte sogar ein paar Streichersätze für „Altar“ (3) geschrieben, als Experiment, das wir nicht benutzten. Weil wir nicht wirklich mit Eyvind direkt kommunizierten. Es war Randall, der versuchte, bei einem Stück Streicher hinzuzufügen. Und es kam auch genauso rüber, was wir damals nicht angemessen fanden. Ich glaube, das war der erste Berührungspunkt.

It don’t mean a thing if it ain’t got that swing
Das letzte Mal, als wir uns unterhielten (4), verglich ich das, was ihr tut, mit Combos aus dem Free Jazz, hinsichtlich der Art wie ihr kommuniziert und mit anderen Musiker zusammenarbeitet. Da geht es ja auch sehr stark darum, verschiedene Stimmen zusammenzubringen und zu schauen, was passiert. Das habt ihr, meiner Ansicht nach, mit Sunn O))) und in anderen Kombinationen wie Ascend seither verstärkt gemacht, und dann dachte ich, „Alice“ – das ist doch Alice Coltrane (5), oder?
O: Ja, du bist der erste, der darauf kommt. Die anderen haben alle nachgefragt. Wir hatten Angst, sie würden denken, es sei Alice Cooper…
A: Na komm schon…
Naja, die Harfe hat mich darauf gebracht.
A: Genau. Es ist lustig: Es gab einen Zeitpunkt beim Mischen, wo ich dachte: Ist diese Harfe wirklich angebracht? Und jemand sagte: Dude, Alice Coltrane, Harfe. Oh ja! Es muss eine Harfe drin sein. Ich stellte es für eine Sekunde in Frage, aber…
Ich finde, es funktioniert sehr gut. Und das ist das Stück, das wirklich anders ist als die anderen. Es spielen da auch zwei Jazz-Musiker mit: Julian Priester (6) und Stuart Dempster (7). War das die bewusste Entscheidung, mit Jazz-Musikern zuarbeiten?
A: Als wir die Riffs oder die Musik für „Alice“ schrieben, dachten wir überhaupt nicht daran. Julian und Stewart sind beides Musiker aus Seattle, das machte es logistisch möglich. Aber wir dachten nicht: Lass und ein paar Jazz-Legenden für dieses Stück besorgen… Es war eher so, dass wir beide viel Alice Coltrane hörten und uns das sehr inspirierte. Und wir wollten ein Stück schreiben, das dem Tribut zollte. Aber: Nein, wir wussten wirklich nicht, wohin es führen würde, und dass wir am Ende ein Solo von Julian Priester darauf haben würden.
O: Wir hatten Glück. Weil Julian Priester und Stuart Dempster Lehrer an einer Musikhochschule in Seattle sind, auf der Eyvind seinen Abschluss gemacht hat, genauso wie Jessica Kenney und Steve Moore (8), der auch in dem Posaunen-Ensemble mit diesen beiden Typen war. Aber er hatte schon mit uns gespielt und ist ein sehr guter Freund von uns. Es stellte sich also heraus, dass Eyvind ein Posaunen-Ensemble wollte, und das waren eben die Typen, die er anrief, weil er sie kannte und mit ihnen gearbeitet hatte. Und dann bekommen wir diese Email: Es werden die und die Leute sein und wir dachten: Was?!
Ihr kanntet Priester und Dempster also schon?
A: Als Fans, ja. Ich war ein großer Fan von Herbie Hancocks Band mit Julian Priester (9), und er spielte mit John Coltrane auf „Africa/Brass“, ich war sogar ein Fan von einigen seiner Solo-Alben, vor allem „Polarization“ auf ECM – das ist verblüffend. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Eyvind darüber, wo er sagte, ich denke ich kann Julian Priester bekommen, und ich sagte: Was, machst du Witze? Das wäre unglaublich. Ich hätte nicht gedacht, dass das passieren würde, dass so ein Typ auf einer Platte von mir spielen würde. Es schienen zu verschiedene Welten zu sein, ohne Brücke, aber Eyvind wurde auf viele verschiedene Arten zur Brücke. Die Musiker sind sehr aufgeschlossen und interessiert daran, etwas anderes zu machen.
Wie haben Sie auf die Ergebnisse reagiert?
A: Sie haben es noch nicht gehört. Eyvind steht ziemlich drauf. Aber Julian und Stuaart haben es noch nicht gehört.
O: Wir wollen es ihnen als fertiges Stück präsentieren: Danke, hier ist eine schöne Doppel-LP für euch, verstehst du?
Als sie im Studio aufgenommen haben, hatten sie da nur die Noten und hörten nicht, was ihr gemacht hattet?
O: Nein, manches… Bei „Alice“ war alles notiert, aber sie spielten auch viel auf „Aghartha“, wo sie eher über ein paar Ideen von uns improvisierten. Zuerst haben sie die geschriebene Musik gespielt, aber das hatten sie in eineinhalb Stunden fertig, und somit hatten sie noch einmal eineinhalb Stunden Zeit. Also sagten wir: Versuchen wir noch ein paar andere Ideen. Stuart Dempster hatte auch noch andere Arten von Hörnern dabei: Ein Langhorn und ein Muschelhorn, das ist eine große Muschel, aber ein Blasinstrument. Er sammelt alle möglichen Arten von Blasinstrumenten und brachte die mit, also machten sie ein paar Sachen damit, die auf „Aghartha“ endeten.
Das klingt ein bisschen nach einem Miles-Davis-Titel…
A: Das ist es auch.
O: Mit einem Zusatzbuchstaben (10).
A: Es ist interessant, dass Attila (Csihar) (11) damit auf der Grundlage des Textes ankam, was aber zufällig auch ein Miles-Davis-Titel war – ohne dass er das wusste, glaube ich.
Vielleicht fällt sie ihm irgendwann in die Hände.
O: Hoffentlich, denn es ist eine gute Platte. Wir sagten ihm, dass das eine Platte von Miles Davis sei und er meinte: Ich weiß nicht, ist mir egal, niemand wird das wissen. Aber es war unmittelbar das erste was uns einfiel.
A: Es ist bestimmt das erste was vielen Leuten einfällt.
Wahrscheinlich. „Attila wer?“
(Anderson lacht dreckig)
O: Aber das ist cool, denn es ist ein Verweis auf ein Miles-Davis-Album, das ziemlich abgefahren ist. Ich weiß nicht, ob er sich den Titel ausgedacht hat, wahrscheinlich nicht, aber das macht nichts. Die Referenz ist nicht das Wort, sondern die Idee des Wortes. Ich hoffe jedenfalls, dass das Album von dem gleichen Konzept handelt, von der hohlen Erde.
Ihr habt das meiste in Seattle aufgenommen, richtig? Welche Rolle spielten die anderen Studios? Den Chor habt ihr wahrscheinlich ich Wien aufgenommen, weil er dort ansässig ist.
O: Genau. Außerdem spielte Eyvind ein Festival in Österreich, im August 2008. Als die Idee mit dem Chor entstand, stellte sich heraus, dass er dieses Festival spielen würde und der Chor verfügbar wäre. Und 16 Sänger nach Seattle zu bringen, war unmöglich. Sie stellten sich als exzellente Wahl heraus. Sie sind aufgeschlossen, auch Dempster und Priester natürlich, aber auch viele der anderen Musiker aus Seattle, mit denen wir gearbeitet haben. Alle kamen und waren bereit, wirklich etwas Neues auszuprobieren.
Aber es sind auch wieder viele Musiker dabei, mit denen ihr schon zusammengearbeitet habt.
A: Rex Ritter, Joe Preston, Steve Moore, Oren Ambarchi, Attila…
Wird das euer Live-Konzept verändern?
A: Wir werden versuchen, mit einigen der Instrumente und Musikern dieses Albums zu arbeiten und einiges von dem Material zu spielen. Aber das wird ein großes Unternehmen. Und wir haben entschieden, dass wir sowas nur für besondere Ereignisse machen werden, besondere Performances an besonderen Orten…

This ain’t no picnic
Das ATP-Festival, kuratiert von euch…
A: Noch interessanter wäre nicht so ein Ferienlager …
(O’Malley lacht sich scheckig)
A: … Sondern Ruinen irgendwo, weißt du … Naja, du weißt was ich meine. Etwas, das mehr kuratiert ist, wo es ein bisschen mehr Geld gibt, weil es sehr teuer würde.
O: Schon auf der technischen Seite. Natürlich auch finanziell. Man muss die Musiker bezahlen, proben. Man könnte eine kleine Tournee spielen, ein paar Konzerte hintereinander in einem Land, aber es wird nicht die Bigband-Version von Sunn O))) geben, das wäre albern. Außerdem bräuchte es auch einen besonderen Kontext. Wir haben in der Vergangenheit schon einige besondere Shows gespielt, und das waren immer wichtige Punkte für die Band, die viele Türen für Ideen und Inspiration für zukünftige Projekte geöffnet haben. Das ist etwas, worauf wir uns freuen.

**
Es folgt eine längere Erörterung der Ideologien von Black Metal und des Hintergrund der Arbeit von Attila Csihar als Texter. Kurz gefasst: Die gelegentlich mehr oder minder latent faschistischen Vorstellungen in schwarzen Kreisen hält O’Malley, der sich dazu neulich auch in einem Interview (12) äußerte, für gefährlich – interessant und inspirierend dagegen sei der mythologische Überbau des Csihar-Kosmos (in den euch dann doch jemand anders einführen muss, wenn Bedarf ist), allerdings ist das nicht notwendig sein eigener. Das Projekt Sunn O))) sei inhaltlich offen, wer dazu komme, bringe seine Sicht der Dinge ein, und Attilas Kunst sei wesentlich von seinen esoterischen Interessen gespeist. -**

Habt ihr davon gehört, dass das Zeitkratzer Ensemble Lou Reeds „Metal Machine Music“ transkribiert und als kleines Ortchester gespielt hat. Würde das bei euch funktionieren?
O: Ich habe schonmal darüber nachgedacht. Nicht ernsthaft, aber ich fragte mich, als wir mit Eyvind arbeiteten, was wohl passieren würde, wenn jemand eines unserer reinen Gitarrenalben transskribieren würde. Vielleicht in hundert Jahren. Aber mit dieser spektralistischen Idee, das könnte interessant sein.

Abspann
** Im weiteren geht es um die vielgehasste Trennung von E- und U-Musik, die Anderson und O’Malley erwartungsgemäß auch für Kappes halten, und landen dann bei Filmmusik **

Seid ihr schon angesprochen worden, zu einem Film Musik beizusteuern?
A: Nicht, dass wir etwas Bestimmtes für einen Film schreiben sollten, aber einige unsere Lieder von „Altar“ werden im nächsten Film von Jim Jarmusch sein, was sehr aufregend ist. Der Soundtrack besteht vor allem aus Bands, die mit Southern Lord zu tun haben.
Worum geht es in dem Film?
A: Ich finde es schwer, das zu erklären. Es spielt in Spanien, es ist ein Thriller. Ich weiß nicht so viel darüber. Wie auch immer, Jarmusch ist ein großer Fan von Boris und kam über Boris auf Sunn O))) und Earth, und jetzt benutzt er diese Bands für einen Großteil des Soiundtracks.
O: Neben einigen Sachen von seiner eigenen Band übrigens.
Hat er eine neue Band?
O: Ich glaube er spielt seit schon seit Langem mit den selben Typen zusammen.
Der letzte Jarmusch-Film, den ich gesehen habe, hatte diese ganze äthiopische Musik.
A: Toll, ja, da kam übrigens auch ein Stück von Sleep drin vor.
Das hab ich verpasst…
A: Das wollen wir in Zukunft wirklich machen, Musik für Filme. Das haben wir noch nicht gemacht.
O: Sunn O))) hat so viele verschiedene Facetten, die Live-Shows, die Platten, die visuelle Seite, aber wir haben nie wirklich die Film- oder Videoseite erforscht, und ich glaube es wäre wirklich ein interessantes Projekt, mit einem Filmemacher zu arbeiten, wenn die richtige Person kommt. Besser als eine DVD, was ja viele Bands machen…
Wer schaut sich sowas eigentlich an?!
A: Die meisten sind ziemlich stumpf.
O: Ich mag die historischen Musikfilme.
A: Ich mag lieber Musikdokus. Ich hab mir ein paar Sachen besorgt.
Was war da dein Favorit?
A: Schwere Frage. Ich hab neulich einen Film gesehen, der mir gut gefallen hat, über Peter Green von Fleetwood Mac. Geil. Ich wusste ein bisschen darüber, aber nicht die ganze Geschichte. Er spielt immer noch Musik. Er verbrachte 15 oder 20 Jahre in der Psychiatrie, aber jetzt ist er wieder draußen und spielt Musik. Was ich unter anderem aus diesem Film erfahren habe war, dass er „Black Magic Woman“ geschrieben und gespielt hat, womit später Santana einen Riesenhit hatte. Er bekam dafür einen BMI-Award für den meistgesendeten Song aller Zeiten oder so, denn es war ein Hit für Fleetwood Mac, und dann machte Santana einen Klassiker daraus. Und er schrieb „The Green Manalishi“, das später von Judas Priest und den Melvins gecovert wurde, und das kam 1969 heraus: Erstaunlich, wie heavy das ist. Super heavy! Ich hab auch die Scott-Walker-Doku im Flieger zu sehen…
O: Die ist großartig. Sie haben da diesen Nerd, der alles sammelt, kleine Flyer für Auftritte von den Walker Brothers in Hollywood, Anzeigen aus Lokalzeitungeen von 1965…
A: Creepy…
O: Das ist ein guter Film. Verrückte Geschichte. Die Walker Brothers waren in Dublin und spielten ein Konzert, das gerammelt voll war. Nach dem Konzert stiegen sie in ihre Limousine, und dann fanden die Fans heraus, dass sie in dem Auto waren, stürmten auf das Auto zu und wurden plötzlich regelrecht gewalttätig und kippten das Auto um. Die beiden waren in dem Auto gefangen – es gab keine Telefone – ich glaube, das war ihr letztes Konzert.

** Hier endet das Band. Das Album „Monoliths & Dimensions“ von Sunn O))) ist im Mai auf Southern Lord erschienen. Es ist ziemlich großartig.

Text/Interview: Stone

Fussnoten:

1. Komponist, Violinist, Tubaspieler, der sich zwischen Jazz, Rock-Avantgarde und klassischer Musik bewegt, arbeitete in der Vergangenheit mit Mike Patton, John Zorn, Trey Spruance, Marc Ribot, dem Animal Collective und und Beck.

2. Der Genauigkeit halber muss man leider sagen: „war“. Grisey starb 1998 (siehe Wikipedia)

3. Album von 2006, das Sunn O))) mit den Japanern Boris aufnahmen.

4. Siehe Interview im TRUST vor ca. fünf Jahren.

5. Free-Jazz-Pianistin und Harfenistin, hat den Nachnamen aus ihrer Ehe mit John Coltrane und starb vor ein paar Jahren.

6. Posaunist, Jahrgang 1935, der mit Sun Ra, Max Roach, Duke Ellington und vielen anderen zusammengearbeitet hat.

7. Ebenfalls Posaunist, Jahrgang 1936, kommt eher aus der Neuen Musik. Ihm wird nachgesagt, er habe das Didgeridoo in Nordamerika eingeführt.

8. Spielt bei Earth Keyboards und Posaune.

9. Zwischen 1970 und 1973.

10. Das Album „Agartha“ nahm Miles Davis 1975 in Japan auf.

11. Mayhem-Sänger, der schon häufiger mit Sunn O))) gearbeitet hat.

12. Siehe taz: http://www.taz.de/index.php?id=digitaz-artikel&ressort=ku&dig=2007/10/01/a0170&no_cache=1&src=GI

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