Juli 11th, 2017

SNUFF (#82, 06-2000)

Posted in interview by Jan

Ich konnte ja durchaus nachvollziehen, was die Leute an der „Dookie“ von Green Day fanden. Ich habe die Platte damals auch ganz gerne gehörte – ist halt schöne Musik zum Auto fahren oder für einen netten Sonntag vormittag. Dass es schon damals weit bessere Bands gab, die den Erfolg in meinen Augen weit mehr verdient hatten, nun, das ist eben Ansichtssache. Mit Offspring verhielt es sich schon ein bisschen anders, und bei Blink 182 verstehe ich nun gar nicht mehr, was daran Punk sein soll. Nun werden all diese Bands im Info zur neuen Snuff-LP, „Numb Nuts“ genannt, hübsch in einen Topf geworfen., und Snuff wird zum großen Vorbild gemacht. Aus verkaufstechnischen Gründen ist das nachvollziehbar, um die Aufmerksamkeit jener Journalisten an sich zu ziehen, die von Punk ungefähr so viel Ahnung haben wie ich von Techno. Aber einen seltsamen Beigeschmack gibt das schon. Wie ist das also, wenn man wie Snuff-Sänger Duncan im Punkrock in Würde „alt“ wird und einen dann die ganzen Möchtegern-Bands links überholen?

 

Ich würde mich gerne mit Dir darüber unterhalten, wie man im Punkrock alt wird… Ich weiß ja nicht, wie alt du bist…

35 – oder 43…

Was denn nun?

Was denkst Du denn?

Ich schätze mal 35…

Besten Dank, aber wahrscheinlich willst Du nur freundlich sein. Ich bin ein alter Sack.

Jedenfalls dürften die meisten Bands auf Fat Wreck, eurem Label, eher so Anfang bis Mitte 20 sein…

Hey, die Dickies sind auf Fat Wreck… Und die sind älter als wir.

Ihr macht schon 14 Jahre Musik, oder? Das ist verdammt viel für eine Punkband.

Auf alle Fälle. Eigentlich sollte sich Punk nach sechs Monaten selbst zerstören und dabei alles mitnehmen, was drumherum ist. Ernsthaft: Es ist sehr lange. Ich habe gesehen, wie sich ver-dammt viel verändert hat.

Was habt ihr denn 1986 erwartet als ihr angefangen habt?

Nichts. Wir haben uns sehr darüber amüsiert, dass die Leute Spaß an unserer Musik hatten. Als wir das erste Mal fünf Pfund bekamen für einen Auftritt, waren wir absolut begeistert. Das hätten wir nie erwartet. Wir hätten ja nicht mal gedacht, dass uns jemand mögen würde. Wir klangen vollkommen anders als die anderen Bands zu dieser Zeit. Die waren alle schnell, hatten aber keine Melodien. Dementsprechend gering waren unsere Erwartungen: Wir wollten einfach Spaß haben.

Und wann habt ihr begriffen, dass es mehr sein würde als nur ein Spaß?

Ende 1987 kamen immer mehr Konzerte, und die Leute fingen an mit Stage diving. Ich dachte nur: „Oh Mann, was geht denn hier ab?“ 1989 wurde es richtig ernst, und zwei Jahre später war es so ernst, dass wir aufhören mussten. Ja, es war wohl so Ende 87, Anfang 88 als die Leute kamen, weil sie von uns gehört hatten.

Als ihr 1991 aufgehört habt, war dass der Punkt, wo es dann keinen Spaß mehr machte?

Wir haben damals viel zu oft gespielt und keine Pause mehr gemacht. Wenn man so lange so eng zusammen ist, werden kleine Dinge schnell sehr groß. Es nahm überhand. Also entschieden wir, die Freundschaft zu behalten und die Band aufzugeben. Es gibt immer wieder Momente, wo man sich fragt, wofür man das eigentlich tut. Wenn bei den letzten Gigs nur fünf Leute aufgetaucht sind oder so und du einfach nur nach Hause möchtest, ein Bad brauchst und dein eigenes Bett.

Wieso habt ihr dann wieder angefangen?

Das war ein Unfall. Wir hatten in anderen Bands gespielt. Guns’N’Wankers und Leatherface zum Beispiel. Jedenfalls verloren sich diese Gruppen auch, und wir hatten die Idee, eine neue Band zu machen, die wir nicht Snuff nennen wollten. Aber irgendwie war es Snuff. Es gibt sehr seltsame Geschichten, die man erzählt, warum wir zurückgekommen seien. Eine lautete, dass wir angeblich Snowboarden an der Westküste gewesen seien, um die ganzen Bands dort zu beeindrucken…

Und wenn Du jetzt siehst, dass 14 Jahre vergangen sind: Ist das ein großartiges Gefühl? Oder denkst Du „Oh mein Gott, warum tu ich das nur?“

Nö, es ist schon großartig. Es gibt natürlich andere Zeiten, wenn man neue Songs macht und die klingen wie irgendwelche alten Lieder, die man schon gemacht hat.

Hast Du dir eigentlich vor 14 Jahren Gedanken gemacht, wo Du im Jahr 2000 sein würdest?

Ich hätte gedacht, ich wäre ein alter Mann im Rollstuhl mit einer Decke über meinen Beinen. Als ich 25 war, wirkten alle Leute über 30 extrem seltsam – „alte Leute“. Ich habe nicht wirk-lich darüber nachgedacht, was ich 14 Jahre später machen würde. Aber ich war mir sicher, dass ich alt und grau sein würde und Bingo spielen würde. Aber stattdessen bin ich immer noch begeistert, Musik zu machen.

Ich sehe das in meinen Bekanntenkreis vor allem aus der Schulzeit, dass die Leute eher langweilig werden. Die Erfahrung musst Du doch auch gemacht haben.

Klar. Zu unseren Shows kommen immer noch die „alten Leute“, die früher absolute Crusties waren, immer betrunken mit Parolen wie „smash the state“ und so. Heute haben sie alle gut bezahlte, beeindruckende Jobs. Aber ich bin selber schon Vater. Eigentlich bin ich schon alt genug, um was gegen unsere eigenen Shows zu haben. Aber Zeit vergeht…

Wenn ich mir neue, junge Bands ansehe – nehmen wir Blink 182, um die erfolgreichste momentan zu nennen, was denkst Du von denen?

Ehrlich gesagt, glaube ich, dass sie nur eine intelligente Marketing-Strategie sind. Und sie wissen es auch und amüsieren sich wahr-scheinlich köstlich. Sie wissen, dass sie Auf-merksamkeit bekommen, wenn sie über irgendwas herziehen. Ich finde die Musik ist einfach billig – sehr poliert und viel zu fröhlich. Klar, wir sind auch eine „fröhliche Band“. Aber sie sind für mich eher Rock, viel zu sicher, nett verpackt und so. Punk war nicht so. Deswegen würde ich ihre Musik eher „Rock“ nennen. Ich mochte Green Day. Ich gönne ihnen auch den Erfolg. Obwohl, den gönne ich eigentlich jedem, schließlich ist es schwer genug, eine Band am laufen zu halten und dabei Geld zu verdienen. Aber irgendwie verhalten sich die Zuhörer so, als würden sie zu ihren Helden aufschauen. Wenn das die Bands wollen – mein Ding ist es nicht. Aber die haben wahrscheinlich 40 Millio-nen Dollar auf dem Konto und interessieren sich einen Dreck dafür, was ich sage.

Im Info werdet ihr als Vorbild für jene Bands gehandelt. Siehst Du dich so für Bands wie Green Day oder Blink 182?

Es gibt etliche amerikanische Bands, die erzählen, dass Snuff für sie sehr wichtig gewesen seien. Die Musiker mögen uns, aber die Leute in Amerika offenbar nicht. Wir haben diese Musik schon vor Ewigkeiten gespielt, als diese Bands noch gar nicht existierten, das stimmt schon. Aber ich könnte mich nicht hinstellen und mich als Vorbild sehen…

Ich hätte auch eher die Descendents genannt. Ihr klingt doch richtig englisch…

Als ich Green Day zum ersten Mal hörte, hielt ich sie für eine 79er Mod-Band. Natürlich klingen die nach All, aber genauso nach Mod. Wenn wir uns aber als Vorbilder bezeichnen würden, wäre das schon arg arrogant. Dann würde auch das Cover des neuen Albums stimmen mit diesen Bodybuildern.

Was wolltet ihr eigentlich damit sagen?

Wir haben die Jungs ausgeliehen. Na gut, eigentlich sind das nur Fotokopien. Wir trainieren nämlich jeder nur eine Seite unsere Körpers. Loz die linke Seite, Lee die rechte. Dave oben rechts und unten links und ich unten rechts und oben links. Das ist ganz gut fürs Image…

Aber die Rückseite mit dem Panzer ist dann wieder ganz ernsthaft. Das ist ein Unterschied zu neuen amerikanischen Bands: Snuff hab ich immer auch in einem gewissen politischen Kontext gesehen, was aber auch daran liegen kann, dass ihr noch aus einer Zeit stammt, wo Punk generell politischer war.

Unsere Lieder sind durchaus politisch, auch wenn wir das nicht so offensichtlich machen. Bei einigen Liedern wird den meisten Zuhörern nicht auffallen, dass sie politisch sind. Und unsere Konzerte waren nie „politische Events“. Aber wir haben früher sehr oft in besetzten Häusern und bei Benefiz-Konzerten gespielt – wir waren schon Teil dieser englischen Squat-Punk-Szene. Dabei hat nie jemand von uns Häuser besetzt. Wir haben dort nur sehr gerne gespielt, weil es was wert ist.

Vermisst Du das, dass Punk in den 80ern noch eine ganz andere Bedeutung hat, während Blink 182 genauso gut auch irgendeine weitere Boygroup sein könnte?

Ja, das ist wohl wahr. Punk war damals völlig anders, es war sehr politisch. Alles wurde verwässert. Es mag wohl sein, dass Punks damals noch Sachen verändern wollten. Einige Ziele haben sie erreicht, so dass Punks heute nicht mehr so viel zu kämpfen haben. Es gibt den Ort, wo sie hingehen können. Sie werden nicht mehr automatisch von Polizisten zusammen-geschlagen, weil es eher akzeptiert wird. Aber das ist auch, weshalb es mittlerweile wieder Rock geworden ist.

Wirst Du da nostalgisch? Oder hältst Du solche Gefühle für unsinnig?

Klar werde ich manchmal nostalgisch. Wir hatten viele schöne Erlebnisse, an die man sich gerne erinnert Aber die Zeiten sind vorbei, und Du kannst sie auch nicht wiederholen. Klar ist es anders, die Leute fragen nach meinen Drum-sticks, sie wollen Fotos machen und Auto-gramme haben. Das hat in den 80ern keiner gemacht. Punk hieß ja, sich darüber bewusst zu werden, dass alle die gleichen Idioten sind. Ich bringe jedenfalls nicht genügend Drumsticks zu Konzerten, um welche wegzugeben.

Bist Du denn manchmal eifersüchtig, wenn Du den Erfolg von neuen Bands siehst? Sie haben ja ihre 40 Millionen Dollar auf dem Konto und ihr wohl nicht.

Ich wollte immer mein eigenes Haus und ein Tischtennis-Platz und einen swimming pool mit Yakuzi. Hey, das sind die einfachen Dinge im Leben, die man als Rockstar so braucht. Natür-lich bin ich eifersüchtig. Nee, ich bin ganz froh, dass wir unseren Weg gegangen und die Dinge auf dieser Ebene geblieben sind. Sollte ich darüber nachdenken, was wir vor sieben oder zwölf Jahren falsch gemacht haben, was uns viel Geld gekostet haben mag? Nein, wirklich nicht. Aber klar, ich hätte natürlich auch gerne eine paar Millionen Pfund.

Wo siehst Du dich denn nach weiteren 14 Jahren und wo die Band?

Oh Gott. Dann werde ich in einem Rollstuhl sitzen mit einer Decke auf meinen Beinen und grauen Haaren. Aber so bin ich ja heute schon. Wenn wir das Bodybuilding weiter betreiben, könnten die Dinge noch gut werden.

Das bringt doch bestimmt auch die fehlenden Millionen. Die Leute wollen euch dann sicherlich sehen und zahlen dafür.

Ich fürchte, dass die Leute dann ankommen und mich auf meiner schwachen Seite schlagen.

Und musikalisch? Snuff sind dann eine Folkband, nehme ich an.

Oh je, das Wort Folk hättest Du nicht sagen sollen. Ich spiele bereits in einer berühmten Folkband. Wir sind so Underground, dass Du uns noch nie gehört hast. Unsere Gigs sind immer streng geheim. Nein, unser alter Gitarrist Simon und ich spielen Punk auf alten Folk-Instrumenten. Wir spielen immer in meiner Küche oder bei ihm zu Hause. Wir haben auch einen Banjo-Spieler, aber der taucht nie auf. Wir kriegen immer nur Karten aus Rio de Janeiro oder so. Also, Folk kann ich mir persönlich schon vorstellen, aber nicht für Snuff. Ich denke mal, dass wir eher eine Country-Band mit Gothic-Einflüssen machen. Wir covern dann Gombay Dance Band als Gothsong oder so.

Kannst Du dir denn überhaupt vorstellen, dass es die Band in 14 Jahren noch gibt. Dann seid ihr so alt wie die Stones…

Das wäre ziemlich seltsam. Wir spielen dann in irgendwelchen Pubs bei Punk-Treffen. Die Leute kommen in Rollstühlen, und irgendwer spielt eine unglaublich schlechte Version von „Anarchy in the UK“ auf der akustischen Gitarre. Ich hoffe inständig, dass es vorher einen Nuklearkrieg gibt, der das verhindert.

Interview: Dietmar Stork

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