August 9th, 2019

SMOKE BLOW (#99, 2003)

Posted in interview by Jan

Smoke Blow

Eigentlich ist das verwunderlich: Als Anfang Februar überall die Plattenkritiken über das neue Album von Smoke Blow, ‚German Angst‘ betitelt, erschienen, gab es nur Lobeshymnen. Egal, ob im sonst so trendigen Indieheftchen, dem hochkommerziellen alternative Magazin oder im Punkrock-Fanzine – die Platte wurde überall abgefeiert. Aber waren Smoke Blow aus Kiel nicht diese Vollprolls, die Schmuddelkinder der deutschen Rockmusik? Wohl nicht mehr. Passte dieses Bild überhaupt?

Nun, vor allem macht es schlicht und einfach Spaß, Smoke Blow live zu sehen und sich über die Sprüche von Sänger Letten zu amüsieren. Live sind Smoke Blow schlicht und einfach großartig. Und das gilt auch für dieses neue Album, das einfach rockt wie nichts, was man sonst aus Deutschland so kennt, und wenig aus Übersee. Also gehören Smoke Blow auch ins Trust, zumal Letten betont, alter Leser zu sein.

Wie ist denn das so, am Wochenende den „Vollproll-Punk“ raushängen zu lassen und in der Woche kleine Kinder zu versorgen?
Das verträgt sich ziemlich gut. Ich muss mich die Woche über schon zusammenreißen, ich kann da nicht nur rumprollen. Obwohl ich schon ich selber bin im Kindergarten. Ich rede mit den Kindern durchaus ein bisschen härter. Da wird auch mal ein bisschen rumgeprollt. Das bin ja auch ich. Die Kinder können gut drauf klar und kennen mich jetzt eine Weile. Der Job ist aber auch schon anstrengend. Es ist echt stressig, auf eine Horde von 14, 15 Kleinkindern aufpassen zu müssen. Und dann ist es gut, am Freitagabend mal Dampf ablassen zu können.
Und was sagen die Eltern?
Vor denen muss ich mich auch zusammenreißen. Ich bin der Leiter des Kindergartens, und ich hab da eine ziemlich große Verantwortung, wenn die mir ihre kleinen Butschis anvertrauen. Das kommt am Wochenende in geballter Form wieder raus. Man wird die Woche über oft angekackt, gerade private Eltern-Initiativen tragen übergroße Ansprüche an einen heran. Die wollen alle nur das beste für ihr Kind, und ich soll das für sie erfüllen. Ich meine, ich bin auch der beste Erzieher, aber alles kann ich nun mal nicht erfüllen. Ich hab nachher Elternabend, den gibt es alle vier Wochen. Da wollen die Eltern ein psychologisches Diagramm über ihre Kinder haben. Das ist echt extrem.
War Kindergärtner dein Traumjob?
Nee, das war eher eine Verlegenheitsaktion, weil ich damals überhaupt nicht wusste, was ich machen sollte, als ich von der Schule geflogen bin. Ich hing mal wieder Zuhause rum, mit nem Halben aufm Bett, und Muttern hat mir das vorgeschlagen. „Wenn du auf sonst nichts Bock hast pass doch wenigstens auf Kinder auf“. Das fand ich auf Anhieb gut. Ich hab sofort einen Ausbildungsplatz bekommen; es macht Spaß. Vor allem bin ich den ganzen Tag mit kleinen Punks zusammen und nicht mit angepassten, verkrampften Spießern.
Wissen denn die Eltern oder die Kinder, dass du in einer Band namens Smoke Blow spielst?
Ja, klar, aber die kennen die Band nicht. Wir sind nur eine unbedeutende Punkband. Wir stehen ja auch nicht im „Stern“ oder im „Spiegel“. Und was lesen die denn sonst? Das sind Eltern-Initiativen: Lehrer, Pädagogen, auch Erzieher – Leute, die sich für sowas nicht interessieren.
Also keine „progressiven“ Eltern, die mal Punk gehört haben?
Kann vorkommen. Aber ich hab eher so die gesellschaftlich akzeptieren, voll im Leben stehenden Eltern. Die interessiert das nicht. Sie sind zwar tolerant, was Tätowierungen angeht, die Haare mal blond färben oder Lederjacke. Aber sie denken, dass ist so’n Hanswurst, der brüllt mal ein bisschen rum. Die nehmen das nicht ernst.
Ich frag mal andersrum: Was denkst du denn, was deine Fans denken, dass du Kindergärtner bist?
Ich hoffe, dass die das cool finden. Ist es doch auch, oder nicht? Es ist ja auch anstrengend. Mit 15 Kiddies auf den Weihnachtsmarkt… Super. Vor allem die Verantwortung ist es, die einen fertig macht. Der Straßenverkehr und so – was da alles passieren kann.
Ist das am Wochenende dann eine Rolle, die du spielst? Oder bist das auch du?
Ich war schon immer ein Typ, der sich gern auf den Arm genommen und ein bisschen rumgeprollt hat. Das ist auch eine Art „Kieler Kult“ geworden. Und ich bin auch irgendwie ein Proll. Das macht aber auch Spaß. Es soll den Leuten suggerieren, dass das nicht alles so ernst ist, dass wir einfach einen bisschen Spaß haben und den Kopf gegen die Wand kicken. Und gut ist. Ich tu doch niemandem was Böses. Ich beleidige niemanden, spiel mich nicht als obercoolster Macker rum, ich bring ein paar nette Sprüche… Aber das mach ich ja nicht nur, es kommt auch mal wwas halbwegs Geistreiches von mir. Hoffe ich zumindest.
Wenn Smokeblow als „die Prollband“ beschrieben wird, nervt das?
Natürlich nervt das. Total. Es ist harte Musik, treibende Musik, kompromisslose. Aber definitiv keine Proll-Musik. Ganz und gar nicht. Assi-Musik sind für mich die Donots oder die Emil Bulls und wie die alle heißen. Das ist Assi-Musik, weil das total polierte, billige Scheiße ist. Bei uns steckt richtig Herzblut dahinter. Wir müssen jetzt natürlich aufpassen, dass uns die Assi-Schublade nicht auffrisst. Die Platte war höllische Arbeit, wir haben daran ein Jahr lang rumgeschuftet. Assi ist daran überhaupt nichts. Vor allem die neue Platte ist für mich alter Hardcore, wie die alten Sachen, die ich Mitte der Achtziger gehört habe. Ein bisschen Misfits, Discharge, Rich Kids On LSD, Bl’ast, Black Flag. Das sind doch keine Assi-Bands.
Wie seid eigentlich ihr auf den Albumtitel gekommen? Der klingt höchst seriös.
Soll er ja auch…
…als ob ihr was über deutsche Befindlichkeiten sagen wollt. Nur das Cover mit dem Schiff hab ich nicht verstanden.
Der Plattentitel ist ein Kontrapunkt zum Öltanker. Wenn man mal genauer auf das Schiff schaut, steht da „SB“ drauf, für Smoke Blow. Das steht für uns und unseren Gitarrensound. Das ist aber auch ein sehr pathetisches Bild mit der Abendsonne und dem fetten Bug. Das Schiff symbolisiert Smokeblow, und „German Angst“ ist, was diese Platte gerade nicht sein sollte. Wir sind eine Band, die sich dazu bekennt, deutsch zu sein, auch wenn wir amerikanische Musik machen. Im Booklet ist alles auf deutsch geschrieben. Und dennoch haben wir keine Angst vor Vergleichen mit amerikanischen Bands. im Gegenteil: Wir sind besser als die.
Aber deutsche Texte hast du nicht verwendet.
Ich hätte da schon Bock drauf, ich weiß aber nicht, ob ich das kann. Das könnte schon in Richtung deutscher Punk, deutschen Hardcore gehen.
Warum ist es dir wichtig, zu bekennen, dass ihr eine deutsche Band seid?
Weil ich denke, dass deutsche Bands viel zu wenig Beachtung finden. Vor allem anspruchsvolle Bands. Deutsche Bands werden wesentlich schneller runter geschrieben. Bei uns ist das ganz extrem. Wenn wir aus L.A. wären, wären wir mit Sicherheit vier, fünfmal so groß. Davon kann man echt ausgehen. Trotzdem ist es wichtig zu sagen: Scheiß drauf, wir sind ne deutsche Band, und jetzt kriegt ihr das auch noch vor den Latz geknallt. Wir sind besser als die verfickten Queens Of The Stone Age. Stellt uns mit denen auf eine Bühne, und wir werden sie an die Wand blasen.
Ich muss allerdings sagen, dass ich deutsche Bands zu einem guten Teil weit schlechter finde als amerikanische.
Stimmt ja auch. Weil die meisten deutschen Bands einfach nur abkupfern, weil sie sich nichts trauen. Da sind wir doch wieder beim Thema, bei der „German Angst“. Guck dir doch mal diese ganzen deutschen New-Metal-Bands an, die jetzt auftauchen und ihre Vorbilder aus dem Radio nachmachen. Dann sehen die auch noch alle so aus wie Korn oder Limb Bizkit. Das sind Abziehbilder. Es gibt keinen deutschen Stil. Die besten Bands sind doch die, die deutsch singen. Surrogat, Tocotronic oder so. Ist nicht mein Ding, aber gute Bands. Es gibt aber kaum gute Bands, die einen amerikanischen Sound haben. Steakknife vielleicht, aber die haben ja einen amerikanischen Sänger. Keine Ahnung, woran das liegt. Weil deutsche Bands den Flow der Sprache nicht kapieren. Oder weil sie einfach nur Rockstars werden wollen.
Hast du dich denn davon verabschiedet, jemals damit Geld zu verdienen?
Natürlich. Ich werd 32, ich bin zu alt für Hirnfürze. Ich muss Geld verdienen. Ich hab ne Freundin mit einem Kind – da kann ich nicht drittklassigen Rockstar-Träumen nachhängen. Es wird auch nie anders sein, als dass wir zwölf Platten verkaufen. Aber das wollen wir ja auch nicht anders.
Wieviel habt ihr denn von der „Punkadelic“ verkauft?
So 4000 ungefähr.
Ich dachte, dass man mit solcher Musik mehr verkaufen kann.
Das geht nicht. Wenn wir jetzt Metal machen würden, ginge vielleicht das Dreifache weg. Aber es gibt für solche Musik auch keine Szene. Am ehesten würde man uns vielleicht noch zu einer „Rock’n’Roll“-Szene zählen. Aber eine RocknRoll-Band sind wir auch nicht. und Emo, New-Metal, Heavy-Metal sind wir auch nicht. Eigentlich machen wir alten Hardcore. Das klingt alles vielleicht ein bisschen eingängiger, aber letztlich haben wir alles geklaut. Hier mal ein bisschen Negazione, da mal ein bisschen Discharge und dann etwas mehr Eingängigkeit, etwas Misfits.
Als ihr Wild at Heart gespielt habt, waren da all die Leute von Metal Blade. Aber nun kommt die Platte bei Noisolution raus, was eine komplett andere Szene ist. Wie kam das denn? Das ist ja eine essenzielle Entscheidung, die mit Sicherheit auch euren weiteren Weg bestimmt.
Natürlich. Metal Blade waren sehr interessiert. Sie fanden die Band richtig geil. Aber es war ein Hirnfurz. Wir sind in dieser Metal-Szene überhaupt nicht Zuhause; das war entscheidend. Das Zweite war, dass sie uns einen Riesenvertrag vorgelegt haben. Über zehn Millionen Alben und vier DIN A4 Seiten lang – das hat überhaupt keinen Sinn gemacht für uns. Dafür sind wir zu sehr Punk. Das wäre mit Sicherheit in die Hose gegangen. Der Vertrag war in Englisch, wir haben den einfach nicht gecheckt, aber einen anderen wollten sie uns nicht geben. Dann kriegen sie halt nicht die beste Band der Welt. Arsch lecken.
Da bot sich dann Noisolution an?
Ja, Arne von Noisolution hat sich schon immer angeboten, schon nach der ersten Platte. Er hat sich sehr rührend um die Band bemüht. Er hat uns zwar das schlechteste Angebot gemacht, aber „home is where the heart is“. Wir haben uns auch bei Loudsprecher wohl gefühlt, obwohl das ein Ein-Mann-Betrieb ist. Ich mag außerdem die Bands, die auf Noisolution sind. Da scheiß ich auf 10.000 Euro. Smoke Blow sind und werden immer eine unkommerzielle Band sein. Wir werden nie den „kommerziellen Spagat“ machen, dafür steht der Name auch nicht. Und da sind wir stolz drauf, dass wir den Kommerzkram nicht mitmachen.
Dann lass uns doch mal auf die Musik zu sprechen kommen. Als ich das Album zum ersten Mal gehört habe, fand ich sie gut, aber ich was skeptisch, weil ich die Keyboards auf der Platte davor cool fand. Ich war von dem neuen Album nicht richtg überzeugt und legte sie eine Weile weg. Dann hab ich sie irgendwann wieder gehört, und sie lief vier, fünf Tage lang durchgängig. Also: wie kam das, dass ihr den Sound wieder reduziert habt?
Die letzte Platte war ziemlich selbstverliebt.Wir wollten mal ernst genommen werden und zeigen, dass wir nicht nur die Super-Prolls sind. Wir können auch gute Songs schreiben und ein Keyboard reinnehmen. Aber wir haben gemerkt, dass die Leute unsere Live-Power und unsere Direktheit lieben. Die neue Platte sollte das Beste von Smoke Blow zusammenfassen: der fette Sound, die Eingängigkeit, die Kompromisslosigkeit und die Reduktion aufs Wesentliche.
Es war ja mit Sicherheit ein Problem, dass ihr die Keyboards nie live bringen konntet. Also stand das Album alleine, und ihr musstet euch überlegen, wie ihr das wieder reduziert.
Wir leben ja auch bei Konzerten nicht davon, dass wir ein Keyboard haben, sondern, dass wir abgehen auf der Bühne, dass es lustig ist und dass es einen mitreißt. Ein Keyboard ist sekundär. Wir hatten auf der vorherigen Platte einfach ausprobiert, was wir sonst noch können.
Wie kann man denn euren nun reduzierten Sound fortsetzen. Eigentlich müsste das nächste Album wieder davon weggehen, oder? Sonst tappt man irgendwann in die Ramones-Falle.
Kann ich nicht beurteilen, weil die nächste Platte in weiter Ferne ist. Das war bei den Platten davor anders – da hat man sofort an die nächste gedacht. Ich find diese Platte so ultimativ, dass ich gar nicht weiß, ob es danach überhaupt noch eine gibt. Ganz ehrlich: Das hängt auch von dem Erfolg ab. Wenn bei den Konzerten jetzt immer 200 Leute kommen, die den Sound wollen, dann werden wir höchstwahrscheinlich dabei bleiben. Es kann auch sein, dass ich in drei Wochen die Erleuchtung habe, und wir machen ne Soul-Platte. Das wäre Punk. Oder einfach eine Deutschpunk-Platte. Fände ich auch gut. Das Langweiligste wäre, wenn es einfach so weiter geht. Kann ich aber nicht ausschließen. Momentan sind wir alle ziemlich fertig – die Woche über arbeiten, am Wochenende dann los… Insofern wissen wir nicht, ob es überhaupt noch eine Platte gibt. Die Frage ist, ob es noch Sinn macht für uns. Das ist jetzt die vierte Platte, und ich find Bands stinklangweilig, die zehn Alben machen, wo jedes Jahr eine neue kommt. Ich hab kein Bock so zu enden. Insofern ist es cooler, einfach Schluss zu machen.

Text: Dietmar Stork

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