Juni 25th, 2019

S/T (#130, 2008)

Posted in interview by Jan

S/T….psychedelischer us-Kraut-Rock

Klar kennt ihr das, das man auf einem Konzert von einer völlig unbekannten Band total überwältigt wird… eher seltener ist das Erlebnis, dass man einer Band neutral gegenübersteht, weil man mit der Musikrichtung nicht so viel anfangen kann, eventuell schon mal ein paar ältere Aufnahmen gehört hat und dann beim ersten Live-Auftritt völlig erfreut wird?

So geschehen mit mir und S/T, dem Duo aus Frankfurt /Main, wo neben Martin Brauner auch TRUST-Autor Joachim mitmacht (wenn er nicht an seinem Label Pure Pop For Now People oder seinem Buch ”They could have been bigger than EMI” arbeitet bzw. gerade für seine Gäste der Frankfurter Donnerstagsrunde Bier holt). Also erstmal: nein, ich finde die Band nicht deshalb gut, weil ich hier eine Band mit einem vom TRUST pushen will, sondern mir hat der Auftritt der Band auf einer privaten Feier im Frankfurter Umland vor einem Jahr so gut gefallen, dass ich trotz anfänglicher Skepsis (”Dat is doch so psychedlic oi”) neugierig wurde und mir die neue (und hervorragende ”Stadtlandwurst” LP) kaufte.

Das Interview fand an einem Samstag Nachmittag in Frankfurt statt, und zwar in den Räumen des kleinen aber feinen noch frisch eröffneten Plattenladens Lucky Star Records, geführt von Günter und Birgit, die mich am Ende dankenswerterweise beim Musikcontest mit Joachim unterstützen.

Im TRUST # 95 von Mitte 2002 stand über die S/T – Ahtoon Eskaloon LP…”S/T aus Frankfurt/M. und Crevice aus San Antonio,Texas, werfen ihren Pillenvorrat zusammen, um gemeinsam unter dem Banner auf diesen langen seltsamen Trip zu gehen. Sechs Stücke Kraut-Irrsinn und Psychedelic-Abfahrt, mit irrlichternden Geräusch-Collagen durchsetzter Space-Punk, archaische Orgeln und rumpelndes Schlagwerk. Unter dem Einfluss von Brainticket, Can und anderen Meistern des Handwerks haben diese Herrschaften hier ein durchweg originelles und bizarres Album geschaffen.” Ich denke, hier muss mal einer ran, der nur Bahnhof versteht, aber die Band mag…

Sag mal, ihr habt ja letztes Jahr eure zwanzigste Veröffentlichung herausgebracht, die ”Stadtlandwurst” LP.
Richtig.
Gratulation dazu! Habt ihr mal bandintern Bilanz gezogen, seid ihr zufrieden?
Na ja, auf der einen Seite muss man sagen das zwanzigste Release, auf der anderen Seite gibt’s uns jetzt 15 Jahre, d.h. man hat in den 15 Jahren jede Menge Entwicklungen durchgemacht. Von einer doch recht dilettantischen Combo der Anfangsjahre haben wir es geschafft, unseren eigenen Stil zu entwickeln.
Kann man denn sagen, dass bei euch eine konstante Entwicklung nach oben stattgefunden hat, was sowohl den Output als auch die Anzahl der Konzerte betrifft?
Na ja, wir hatten jetzt nicht so viele Auftritte gehabt in den ganzen Jahren, aber wir wachsen… Ich glaube, es wäre fatal, wenn man zugeben würde, dass man einen Stillstand hat, es ist eine permanente Weiterentwicklung. Ich würde sagen, dass das schon sehr spannend ist, was von Jahr zu Jahr dazukommt, wir wiederholen uns eigentlich äußerst selten.
Eure erste Single, das war doch die ”If I can´t catch..”
Ja, die ”If I can catch a train”, ja.
Kannst du dich noch an die Aufnahme erinnern, war das in einem Studio oder kam die dircelty out of the Proberaum?
Nee, wir nehmen, bis auf eine Ausnahme, alles im Proberaum auf. Anfangs auf vier Spuren, jetzt mit dem Rechner und ich erinnere mich an die erste Single noch ziemlich genau. Aus dem einfachen Grund, weil wir sehr sehr lange überlegt haben, mit was kommt man zuerst raus, was könnte jemanden interessieren, zumal wir am Anfang noch gar nicht wussten, wo die Reise hingeht. Die ganzen Sachen, die man heute über uns sagt, also was wir für eine Musik machen, war damals überhaupt nicht absehbar.
Ihr seid ja zu zweit, du und Martin.
Ja.
Habt ihr eine Arbeitsteilung? Martin macht Gitarre und Gesang, du spielst Keyboard, ihr bringt eure Platten selber raus?
Meistens ja. Arbeitsteilung gibt’s instrumental. Martin spielt Gitarre und singt, ich spiele das, was Tasten hat. Das ist generell die Instrumentierung. Die Arbeitsteilung: Wir haben uns mittlerweile dahin entwickelt, das Martin alles macht, was mit Schneiden und Aufnehmen zu tun hat.
Und du bist dann mehr der Mann für das organisatorische oder wer macht das Konzertbooking?
Ich halte generell zu allen möglichen Leuten Kontakt, meist per E-Mail, Martin hält sich da sehr zurück, weil er auch genug mit dem Schneiden, mixen und archivieren von unserem Krempel zu tun hat. Das heißt, ich mache die Kontakte, ja, aber die meisten Konzerte werden nicht von uns organisiert, sondern wir werden eingeladen.
Ach, die kommen also auf euch zu?
Ja.
War das schon immer so?
Sagen wir mal so, das allererste Konzert, das war im September 1996 in Frankfurt. Da haben wir uns noch drum bemüht, weil, okay: jeder sollte mal in Frankfurt im Dreikönigskeller spielen. Wir hatten dort unser Debüt-Konzert. Wir haben einfach gefragt, was aber auch kein Problem war, da man die Leute dort kannte.
Ihr seid zwar aus Frankfurt, aber habt euch dem Ort oder der Szene hier nie so verbunden gefühlt? Ihr tretet ja mehr woanders auf als in Frankfurt selbst?
Das hängt damit zusammen, dass Frankfurt keine Szene hat. Nicht das andere Städte eine hätten, aber in Frankfurt ist es extrem merkwürdig. Die ganzen Bands haben untereinander sehr wenig miteinander zu tun. Das mag vielleicht im HC oder im Punk-Bereich anders sein, weiß ich nicht. Aber alles, was ein bisschen mit fremdartiger Musik zu tun hat, da ist es schon eher dann so, dass jeder sein eigenes Ding macht. Und wir auch.
Also ist in Frankfurt erstmal kein Auftritt geplant?
Gut, der letzte Auftritt hier in Frankfurt war 2004 und mittlerweile bohren die Leute wieder und ich denke, dass dieses Jahr noch was in Frankfurt stattfindet wird. Aber auch wenn wir 2 Angebote haben, es ist noch nix zugesagt.
Wer kam eigentlich auf den Titel der ”Stadtlandwurst”?
Das war wie alles von uns eine gemeinsame Arbeit. Da wir eine deutsche Band sind, haben wir natürlich auch gerne mit der deutschen Sprache unsere Späßchen, und ”Stadtlandwurst” ist etwas urdeutsches. Etwas was wohl niemand so macht. War am Anfang der Gag, dass das Wort mit ST anfängt und mit ST aufhört, aber wir haben das nicht weiterverfolgt. Wir sind immer auf der Suche nach schönen deutschen Wörtern, ob sie Sinn machen oder nicht.
Da sind ja zwei besonders lange Songs drauf, das Stück ”Komm wir fahr´n hinaus auf´s Land” gefällt mit besonders gut, äh, ist da eine Kraftwerk-Anspielung dabei, da hier ”Autobahn”?
Nein, überhaupt nicht, also a) Kraftwerk in aller Ehren, aber wir haben keinen Synthesizer drauf, und b) außer dass das Lied genauso lang ist wie ”Autobahn” im Original, würde ich da mal keine Anspielungen sehen.
Wie kam eure Connection zu der Ur-Krautrock-Band FAUST zustande? Ihr seid ja auch in diesem weltweiten FAUST-Fanclub dabei, kam das daher?
Also, angefangen hat es damit, dass Martin großer Fan schon seit Anfang an der Band ist und auch im Kontakt mit einem der Ur-Mitglieder stand, der damals sich um den Vertrieb und ein bisschen Fanarbeit gekümmert hatte, das war Hans-Joachim Irmler. In irgendeiner Weise haben wir den Kontakt immer weiter ausgebaut, bis dahin, dass wir 2003 bei Arbeiten geholfen haben, als das Tonstudio von FAUST in Scheer gebaut wurde.
Sind dadurch auch eure Trips nach Norwegen und London möglich geworden?
Nein, bzw. indirekt. Während unser Hilfe beim Ausbau des Studios haben wir Engländer kennen gelernt, die dort auch geholfen haben. Es hat sich herausgestellt, dass einer, Andy Wilson, die internationale FAUST-Fanpage betreut. Zum Abschluss der Arbeiten haben wir ein nicht angekündigtes Live-Konzert auf der Veranda von FAUST gegeben. Das hat die Engländer begeistert.
Wo war das noch mal?
In Scheer, auf der schwäbischen Alb.
Ah, also Süd-Faust?
Jein. Also Insider sagen, dass es “Faust-Nord” und “Faust-Süd” gibt, da sich die noch lebenden Originalmitglieder zerstritten haben. Wir hatten sowohl zu “Faust-Süd” und auch “Faust-Nord” Kontakt, bei “Süd” ist er jetzt abgebrochen, da will ich aber nicht weiter drauf eingehen. Mit “Nord” haben wir noch sehr viel Kontakt und wir werden im Juli nach Norden fahren, da “Faust-Nord” jährlich ein Festival veranstaltet, wo wir auch vor 2 Jahren gespielt haben. Dieses Mal fahren wir hin, weil es auch ein Treffen von vielen Leuten ist, die uns mögen und um unsere englischen Freunde wieder zutreffen.
Und die Reise nach Norwegen, ich meine, ist doch bestimmt schon geil, da am Polarkreis psychedelische Musik zu machen?
Ja, das war eine spontane Idee von einem Fan und Freund von uns, der auch aus diesem Faust-Kreis kommt. Der wohnt in Bodø auf dem Polarkreis und hat im letzten Jahr zum zweiten Mal ein Festival zur Mitternachtssommerwende gemacht. Man muss sagen, Bodø ist ein kleines Kaff, mit 30.000 oder so Einwohnern, und es ist fernab von allem, d.h. es kommen auch nur ganz wenige Touristen vorbei, zusammen mit Ectogram waren wir die einzigen Nicht-Norweger, die dort gespielt haben. War ein ziemliches großes Festival, und ja, auch ein ziemlich großer Spaß.
Jetzt sind ja schon böse Wörter gefallen, Krautrock, Faust… Eventuell werden einige Leser bei diesem Interview spätestens jetzt denken, ”Ach scheiß Hippie-Musik”. Wie denkst du über dieses oft auftauchende Vorurteil innerhalb der Punk/HC-Szene?
Ich sage immer, die Leute, die sagen ”Scheiß Hippie-Musik”, dass sind meistens diejenigen, die wenn sie das Wort benutzen, davon überhaupt keine Ahnung haben. Weil, was zur Hölle soll eigentlich Hippie-Musik sein? Die meisten Leute wissen noch nicht mal mit dem Wort ”Kraut” irgendwas anzufangen, einfach weil sie irgendwelche Stempel benutzen, ohne es selbst erfahren oder gehört zu haben. Also ich verurteile eigentlich die Leute, die scheiß Hippie oder scheiß Kraut oder scheiß irgendwas sagen, es kommt meistens aus der Punkszene, und die Leute haben die Musik nie gehört, die wissen gar nicht, wovon sie reden.
Ich habe mal im Internet geschaut, was psychedelische Musik eigentlich sein soll. Wikipedia meint ”eine Spielart der Rockmusik. Sie wurde 1965 in den USA geprägt…. Verwendung ungewöhnlicher und neuartiger Klänge … experimenteller Umgang mit Songstrukturen…..Anstelle von Psychedelic Rock wurde häufig auch der Begriff Acid Rock verwendet….1978 Acid Punk…” Äh, seid ihr also eine experimentelle psychedelische Krautrockband?
Experimentelle psychedelische Krautrockband… puh…, wenn man alles auseinander nimmt, ja, dann haben wir von jedem etwas, aber ich würde mal ganz grob sagen, den Begriff, der aus diesen drei Worten zusammengestellt ist, den würde ich nicht gelten lassen. Aber jedes einzelne für sich stimmt.
Und was ist Acid-Punk, hab ich noch nie gehört?
Ich auch nicht. Was soll das sein?
Ja hier irgendwas ab 1978?
Hmh, 78 komm doch Punk, ich würde eher sagen Acid-Garage oder so, kann man gelten lassen, weil die Leute, die sich damals in dieser Szene bewegt haben, kommen eher aus dem Neo-Sixties-Bereich, ich würde sagen, Neo-Garage ja, aber Acid-Punk wüsste ich nix.
Wie kann man sich als Laie die Psychedelisch-Kraut- Szene vorstellen, eine verschworene Plattensammlergemeinschaft der Ü40-Generation, ähnlich strukturell in sich geschlossen wie die Psychobilly-Szene und damit trotz dem wilden und experimentierfreudigen eigentlich sehr konservativ?
Also, da ich mich mit der Psychobilly-Szene nicht sonderlich auskenne, außer das ich vereinzelt Leute kenne und weiß, wie die so gegenseitig ticken, was ich ziemlich interessant finde, würde ich mal sagen, Psychedelic, da muss man eine Szene von Machern und eine Szene von Hörern ziemlich unterscheiden. Es gibt zurzeit einfach keine Psychedelic-Szene, es ist auch momentan ein ziemlich schlecht verkaufbarer Musikstil und die Ü40-Leute, die Psychedelic hören, sind meistens sehr sehr ruhige Menschen, mit einem oftmals sehr großen Wissen, auch gegenüber anderen Musikrichtungen.

Wenn man sich z.B. heute mit vielen Leuten aus dem Punk-Bereich unterhält, merkt man: die wissen bei anderen Musikrichtungen auch verhältnismäßig wenig Bescheid. Deshalb auch z.B. Hippie-Scheiß und so, die bleiben in ihrem Bereich und damit ist es fertig. Die Psychedelic-Sammler der Ü40iger wissen wiederum verhältnismäßig viel Bescheid im Punkbereich oder auch recht gut im Garagenbereich und Neo-Sixites. Liegt ja auch nahe. Aber meistens sind es eher unscheinbare Leute, die auf nen Konzert gehen, an ihrem Bierchen nippen, der Musik lauschen, wieder heimgehen, und sich in ihren Plattenbergen vertiefen.
Gibt’s eigentlich auch junge Psych Bands, so 16 jährige, die sagen ”Fuck the world”, jetzt wird Krautrock gespielt oder ist das eher eine Musikrichtung, auf die man kommt bzw. die man spielt, wenn man älter wird?
Nein, ich glaube, mittlerweile ist das wie mit allen Stilen. Dass ne Band mit Mitgliedern um die 16 Jahre Punk spielt oder Hardrock ist mittlerweile ganz egal, du brauchst nicht die großen Erfahrungswerte. Du musst nur ne Handvoll Platten hören, und sagen, da fangen wir jetzt an. Großes Problem finde ich eher, dass es keine anständigen Publikationen gibt, und man weiß nicht, wie alt die Bands jetzt eigentlich sind. Man hört die Platten und…o k, gutes Beispiel ist Kula Shaker, die neulich hier gespielt haben; also mit welcher Intensität die z.B. einen Neo-Sixties-Psychedelic-Sound machen, und die Jungs sind jung, keine Ahnung wie jung, aber ich schätze, dass da der Älteste bis 30 ist.
Religiöse Bands treten seit einiger Zeit verstärkt im Metalcore-Bereich auf. Gibt’s so was auch im Psych, also Bands mit religiösen Themen, z.B. so fernöstliche Mystik oder so was?
Ich weiß es nicht. Da sehr sehr viel instrumental ist, weiß ich nicht, was die Leute denken, oder was sie für Texte machen würden. Mir ist da jetzt explizit nichts aufgefallen, aber da oftmals der musikalische Bereich von Psychedelic zu Progressive sehr sehr nah beieinander liegt, weiß ich, dass es eine progressive-Rock-Schiene gibt, die extrem mit christlichen Texten rumeiert, nennt sich dann Xian-Rock. Da ist dann ganz klar, dass die eine christliche Message rüberbringen wollen. Man sieht es auch meistens daran, dass die Plattencover so Prog-Gemälde-mässig aussehen. Christen kiffen glaube ich nicht.
Ha ha!
Oder? Hmh.
Auf eurer sehr informativen Homepage habe ich mal zwei Reviews zusammengetragen, die fand ich sehr schön, ein mal von der Süddeutschen Zeitung, die über S/T schreibt, dass…
Au, ich brauche nen neues Bier.

(nach kurzer Pause gings weiter)
Auf jeden Fall schrieben die ”Seit 1993 …Martin Brauner und Joachim Gaertner … Bombast … Minimalismus … Ambient-Collage kontra Rockballade, Post-Industrial multipliziert mit großer Wahwah-Geste und Orgelkumuli.” Ein schönes Kompliment nicht wahr?
Oh je, na ja, Rockballade passt bei uns überhaupt nicht rein, und Wahwah benutzen wir nicht, aber…ja, ist aber schon sehr schmeichelhaft, ja.
Die intro meinte ”Psychedelic und Albernheit lagen selten so dicht beieinander… semi-dilettantischer Krautrock zu zuckender Beatbox…die Velevt Underground-Kraut-Achse spiegeln S/T nachträglich durch gleich mehrere Brillen”….auch nicht schlecht, Südeutsche, intro, hey, wo bleibt die Spex?
Die Spex? Die Spex wird uns in 10 Jahren vielleicht mal entdecken, die sind für alle Trends zu spät. Mittlerweile eine gruselige Zeitschrift, ähem, ansonsten ja klar, sind es ein paar einander gereihte schöne Worthülsen… das mit der, was war das, ja, “Albernheit” hängt damit zusammen, dass wir uns im Gegensatz zu anderen Bands nicht so verdammt ernst nehmen.
Was ich gut finde!
Ja, auch mal lustige Texte machen, zu minimalistischer Musik, wir sind halt keine Neo-Psychedelic-Band wie die meisten Leute, die in dem Bereich arbeiten, wir sind eher eine dilettantische Krautband in unserer eigenen Welt.
Da ist ja wieder direkt die Connection zu Punk / HC, wenn man da an Sore Throat und ihr Motto ”unhindered by talent” denkt, also der Grundgedanke beim Punk, einfach ein Instrument spielen, von dem man keine Ahnung hat…
Ja, den Dilettantismus beziehe ich darauf. Ich hoffe, Martin wird mir da recht geben. Weder er noch ich sind besonders gute Musiker, aber wir kompensieren das mit vielen Ideen und Herangehensweisen, von wegen man könnte das und das doch mal so und so machen. Da ist die Fähigkeit, besonders gut an den Instrumenten zu sein, zweitrangig.
Wenn man sich euere Diskografie anschaut, kann man ja nur den Hut ziehen, an euch kann man eigentlich nicht vorbeikommen, wenn demnächst mal ein Buch über experimentelle Musik geschrieben wird… aber dann wiederum könnte man gemein zurückfragen: Wer soll das alles kaufen? Oder ist der Gedanke einfach zweitrangig?
Die zweite Frage ist einfacher zu beantworten, als die erste. Da muss man aufpassen, dass man nicht überheblich wird. ”An einem vorbeikommen”, äh, ich denke, wenn ein Buch über eine gewisse Musikrichtung oder so genannte Szene gemacht wird, die sich in unserem Bereich bewegt, sollte man erwähnt werden mit ner Band, die 15 Jahre existiert und ne Handvoll Platten gemacht hat. Die Sache mit dem ”Wer soll das alles kaufen?”. Da sollen sich die Leute keine Gedanken machen, die meisten Sachen sind längst ausverkauft.
Ha ha, guter Konter.
Ja, ich meine, ich bin selbst schon dabei, von Fans, die Sachen von uns aus ihrer Sammlung verkaufen wollen, das zurückzukaufen.
In der ”Stadtlandwurst” ist ja auch ein Beiheft mit der kompletten noch erhältlichen ST Diskografie.
Ja, aber auch das ändert sich monatlich, weil die Sachen vor allen die kleinen Auflagen irgendwann ausgehen.
Ihr habt ja auf allen möglichen Formaten veröffentlicht, Single, 10er, Maxi, LP, MC, DVD, CD…VHS habe ich jetzt nicht gefunden, aber ist bestimmt auch dabei?
Äh nein, VHS haben wir bisher noch nicht veröffentlicht, wir haben zwar mal eine VHS-Verpackung gemacht, da war aber ein Audio-Tape drin. Was ist die Frage?
Welches Format macht S/T am meisten Spaß, wie wählt ihr die Formate aus, klar, ist alles ne Kostenfrage…
Ist ne Kostenfrage, ja. Wir haben eine zeitlang CD-Rs und CDs herausgebracht, weil wir der Meinung sind, für die kleine Auflage und die Fans, die wir haben, ist so was einfacher zu produzieren, außerdem haben wir einen Hang zu sehr aufwendig gemacht Plattencovern mit viel Handarbeit, das ist bei einer Auflage von 60 oder mehr teilweise überhaupt nicht mehr machbar. Deshalb sind CD-Rs oder Singles in 50iger Auflage machbar, aber das Lieblingsformat ist eigentlich 10inch. Aber wir haben so viele lange Songs, wo ne 10inch nicht reicht und es eine LP sein muss.
Da würde sich doch ne schöne Triple LP anbieten?
Wird kommen, wird kommen. Wir wollten damals, als wir angefangen haben, zwei Sachen schaffen: wir wollten eine LP-Box herausbringen und in Japan spielen. Japan wird aber mit Sicherheit kommen, und ne Triple Box wird dann eher wahrscheinlich ne 5er Box oder so.
Wow, Japan ist auch schon geplant?
Nein, noch nicht, aber durch unseren neuen Deal, den wir mit einem UK-Label gemacht haben steigen die Chancen. Der hat von seinem Label sehr viel nach Japan verkauft und das Label bringt auch japanische Künstler in England raus, insofern könnte dieser Traum von uns mal ein Stückchen näher rücken.
Was ist aus euerem Label „Save Our Sperms“ geworden?
Das ist das bandeigene Label. Das gibt’s immer noch und da kommt auch eigentlich unsere Platten raus, wenn nicht andere Labels Interesse zeigen. Die letzten beiden, sind auf Fremdlabels, einmal Norwegen, einmal England. Im Mai kommt das in UK raus…
Habt ihr schon nen Namen für die Veröffentlichung?
Ja selbstverständlich. Das wird ne CD sein, weil das Label erstmal nur CDs rausbringt, aber die haben schon wegen einem zweiten Release nachgefragt, da der Labelmacher ein großer Fan von uns ist. Ich möchte das Label jetzt nicht verraten.
EMI bestimmt, ha?
Es ein Label, auf dem auch so wunderbare Bands wie Acid Mothers Tempel, Merzbow oder Band of Pain veröffentlicht haben. Der eine oder andere wird es bestimmt kennen. Der Titel der CD wird sein ”Und so weiter”.
Sehr schön. Du spielst ja Keyboard, singst aber nie?
Nein.
Spielst du eigentlich noch andere Instrumente oder würdest du gerne?
Keyboard ist ja nicht nur ein Instrument, sondern alles was Tasten hat. Ich kann z.B. kein Akkordeon spielen, obwohl ich es gerne können würde.
Die gute Quetschkommode?
Ja genau, Quetschkommode. Ich glaube, da ist noch was machbar, über Effekte und so weiter. Würde auch live mal was bringen, sich etwas mehr bewegen zu können, als nur hinterm Keyboard zu stehen. Aber… man kann nicht alles machen….
Bei euer langen Discographie, sind da auch Sachen dabei, von denen man im Nachhinein nicht so zufrieden ist, was man besser hätte lassen sollen, ärgerst du dich über etwas?
Nein, alles war zu seiner Zeit in Ordnung. Und noch mal zurück zu einer deiner Eingangsfrage von wegen der Entwicklung. Man lächelt natürlich heute über ein paar Sachen, was man zu der Zeit damals gut fand, aber andere Leute, mit den man spricht, sehen das völlig anders. Ich würde ein paar Sachen Aufnahmetechnisch nicht mehr so herausbringen wollen, aber das war für uns mit den 4 Spuren und dem Vermögen welches wir in der Zeit hatten, das, was wir machen wollten.
Ich habe ja eben ein bisschen aus dem Wikipedia Artikel über Psychedelic zitiert, dass da einige ungenaue Stilbezeichnungen wie Acid-Punk gab, und so, es stimmt aber schon, dass Krautrock aus den USA kommt oder?
Ja, deshalb heißt es ja auch Krautrock.
Ja, stimmt…äh, Scheiße, nein, ich meinte natürlich Psychedelic, dass der aus den USA kommt, hab ich wirklich gerade Krautock gesagt?
Ja, har har, das musst aber unbedingt rein, oh Mann.
Äh, ja, ich meinte, Psychedlic und USA, ihr habt ja da in dem Mutterland dieser Musik auch eine kleine Konzertreise gemacht?
Konzertreise ist zu viel gesagt, Wir hatten unsere erste LP (eine 10inch) in den USA veröffentlicht, was für eine deutsche Band natürlich auch ein bisschen komisch ist. Aber hatten dort schon einen richtigen HC-Fan in Texas gehabt. Er hatte uns eingeladen, 1993, da war die Band gerade ein halbes Jahr alt, und wir haben ihm ein kleines Tape gemacht, mit dem was wir gerade so machen. Ich muss dazu sagen, ich kannte ihn aus den 80igern, denn er war in Wiesbaden stationiert, wo ich damals gewohnt habe, und ein Die-Hard-Plattensammler. Nachdem er mitbekommen hatte, dass ich so ne Art Krautmusik mache, hat er mich und Martin eingeladen. Wir sind nach Texas geflogen und aufgrund des Tapes wollte er eine Platte mit uns machen. Er hatte damals kein Label und unser Release war die Gründung seines Labels.
Existiert sein Label denn noch?
Man weiß es nicht. Seit 2 Jahren habe ich auch keinerlei Kontakt mehr mit ihm, er reagiert nicht mehr auf Mails, vielleicht ist er sogar, naja… hoffen wir mal nicht, dass er gestorben ist. Auf seinem Label ist dieses Millennium nichts mehr herausgekommen, die letzte Platte war auch ne S/T, 1999. Aufgrund dieser Platte hat er uns gefragt, ob wir nicht in Texas spielen wollen, im legendären Tacoland in San Antonio, wo auch zwischen Black Flag und Avengers alles gespielt hat. Legendärer Laden. Die Dekoration war erstklassig, mit 78iger Plakaten an den Wänden, man konnte also sehen, wer in dem Laden alles gespielt hat. Wir haben also im Tacoland gespielt und einen Tag später anlässlich einer Platten-Release-Party einer texanischen Band, die dann auch noch ST 37 heißt, in einem Plattenladen in Austin. Also waren es zwei Konzerte, das eine nicht geplant, das andere geplant, alles verbunden mit einem Urlaub.
Ok, Thema Zukunft, neue Platte kommt in UK raus, man munkelt auch was von dem allerersten Shirt von S/T, kommt da was?
Ja, es ist im Moment in der Mache, letzte Woche sind die Druckvorlagen weggegangen, es wird auch wieder hart limitiert sein…
So was wie die S/T –Pizza, die ihr auf der Homepage als Merchprodukt, ”item: 1” angebt?
Die S/T-Pizza, ja. Wegen dem T-Shirt noch mal, das wird’s im Frühling geben, limitiert auf 50 Stück. Geplant war’s für ein Konzert in London, wobei ich jetzt noch nicht weiß, ob es im Mai stattfindet. Zur S/T-Pizza muss ich sagen, dass ich die selber leider live nie gesehen habe. Sie ist meines Wissens von Martin 1996 gebacken worden, und zwar für ein Plattencover, wofür sie dann abfotografiert wurde. Er hat sie dann auch alleine gegessen, eine leckere Tomaten-Salami-Pizza.
Du machst ja unter dem Namen Jo the Gardener ein Solo-Projekt, auf deiner myspace Seite zitierst du da deine Einflüsse, u.a. Faust, Buzzcocks, XTC, Elvis Costello, Can und auch Minor Threat – ist natürlich klar, dass mich die Nennung von Minor Threat überraschte… ein Joke oder ist die Band tatsächlich für dich eine Inspiration zum Musikmachen?
Nee, kein Joke, als Inspiration fürs Musik machen stimmt es auf jeden Fall, ob es auch eine musikalische Inspiration ist, wage ich zu bezweifeln. Aber ich mag das Denken und Schaffen von Ian McKaye. Ich finde seine Art, Dischord zu machen, sehr interessant. Und als Mensch wie ich, der auch ein Label mitmacht, schaut man natürlich immer wieder auf Labelmacher, die man mag. Es muss nicht immer der musikalische Einfluss sein, denn man mag, es kann auch der Einfluss, wo man sagt, wow, so würde ich auch gerne arbeiten; so würde ich gerne für eine Szene arbeiten wie Ian McKaye. Deshalb steht da Minor Threat, ich hätte auch Fugazi schreiben können, beides Bands, die ich musikalisch mag, wo ich aber sag, eigentlich musikalisch in Klammern…
”Und da Helden nicht sterben, gibt es sie noch immer; auch den schwitzende, wabernde Plasmahimmel über deiner Stadt.” Das ist das wunderschöne Ende euer (online) Bandgeschichte, wer hat die denn geschrieben?
Das kommt von mir. Wir hatten 1994 zwei Singles gemacht, die beide einseitig bespielt waren und jeder durfte es so gestalten, wie er wollte und wir haben Boxen draus gemacht. Ich habe eine Box gemacht mit sogenannten Wackel-Augen, ein Booklet mit Wackel-Augen und dazu eine Geschichte geschrieben, ”die wahre Geschichte von S/T”, es gibt mehrere wahre Geschichten von S/T. Und da kommt es her mit dem wahren und Plasmahimmel, oh Gott, das habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Kleine lustige Geschichte. Da ich nicht singen und keine Songtexte schreiben kann, hab ich mich dazu entschieden, ab und zu irgendwelche Schnorren zu schreiben.
Ok, danke erstmal. Am Ende wollten wir ja noch einen kleinen Musikcontest machen, wo Günter und Birgit von Lucky Star Records dir ein paar Songs vorspielen und du erraten sollst, von wem der Song ist, aber vorher wird ich gerne eine rauchen…
Wie, keine Abschlussfrage, AC/DC oder Suicidal Tendencies?

Kommt noch…
(nach einer kleinen Pause)…
Günter hat in seinem Plattenladen Singles vorbereitet, die es zu erraten gilt. Also Joachim, es kommen sechs Stücke, die du erraten musst, es wird alles von mir protokollarisch mitnotiert. Ok, hier wir gehen… Lied läuft, Aufnahme läuft…

Ja soll das Lied zu Ende laufen, oder muss ich spontan direkt was sagen?
Ja spontan…und, kommt jetzt was oder wie?
Ok ok ok, das ist Can.
Yop, Can – I´m so green (1972)…nächster.
Ah, das ist Chris Spedding and the Vibrators, Pogo Dancing.
Mist, stimmt, weiter…na?
Ah, ich kenne das was…
Hehe, Tipps von Günter?
Nee, ach…Dinosaur JR ist es nicht, aber…doch, das ist Buffalo Tom, Sunflower Suit (1988).
Yo, 3:0, jetzt wirds schwer….
Oh Gott. Das hab ich ja Jahre nicht mehr gehört, Mann…das ist?
Ja, da musste mal dran ziehen…
Ach, das ist Deutsch-Österreichische Freundschaft – Taxi (1983), ihr seid ja wahnsinnig, das habe ich zum letzten Mal in der damaligen Zeit gehört… Du bist echt nen Arschloch, Günter, oh Mann…
Ja ja, vier zu null. Aber jetzt, bitte Bandname, Titel… Von Günter kommt noch die Zusatzfrage, auf welchem Filmsoundtrack das drauf war.
Hey hey, das war nicht abgemacht.
He he.
…Ah, klar, Brownsville Station – Smokin´ in the boys room (1973), Soundtrack RocknRoll High School. Hey!
Mist, hasse wahr.
Sogar vor dem Gesang erkannt, hehe, bitte das in Protokoll aufnehmen.
Is drin… Günter meint, jetzt kommt das Schwere…
Ok.
Und?
Keine Ahnung, ich glaube, ich habe diese Band nicht in der Sammlung, kann das sein?
Ja gut, dann machen wir die andere Seite, das war auch der große Hit von denen… läuft…
Hella Hella! Ach die, Alice Donut!
Song?
My boyfriends back (1990).
Was für ein Arschloch, eigentlich haben wir uns auch vertan, weil ”Boyfriends back” eigentlich der zu erratenden Song war. 6 zu 0. Wir müssen noch einen Bonustest machen…
Ja wie, aber ich habe doch alles erkannt?
Ja, aber da muss es doch noch was geben…. ok, läuft.
Ah, kommt jetzt wieder so ne Rock´n´Roll-Scheiße, die ich nicht kenne?
Last number…
Hmh.
Oh, er macht nicht das Sieben zu Null…
Hey!
Ich glaube, er kennt die Band nicht….
Jetzt halt doch mal das Maul!
Ek ek ek.
Oh, ich glaube, ich muss passen.
Birgit löst…
Ok, keine Ahnung, ich kenne die doch nicht, da könnt ihr mich das doch nicht fragen? Hört sich an wie 90iger?
Nein. Kommst du denn auf das Label?
Nein, noch nich mal, wo issn das drauf?
Warp.
Oh, keine Ahnung.
He he he. Broadcast – Americas Boy von vor 2 Jahren. 6:1, das ist doch super. Ok, dann noch die Abschlussfrage, AC/DC oder KISS?
Ist nicht dein Ernst oder, ja, AC/DC.
Nen Gruß an die TRUST-Leser?
Schönen Gruss!

Interview: Jan Röhlk
Kontakte:
http://www.get-happy-records.com/st.htm,
http://www.myspace.com/sssssttttt,
http://www.myspace.com/ppfnp,
http://www.myspace.com/luckystarrecords

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