Mai 1st, 2020

ROCKTERRINE (#134, 2009)

Posted in interview by Thorsten

Die Rockterrine kocht schon einige Jahre für Bands. Es begann mit den Punkbands, die auch heute noch von den Mädels regelmäßig das beste Essen der Tour bekommen und mittlerweile sitzt auch mal Lionel Richie am Esstisch. Das Interview war angedacht aufgrund der Veröffentlichung eines Buches namens „Rockterrine. So schmeckt Rock’n’Roll“, das beim Rockbuch Verlag vor wenigen Wochen erschien. Jens Nink hat das Buch als Diplomarbeit gestaltet und das Ergebnis ist großartig. Ich denke, es gibt viel Interesse über/um das Catering herum zu lesen und auch ist es interessant zu erfahren, wie so ein Buch aus einer fixen Idee heraus entstehen kann. Jedenfalls sind die Gerichte ganz toll beschrieben, gut nachzukochen, ganz klasse bebildert und das Buch stellt auch ein kleines Stück Erinnerung dar. Viele dieser Gerichte habe ich selbst schon essen dürfen als ich das eine oder andere Konzert in Trier veranstaltet habe – ich bestätige also, das die Gerichte toll sind und das Design ist allemal ansprechend. Hier somit ein kleines Interview mit meinen Freunden…

Ich habe bisher nichts davon mitbekommen, dass es neben den drei Ox-Kochbüchern irgendwelche weiteren Kochbücher zu kaufen gab, die sich auch explizit mit Musik und dem Drumherum beschäftigen. Wobei es in den Ox-Kochbüchern ja um vegetarische Gerichte samt der passenden Musik geht und bei Euch mehr um die Bands, das Drumherum (sowohl das Kochen als auch Backstage) samt Gerichten aller Art geht. Habt Ihr da weitere Bücher gesehen?

Kaddi: Die Ox-Kochbücher kennen wir natürlich auch noch von früher. Da haben wir immer gerne mal rein geschaut und uns überlegt, warum gerade dieser Song für gerade dieses Gericht gewählt wurde.
Simone: Ein Kochbuch, das Rezepte mit Bandnamen verbindet und das darin enthaltene Inhaltverzeichnis in Musikrichtungen gegliedert ist, haben wir bis jetzt jedoch noch nicht kennen gelernt.
Jens: Nee außer den Ox-Kochbüchern gibt es da noch keine in der Richtung. Nur ein Kochbuch für Gitarristen wie sie step by step Gitarre spielen lernen, aber davon wird man auch nicht satt.

Fein, also betretet Ihr da Neuland. Wie viele Tage, Wochen, Monate hat es in etwa gebraucht, das Buch fertig zu stellen?

Simone und Kaddi: Das musste relativ schnell gehen, da das Kochbuch ja anfangs nur als Teil einer Diplomarbeit (von Jens Nink) gedacht war. Jens hatte circa 6 Monate Zeit für seine Arbeit; dass ist nicht besonders viel, wenn man weis wie viel Arbeit hinter einer Diplomarbeit steckt. Die Rezepte für die entsprechenden Bands sind natürlich nicht nur in diesem halben Jahr entstanden, sondern bedurften Jahre langer Erfahrung im Kochgeschäft wie auch langjähriger Inspiration, Kreativität und Chaos. Bei der aktuellen Rezepte- und Kochüberflutung ist es nicht ganz leicht sich herauszuheben und neue, individuelle und eigene Gerichte zu kreieren, die auch nicht utopisch sind, nachzukochen. Trotzdem lassen wir uns auch gerne von Jamie Oliver & Co. Inspirieren und lesen statt einem Mankell Krimi auch mal ein gutes Kochbuch.
Jens: Es hat schon seine 6 Monate gebraucht das Buch fertig zu bekommen, aber die Arbeit wurde angenehm durch den Kontakt mit den Mädels gestaltet. Von daher kam mir das nicht so lange vor.

Jens, wie kam Deine Diplomarbeit beim Prof. an?

Jens: Sie war froh über das Thema und ich denke sie hatte auch Spaß dabei gehabt, mich zu betreuen. Danke Anita für deine tolle Unterstützung! Sie hat sich auch sehr gefreut als ich ihr verkündet habe, das ein Verlag den Titel veröffentlichen möchte.

Wie kam der Kontakt zum Rockbuch Verlag?

Jens: Zwei Kumpels von mir (Oliver & Nico) haben das dem Verlag vorgestellt, wofür ich den beiden sehr dankbar bin, da es ein kleiner Traum von mir ist ein Buch zu veröffentlichen.

Inwieweit hat Dich der Verlag nochmal an dem Buch rumdoktorn lassen? Ich könnte mir vorstellen, dass nicht gleich alles 100% druckreif war. Gab es da viel Arbeit?

Jens: Nein das ging, ich habe mir aber noch selber Arbeit gemacht und weitere Bands in das Buch aufgenommen und noch ein paar Kleinigkeiten verbessert die ich für die öffentliche Version ändern wollte.

Ganz schön fleißig. Ich nenne mal ein paar der Bücher, die bisher in Eurem Verlag „Rockbuch“, der sich als Spezialist für deutschsprachige Musikliteratur sieht und vom Riesen Edel geschluckt wurde, erschienen sind: Slash, Beatles, Nick Mason/Pink Floyd, Green Day, Robbie Williams, U2, Rolling Stones R.E.M., ABBA, Kate Bush, Red Hot Chili Peppers, Nirvana, Metallica, Björk – auch Bücher zu OstRock, Folk und vieles mehr. Da schlägt ein Kochbuch ja ganz neue Wege ein, findet jedoch seine Lücke – vielleicht auch Marktlücke? Man sieht aber auch gleich, dass es hier wirklich in der Regel um die „Großen“ geht, also um den Mainstream. Wie verträgt sich das mit Eurem Buch und den Vorstellungen dazu?

Simone: Unserer Ansicht nach, deckt das Kochbuch viele (Musik)Geschmäcker ab. Wir haben tatsächlich das Vergnügen gehabt für kleine Bands zu kochen; gleichzeitig haben aber auch Ikonen und Idole der Musikbranche wie beispielsweise Lionel Richie oder Toto unser Essen verputzt.
Kaddi: Natürlich steckt bei der Kochbuch Geschichte auch ein kommerzieller Gedanke dahinter; wir haben ja schließlich einen Verleger gesucht, der unser Buch auf den Markt bringt. So ist es bestimmt nicht uninteressant und unbedeutend, auch Rezepte mit bekannten Bands zu verbinden. Uns ist die gute Mischung aus prominent und Underground wichtig. Fakt ist ja:: wir haben ja selbst mal klein angefangen und „Reis mit Scheiß“ für unbekannte Punkbands im Exhaus gekocht. Wir hatten damals aber schon den Anspruch an uns, dass unser Essen immer lecker sein muss!
Simone: Es macht uns bei jedem Event Spaß zu kochen; egal wie berühmt, Hauptsache nett!
Jens: Es könnte sein das es eine Lücke ausfüllt, aber darum ging es in erster Linie gar nicht, es war meine Diplomarbeit und es hätte auch nur eine Diplomarbeit bleiben können, aber schön wenn es gut ankommt, das freut einen dann umso mehr. Die Rockterrine hat auch große Bands bekocht, die unter anderem auch im Buch vorkommen, aber es sind auch sehr viele Bands die nicht so bekannt sind wie Akimbo, A Death In The Family oder Former Cell Mates, kleine aber großartige Bands.

Gibt es Bands/Künstler, für die Ihr nicht kochen würdet?

Kaddi und Simone: Wenn Künstler folgende schlechte Eigenschaften an den Tag legen, würden wir für diese Bands auf gar keinen Fall den Rührlöffel schwingen: Undank, Missachtung oder Diskriminierung in Verhalten und Wort (wie auch in den Texten der Band). Aber leider weis man das vorher ja nicht immer so genau!

Was wohl heißt, dass Ihr da auch schon einiges erlebt haben dürftet. Was war das Dreisteste, das Ihr bisher im Umgang mit einer Band erlebt habt? Ich kann mir vorstellen, dass da das eine oder andere Riesenarschloch herumläuft.

Simone: Natürlich gib es in dieser Branche genug Idioten, genau wie überall anders auch. Es sind auch schon Dinge passiert, die das Leben im Cateringbereich, sagen wir mal, zu etwas „Besonderm“ machen … statt dem Dixie Klo wurde schon mal unser Putzeimer für das große Geschäft benutzt … eindeutige Anmachen … Freundschaften, Friede, Freude Eierkuchen aber auch disparat dazu Kabbeleien und „hoffentlich sehen wir den nie wieder“ Gedanken, Kotzerei auf der Bühne (aber nicht von unserem Essen, sondern von den 3 Flaschen Rotwein und dem Whiskey), Popperei in römischen Gemäuern und und und.

Sicherlich bleibt bei den Massen auch öfter reichlich Essen übrig. Wie versucht Ihr es zu vermeiden, dass Essen fortgeworfen wird?

Simone und Kaddi: Obwohl wir den Einkauf gut planen, lässt es sich kaum vermeiden, dass was übrigbleibt. Wir versuchen natürlich so gut wie es geht, den Rest vom Essen zu verteilen; sprich an die Helfer oder an unsere Cateringhilfen. Leider nimmt „Die Tafel“ keine verarbeiteten Lebensmittel an.
Jens: Ich habe bei den Konzerten immer viel Gegessen aber auch des Öfteren was für Freunde mitgenommen.

Achtet Ihr darauf, gerade für Bands, die länger auf Tour sind, besonders ausgewogenes Essen zu bieten?

Kaddi: Wir versuchen bei jeder Band was Frisches und Gesundes auf dem Menüplan zu setzen; wir machen da kaum Unterschiede. Das ist die Wahrheit!
Simone: Jedoch freuen sich Bands durchaus auch mal auf Pommes mit Veggieburger, auch nur mal auf eine gute Lasagne oder auf einen guten, stinknormalen Kartoffelsalat. Wir versuchen ne gute Mischung an Gerichten anzubieten.

Bei wie vielen Stunden Aufwand liegt Eure Arbeit im Schnitt, wenn Ihr das Planen und Einkaufen über Kochen bis hin zu Spülen, Aufräumen und Einpacken mitrechnet? Das können wohl schon mal lange Arbeitstage werden – vielleicht länger als gewöhnliche Jobs?

Kaddi: Die Planung fängt meistens schon ein paar Tage vorher an. Wir bekommen dann den Catering Rider, der uns Auskunft darüber gibt, was von den Künstlern bevorzugt wird und was nicht. Da steht dann immer drin, z.B. welche Getränke und wie viel davon benötigt werden, ob jemand Allergien gegen bestimmte Lebensmittel hat und vieles mehr. Daraufhin machen wir uns einen Einkaufsplan und gehen dann 1 Tag vor Veranstaltung einkaufen.
Simone: Am Veranstaltungstag selber sind wir die ersten, die in der Halle sind. Alle möchten natürlich schnell ihren Kaffee und das ist ja unsere Aufgabe. Dann kümmern wir uns um das Frühstück, Mittag- und Abendessen und anschließend muss alles wieder gespült, geputzt und verpackt werden. Das kann dann schon mal bis 2 Uhr morgens dauern. Also sind wir dann manchmal 14-16 Stunden auf den Beinen!

Was ist mit dem Budget, das Euch zur Verfügung gestellt wird – da denke ich natürlich vor allem an den großen Konzertveranstalter -, müsst Ihr da auch schon mal umplanen, weil weniger zur Verfügung steht, als Euch lieb wäre? Wenn das Geld nur für Nudeln mit Tomatensauce reicht, ist das ja auch ein Problem für Euch, die Ihr eine gewisse Qualität bieten möchtet.

Simone: Das Cateringbudget steht am Anfang einer Planung natürlich ganz oben auf der Prioritätenliste. „Kleinere Veranstalter“ in Jugendclubs haben leider einen meist nicht so üppig ausfallenden Kostenplan. Wir sind zwar definitiv der Meinung, dass mit wenig Geld auch durchaus ein gutes Essen zubereitet werden kann, jedoch versuchen wir hin und wieder den entsprechenden Promotern ans Herz zu legen, dass das Budget und die Mühe eines Cateringtages nicht zu unterschätzen sind und der Cateringrider einer Band auch Ernst zu nehmen ist (natürlich nicht, wenn Sportsocken in Größe 39 drauf stehen). Mittlerweile ist unser Standard gestiegen; das kostet dann auch mal ein paar Kröten mehr. Aber dafür bieten wir frische Ware, kein Glutamat, zum Teil Öko Produkte und „mal was anderes“ als Geschnetzeltes und Nudeln mit Soße!

Für wie viele Leute kocht Ihr im Schnitt und was war bisher die größte Menge auf einmal? Wo sind Euch da Grenzen gesetzt?

Simone: Im Durchschnitt sind es immer 20-40 Personen (kommt immer darauf an, wie viele Vorbands spielen und wie viele Crew Leute die Band mit auf Tour hat). Ich habe mal gehört, dass Grönemeyer eine 100 Personen starke Crew dabei hat.
Kaddi: Das Catering für Festivals muss meist im größeren Maße geplant werden; betreffend die Personenanzahl und die Küchenausstattung. Unsere größte Catering Aktion war ein Festival mit 160 Personen, dass war schon heavy!!

Was ist mit Kochen auf Tour mit einer Mainstream-Band. Gab es da bisher Angebote oder würde das ohnehin nicht in Frage kommen, weil das schließlich Euer Nebenberuf und auch ein Hobby ist?

Simone: Angebote gab es. Ja!
Kaddi: Jedoch waren diese eher als Floskeln zu verstehen. Beispiele sind: „Boah, war das lecker, kommt ihr mit auf Tour“ oder „Wer hat die Suppe gemacht, die will ich heiraten“.
Simone: Der Gedanke auf Tour zu gehen, ist kein ungeliebtes Kind von uns. Momentan wäre dies jedoch nur schwer realisierbar, aufgrund des noch nicht vollständigen Equipment (wir mieten uns die Utensilien in den meisten Fällen noch an) und aufgrund der Tatsache, dass wir beide die Cateringsache „noch“ als Nebenberuf machen. 2009 steht die Entscheidung an: „Ganz oder gar nicht“.

Was macht Ihr neben Eurem Job in der Rockterrine?

Kaddi: Simone ist Jura Studentin, hört gerne Depeche Mode und ist sich nie sicher, ob sie vielleicht doch zuviel gegessen hat.
Simone: Katrin ist Diplompädagogin, spielt Bass bei I knew it: Hurray! und schwärmt für Sekt mit Erdbeeren.

Welche Musik hört Ihr zu Hause, was läuft beim Kochen, was lief beim Erstellen und Verbessern des Kochbuchs? Was mich angeht, so läuft wohl die „Over The Edge“ der Wipers mit Abstand am Häufigsten, wenn ich koche und esse – auch wenn das wohl nicht für jeden die geeignete Musik sein dürfte.

Jens: Beim erstellen des Buches haben mich viele Songwriter begleitet wie: Nikola Sarcevic, Matt Costa, Chuck Ragan und Kevin Devine. Beim Kochen läuft dann schon mal Descendents oder The Thermals.
Kaddi: Zuhause höre ich meist SWR 1 beim kochen oder Voo, nach denen bin ich süchtig!! Ehrlich gesagt mache ich mir da in Verbindung mit dem Essen vorher keine großartigen Gedanken.
Simone: Wenn wir außer Haus kochen, hören wir auch ganz oft die Band, die wir zuvor bekocht haben (außer die Musik plus Künstler war extrem doof)

Was esst Ihr denn persönlich am Liebsten?

Kaddi: Rucola Pizza, Sushi und Auberginengratin
Jens: Seit ich die Rockterrine kenne, kann ich sagen, alles was diese Damen zubereiten, aber ansonsten gerne Gemüse und Fisch.

Welches Gericht ist schnell zubereitet, ist für den kleinen Geldbeutel geeignet und schmeckt gut?

Simone: Unsere Gerichte schmecken alle gut und bestehen aus einfachen Zutaten, also für jedermann bestens geeignet.
Jens: Brot mit Erdbeermarmelade hahaha

Danke!

Rockterrine sind: Kaddi und Simone – www.rockterrine.de
Layout: Jens Nink – www.skillforum.org
Interview: Andreas Lehnertz

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