Januar 2nd, 2020

RED TAPE PARADE aus #154, 2012

Posted in interview by Jan

„Was ich bei diesen Ebullition-Bands immer sehr geschätzt habe ist, mit wie viel Liebe zum Detail die ihre Platten gestaltet haben und wie viel Zusatzinformation da oft mitrein gepackt wurde. Das Gleiche gilt für Crust, Power Violence und Screamo Bands, quasi alles, was mich musikalisch nie gereizt hat, haha. Ich hab damals bei meinen Freunden gesessen, als eine gemeinsame Plattenbestellung kam und die haben ihre 7inches ausgepackt und hatten mehrseitige Booklets und noch Aufnäher mit drin und ich saß da mit meiner Fat Wreck Single, die gerade mal ein kopiertes DINA4 Blatt beiliegen hatte, haha.“

Interview mit RED TAPE PARADE

Ihr wisst es sicherlich schon: die jüngst erschienene Platte von RED TAPE PARADE aus Bayern/Berlin, „The third rail of life“, ist mit das beste, was an melancholisch-melodischen HC-Punk der etwas bewussteren Art in der letzten Zeit raus gekommen ist. Ihr wisst schon, Dag Nasty oi. Sicher, ich kann das ja auch, so musik-journalistisch diese Platte jetzt beschreiben, „diese Hooks“, diese Refrains, „diese Stargäste auf der Platte Davies-Kreye (Funeral For A Friend), Scott Freeman (Shook Ones), Joey Cape (Lagwagon), Patrick Kindlon (End Of A Year).“, aber das wisst ihr ja alles.

Man braucht wohl immer Bands für unnerum a la Cock Sparrer (in der 2011 Version dann eventuell Hard Skin), fürs Herz (das wäre aktuell dann Civil Victim) und dann noch was für den Kopf, da kann ich euch nur Red Tape Parade ans Herz legen. Das Bandinfo auf Destiny Booking informiert mich über die Besetzung: Manuel (Guitar), Oise Ronsberger (Bass und auch seit Jahren TRUST Schreiber, aber dieses Interview ist nicht „deshalb“…), Florian (Guitar), Holger (Trommel) und Wauz am Gesang. Mit Oise und Wauz führte ich dieses Interview, das sich etwas von den sonstigen ernsten Gesprächen mit der Band abhebt, was eigentlich gar nicht so gedacht war, also „gewollt“ witzig.

Hallo Red Tape Parade, erstmal Gratulation zu einer der geilsten Scheiben im bewussteren HC-Punk der letzten Jahre! Ich weiß, euer Demotape fanden wir in der Frankfurter Runde noch nicht so gut, aber die LP ist wirklich total der Hammer. Seid ihr auch zufrieden?
Wauz (W): Ja, absolut. Vor allem, da es für mich echt ein steiniger Weg zu diesem Album war. Wir hatten ursprünglich ein halbes Jahr vor den tatsächlichen Aufnahmen schon einen Studiotermin, den ich aber wegen einer absoluten Schreibblockade absagen musste. Ich war echt kurz davor alles hinzuschmeißen.

Oise (O): Mit „Frankfurter Runde“ meinst du eure pseudo-ironische Altherrenrunde, in der ihr verzweifelt versucht, euer tristes Besäufnis mit dem gewollt lustigen Verreißen von Platten zu rechtfertigen? Wenn dieser ausgelutschte Zirkel von zynischen Pseudofachmännern uns mit PLACEBO vergleicht dann nehm ich das als Kompliment! (Anmerkung der Donnerstagsrunde: „Wir danken dem Kollegen Oise für die treffende Charakterisierung unserer wöchentlichen Zusammenkunft. In einem Punkt müssen wir ihn aber leider korrigieren: Mit Ironie hat das Ganze nichts zu tun! Mit den besten Wünschen, die Donnerstagsrunde.“)

Es gibt viele Interviews mit euch, auch im Netz, deshalb verweise ich für alle Interessierten mal einfach darauf und versuche, etwas Neues bei euch zu fragen. Es wird ja immer bei euch (zu recht) herausgestellt, dass ihr politische-ernste Texte habt, aber auch keine engstirnigen Menschen seid; finde ich total gut, diese Mischung, die nur wenige hinbekommen, vielleicht kann man euch in etwa als die deutsche Version von Propagandhi ansehen?
W: Na ja, Propagandhi sind schon ein ganzes Stück mehr outspoken als wir es sind. Auf unserem neuen Album ist ja eigentlich kein einziger explizit politischer Song. Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass mich Bands ganz schön langweilen, die fast ausschließlich von politischen Themen singen. Bei Propagandhi ist das auch zum Teil so, ich finde zum Beispiel auf “Supporting Caste” gerade einen Song wie “Night Letters”, der eher persönlicher ist, um einiges stärker als die 5000. Nummer, in der sie sich über die amerikanische Außenpolitik auskotzen.

Ich hab gestern erst zu Oise gesagt: „Dieses verdammte erste Bandinfo, das hat uns auf ewig diesen Stempel als politische Band aufgedrückt!” Es hat damals zwar schon Sinn gemacht, dass wir da zum Beginn der Band eine klare Ansage getroffen haben, wer wir sind und wo wir stehen, aber es ist schon erstaunlich, dass wir dadurch gleich in so eine Polit-Ecke gestellt wurden. Da stand nichts besonders radikales drin, aber trotzdem war auf einmal in jedem Review davon die Rede, dass wir die weltverbessernden Polit-Punx sind. Wir sind aber keine politische Band. Wir haben ein paar politisch motivierte Texte, das wars.

Mich würde mal interessieren, was ihr von dem Begriff „emo“ haltet. Als ex-Revelations Records Praktikant (und Oise als RevFan) muss ich sagen; wenn ich eine Band wirklich über alles hasse, dann ist das „Texas is the Reason“ und dieser ganze Scheiß wie „Mineral“. Das lief ja in den 90er auch unter Emo, parallel zu der anderen Version von Emo, dieser Rorschach-Born-Against-Core Marke Ebullition. Ihr seid, zumindest musikalisch, ja doch eher die erstere Version von Emo und ideologisch eher die zweite Version, kann man das so sagen?
W: Was ich von dem Begriff “emo” halte? Ich denke, die Rede, in der man sich echauffiert, dass “emo” mal für geniale Bands wie Rites of Spring stand und jetzt nur noch Müllbands in dieser Schublade stecken, können wir uns sparen, die wurde schon oft genug geschwungen, haha. “Emo” ist für mich eh zunächst einmal eine sehr unterbewertete Screeching Weasel Platte und sonst nichts. Ich habe weder den Revelations- noch den Ebullition- Emo damals gehört, sondern hauptsächlich durch Freunde mitbekommen, die Mitte bis Ende der 90er voll darauf abgefahren sind.

Ich habe eine Born Against Ten inch im Schrank, aber die habe ich mir nur geholt, weil die eben eine Split mit Screeching Weasel hatten. Gute Platte allerdings. Was ich bei diesen Ebullition-Bands immer sehr geschätzt habe ist, mit wie viel Liebe zum Detail die ihre Platten gestaltet haben und wie viel Zusatzinformation da oft mitrein gepackt wurde. Das Gleiche gilt für Crust, Power Violence und Screamo Bands, quasi alles, was mich musikalisch nie gereizt hat, haha. Ich hab damals bei meinen Freunden gesessen, als eine gemeinsame Plattenbestellung kam und die haben ihre 7inches ausgepackt und hatten mehrseitige Booklets und noch Aufnäher mit drin und ich saß da mit meiner Fat Wreck Single, die gerade mal ein kopiertes DINA4 Blatt beiliegen hatte, haha.

O: Ich muss auch gestehen das mir meine Zeit für den Diskurs eines Begriffes wie „emo“ oder auch „Hardcore“ oder „Punk“ viel zu schade ist, haha. Leute begeistern sich für was, geben dem Ganzen einen Namen und das ist halt, was dieser Begriff für sie bedeutet. Ich liebe im allgemeinen die Musik, die der Punk/Hardcore Kosmos in den 90er hervorgebracht hat. Da war irgendwie ganz kurz Platz für alles. Metal, HipHop und vor allem Indie/College Rock wurden integriert. Eine spannende Zeit und vor allem Bands wie MINERAL, CHRISTIE FRONT DRIVE oder die von dir so verabscheuten TEXAS IS THE REASON haben es damals geschafft, die Musik von mir so verehrter Bands wie DINOSAUR JR oder SMASHING PUMPKINS mit den Werten der DIY Hardcore-Szene zu verbinden.

Zumindest dachte ich das, bis ich gemerkt habe, dass die Werte schnell aus dem Fenster geflogen sind, sobald jemand mit genügend Geld ankam, haha. Gleichzeitig wurden dann auch Bands wie eben BORN AGAINST, TEAM DRESCH und vor allem 411 total wichtig für mich. Vor allem was die Auseinandersetzung mit Themen wie meiner Erziehung, Sexismus, Homophobie und Militarismus anging. Finds also eigentlich ganz geil als Mischung dieser beiden Welten dargestellt zu werden, haha.

Billig gefragt: nervt euch das nicht, dass ihr immer so als die Gewissensband herangezogen werdet, das stand ja in der Steve Ignorant CRASS Biografie ganz ehrlich drin, dass er irgendwie Probleme damit hatte, dass er immer „der Sänger von CRASS“ war oder so betrachtet wurde, also nie mal richtig Kiste Bier trinken und der hübschen Frau nach schauen konnte oder einfach auch mal stumpf sein. Ok, CRASS ist jetzt ne andere Nummer, aber bei allen Interviews von euch scheint es zu sein, dass die Leute euch immer very serious Fragen stellen und so, ihr seid so was wie die Kreator der Punkszene, das gute linke vegetarische anti-Kriegs, anti-Religions, anti-Marketing-Gewissen; aber man ist ja nicht immer so drauf, sondern reisst auch mal flache Witze, ist einfach Scheisse drauf und will dann nicht zum 100sten mal darauf antworten, wie das jetzt mit Darby Crash und Van Damme sein sollte…
W: Dummerweise wird immer nur Oise in Interviews nach „Less Van Damme, More Darby Crash” gefragt und nicht ich, der den Text geschrieben hat. Deshalb hatte ich leider auch nie die Möglichkeit, mich ausreichend über den Saubermann-Modern-Hardcore-Zirkus auszukotzen, also bin ich die Frage auch noch nicht müde, haha. Mich stört aber ehrlich gesagt nicht, dass die Leute uns ernste Fragen stellen, das bedeutet ja, dass sie uns auch ernst nehmen. Was nicht wirklich nervt, aber doch ein wenig befremdlich ist, ist, das viele Leute von einem erwarten, dass man zu jedem Thema eine Meinung hat und auch bereit ist die mitzuteilen, sobald man sich einmal irgendwie positioniert hat. Nach dem Motto „die haben einen Song gegen Homophobie, befragen wir sie doch mal zum Volksaufstand in Libyen!”.

O: Ich glaube, dass wir was die „flache-Witze-Quote“ oder die Verehrung einer der „ehrlichsten deutschen Rockbands“ angeht, so mancher Kirmesband nicht viel nachstehen, ABER das tun wir natürlich nur, wenn wir unter uns sind. Denn wir sind uns durchaus bewusst, das dumme Sprüche außerhalb unserer Gruppe aus dem Kontext gerissen und falsch verstanden werden könnten. Auch wissen wir, dass man Menschen mit Worten und dummen Witzen sehr verletzen kann, wenn sie nicht einordnen können, wie Dinge gemeint sind. Ich halte es deswegen für ausgesprochen wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem Menschen sich wohlfühlen, egal welchen Geschlechts, Hautfarbe oder sexueller Ausrichtung sie sind. Wenn uns das zu einer Gewissensband macht, hab ich da keinerlei Problem damit.

Was vielleicht da anschließt; viele Bands im Punk haben eine Message, klar, gegen Bullen/Krieg/Staat etc. Gerade als junger Mensch taucht man in den Punkkosmos ein und findet alles wilder, farbiger, geiler als Schule, Zivildienst, Tennis spielen oder was auch immer man als Jugendlicher für einen Leistungssport machte. Irgendwann stellt man mehr oder weniger schnell fest, dass auch in der Punkszene nicht alles super ist; viele werden dann zu Szenezynikern und werden dadurch eigentlich noch spiessiger als der 13 jährige Bub, der kurz vor der Entdeckung der Sex Pistols war. Wie geht ihr mit so was um, ich hab schon oft in AJZs den Spruch gehrt „Ah ja, die ganzen PC Fotzen, die sind schlimmer mit ihren ganzen Regeln als die Rechten, ich dachte, Punk heißt „no rules“ und plötzlich darf ich nicht hier mehr das und das machen“. Also, nicht das ich denke, dass ihr so denkt, aber es ist ja so, dass man viele Hoffnungen, Ideale hat, die dann in der Praxis oft gar nicht eingelöst werden (können), sein es auch einfach nur nicht zugesagte Konditionen bei Konzerten etc. Da kann man ja sehr schnell enttäuscht werden und stellt fest, dass vielleicht alles total falsch war. Hattet ihr so zweifel schon mal? How to deal with it?
O: Grundsätzlich habe ich mit AJZ’s und ihren „Regeln“ keine großen Probleme. Man muss halt verstehen, dass Leute hier einen Freiraum nach ihren aktuellen politischen Vorstellungen schaffen wollen. An sich eine gute Sache, nur leider „menscheln“ diese Orte einfach sehr, da die Organisatoren sehr oft dabei über das eigentliche Ziel hinaus schießen. Was meiner Meinung nach oft damit zusammen hängt, das hier vor allem junge Menschen sich und ihren Platz in der Welt ausprobieren.

Klar muss ich da mal schmunzeln oder mich ein bisschen aufregen, wenn drei Stunden über den Zapatisten-Kaffee diskutiert oder man dumm angemacht wird, wenn man nicht „BeifahrerINNEN-Sitz“ sagt. Ich denke aber nicht, dass diese ganze politische DIY/AJZ Nummer „total falsch“ war oder ist. Sie ist halt eine aber auch nur eine SUBkultur (mit den gleichen dummen Dress- und Verhaltenscodes wie jede andere auch) und wird deshalb die gleichen Schwächen aufweisen wie der Rest der Gesellschaft.

Hat eigentlich der Bandname außer dem Bild für Polizeiabsperrband (?) was mit dem wunderschönen „Red Tape“-Song der Circle Jerks zu tun?
O: Schlecht recherchiert wird wohl nicht nur bei der Süddeutschen… Schäm dich , Jan!

Circle Jerks, gutes Thema, in den Linernotes zu eurer neuen Platte schreibt ihr über die Wichtigkeit von SNFU, ich liebe die ja auch sehr, was für drei Songs muss man von der Band kennen als Nicht-Fan? „Cannibal Cafe“, „Broken Toy“…
O: Gleich mal vorweg: Ich persönlich halte die Epitaph Records-Phase von SNFU für den absoluten Höhepunkt ihrer Karriere. Sowohl musikalisch als auch textlich. Mit der BYO/Cargo Zeit kann ich persönlich relativ wenig anfangen. „Painful Reminder“ ist wohl eines der schönsten, ehrlichsten und zugleich bitterbösesten Liebeslieder aller Zeiten. Wir wollten das mal covern, aber das ist wie immer bei uns im Sand verlaufen, haha. Auf der letzten und meiner Meinung nach total unterschätzten Platte „In The Meantime And In Between Time“ ist einer meiner Lieblingslieder von ihnen namens „Head Smashed In Buffalo Jump“. Der definitive SNFU Song ist für mich aber „Fate“ von „FYULABA“. Jedes Mal, wenn ich an einem Grab stehe, ist das erste, was mir in den Kopf schießt, die Textzeile „the graveyard is no place for the young, the graveyard is no place for anyone“.

W: Oise hat in mehreren Punkten recht: “Fate” ist der definitiv beste SNFU Song ever, die Epitaph Phase war der Höhepunkt ihrer Schaffensphase , aber gerade “In The Meantime And In Between Time” ist absolut unterschätzt, ich glaube, dass ist auch meine liebste SNFU (nach FYULABA ) Von eben dieser ist aber eher “Cockatoo Quill” der Überhit. Eines der ehrlichsten und niederschmetternsten Lieder, das ich je gehört habe. Und dann finde ich noch “Make me Thick” einen absoluten Überhit.

Wie kamt ihr zu ASS CARD Records, Gratulation, ich hoffe, ihr habt nicht die Arschkarte gezogen, höhö?
O: Ach komm, wirklich?!

Unterbrechen wir mal hier für leichtere kurze Fragen und Antworten. Welche drei Songs müssen auf jedes echte Deutschpunk-Tape, auf jedes echte US-HC-Punk Tape und welche drei Hip Hop Songs sind besser als der beste Punksong?
W: Wir haben heute bei Kaffee und Kuchen kurz versucht, diese Liste zusammen zu erstellen und nach ein paar Sekunden schon gemerkt, dass das nur zu Streit führt, weil wir uns auf nichts einigen können und entschieden, dass hier jeder lieber seine eigene Liste macht, haha. Ich leg hier jetzt keinen Wert auf “Klassiker”, sondern pack die Songs rein, die ich persönlich für die Besten halte.

Deutschpunk: Schleimkeim – Keine Wut mehr im Wanst (besser wurde der Hass auf deutsche Spießer noch nie durch Musik kanalisiert), Knochenfabrik – Schwer wie Blei (eines der traurigsten Liebeslieder ever) und Novotny TV – Deutschland braucht Deutschpunk (wer das nicht kennt – auschecken!!!). US Hardcore: Reagan Youth – Reagan Youth (ich finde, die Band bekommt nicht wirklich die Anerkennung, die sie verdient – die erste Platte ist durchgehend genial), F – Attack (vollkommen (zu Unrecht) unbekannte Band aus Florida – haben bei der Release ihrer EP von den 500 gepressten 300 mit einem Hammer kaputtgeschlagen – groß!), Descendents – Hope (muss man nicht erklären).

Hip Hop: Ich hab von Hip Hop ungefähr so viel Ahnung wie von Raumfahrt, bin aber beidem nicht abgeneigt. Für die Liste würden mich Puristen also ganz sicher am liebsten verhauen, haha: Sage Francis – Slow Down, Gandhi, Cecil Otter – Sufficiently Breathless und Body Count – Body Count (haha).

O: Das Wauz sich auch niemals kurz fassen kann! Hier meine Top Listen! Deutschpunk: OHL – Kernkraftritter, Böhse Onkelz – Frankreich 84, Goldenen Zitronen – Für Immer Punk. Hardcore: Minor Threat – Guilty Of Being White, Bad Brains – Don’t Blow No Bubbles, Black Flag – Slip It In. Public Enemy – By The Time I Get To Arizona, Ice Cube – Endangered Species (Tales From The Darkside), Cypress Hill – How I Could Just Kill A Man.

Was sind die drei besten Lagwagon Lieder: „Angry days“, „Mr. Coffee“, „Bye 4 Now“?
W: An deiner Liste sehe ich, dass du (wie die meisten) wohl 1995 aufgehört hast, Lagwagon zu hören. Eklatanter Fehler, die zwei besten Alben haben sie danach veröffentlicht (Let´s Talk About Feelings und Resolve). Da schimpfen jetzt sicher einige und behaupten, das wäre Blödsinn, aber das ist entweder die Fraktion, die 1998 dann schon im Locust-Shirt rumgerannt ist und mich in meinem Lagwagon Shirt ausgelacht hat, oder diejenigen, die Millencollin ernsthaft für eine gute Band halten.Und Mr. Coffee? Echt? Haha, das ist wie die Beatles für “Obladi,Oblada” zu lieben! So, hier meine Liste: Island of Shame, May 16 und Heartbreaking Music.

Oise in München, du in Berlin; warum zieht man denn überhaupt aus dem wunderschönen bayerischen Wald weg, ihr hättet euch es doch auch ganz einfach machen können, schön Landfeuerwehr, schön CSU, schön im Ort bleiben, aber NEIN! Haha. Nee, man sagt ja immer die schlimme Großstadt und anonym, viele, besonders amerikanische, Musiker ziehen sich ab 40 aufs Land zurück, dann wiederum, im Dorf stimmt es, jeder kennt jeden, aber auch beobachtet jeder jeden… Seid ihr noch gerne auf Besuch zu Hause oder erdrückt euch das Land, das Dorf, die Engstirnigkeit (die es aber natürlich auch zuhauf in der Großstadt gibt)?
O: Ich würde meine Antwort hier gerne mit einem Zitat aus Andrew Pyper’s „the guardians“ einleiten (ein weiteres großartiges Buch, das Wauz mir mal wieder ans Herz gelegt hat). „Part of what we share is the knowledge that every small town has a second heart, smaller and darker than the one that pumps the blood of good intentions. We alone know that the picture of home cooking and oak trees and harmlessness is false. This is the secret that binds us. Along with the friends who share its weight.“

Ich bin in einem 3000 Seelenkaff im Bayerischen Wald groß geworden, mit dem mich noch immer eine absolute Hassliebe verbindet. Es war großartig, dort Kind zu sein, in mitten von endlosen Wäldern und Maisfeldern. Aber man bezahlt für diese Schönheit einen hohen Preis, wenn man Jugendlicher wird. Ich weiß nicht, ob es heute in Zeiten des Internets nicht etwas relativer ist, da man ja (fast) überall auf der Welt den gleichen Zugang zu Informationen hat, aber damals Ende der 80er / Anfang der 90er war es die Hölle, dort festzusitzen. Auch wenn sich das oberflächlich anhört, aber allein die Tatsache, eine „coole“ Hose oder ein paar Vans zu kriegen, war eine Riesenaufgabe, haha.

Andererseits hat eben dieses von allem abgeschnitten sein immer dafür gesorgt, das wir hungrig blieben, da raus wollten und mussten. Wir haben früh Verbindungen nach außen geknüpft, das ZAP, TRUST und MAXIMUM ROCKNROLL abonniert und so versucht, einen Weg aus dieser Tristesse zu finden. Punk hat mir gezeigt, dass da etwas hinter diesem Hügel ist, man muss nur den Mut haben, loszugehen und es zu finden.Wir waren nicht übersättigt und faul, wie so viele Großstadt Punks, die wir später kennen gelernt haben. Und wir wussten, das hier nur etwas passieren wird, wenn wir es selbst auf die Beine stellen. Eine der wichtigsten Lektionen meines Lebens. Ob ich selber noch gerne da hin fahre?

Für einen Außenstehenden wirkt die Gegend wohl wunderschön und sehr idyllisch (was sie ja auch ist). Aber wenn ich auf den Bayerischen Wald blicke, sehe ich sprichwörtlich gesehen nicht die endlosen Reihen von Bäumen, sondern alles was, am Waldboden liegt und vor sich hin verrottet. Um das Haus meiner Eltern zu erreichen, muss ich an dem Park vorbei fahren, in dem mein Bruder an den Folgen seines Drogenkonsums gestorben ist. An einer Bushaltestelle, hinter der ein 8 Jähriges Mädchen ermordet wurde (die Tat wurde nie aufgeklärt).

Und an einem Platz, an dem drei junge Männer nach einem Volksfest einen Obdachlosen totgetreten haben. Beantwortet das deine Frage? (Anm. Jan: Ja.)

W: Ich bin ja in Schweinfurt aufgewachsen, was eine seltsame Zwischenwelt war. Auf der einen Seite waren wir durch die Schreinerei/ den Stattbahnhof und die Shows von Steffen Rose von Navigator Booking dort schon ziemlich verwöhnt. Ich konnte quasi all meine Lieblingsbands immer direkt vor der Haustür sehen und Steffen hat unsere Bands damals auch immer total gefördert und als Support Acts spielen lassen. Das war großartig, hat aber auch zu einem gewissen Teil zu einer Faulheit geführt, wie Oise sie schon angesprochen hat. Die war sicherlich nicht so ausgeprägt, wie bei Leuten in der Großstadt, aber rückblickend muss ich schon sagen, dass wir nicht eine solch vehemente Aufbruchsstimmung in uns hatten wie Oise und Co.

Das heißt aber nicht, dass wir nicht genauso angepisst waren. Schweinfurt ist schlimmste fränkische Provinz, Industriestadt, seit Jahren in CSU-Hand. Wer da sich nicht mit 14 einen Iro rasiert und alles kaputtschlagen möchte, hat nichts kapiert und wird auch nie was kapieren. Es wohnen zwar noch einige Menschen da, die mir echt am Herzen liegen, aber ich halte es mittlerweile nicht länger als drei Tage dort aus. Ich habe zu viele Jahre in dieser Einöde verschwendet.

Wie war eigentlich eure Supportsache für Pennywise, die spielen noch die bro hym und dat ganze Programm?
O: Die Frage gebe ich an unseren Roadie, Tourmanager, Keyboarder und Merchverkäufer Vonni weiter! Vonni: Tour was alright, next question.

Hey Oise, war das mit Peter Doherty´s Randale in einem Regensburger Plattenladen nicht dein alter Laden? Was ist eigentlich daraus geworden?
O: Haha. Leider war das ein anderer Laden. Wir haben den 2007 abgegeben und dann wurde ein paar Jahre später der Mietvertrag für die Nachmieter leider nicht verlängert. Ich war aber eigentlich sehr erleichtert, als die Geschichte mit dem Laden für mich vorbei war. Auch wenn ich es wirklich schön fand, einen Plattenladen zu haben und dadurch eine Anlaufstelle wo Menschen hinkommen, um Kaffee trinken und sich mit so was tollem wie Musik zu beschäftigen – um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist ein Plattenladen wirklich total ungeeignet, haha.

Wauz, Oise ist ja leider Springsteen-Fan der bekanntermaßen nur zwei gute Songs (Born in the Usa, Streets of Philadelphia) hatte; was hörst du als drei Lieblingsbands, seit dem du 14 bist (hier Queen, Ac/Dc, Sex Pistols)?
W: Bad Religion, Schleimkeim und NOFX.

O: Für die Aussage fahr ich nach Frankfurt und zieh dir Freddy Madball mässig nen Aschenbecher über den Kopf, Jan!

Am Ende noch die obligatorische Frage, wann ihr endlich nach DC zieht und die erste europäische Band auf Dischord werdet, haha? Nein, danke für das Interview.
W: Ich glaube, man kann mich mit allem, was seit Ende der 80er auf Dischord veröffentlicht, jagen haha, für die zieh ich nirgendwohin! Ich würde lieber ne Platte auf Dr. Strange Records rausbringen, die haben den wesentlich besseren Backkatalog! Das ist tatsächlich meine Meinung, das sag ich jetzt nicht nur um Oise zu ärgern, der jetzt sicher Schaum vorm Mund hat, haha.

O: Im Gegensatz zu Wauz schätze ich auch noch bzw. VOR ALLEM Dischord Veröffentlichungen, die in den 90ern bzw. den letzten Jahren raus kamen. Anscheinend hast du aber wohl seit DAG NASTY gepennt. Lieber Jan, Ian würde den Laden, glaub ich, lieber dichtmachen. als so ne Macho-Corporate-Rock-Band wie uns zu veröffentlichen, haha.

Kontakt: myspace.com/redtapeparadeband
Interview: Jan Röhlk
Fotos: RTP

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