November 6th, 2019

Postford aus #197, 2019

Posted in interview by Jan

Mehr als nur Punk
Interview mit Postford

Kann sich noch jemand von Euch an die Zeit erinnern, als Platten innerhalb der DIY-Punk-/Hardcoreszene mit einem Haufen von politischen Texten herausgebracht wurden? Mit Beginn der Kommerzialisierung von Hardcore Ende der 90er Jahre wurde das zunehmend weniger. Heute kommt es immer seltener vor, dass Bands aus dem DIY-Kontext eindeutig und unnachgiebig politisch Position beziehen. Vielmehr geht es häufig darum, so die kritischen Stimmen innerhalb der Szene, etwas darzustellen, eine Show aufzuführen. Die Musikerinnen und Musiker nutzen Musik nicht um sich politisch auszudrücken.1 So manche Band ist auch in meiner Wahrnehmung ein bloßer Abklatsch von dem, was bereits da war. Nicht selten erscheinen Releases sogar ohne ein Textblatt. Man könnte meinen, es ginge einfach nur um einen Sound, der erreicht werden soll. Und natürlich um die Show.

Bei Postford ist es anders. Postford ist eine Band, die in vieler Hinsicht an die gute alte Zeit erinnert, in der sicher nicht alles gut war. Aber es ist eine Band, die heraussticht, indem sie eine Haltung hat und diese Haltung unnachgiebig in dem wie sie Dinge angeht, wie sie tourt, Platten veröffentlicht, auf der Bühne steht, deutlich macht.

Postford, das sind Holger (Schlagzeug), Jakob (Bass, Gesang), Niels (Gitarre, Gesang) und Roberta (Gitarre, Gesang) aus Bremen. Sie sagen, sie machen Punk. Sie sagen, sie werden mit Turbostaat verglichen und haben selbstverständlich Rachut gehört. Und das hört man auch. Aber es ist definitiv mehr als das. Wenn Sie auf der Bühne stehen, dann haben sie etwas zu sagen. Dann bringen sie etwas rüber. Die wenigen Male, die ich die Band gesehen habe, haben mich davon überzeugt.

„Mehr Straße, weniger Abitur!“

Ihre Haltung macht sie zu etwas besonderem in der Szene. Nicht stumpf genug für Punk, zu schlau für Punk. Das Feindbild sind nicht einfach die da oben. Die Kritik ist komplexer. Und sich selbst nehmen die vier besonders kritisch unter die Lupe. Damit machen sie es sich und der Szene nicht einfach. Eine passende Schublade ist schwer zu finden und intellektuell ist ein Schimpfwort. Sich selbst bezeichnen die vier humorvoll als Studentenpunks.

Ich habe die Band in ihrem Proberaum besucht und sie erzählen lassen. Über Ihre Gründung, ihre kürzlich erschiene Platte „Keine Lichter“ und natürlich über ihre Haltung. Sie hatten viel zu sagen. Aber lest selbst.

Ihr schreibt ja in Eurer Selbstbeschreibung, dass Ihr Euch im Jahr der brennenden Unterkünfte gegründet habt – 2015. Eure Texte sind ja ziemlich eindeutig politisch. Was war der Auslöser oder Grund für Euch gemeinsam Musik zu machen?
Roberta: Naja, der Grund war wirklich, dass eine Band, die am Anfang Nils und ich und dann Jacob hatten, kaputt gegangen ist, dann wollten wir eine neue gründen und wir haben Holger gefunden.

Nils: Das war jetzt tatsächlich kein politischer Anspruch, wir brauchen das jetzt als politisches Sprachrohr und deswegen gründen wir ne Band, aber wir wollten ne Band machen…

Jacob: Dem würde ich widersprechen. Also ich glaube, wir machen auch Musik, um uns politisch auszudrücken.

Alle (durcheinander): Ja klar. Das schon.

Roberta: Aber die generelle Motivation ist natürlich schon, sich politisch auszudrücken.

Seid Ihr der Ansicht, dass Musik auch ohne Politik geht? Also geht das?
Nils: Also ich finde es immer schwierig, wenn Bands sagen, sie sind unpolitisch. Ich bin auch der Ansicht, dass es so etwas wie unpolitisch gar nicht gibt. Das Politische drückt sich ja nicht dadurch aus, dass Du irgendwie ne krasse Parole raushaust oder so sondern auch dadurch, mit was für ner Haltung wir das hier machen, mit welcher Haltung wir in gewissen Räumen spielen, welche Haltung die haben, mit denen wir zusammen arbeiten. Aber nicht nur dadurch, ob wir jetzt n Text haben, der explizit politisch ist. So einfach ist es dann auch nicht.

Jacob: Ich glaube, dass Personen immer politisch sein müssen, also für mich zumindest. Also ich brauchs nicht immer, dass beispielsweise in der Musik direkt oder in den Texten – politische Themen behandelt werden müssen, solange ich weiß, wofür die Künstlerin oder der Künstler oder die Band steht. Ich glaube, diese künstliche Trennung zwischen Privatem und Politischem lässt sich nicht so einfach ziehen, denn jede Haltung ist irgendwie politisch..

Also wenn ich mich so an die 90er zurück erinnere, da war das ja so, im Punk und Hardcore, es gab Releases, die mit unwahrscheinlich viel Texten und politischen Positionspapieren kamen. Daran könnt ihr Euch vielleicht auch noch erinnern. Findet Ihr, es hat sich etwas verändert in der Szene? Dass es nicht mehr so ist, das Bands sich eindeutig positionieren oder dass es weniger geworden ist oder würdet Ihr sagen, es hat sich nicht wirklich verändert?
Jacob: Was mir manchmal auffällt, ist dass die Bandbreite der Positionierungen eine andere geworden ist. Es scheint da immer einfach so einen Konsens zu geben, man ist jetzt gegen Nazis und dafür, dass Refugees kommen können, das ist noch Grundkonsens. Aber ich erinnere mich daran, dass ich früher Crust oder Hardcore-Platten gekauft habe und dann waren da riesengroße Pamphlete drin über die romantische Liebe beispielsweise. Ich erinnere mich da an Catharsis oder so, ne?

Die aus sonem anarchistischen Kollektiv aus den USA kamen und da wirklich jedes Mal son dickes Ding dazu geschrieben haben, was mich total geprägt hat und was mich total interessiert hat und auch ein Stück weit Alltagspolitisiert hat. Nicht immer nur darauf zu schauen, wo sind jetzt Nazis oder so, sondern wie sehen eigentlich meine Lebensumstände aus. Ich finde, es gibt bestimmte Strömungen in der Punkszene, wo das ganz schön verloren gegangen ist oder wo diese Auseinandersetzung fehlt. Nichtsdestotrotz finde ich aber auch, dass es in anderen Ecken sone diversifiziertere Punkszene gibt, in der Queer-Richtung, dass es da durchaus mehr Möglichkeiten gibt, mehr Veranstaltungen gibt, mehr Gruppen gibt, die sich engagieren, mehr Bands gibt.

Nils: Das schließt glaube ich auch son bisschen daran an, was ich eben meinte mit den Texten, also dass dieser emotionale Anspruch kann also auch politisch sein. Es geht ja nicht nur darum ne Haltung oder eine Analyse zu haben, sondern dass die Musik ja ein emotionaler Katalysator ist, um was zu beschreiben oder auszudrücken. Also, dass die Emotionen und die Aussage zusammengehen muss

Worum geht es Euch in Eurer Musik? Wovon handeln die Texte?
Roberta: Also es geht um so persönliche Erfahrungen manchmal, wenn Freunde wegziehen oder es geht um – bürgerliches Leben (lacht), Lebensbilder zu kritisieren. Oder um Geschlechterverhältnisse und Feminismus.

Jacob: Ich würde sagen, generell geht es viel um Lebensumstände, um die Ziele, die den Menschen von der Gesellschaft vorgegeben werden, das spielt ganz oft einfach ne Rolle ..und wie wir uns von den Erwartungen abgrenzen. Oftmals steht man da ja auch einfach wie der Ochs vorm Berg vor diesen Erwartungen, und ist sich natürlich dessen bewusst, dass man diesen Bildern nicht folgen will. Die Frage bleibt aber auch immer, was wollen wir denn eigentlich? Ich würde sagen, das spielt dann oftmals ne Rolle, was dann oft auf ne relativ melancholische und meckerige Art und Weise (alle lachen) verarbeitet wird.

Schreibt Ihr die Texte alle zusammen? Oder wie entstehen Eure Songs überhaupt?
Roberta: Die Texte schreiben Jacob, Nils und ich. Danach reden wir natürlich drüber und man ändert was, wenn man nicht d’accord ist oder wenn es nicht so schön klingt. Der Text kommt, nachdem der Song musikalisch fertig ist. Die Songs schreibt entweder Jacob komplett und sagt, was seine Vorstellung ist. (Alle lachen.) Oder ich schreibe die. Ich bin meistens eher so, ich überlege mir ein paar Riffs, ein paar Teile, habe eine grobere Vorstellung, aber ich habe nicht gleich so ganz genaue Wünsche.

Was sind Eure musikalischen Einflüsse?
Roberta: Alles mögliche bei mir bis auf …

Jacob: Bis auf Ska!

Roberta: Deutsche Schlager und so.

Holger: Aber ich glaube, wir sind alle ziemlich verschieden sozialisiert oder?

Jacob: Die Beatles spielen ne große Rolle.

Roberta: Die bei mir zum Beispiel nicht.
Holger: Bei mir sind es eher so die älteren tatsächlich, die alten 60ies-Sachen damit ist man irgendwie groß geworden und das entdeck ich jetzt gerade wieder. Ich hab das ne Zeit lang völlig vernachlässigt und jetzt kauf ich mir die alten Platten wieder. Bei mir waren eigentlich immer nur die Beatles bis ich 16 war, okay, dann kam ne ganz böse Dire Straits-Phase (alle lachen) aber danach dann Punkrock halt. Also ganz klassisch mit ner Sex Pistols-Platte ging das los und dann war da ganz viel dieses Anarchozeug.

Ich freu mich aber, als Dienstältester jetzt quasi mit jungen Leuten unterwegs zu sein und viele viele neue Sachen zu entdecken. Also für mich ist das teilweise n richtiger Kosmos, der sich da wieder auftut. Weil man vorher schon ziemlich eingefahren war und Angst haben musste in so Altherrengesänge „Früher war alles besser!“ zu verfallen oder sich mit sonem Quatsch abfinden zu müssen. Das finde ich sehr spannend. Man darf nicht aufhören, man muss immer weiter graben.

Jacob: Es werden da ja immer die üblichen Bands aus Flensburg oder Hamburg oder so genannt um das zu kategorisieren, aber wir haben uns nicht hingesetzt und uns gedacht, wir wollen jetzt so klingen, sondern wir haben ganz verschiedene Sachen ausprobiert. Am Anfang klangen auch manche Sachen wie die Wipers, aber dann irgendwann habe ich festgestellt, das können wir nicht gut.

Würdet Ihr sagen, Bremen ist auch ein Einfluss für Eure Musik?
Roberta (lacht): Nee!
Nils: Naja als Stadt vielleicht schon!

Roberta: Naja gut. Da war ich vielleicht zu schnell.

Nils: Es ist ja son Dorf irgendwie, hat aber trotzdem son paar Sachen. Wie wir klingen, oder vielleicht auch nur wie ich persönlich Texte schreibe, hatte schon viel damit zu tun, dass es hier Wasser gibt und das Leute hier so sind wie sie sind. Und dass es hier viel regnet. Immer nass und neblig. (Alle lachen.) Also wenn das hier Los Angeles wäre, dann würden wir vielleicht so Indie-Surfmusik machen.

Roberta: Ich hatte die Frage anders verstanden, eher musikalisch. Bremen ist generell schon ziemlich crust-lastig. Zumindest so in der DIY-Punk-Szene. Ich spiele schon in Bands seit vielen Jahren, weil ich hier schon lange wohne. Aber die Bands von hier haben mich nicht geprägt, weil sie eben ganz anders waren – außer diese Bands, die ich selber hatte.
Holger: Es gibt doch so viele kleine Inseln, wo so kleine Szenen einfach nebeneinanderher leben in Bremen, aber nichts miteinander zu tun haben, finde ich zumindest. Die stilistisch jetzt gar nicht so wahnsinnig weit auseinander liegen. Und ich meine, wir haben hier ja Glück, dass wir hier mit 3 oder 4 Bands zusammen waren, die gut miteinander auskamen, aber ansonsten gibt es hier wirklich viele viele zerstreute kleine Inselchen.

Und man schafft es irgendwie 5 Jahre Musik zu machen, ohne einmal zusammen auf einem Konzert gewesen zu sein. Und das finde ich schon faszinierend, dafür dass Bremen so eine kleine Stadt ist, wo jeder jeden auch kennt. Es ist nicht so einfach hier Kontakte zu knüpfen, die dann auch nachhaltig sind. Weder so als Einzelperson, noch so als Band.

Roberta: Einfach ist es nicht. Bei mir hat es ewig gedauert.

Jacob: Insofern spielt es ja dann doch vielleicht doch für diese Melancholie eine Rolle, dieses viel auf sich allein gestellt sein und allein durch den Regen zu gehen und sich selbst die Hose auswringen zu müssen.

Würdet Ihr Euch als eine intellektuelle Band sehen?
(Alle lachen.)
Jacob: Wir wünschen es uns vielleicht, aber…

Nils: Wenn jemand mit uns mitgefahren ist im Bus, glaube ich, würde diese Mär ziemlich schnell…
Roberta: Da müsste man jetzt diese Geschichte eigentlich mit dem „mehr Straße, weniger Abitur“ erzählen eigentlich. Das steht ja auch auf der Platte. Aber wie war die denn nochmal eigentlich?
Jacob: Wir haben unser drittes oder viertes Konzert gespielt und da gab es eine Rezension drüber und der Rezensent fand das Konzert auch total toll. Aber er berichtete, dass sein Kumpel, Doom-Andi war der Name, ein Kieler Urgestein, der erzählte dann: „Ist ja ganz okay, aber geiler wär mehr Straße, weniger Abitur.“ (Alle lachen.) Das ist jetzt auch auf der Platte eingeritzt.

Roberta: Studentenpunk haben wir es genannt.

Wie wäre es, wenn morgen ein fetter Plattendeal in der Post läge? Würdet Ihr mit Eurer Musik gerne bekannter werden oder lieber auf dem DIY-Level …
Nils. Also bekannter würde ich ja sagen: Schon. Was ist denn ein fetter Plattendeal, also wir können ne Platte machen, das ist n fetter Deal.

Roberta: Genau, das habe ich auch gedacht.

Nils: Und das Label hat uns gefragt, wollt Ihr noch Tapes dazu haben, haben wir gesagt: Joa. Wenn Du so fragst okay. Das ist für uns n fetter Plattendeal.

Würdet Ihr denn mit Musik Geld verdienen wollen?
Jacob: Auf keinen Fall. Auf keinen Fall.

Und warum nicht?
Jacob: Die Einschnitte, die man dann hinnehmen müsste, um dann irgendeinem Geschmack zu entsprechen oder so, die zeitlichen Einschnitte, die Verpflichtung, die damit einhergeht, mit Musik Geld verdienen zu müssen finde ich sehr unattraktiv, Ich respektier es, wenn andere die Entscheidung treffen, das zu tun, ich finde das nicht per se schlecht, wenn Bands das machen, aber ich würde sagen, für mich hat das keinen Reiz, also dann jedes Mal überlegen zu müssen, jetzt müssen wir aber nochmal n Video raushauen und jetzt muss unsere Social Media-Präsenz poliert sein und da muss alles stimmen und da müssen wir auch Geld reinpumpen, damit das bei den Menschen ankommt und man darf jetzt das und das nicht singen oder sagen oder so.

Keine Ahnung. Ich stelle mir das sehr sehr komisch vor. Ich glaube, es gibt wenige Beispiele von Bands, die von Ihrer Musik leben können und wirklich immer noch tun und lassen können, was sie wollen. Da fällt mir jetzt Tocotronic ein oder so. Ich glaube, die können wirklich machen, was sie wollen, weil die sowas wie das Aushängeschild von ich glaube, bei Warner oder Sony BMG sind die ja. Die können sich für Pro Asyl engagieren und sind dann das kleine Kunstwerk, das die Plattenfirma vor sich herträgt. Aber ich glaube ansonsten hat das zur Folge, dass man irgend n Scheiß machen muss, den man nicht machen will.

Ich mag es mit Dingen Geld zu verdienen, mit denen ich persönlich möglichst wenig zu tun habe, um mich abgrenzen zu können und mich in meinem Privatleben wirklich den Dingen, mit denen ich am Herz hänge, zu widmen. Das finde ich sehr viel schöner. Und sonst diese Entgrenzung, die dann passiert, wenn man mit seiner gesamten Individualität gezwungen ist, Geld zu verdienen und diese Kreativität dazu aufwänden muss, um da irgendwie etwas der Wertschöpfungskette zuzuführen, das finde ich einfach sehr sehr schwierig.

Habt Ihr eine Utopie?
Nils: Also Utopie ist ja sowas, was nie passieren wird, was irgendwo im Raum schwebt, wo man hinzielt, aber was nie passieren wird. Das finde ich immer bißchen schwierig. Ich finde es immer interessanter, sich mit Dingen auseinander zu setzen, die man konkret auch ändern kann. Aber ne Utopie, zu sagen, so sollte die Gesellschaft aussehen, das finde ich immer schnell bißchen..

Jacob: Das wird ja auch schnell so hippiemäßig, oder?

(Alle lachen.) Dass wir alle lieb zueinander sind und das niemand hungern muss und was man halt bei ’ner Schönheitswahl so sagt.

Was kann man als nächstes von Euch erwarten? Ich hab schon mitbekommen, ihr habt ne Platte? Was hat es damit auf sich?
Jacob: Konkret haben wir tatsächlich ne Platte aufgenommen. Das hat Spaß gebracht die aufzunehmen. Es hat Spaß gemacht, sie entstehen zu sehen. Mehr als beim letzten Mal.

Roberta: Letztes Mal waren wir kurz davor, uns umzubringen. (Lacht.) nein, stimmt nicht. Dieses Mal waren wir viel besser vorbereitet.

Jacob: Das Ziel ist letztendlich einfach immer so weiterzumachen. Ne Platte zu machen und dann Konzerte zu spielen und dann, wenn in anderthalb Jahren wieder genügend neue Sachen beisammen sind, dann wieder zu Fabi ins Studio (Anm.: Sunsetter Recording Studios) zu gehen und ne neue Platte machen und so geht es dann weiter.

Roberta: Wir versuchen ein Wochenende im Monat Konzerte zu spielen. Mehr schaffen wir nicht, weil wir alle arbeiten und eben Kinder und sowas haben. Und dann versuchen wir einmal im Jahr eine kleine Tour zu machen, vier Tage – 5 Tage maximal. Das ist schon für uns ganz gut. (Lacht.) Und wenn wir eingeladen werden und wir Zeit haben, nehmen wir auch immer an. Wir machen soviel wir können.

Gibt es etwas, was ich noch fragen sollte?
(Alle lachen.)

Jacob: Ob wir alles immer selber machen, das ist ne gute Frage!

Und?
Jacob: Ja machen wir. Wir machen alles immer selbst, Artworks, T-Shirts, Platten, Umschläge drucken, das finde ich wirklich total cool!

Roberta: Ja, mehr DIY geht nicht! Wenn ich jetzt nochmal über diese Frage über die Utopien denke, also ich habe keine Utopie, weil wie die anderen schon sagten, das landet ganz schnell in Plattitüden, ja klar. Also ich wäre schon zufrieden, wenn einfach auch mehr Frauen oder weiblich sozialisierte oder einfach Nicht-Cis-Männer da unterwegs sind. Es gibt natürlich schon viele Bands, aber es ist nicht so einfach in die Kanäle zu kommen, das Booking zu machen, wenn man wirklich auch eine Chance kriegt auf die Bühne zu gehen, das ist schon nicht so super selbstverständlich.

Jacob: Das hängt in der Szene auch immer super viel mit Vitamin B zusammen.

Roberta: Das sind diese Kontakte einfach, diese Strukturen, die Läden, die gibt es schon alle ewig und die Kontakte und die Leute kennen sich und das sind halt meistens einfach die Männer, die das alles organisieren. Natürlich nicht nur, aber es ist schon sehr männergeprägt.. Und vielleicht hast Du manchmal drei Bands oder vier Bands und dann eben machst Du ein Gruppenbild und dann am nächsten Tag sind da 20 Typen und ich so.

Jacob: Das ist schon was, was uns oftmals auch tierisch aufregt und wo wir auch oftmals Veranstalterinnen und Veranstalter drauf ansprechen. Wenn Festivals gemacht werden und da spielen nur Bands mit nur Typen. So als wenn das wirklich die reinste Würstchenparty ist. Das ist wirklich ein Ding was in Bremen oftmals ne Rolle spielt, wie häufig große Konzerte veranstaltet werden mit mehreren Bands und wenn man ganz ganz viel Glück hat ist eine Person vielleicht kein Mann oder so. Das ist tatsächlich sone Utopie, die uns allen relativ wichtig ist, dass sich sowas ändert, und die darüber nachdenken, was sie booken und was fürn Bild sie da auf die Bühne stellen und wer dadurch angesprochen und empowered wird.

Roberta: Also es gibt ganz viele Ebenen. Oft hört man ja, wenn Bands sich gründen, dass sie sich einfach finden. Ich habe viele Freunde, die dann eben neue Bands gründen und dann sprech ich die an: Wieso seid ihr eigentlich alle nur Typen. Ja, nee, das ist ja eigentlich nur Zufall, das haben wir natürlich nicht geplant. So läuft das ab. Es wird nicht reflektiert schon in dem Moment. Man kann einfach ein bißchen über den Tellerrand gucken und dann findet man auch schon Leute. Vielleicht auch nicht, aber meistens ist es schon machbar.

Jacob: Ich habe oft das Gefühl, Frauen wird zugetraut, dass sie entweder singen oder Keyboard spielen können.

Roberta: Es ist eine Dynamik einfach und um das zu durchbrechen muss man einfach reflektieren und bewusst agieren.

Nils: Dazu kommt immer noch, intersektionell, dass es so ist: Weiß, Typ, tendenziell Mittelschicht und hetero in den meisten Fällen auch noch. Also die Szene reproduziert eigentlich diese Gesellschaftsstruktur.

Roberta: Es ist einfach komisch auch, ganz ohne Wertung, es ist seltsam für mich als Gefühl, wenn man mit 20 Typen im Backstage ist und dann kommt irgendwann einer und sagt sowas wie: Achja, hier in dem Raum gibt es keine Unterschiede, das ist komplett geschlechterfrei. Ja, das sagst Du, weil Du ein Typ bist. Und dann wird er sauer.

Aber jetzt fällt mir wirklich nichts mehr ein.
Nils: Das war doch ein guter Abschluss.

Alles klar, vielen Dank. Finde ich auch!

Interview: Claude Müller
Kontakt: info@postford.org
Fotos: Postford

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