Dezember 31st, 2021

PASCOW (#201, 2020)

Posted in interview by Thorsten

Eigentlich muss man in einem Fanzine aus Deutschland keine großen, einleitenden Worte mehr zu dieser Punkband schreiben. Pascow dürfte eine jede und ein jeder kennen. Schon mit ihrem ersten Album und Songs wie „Ich, Jello Biafra und das verdammte WOM“ oder „Trampen nach Norden“ haben sie zeitlose Klassiker erschaffen. Und immerhin: World Of Music lebt nur noch in der virtuellen Welt als abgespeckter Online-Store, im Gegensatz zu Jello Biafra und Pascow, die auch in der realen Welt noch Akzente setzen können. Während mir WOM allerdings immer am Arsch vorbei ging, gehören hingegen Pascow zu den Bands, die mich seit 20 Jahren beständig begleiten. Wenn ich ihre Songs höre, sei es bewusst angesteuert auf dem Plattenspieler oder dem MP3-Player oder sei es zufällig in Kneipen, auf Konzerten oder bei Freund*innen, dann huscht meistens ein Lächeln über mein Gesicht. Ich mag die Mischung aus Melodien, Schnelligkeit, Wut, zeitlosen Refrains und gleichzeitig aber die durchdachten, guten Texte. Selten wird es kryptisch, Wortspiele sind seltener als Referenzen an Popkultur, Film oder Literatur. Gleichzeitig haben Pascow sich einen sehr charmanten Umgang mit den Herausforderungen unserer Zeit bewahrt. Allein schon das Video zu „Trampen nach Norden“, das mir nur als pixelige Version bekannt ist, habe ich mir immer wieder gerne angeschaut und das Lied selbst durfte in den 2000er Jahren auf keinem Mixtape für Autofahrten zu Festivals fehlen.

Das nachfolgende Album, „Geschichten, die einer schrieb“, hörte ich in meinen damaligen zehn Quadratmetern hoch und runter. Mit dem Album bringe ich immer noch das Knacken der Bretter tief in der Nacht in Erinnerung, als ein Bücherregal drohte, mich zu erschlagen. Witzigerweise war es meine Mitbewohnerin zur damaligen Zeit, die mir ein Charles Bukowski Buch in die Hände drückte und meinte, das müsse mir gefallen. So sind der Autor und die Band für mich auf merkwürdige Weise miteinander verwoben. Der Soundtrack meiner Flucht aus Westfalen wurde dann „Nächster Halt gefliester Boden“. Mein erster Umzug nach Berlin, durchzechte Nächte, Arbeit in einer Zeitungsredaktion und nach einem viel zu kurzem Besuch der Stadt dann wieder zurück in die ostwestfälische Einöde. „Zuviel Berlin“ war es eher nicht, eher zu wenig. Ich erinnere mich an eine Show von Pascow in der alten KVU, bei der Blitzeis den Rückweg fast verunmöglichte. „Nächster Halt gefliester Boden“ halt … Alle drei Platten waren auf ihrem eigenen Label Kidnap Records veröffentlicht worden, unter der tatkräftigen Hilfe mit Plastic Bomb Records.

Es folgte im Anschluss der Wechsel über den Rhein zu Rookie Records, der damals noch in der Südstadt saß. Sicherlich ein sinniger Wechsel, wurden doch die Irokesen-Punks auf Konzerten weniger – sei es weil sich das Publikum änderte, aber auch weil dem älter werdenden Publikum so langsam die Haare ausgingen. „Alles muss kaputt sein“ – für mich erneut Soundtrack eines Umzugs, diesmal ins Ruhrgebiet – hatte unter anderem die wunderbare Hommage für duesenjaeger („An die Maulwürfe“), an den Hund eines Freundes („Wenn Mila schläft“) sowie einen der ersten Klimakatastrophen-Songs, den ich hörte („Äthiopien hat die Bombe“).

Bis dato hatte ich die Band sicherlich mehr als ein Dutzend Mal in der Region zwischen Berlin und Münster, Hamburg und Köln live sehen dürfen. Nicht selten endeten die Abende am Kicker, wo ich mir empfindliche bis desaströse Niederlagen beim Tischfußball einfing. Gleichzeitig war spätestens nach dem Wechsel zu Rookie Records unübersehbar, dass die Band wuchs. Ich erinnere mich an einen Abend in Düsseldorf, als das Linke Zentrum auf einmal ausverkauft war. Klar, kein Riesenladen, aber dann doch genau der Sprung einer Band, die von vor 150 bis 200 Leuten abends dann doch vor 300 oder 400 Leuten spielt.

Wie geschrieben, neben der Musik sind für mich auch die Texte bei ihnen zentral. Pascow greifen politische Themen auf, ohne platt zu sein, verwenden eine Menge an popkulturellen Zitaten und Hinweisen, ohne wie eine billige oder gar beliebige Kopie zu wirken.
Als 2014 dann „Diene der Party“ erschien, erwartete ich eigentlich gar nicht mehr viel. Wir waren gerade zurück nach Berlin gezogen, stürzten uns ins Nachtleben, sahen viele tolle und spannende Bands. Irgendwie hatte ich bei der Ankündigung der Platte nicht das Gefühl, dass Pascow mich noch einmal richtig fesseln würden. Bis dato vier tolle Alben, diese Serie musste ja irgendwann einmal reißen. Doch schon beim ersten Durchgang schälten sich ein paar Hits aus „Diene der Party“ heraus, andere Songs wuchsen mit jedem Mal hören. Für mich ist das Album nach „Bis Jetzt Ging Alles Gut“ von … But Alive von 1997 das beste deutschsprachige Punk-Album. Politisch, persönlich, perfekte Textfragmente. Genau die richtige Mischung aus Zynismus und Verachtung gegenüber den Mächtigen, gleichzeitig feinsinnig gegenüber den Leuten um einen herum. Alleine für die Textzeile: „Doch wenn es dann mal läuft, werde ich sein wie meine Bank: fair, menschlich und nah, nur ein klein wenig blank“ gehört ihnen ein Denkmal gesetzt. Dazu ist das Artwork einmalig. Die Box enthält ein fettes Buch, wo einige Autor*innen ohne die Songs oder Texte zu kennen, Kurzgeschichten geschrieben haben, die allesamt kleine Kunstwerke sind. Dazu kommt eine mächtige, dunkle Aufmachung, die insgesamt mehr als passend ist. Während ich seitdem die Band so viel wie noch nie zuvor auf dem MP3-Player hörte und das Album zum ständigen Begleiter wurde, sah ich die Band seltener Live. Klar, Berlin ist eine Insel, die selten verlassen wird, maximal nach Potsdam. Daher kam die DVD-Release von „Lost Heimweh“ und die Ankündigung, vielleicht als Band nicht unbedingt weiter zu machen überraschend (für mich). Anderthalb Jahre zuvor war Dickie Hammond gestorben und damit endgültig die Chance, Leatherface noch ein weiteres Mal live zu sehen. Ich realisierte, dass einige meine Lieblingsbands vielleicht in Zukunft nur noch als Konserve existieren. Gut, dass bei Pascow niemand sterben musste, aber die Ankündigung einer möglichen Band-Auflösung war schon ein kleiner Schock. Der 20. Januar 2017 kam und Pascow stellten die DVD im SO36 vor und spielten live. Es war gleichzeitig das erste Konzert auf der meine Partnerin nichts mehr trank, da wir wussten bald zu dritt zu sein. Zwei Jahre später kommt dann „Jade“ zur Welt und die Show im SO36 im April 2019 ist die erste, in der wir ein Babysitter haben und nervös, wie beim ersten Date, wieder gemeinsam auf ein Konzert gehen können.

„Kinders, wie die Zeit vergeht“, pflegt ein guter Freund immer zu sagen. Während ich finde, dass Pascow sich in all den Jahren weiterentwickelt haben, in Würde gealtert sind – was bei Weitem die wenigsten Bands von sich sagen können – sind sie dem perfekten Punkalbum sehr nahe gekommen („Diene der Partie“). Mit „Jade“ machen sie sogar anders und dennoch genau da weiter, indem sie experimentieren und ein mutiges Album vorlegen.

Meine Motivation für dieses Interview ist mehr als deutlich geworden, schätze ich. Da ich die Vier sehr schätze, habe ich mich auch getraut, durchaus mal nicht nur einfache Fragen zu stellen. Es hat auf jeden Fall sehr Spaß gemacht, zu versuchen Pascow aus der Reserve zu locken. Aber lest selbst … Danke Pascow!

Wie geht’s Euch? Die Tour zum Album ist ja jetzt vorbei, die meisten Festivals gespielt, vieles an Pressegesprächen, Anfragen und Verschickung von Platten erledigt. Die Platte ist jetzt seit mehr als einem halben Jahr draußen [Stand des Interviews], genießt ihr jetzt wieder die Ruhe nach einem Album und der Promotion? Guckt ihr noch zurück und überlegt, was noch gemacht werden kann oder geht der Blick schon wieder nach vorne?

Alex: Uns geht es gut. Danke! Zur aktuellen Situation: Jetzt, nach der Tour und einige Monate nach dem Albumrelease sind wir froh, dass das Album von den Leute und von uns selbst so gut angenommen wurde. Viele der neuen Songs passen live gut zu den vorherigen Songs, es macht Spaß sie zu spielen und mittlerweile sind wir bei den meisten neuen Songs auch nicht mehr unsicher, wenn wir diese spielen. Zudem sind wir froh, dass die Experimente, die wir mit „Jade“ gemacht haben, funktioniert haben und die Leute diese so gut angenommen haben. Versteh das nicht falsch, wir waren von Songs wie „Wunderkind“, „Marie“ oder „Silberblick & Scherenhände“ überzeugt, aber ob die Umsetzung etc. die richtige war, weiß man immer erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand.
Swen: Wir haben in diesem Jahr auch noch ein paar Konzerte zu spielen auf die wir uns sehr freuen. Ich denke wir werden noch eine Weile Spaß mit der Platte haben. Aber sicher, es schwirren bereits Ideen für neue Songs in unseren Hirnen. Um aus den Ideen Songs zu erarbeiten … das braucht halt Zeit.

Neue Pascow-Album laufen ja mit der mittlerweile für jede noch so kleine Band obligatorischen Promo-Maschine: Interview in den großen Magazinen Ox und Visions, Präsenz in den Fanzines Plastic Bomb oder hier im Trust, diverse Blogs müssen gefüttert, Videos gedreht, Radio-Interviews gegeben werden. Anzeigen, Spezialauflagen mit EasterEggs, Tour, Festivals, größere Hallen, kleinere Hallen. Mit „Jade“ macht ihr das ja nicht zum ersten Mal und die ersten Monate sind die Verkaufszahlen am wichtigsten, um die Kosten wieder rein zu bekommen, vollkommen klar. Nerven Euch die Automatismen, die zu neuen Alben dazu gehören, dennoch? Oder sagt ihr: man arbeitet und fiebert irgendwie drauf hin und dann macht es auch Spaß?

Alex: Lass es mich so sagen: Wenn Schreiber*innen ernsthaftes Interesse an unserem Album haben und sich ehrlich damit auseinandersetzen, macht solche Promoarbeit Spaß. Es ist fast so, als wenn man mit einem guten Freund über Musik, Punk oder die Szene fachsimpelt. Darin liegt fast immer ein Mehrwert für beide Seiten. Ist es ein reines Promointerview mit Standardfragen entfällt dieser Mehrwert und dann kann es sich für beide Seiten auch schnell wie Arbeit oder vergeudete Zeit anfühlen. Zum Glück haben wir solche Interviews oder Pressetermine nur sehr selten. Wir sind noch immer „szenig“ und die wirklichen Mainstream-Medien haben nur dann Interesse an uns, wenn sich ein Schreiber mit Szene-Background oder -Interesse in die Redaktion verirrt hat. Was Videos, Touren, Album-Ausstattung etc. angeht: Das nehmen wir nicht als Promo wahr und auch wenn diese Dinge Promo-Effekte haben, so machen wir diese Sachen aus Überzeugung oder weil wir Lust darauf haben und nicht weil wir uns davon irgendwelche Werbeeffekte erhoffen. Eine Platte wie „Jade“ als Doppelvinyl inkl. Single etc. zu veröffentlichen, diese selbst zu konfektionieren, den Preis dafür unten zu halten und dann nicht bei Amazon und Co zu vertreiben (keine Phononetlistung) wäre sicher eine sehr dumme Promo-Maßnahme. Allerdings sind das genau die Dinge, die die ganze Sache für uns schon immer interessant gemacht haben.
Swen: Wir haben mit der Band immer versucht von Platte zu Platte besser zu werden. Sprich: der Anspruch an uns selbst ist immer ein wenig gestiegen. Dementsprechend wollen wir natürlich auch innerhalb unserer Möglichkeiten die Werbetrommel rühren. Unterm Strich macht das auch Spaß.
Ollo: Es ist manchmal anstrengend, aber grundsätzlich ja sehr schön, dass sich die Leute dafür interessieren, was wir so tun und sie sich mit unseren Songs beschäftigen. Bei den wenigsten Interviews hat man den Eindruck, dass es hier nur um Standardfragen geht, um die Zeilen zu füllen. Es gibt doch schon einige Interviewpartner, die sich ausführlich mit den Songs und den Texten befasst haben.

Zwischen „Jade“ und „Diene der Party“ sind fünf Jahre vergangen. Fünf Jahre, in denen ihr zum einen die „Lost Heimweh“ Dokumentation über Euch gemacht habt, fünf Jahre aber auch, in der gerätselt wurde, ob es denn überhaupt weitergeht. Das schien ja auch das Motiv der DVD zu sein. Was hat Euch bewogen weiterzumachen?

Alex: Richtig, „Lost Heimweh“ dokumentiert genau diesen Prozess und die unsichere Zukunft, die nach „Diene der Party“ unausgesprochen im Raum stand. Hätte es „Lost Heimweh“ als Filmprojekt nicht gegeben, ich weiß nicht ob es „Jade“ geben würde. Erst die Auseinandersetzung mit der Band und der eigenen Musik im Rahmen des „Lost Heimweh“ Films haben dazu geführt, dass wir vieles innerhalb der Band neu organisiert haben, sodass es mit Pascow weitergehen konnte. Kay und Andi haben daher sehr deutlich geholfen die Band am Leben zu halten. An der Musik selbst hat es übrigens nie gelegen. Es gab immer Ideen für neue Songs, Sounds und Arrangements.
Swen: Mir wurde beim Anschauen von „Lost Heimweh“ erst richtig bewusst, was wir mit der Band bis dahin alles erreicht hatten. Die Tour zur Doku war unfassbar gut. Das hat mich auf jeden Fall sehr motiviert weiter zu machen.
Ollo: Ich denke das „Lost Heimweg“ Projekt hat uns gezeigt, wie wichtig die Band für uns persönlich ist, also auch für unser eigenes „Seelenheil“. Das ist so unser Ding, was uns auch ein Stück weit dem Alltag entfliehen lässt. Wir mussten uns allerdings neu sortieren, wie viel Zeit wir der Band einräumen können, aber auch müssen. Dazu gab es viele organisatorische Gespräche, auch innerhalb der Familien, die hinter der Band stehen.

Familie ist ein guter Stichpunkt. Ihr habt ja zum Teil mittlerweile auch Familien, seid beruflich eingebunden. Wie hat sich das Touren und Album präsentieren mit Familien und Kindern verändert? Dauert ein Pascow-Album jetzt fünf Jahre, um gemeinsame Zeitslots ohne Kindergeburtstage zu finden?

Swen: Viel Zeit haben wir alle wenig. Und wir brauchen Zeit, um an einem Album zu arbeiten. So ist es nun mal. Die Band ist unser Hobby und nicht unser Beruf.
Ollo: Klar wir haben halt nicht mehr die Zeit, um regelmäßig ganze Wochenenden im Proberaum abzuhängen. Aber dafür ist alles etwas fokussierter geworden. Wenn wir uns treffen, wird auch meist konzentriert an der Band „gearbeitet“. Das macht das Ganze schon etwas (zeit-)effektiver und lässt sich dann schon besser mit dem Alltag verbinden.

Bis zur „Diene der Party“ würde ich sagen, dass Pascow eine konsequente Weiterentwicklung gemacht haben. Zum Teil schneller, direkter, stärker auf den Punkt. Die Texte geschliffener. Diese Weiterentwicklung merkt man ja auch vermehrt daran, dass ihr von Album zu Album immer wieder herumexperimentiert. „Ich bin dann mal durch“ auf „Alles muss kaputt sein!“, „Castle Rock“ oder „Diene der Party“ auf selbigem Album. „Jade“ scheint mir da an einigen Stellen noch konsequenter zu sein. Viel mehr Experimentieren, vom Piano-Song „Wunderkind“ über viele Gastauftritte. Habt ihr das Gefühl gehabt, an „Diene der Party“ nicht noch einmal so anknüpfen zu können? Wolltet ihr mehr ausprobieren? Wurde Euch langweilig?

Alex: Ein wenig von allem. Wir hatten uns mit den experimentelleren Songs auf „Diene der Party“ eine gewisse Freiheit erspielt, die wir bei „Jade“ weiter ausgebaut haben. Wir haben uns gerade bei den letzten beiden Alben viel weniger als bei den Alben zuvor gefragt, ob man das machen darf oder ob das zu uns passt. Wir haben gemacht, was wir für gut und richtig hielten und nicht, was wir für sicher oder konzeptionell sinnvoll hielten. Und ganz klar, wir wollten auf keinen Fall machen, was wir schon mal gemacht haben. Musikalisch langweilen wir uns schnell selbst und vor allem beim Songwriting gehen wir gerne an unsere Grenzen. Es ging allerdings nie darum an ein Album anzuknüpfen oder ein Album zu toppen. Jedes unserer Alben steht in dieser Hinsicht für sich selbst und innerhalb der Band hat jeder ein anderes Lieblingsalbum. Auch außerhalb der Band scheint es so, dass viele Leute unterschiedlichen Alben als ihre Favoriten nennen.
Swen: Stimmt schon, wir lassen uns immer wieder was Neues einfallen, damit es für uns selbst nicht langweilig wird. Trotzdem wollen wir dabei unseren Wurzeln und unserem Sound treu bleiben.
Ollo: Wir sind bei „Jade“ mit dem Bewusstsein ins Studio gegangen, dass Plattenaufnehmen und veröffentlichen keine Selbstverständlichkeit für uns ist und dass es auch ganz schnell damit vorbei sein kann. Daher gab es da einige Ideen, die wir unbedingt umsetzen wollten, bevor man vielleicht nie mehr die Gelegenheit dazu hat. Wir haben uns dann schon öfter im Studio die Frage gestellt, wie die Außenwelt auf dies oder jenes reagieren wird, aber sobald wir uns einig waren, dass es sich genauso gut anfühlt, haben wir es auch so durchgezogen!

Was mir noch mal auf Eurer letzten Show noch einmal sehr stark bewusst geworden ist, wie viele Songs sich eigentlich um das Losertum drehen. Dieses Gewinnen im Scheitern oder einfach das auf hohem Niveau liebenswürdig auf die Nase zu fallen. „Silberblick & Scherenhände“ oder „Schmutzigrot“ auf dem neuen Album, aber auch Songs wie „Zuviel für Berlin“, „Paris fällt“ oder andere. Was mich ja bei Euch begeistert, ist bei den Texten über die Verlierer*innen unserer Gesellschaft nicht dieses Mitleidheischende und Weinerliche, wie bei vielen anderen Bands mit deutschen Texten, sondern das Kämpferische. Wenn untergehen, dann mit Karacho! Oder es der Welt doch noch zeigen, irgendwie! Woher nehmt ihr die Inspiration dafür?

Alex: Damit triffst du auf jeden Fall ein Kernthema der Band und ich würde das auch direkt so unterschreiben. Auch wenn sich seit dem Debutalbum die Musik in weiten Teilen geändert hat und auch die Art des Textens eine andere geworden ist, dieses „Gewinnen im Scheitern“, wie du es nennst, gibt es von Anfang an und ist zweifelsohne ein immer wiederkehrendes Thema. Ich glaube es ist für uns eine Möglichkeit mit der Welt umzugehen. Jeder von uns ist umgeben und durchdrungen von Sachen, Umständen und Verhältnissen, die wir als falsch, unfair oder beschissen empfinden, die wir aber nicht direkt ändern können. Sich dessen bewusst zu sein, aber trotzdem nicht aufzugeben oder, was noch schlimmer wäre, mitzumachen, ist für uns ein guter Umgang mit dem Mist. Es ist also nicht immer die richtige Entscheidung auf Scheitern mit einer Verhaltensänderung zu reagieren. Manchmal ist ein gesundes Maß an sturer Arroganz besser.

Gleichzeitig finde ich, dass ihr schon sowas wie „Everybodys Darling“ der deutschen Punk-Szene seid. Nett, freundlich, zuvorkommend und gleichzeitig auch (in einem Szene-Kontext) unwahrscheinlich erfolgreich. Sind diese Songs über das Scheitern nicht eher Aufarbeitung von Schultraumata als heutige Realität?

Alex: Naja, wie viel Szene steckt denn in deinem Alltag drin? Bei mir sind es ein paar wenige Stunden am Tag. An guten Tagen. Und in dieser Zeit, also dann wenn ich mich mit Leuten beschäftige, mit denen ich Werte teile und die zumindest eine ähnliche Sicht auf die Welt etc. haben, fällt es mir nicht schwer nett, freundlich und zuvorkommend zu sein. An den restlichen Stunden und somit den überwiegenden Teil des Alltages treffe ich auf Menschen mit denen ich wenig gemeinsam habe und auf Strukturen, die ich für falsch halte. Und gerade bei Menschen nimmt die Zahl derer, die konservativ bis rechtsoffen sind, mit zunehmendem Alter zu. Wenn ich mich mit 20 als Anarchist oute, treffe ich definitiv auf mehr Gleichgesinnte oder zumindest auf mehr Toleranz als wenn ich dieses mit 40 tue. Meine Schulzeit hatte sicher Höhen und Tiefen aber die damaligen Erlebnisse würde ich nicht als traumatischer bezeichnen als den heutigen Alltag. Kurzum, die Songtexte behandeln zu einem großen Teil das „Jetzt“ und nicht das „Gestern“. Und noch kurz zum Thema „Everybodys Darling“: Wir haben vor allem durch den Song „Wunderkind“, aber auch durch die starke Beteiligung von Frauen bei „Jade“ einige Macker und Hater auf den Plan gerufen. Mit Hatern hatten wir gerechnet, nicht aber mit Mackern aus der Szene. Gerade deswegen würden wir es auch genauso nochmals machen.
Ollo: Ich glaube da haben wir doch etwas unterschiedliche Wahrnehmungen im Hinblick auf die Band. Als „Everybodys Darling“ haben wir uns nie verstanden. Die Band wurde / wird ja auch des Öfteren belächelt oder kritisiert, was ja auch voll okay ist. Auch wenn die Band in den letzten Jahren immer ein Stück weit „erfolgreicher“ wurde, heißt das aber nicht, dass wir vom „Scheitern“ verschont sind. Egal ob es hier um die Band, unsere Jobs oder das Privatleben geht. Vielleicht sind es nicht die ganz großen Dramen und vielleicht gehen wir auch damit nicht kokettieren, aber das Gefühl ist jedem von uns sehr gut bekannt. Gerade im Hinblick auf die Band, sind das aber auch die Momente, die wir als „Scheitern“ oder „Rückschläge“ wahrnehmen, die Augenblicke die uns dazu bringen, vielleicht nochmal eine Schippe drauf zu legen und uns motivieren, ein Stück besser zu werden.
Swen: Wir behandeln unsere Mitmenschen so gut es uns möglich ist, ganz einfach weil auch wir gut behandelt werden wollen. Das funktioniert ganz gut. Was das Scheitern angeht hat wohl jeder von uns seine eigenen Geschichten abseits der Band.

Ihr habt ja vom Label, über Artwork, über Druckerei/Presse alles sehr stark unter Eurer Kontrolle. Seid ihr Kontrollfreaks? Oder sehr ihr das eher als Notwendigkeit, um Eure Vorstellungen umzusetzen? Welche Freiheiten würdet ihr am meisten vermissen, wenn ihr das ändern würdet? Wo sind für Euch Grenzen?

Swen: In vielen Bereichen haben wir seit einiger Zeit sehr kompetente Unterstützung. Ohne diese Hilfe wäre die Band in der aktuellen Form nicht möglich.
Ollo: Kontrollfreaks ist vielleicht „zu hart“, aber ja, bis wir jemandem das Vertrauen schenken, dass wir uns zu 100 Prozent auf seinen Rat oder seine Empfehlung vertrauen, das dauert eine Weile. Man braucht auch Partner, die verstehen, wie die Band und ihre Individuen ticken. Da haben wir gerade in Punkto Booking und Label wirklich Glück gehabt. Sie wissen, was wir wollen und vor allem, und das ist manchmal noch wichtiger, was wir nicht wollen. Grundsätzlich werden im Zusammenhang der Band keine Entscheidungen getroffen, die nicht von uns abgesegnet sind. Das hat halt damit zu tun, dass wir ja auch geschlossen zu den Entscheidungen stehen, auch wenn es manchmal Mehrheitsentscheidungen sind/ waren und nicht alle gleich dafür waren.
Alex: Wir haben aber schon Probleme damit Kontrolle aus der Hand zu geben. Nichtsdestotrotz haben wir in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass es der Band hilft, wenn wir manche Sachen an Leute abgeben, denen wir vertrauen und die wissen, was sie machen. Das geht los beim Sound, geht weiter über Grafiksachen bis hin zur Organisation einer Veröffentlichung und natürlich das Booking. Bei all diesen Sachen haben wir Leute gefunden, die der Band weitergeholfen haben und auch wenn wir bei diesen Sachen immer noch das letzte Wort haben, war es war richtig, hier ein Stück Kontrolle abzugeben. Wir haben dadurch viel gelernt und letztlich konnte die Band auch weiterbestehen, weil wir an der einen oder anderen Stelle Leute hatten, die sich gekümmert haben.

Ihr habt, wie kaum eine zweite Band, konstant und konsequent Querverweise zu anderen Bands und Künstler*innen, seien es Coverversion, Hommagen, Gastsänger*innen. Auf dem neuen Album u.a. Wick von Bambix oder Nadine Nevermore bzw. Referenzen zu Crass, Clash und vielen anderen. Wie wählt ihr die Protagonist*innen aus? Wie wählt ihr Coverversionen aus? Wie sind die Rückmeldungen von den „Originalen“ (Knochenfabrik, Lattekohlertor, Dackelblut, Cüntsler)?

Alex: Wir haben schon immer gerne geklaut und haben es damit manchmal soweit auf die Spitze getrieben, dass wir auch gleich das Original zitiert haben. Wenn wir bspw. bei neuen Songs an einer Stelle nicht weitergekommen sind, haben wir nicht selten einen Part einer anderen Band eingebaut. Manchmal wurde dieser Part dann durch eine eigene Idee ersetzt und manchmal ist der geliehene Part einfach im Song geblieben. Dazu kommt, dass wir Leuten auf diesem Weg auch die Bands, Schreiber*innen etc. näher bringen können, die wir selbst gut finden. Ein junger Punk hat mir vor einigen Wochen stolz erzählt, dass er sich seine erste CRASS Platte gekauft hat als erfahren hat, dass der Mittelteil in unserem Song „Unter Geiern“ ein CRASS Zitat ist. Und mit CRASS kann sich ihm eine völlig andere und neue Sicht auf die Welt eröffnen. Ich selbst bin bspw. durch But Alive auf FYP gekommen und habe Propagandhi plötzlich nicht mehr nur als Melodycore-Band wahrgenommen. Bei der Auswahl der Gastmusiker*innen geht es immer um den Song. Wir machen kein Feature, um einen bestimmten Gast mit auf der Platte zu haben. Wir fragen Leute von denen wir glauben, dass sie den Song weiterbringen. Frau Wolf bspw. kommt nicht aus der Punkrock-Szene und bewegt sich musikalisch in einer ganz anderen Richtung. Ich selbst habe sie vor den Arbeiten an „Jade“ auch nicht wirklich gekannt. Ollo hingegen war davon überzeugt, dass sie die Richtige für „Silberblick & Scherenhände“ sein könnte. Als sie den Song im Studio eingesungen hatte, wussten wir, dass er Recht hat. Bei Wick war es ähnlich. Wir haben jemanden gesucht, der den Song „Schmutzigrot“ verstehen würde. Als Wick mir eine Handyaufnahme mit ein paar Fetzen des Songs schickte, wie sie ihn singen würde, war klar, dass sie wusste worum es geht. Und Nadine Nevermore ist eh eine Bank und zudem eine langjährige Freundin von uns. Sie hat uns schon sehr oft im Studio unterstützt, weiß wie die Band funktioniert, was wir gut finden und was nicht.

Auf „Jade“ finde ich das Motiv (und den Song) der „Kriegerin“ richtig gut. Auch das finde ich einen Teil der Veränderung, dass das Album für eine Vier-weiße-Typen-Punkband aus Deutschland sehr stark feminin ausgefallen ist. Angefangen beim Coverartwork über die Gäste bis hin zu den handelnden Personen in den Songs. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Zufall ist. Was war da Euer Antrieb?

Alex: Tatsächlich war es mehr Zufall als es in Nachhinein scheinen mag. Einzig „Schmutzigrot“ war von Anfang als Duett mit Frauenstimme geplant. Alles andere hat sich Entstehungsprozess ergeben und dann Sinn gemacht. Hier ein paar Beispiele: Bei „Silberblick & Scherenhände“ sollte es ursprünglich nur einen Frauengesang als Background geben. Bei der Suche nach der passenden Person für das Cover kamen wir durch Kay Özdemir auf Gwen, die er von einer Agentur eines anderen Videojobs kannte. Und die Tatsache, dass sie eine sehr gute Schauspielerin ist, führte dazu, dass sie die Hauptrolle in drei unserer Videos spielt. Natürlich war es dahingegen kein Zufall, dass Frauen in Texten eine große Rolle spielen. Und das ganz bewusst auch als Hauptakteure, wie in dem von dir genannten Song „Kriegerin“. Dies war sicherlich kein politisches Genderstatement, allerdings haben uns die Reaktionen drauf doch deutlich gezeigt, dass Frauen im Punkrock immer noch etwas Außergewöhnliches sind.
Ollo: Gerade bei Songs mit weiblichen Gesangsparts finden wir die Kontraste von Alex Stimme zu einer weiblichen immer sehr interessant.

Nicht nur Pascow hat ja fünf Jahre weitergemacht, sondern die Welt hat sich weitergedreht. Ich fand „Diene der Party“ ja sehr kämpferisch auf vielen Ebenen. Nach dem Motto: Wir überlassen die Welt nicht Idioten. „Jade“ klingt nun an einigen Stellen resignierend, vor allem bei dem Song „Heute Jäger, Morgen Taucher“ (Erwachen II). „Dieses Land, das könnt ihr jetzt ganz haben“. Aus welcher Stimmung ist das entstanden?

Ollo: Ein Stückweit ist das schon die Verwunderung darüber, was in der Welt passiert ist. Trump, AfD, …, diese Ereignisse stärken nicht unbedingt den Glauben an das Gute in der Menschheit. Ich glaube wir sind da sowohl weltpolitisch, als auch national an einem Scheideweg. Die großen Themen, wie bspw. Flüchtlingskrise und Klimapolitik, polarisieren und spalten teilweise die Gesellschaft. Es ist doch wirklich krank, dass Menschen, die Ertrinkenden im Mittelmeer zur Hilfe eilen, dafür bestraft werden.
Alex: Ich hatte diese Wahrnehmung als Resignation auch in deinem Review zu unserer Platte gelesen und klar, „Heute Jäger, morgen Taucher“ kann man schon so verstehen, ist aber nicht so gemeint. Im Gegenteil! Der Song spielt thematisch in einer Zukunft, in der die „Deppen“ gewonnen haben, das Land dann an die Wand fahren und schließlich selbst zu Flüchtenden werden, die auf Hilfe von anderen hoffen. Und auch wenn das natürlich Fiktion ist, so ist die Zeit, in der Deutsche geflüchtet sind und Hilfe von anderen gebraucht haben noch nicht allzu lange her. Daher ist der Song vielmehr eine Absage an die Logik der wirtschaftlichen Überlegenheit und den fatalen Stolz, den sehr viele Menschen daraus ziehen. Das „Erwachen“ meint im Gegensatz zum Song „Zeit des Erwachens“ nicht das eigene Erwachen, sondern das Erwachen, also das Bewusst werden der „Deppen“, wenn diese feststellen, dass sie auf dem Holzweg waren und ihre Überheblichkeit und ihr Stolz sich gegen sie gewendet hat. Wenn man hier von Resignation sprechen möchte, liegt diese also eher auf der Seite der Idioten. Davon abgesehen wird „Jade“ in Sachen Konsequenz und „sich zur Wehr setzen“ viel deutlicher als unser Platten vorher. Der Song „Kriegerin“ ist dafür wohl das beste Beispiel.

Als Provinzkind, der merkwürdigerweise auch sehr viele Freund*innen aus der Provinz hat, muss ich dazu auch noch ein paar Fragen stellen: Denn in Deutschland sind verdammt viele gute Punkbands aus der Provinz (Neurotic Arseholes, Spermbirds, EA80, Duesenjaeger, Turbostaat) oder die Leute in den Bands in der Provinz aufgewachsen (… But Alive, Litbarski). Was hat Euch bewogen, damals mit Musik und mit Pascow anzufangen? Wo seht ihr euch als Band noch heute als provinziell? An welchen Stellen bekommt ihr die Provinz nicht aus Euch heraus? Und was sind Vor- und was Nachteile aus den Provinzen zu kommen?

Alex: Ollo und ich waren erst kleine Punker, dann Skater und haben über viele Jahre Judo gemacht. Als wir keinen Bock mehr auf Leistungssport hatten kamen wir zur Musik. Und je mehr wir uns dann mit Musik beschäftigten, je mehr wuchs dadurch auch der Wunsch aus dem Dorf und der Kleinstadt raus zu kommen. Zumindest für eine gewisse Zeit, um andere Leute kennen zu lernen und zu sehen, wie sie Punk umsetzten. Als wir dann das erste Mal in Duisburg, Berlin oder Hamburg gespielt haben, konnte wir es kaum glauben, dass man dort von unserer Musik überhaupt Notiz genommen hatte. Und dieses Gefühl haben wir übrigens bis heute immer mal wieder. Raus zu kommen und anderes zu sehen, war also immer ein Hauptantrieb für die Band. Was wir aber immer schon nervend und öde fanden war, wenn Leute oder Bands sich auf ihre Herkunft was einbildeten und aus einer Stadt oder einem Stadtteil irgendeine Art von Credibility für sich beanspruchten. Da wir das albern fanden, haben wir immer Gimbweiler und somit das provinziellste Dorf der Welt, als unsere Herkunft angegeben und in unseren Songtexten verbaut. Im Sinne von: Wir sind nicht die Coolen aus Kreuzberg, sondern die Trottel vom Dorf. Was ja auch in vielerlei Hinsicht stimmte. Was ich am Dorfleben allerdings immer ganz gut fand, war die Gelassenheit neuen Trends gegenüber. Man musste nicht immer hip sein und den neusten Scheiß kennen oder mitmachen. Es reichte Punk zu sein und man war froh, wenn man Gleichgesinnte fand, ganz egal ob der Gegenüber dann mehr auf US Punk, Crust oder Deutschpunk stand. Zudem konnte man die Coolness der Städter eh nicht erreichen und versuchte es bald auch gar nicht mehr. Rückblickend hat das einen unabhängiger und gelassener gegenüber Trends und Moden gemacht. Und auch wenn mittlerweile keine mehr von uns in Gimbweiler oder dem klassischen saarländischen Dorf wohnt, so kriegt man die Provinz nie ganz aus uns raus. Das klang jetzt nach Ibrahimovic.
Ollo: Unsere Herkunft hat uns auch die Möglichkeit gegeben, sehr unkompliziert mit dem Musikmachen anzufangen. Wir mussten uns noch nie im Leben einen Proberaum suchen, da Alex und ich dort seit 25 Jahren zusammen Musik machen. Es gab zu Hause einfach so viel Platz, dass wir uns dort in einem Raum breit machen konnten. Das wäre in der Stadt mit Sicherheit nicht so einfach gewesen. Darüber hinaus hatten wir halt wenig Ablenkung und dem zu folge auch genügend Zeit, eine Band zu starten.

Gimbweiler kennt man ja tatsächlich nur durch Euch. Sehr schön finde ich auf der Gemeinde-Homepage, dass man unter dem Reiter-Daten sowohl die Geschichte als auch Informationen zum Baucontainer bekommt (Gimbweiler.de). Leider konnte ich nichts über berühmte Töchter oder Söhne des Ortes finden, sodass ich annehme, außer Euch kommen da nicht viele raus. Sehr schön auch der Text vom Trier Volksfreund (harter Name): „In Gimbweiler probt Pascow. Wikipedia weiß das nicht, die Deutschpunk-Szene schon.“ Mittlerweile weiß es aber auch schon Wikipedia. Bekommt ihr Rückmeldungen aus dem Ort? Wenn ja, welcher Art?

Ollo: Nee bekommen wir nicht. Das fühlt sich an, wie zwei Paralleluniversen, die friedlich nebeneinander existieren.
Alex: Unser Proberaum liegt zudem auf einem Aussiedlerhof außerhalb des Ortes und so hatten wir auch als Jugendliche fast keinen Kontakt zu den Einheimischen. Ich glaube auch, dass für die Menschen im Ort Baucontainer mehr Relevanz haben als diese Punkband, deren Namen wie ein Pestizid klingt.

Pascow sind für mich an einer Stelle auch (leider) ein Zeichen, was bei deutschsprachigem Punkrock falsch läuft. Auf der einen Seite nutzen und stärken der eigenen Infrastruktur, ihr spielt in AZs und alternativen Läden, betreibt ein eigenes Label. Auf der anderen Seite kommt ihr aber – anscheinend – auch nicht wirklich aus dem deutschsprachigen Umfeld raus. Gerade durch Eure Base im Saarland / Rheinland-Pfalz ist das ja schon überraschend, wo Frankreich so Nahe ist. Gibt es von Eurer Seite keine Ambitionen (regelmäßig) in Frankreich, Polen oder Spanien zu spielen (oder habe nur ich das nicht mitbekommen)? Woran scheitert das? Oder müsst ihr dafür wie Stadionrockbands a la Muff Potter oder Die Toten Hosen mal eine CD mit englischen Versionen Eurer Musik aufnehmen?

Ollo: Die Frage stellt sich uns viel zu selten, weil wir es zeitmäßig nicht mal schaffen, im deutschsprachigen Raum die Konzerte zu spielen, wie wir das gerne möchten.
Swen: Richtig, Zeit steht uns nur in sehr begrenztem Rahmen zur Verfügung. Ein weiterer Grund ist, wie du selbst angemerkt hast, die Sprache. Wir singen nun mal auf Deutsch. Ich kann mir nicht so richtig vorstellen dass sich in Polen oder sonstwo im nicht deutschsprachigen Ausland jemand dafür interessiert.
Alex: Es gab auch nur ganz wenige Anfragen aus Frankreich oder anderen nicht-deutschsprachigen Ländern. Und wenn war die Einschätzung fast immer gleich: Die Musik ist gut, aber was sollen wir mit deutschsprachigem Punk anfangen. Hätten wir wirklich genug Zeit, wäre es interessant zu sehen, ob sich dies mit einer englischsprachigen Platte ändern würde, denn klar, es wäre super auch andere Länder und Szenen kennen zu lernen.

Dazu passend: Hat Pascow eigentlich mal im MAXIMUM ROCK’N’ROLL stattgefunden? Reviews oder andere Erwähnungen? Wenn nein, warum eigentlich nicht?!

Alex: Gute Frage. Ich bin mir nicht sicher, aber Jürgen von Rookie könnte dir das sicher beantworten. Es gab ein paar englischsprachige Reviews zu „Jade“ und „Diener der Party“ und es war interessant zu lesen, wie unterschiedlich dann die Wahrnehmung einer Platte ist, wenn man nur die Musik und nicht die Texte bespricht. Im deutschsprachigen Raum geht es in Reviews immer auch um die Texte und die Musik wird immer in Zusammenhang damit beschrieben. In den englischen Reviews wurden wir plötzlich mit KVELERTAK und anderen Metalbands verglichen.

Zum Schluss noch ein paar kurze Fragen:
Crass oder The Clash?

Alex: Clash.
Swen: Clash
Ollo: Clash

Alkoholschleier mit Duesenjaeger oder bunte Farben mit Love A?

Alex: Alkoholschleier
Swen: Alkoholschleier.
Ollo: Alles zu seiner Zeit …

I want the moon oder Keine Macht für Niemand?

Alex: I want the moon.
Swen: I want the moon
Ollo: I want the Moon

Nummer eins in den Plastic Bomb Verkaufscharts oder Video-of-the-Year im Visions?

Alex: Keine Bedeutung.
Ollo: Beides!
Swen: Ist mir beides Wurscht.

Kickern oder am Tresen sitzen?

Alex: Tresern, Kickern, Tresen ist die korrekte Reihenfolge.
Swen: Kickern.
Ollo: Beides im Wechsel!

Letzte Frage: Ein Pascow-Interview vorzubereiten ist gar nicht mal so einfach. Man muss bzw. kann tonnenweise Material sichten: Interviews, Alben, Singles, Videos, DVD, Fanzines. Ihr habt schon so viele Interviews gegeben, habt ihr das Gefühl, irgendetwas noch nicht gesagt zu haben? Welche Frage möchtet ihr nie wieder gestellt bekommen?

Swen: Keine Interviewfragen mehr gestellt zu bekommen, wäre irgendwie doof für die Band. Fragen welche man evtl. schon zigmal beantwortet hat sind für den Interviewer vielleicht komplett neu, weil die Band von ihm neu entdeckt wurde. Von daher beantworte ich eine Frage auch gerne zum 1001sten Mal.
Ollo: „Sag mal, bist du dicker geworden?“ Nee, Spaß beiseite, eigentlich kann ich mich an keine Frage erinnern, die wirklich richtig genervt hat.
Alex: Naja, die Frage nach unserem Namen und wie man diesen ausspricht ist schon ein Klassiker.

Diskographie:
1999 The Charles Bronson Gay Club (Demo-Tape)
2001 Self/titled, 7“
2002 Richard Nixon Discopistole CD (2003: LP)
2004 Geschichten, die einer schrieb …, CD/LP
2006 Split Single mit Die Rote Suzuki, 7“
2007 Nächster Halt Gefliester Boden, CD/LP
2010 Neue Katastrophen, Hausvabot, Pascow – Totalschaden, 7“
2010 Alles Muss Kaputt Sein!, CD/LP
2012 Split EP mit Spermbirds, 7“
2014 Diene Der Party, CD/LP
2017 Lost Heimweh, DVD
2019 Jade, CD/LP

Homepage: https://pascow.org/
Label: https://tanteguerilla.com/

Interview: Mika Reckinnen

 

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