April 14th, 2020

Partnerinnen schwuler Männer sind Schattengestalten – Es gibt kaum Beratungsstellen aus #130, 2008

Posted in artikel by Jan

Partnerinnen schwuler Männer sind Schattengestalten; es gibt kaum Beratungsstellen

Der folgende Text ist nicht gegen Homosexuelle gerichtet. Das Gegenteil ist der Fall. Er ist ein eindeutiges Plädoyer für eine weltoffene Gesellschaft, in der Männer und Frauen sich nicht dazu gezwungen fühlen dürfen, ihre sexuellen Neigungen und Vorlieben geheim zu halten. Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf der Erfahrungswelt von Partnerinnen schwuler Männer und verkörpert sowohl ein Plädoyer für spezialisierte Beratungsstellen als auch für den Aufbau von lokalen Selbsthilfegruppen.
Es ist eine unumstößliche Tatsache, dass es Frauen, nicht nur in islamischen Gesellschaften, gibt, die jahrzehntelang mit Schwulen verheiratet sind. Solange das auf freiwilliger Basis passiert und die Karten offen auf den Tisch gelegt werden, ist daran wenig auszusetzen.

Auch ein Schwuler kann der „Richtige“ sein, solange man sich gemeinsam wohl fühlt. Dieser Artikel möchte auf etwas Anderes heraus. Zweifelsohne gibt es im deutschsprachigen Raum viele Geoutete, die im Licht der Öffentlichkeit stehen und ein hohes gesellschaftliches Ansehen genießen. Dennoch ist es, bei weitem, keine Selbstverständlichkeit, dass Homosexuelle in Deutschland zu sich stehen können. Berliner Zeitung: „Erhebungen zufolge bevorzugen fünf bis zehn Prozent aller Männer sexuell ihr eigenes Geschlecht oder bezeichnen sich als bi. Experten glauben, dass jeder fünfte schwule Mann und jede dritte lesbische Frau Kinder hat und es in Deutschland mindestens eine Million homosexuelle Eltern gib (von Kleist, 2003).“

Erst im Juni 2007 zitierte Die Zeit eine Studie des Niedersächsischen Sozialministeriums, die sich auf Homophobie an Schulen bezieht: “Zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) glauben, dass sie wegen ihres Schwulseins mit größeren Belastungen fertig werden müssten als heterosexuelle Jungen. Die meiste Kraft koste das Bekenntnis dazu: 56 Prozent der befragten Jugendlichen gaben an, Gleichaltrige machten sich lustig oder redeten schlecht über sie; 38 Prozent sind beschimpft worden. . . 27 Prozent gaben an, Lehrer hätten bei Schwulenwitzen mitgelacht. (www.zeit.de/2007/26/Homsexuelle?page=1>Kirbach)

Darüber hinaus zeigen viele E-Mails, die man nach gut begründeter Anmeldung bei einem deutsch- schweizerischen Yahoogroup erhält, dass es ein sich hartnäckig haltender Mythos ist, dass Frauen die Homosexualität ihrer Männer immer entdecken würden. Dazu nur eines von unzähligen Beispielen, die Frau brühwarm serviert bekommt „Wir sind ein getrenntes Paar, nach 23 Jahren Beisammensein, mit gleichen Wertvorstellungen und Interessen. Nun steht ein Mann zwischen uns und ich bin, nach wie vor, schwer verletzt und enttäuscht.“

Was im öffentlichen Bewusstsein, und das ist der immer wiederkehrende Subtext in den Mails, fehlt: Lebenslügen können auch die Partnerinnen psychisch schwer belasten. 2. Viele Schwule wollen nicht grundsätzlich nur mit Männern schlafen. Homosexualität definiert sich dadurch, dass man sich nur hauptsächlich vom eigenen Geschlecht sexuell angezogen fühlt 3. Viele wollen Väter eigener Kinder sein. 4. Viele Homosexuelle sind, je nach Lebenssituation, einem verheerenden normativen Druck ausgesetzt. 5. Eine erhebliche Anzahl Homosexueller will auch oft, unabhängig von Vorurteilen, dem Bild einer gutbürgerlichen Familie gerecht werden und entscheiden sich dafür, ihre Vorlieben nicht auszuleben. 6. Es kann Jahre, wenn nicht sogar ein Leben lang dauern, bis sie offen über sich sprechen können. 8. Die eigene Sexualität ist, oft lebenslänglich, Schwankungen unterworfen und dadurch wird tendenziell die Hoffnung geschürt, dass das Begehren gegenüber dem eigenen Geschlecht nachlässt.

Umso verständlicher ist es, wenn das Outing, scheinbar endlos, heraus gezögert wird. Es gibt schließlich nachvollziehbare Gründe, warum Mensch ein heterosexuelles Leben bevorzugt. Von Seiten der betroffenen Partnerinnen allerdings stößt diese Argumentation eher auf wenig Gegenliebe:
„Jetzt ist es endlich raus. Endlich weiß ich klar, woran ich bin, weil mein Mann es endlich geschafft hat, es mir klar zu sagen: dass er seine Zukunft mit seinem Freund sieht. Aber wir sind uns auch klar darüber, dass wir unsere 30 Jahre nicht einfach wegwerfen wollen“. 30 Jahre sind eine verdammte lange, schwer überschaubare, kaum planbare Zeit. Wenn man 20 ist, dann kann man sich nicht vorstellen, wie es wäre 50 zu sein. Zu viele Entscheidungen sind noch nicht getroffen worden, Erfahrungen, die einem im Berufs- und Familienleben bevorstehen, haben viele noch nicht gesammelt. Wenn das 50. Lebensjahr näher rückt, mag man sich an seinen persönlichen „Frühling“ kaum mehr erinnern und die Perspektive auf die eigene Lebensdauer hat sich verändert. Lebensjahre erscheinen immer kürzer werdend.

Was die Geheimniskrämerei für Partnerinnen auslösen kann, zeigt folgende E- Mail, in der es zusätzlich noch um finanzielle Schwierigkeiten ging: „Meine Haupt Krankheit — sprich SUCHT — ist die Co- Abhängigkeit. Diese ergibt sich aus der Spirale von Verheimlichungen, Verleugnungen, Verdrängungen, aus der Luft gegriffenen Hoffnungen, herunter gespielte Enttäuschungen.“ Die psychische Belastung entsteht oft durch die Tabuisierung sexueller Neigungen. Wie groß muss die Enttäuschung sein, wenn Mensch ein essentielles Identitätsmerkmal des Ehepartners, möglicherweise jahrzehntelang, verheimlicht wurde? „Interessant fand ich nur im Nachhinein, dass er jetzt erst zugeben kann, dass er eigentlich immer mehr Spaß am Sex mit Männern hatte (obwohl unser Sexleben auch sehr gut war). Die ganzen letzten 2 Jahre hatte er bisher immer Stein und Bein geschworen, dass er mir mit glücklich werden will.“

Selbst einige Betroffene trauen sich im Extremfall, über die Dauer von Monaten und Jahren, nicht darüber zu sprechen, weil sie emotional in „Wenn Du mich liebst, dann behältst Du das für Dich“ Manier erpresst wurden. Das passiert meistens dann, wenn Kinder mit im Spiel sind und der Partner, auch noch nach einem Eingeständnis, Alles haben will: 1) außereheliche Liebeleien mit Männern 2) kein offizielles Outing 3) eiserner Familienzusammenhalt. Viele Partnerinnen versuchen sich, wegen Ihrer Selbstlosigkeit gegenüber den Kindern oder aus finanzieller Not, in das Korsett der Geheimnishüterin, zu zwängen. Sie müssen auch zusätzlich damit klar kommen, dass sie möglicherweise von Anbeginn an nur zweite Wahl waren und in erster Linie aufgrund ihrer schützenden Funktion geheiratet wurden. “Doch all die Jahre, bevor ich es wusste, habe ich mich einsam gefühlt und ungeliebt. Ich wusste nicht warum.“, schreibt beispielsweise ein Hetera-mitglied. Ihre E-mail lässt darauf schließen, dass es wohl eher eine reine „Vernunftehe“ war, auf die sie sich unwissentlich eingelassen hat.

Als weiterer belastender Faktor für Betroffene kommt hinzu, dass das berufliche und soziale Umfeld oft unberechenbar reagiert. In vielen Fällen wird die „Schuld“, auf eine ketzerische Art und Weise, den Partnerinnen zugeschrieben. Obendrein werden sie, nicht selten, sozial isoliert. So wundert es auch kaum, dass Homosexuelle Ihren Partnerinnen zu Liebe, manchmal ein Doppelleben führen anstatt sich zu outen. Viele Betroffene schreiben, dass ihr privates Umfeld eine Erklärung einfordert. Von Ihnen wird erwartet, so absurd, entwürdigend und perfide das für weltoffene Leser auch sein mag, dass sie gefälligst Rede und Antwort stünden.

Die dünn gesäte Literatur, bringt die Frauen auch oft nicht viel weiter; es fehlt an kompetenter Hilfe. Die klare Mehrzahl der Bücher befasst sich, nach Einschätzung der Frauen aus dem Deutsch- Schweizerischen Forum, mit dem Erleben der Männer und ihren Erfahrungen vor und nach dem Lüften ihres Geheimnisses. Selbst sehr gut recherchierte Ratgeber können ohnehin nicht das leisten, was eine professionelle Beratung bieten könnte: eine individuelle, auf die finanzielle, familiäre und persönliche Situation zugeschnitten Lösung. Eine Beratungsstelle ausfindig zu machen gestaltet sich allerdings, nicht selten, wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

So in etwa erging es einer Person, die ca. anderthalb Autostunden von der Landeshauptstadt von Ba-Wü entfernt wohnt, bei der Suche nach einer kompetenten Beratungsstelle außerhalb Stuttgarts.: „Wo soll man Rat suchen? Im ländlichen Raum gibt es Gruppen für die geouteten Männer, aber die Partnerinnen, die sich in einem Lebensumbruch befinden, gehen leer aus.“ Ähnliche Erfahrungen sammelte das Gros der Frauen, die sich in den Verteiler eingetragen haben und, die nicht selten mindestens eine Landesweite voneinander entfernt wohnen. Nicht umsonst melden sie sich in einem unpersönlichen E-Mailverteiler an. Die meisten Mitglieder veröffentlichen dort ihre Namen nicht, so tief sitz die Angst vor der Schmach, und manche E- mails versumpfen geradezu an in den Massen an fast stündliche einfließenden Lebensgeschichten.

Zusammenfassend muss festgehalten werden: Jede Geschichte verläuft auf ihre eigne Art und Weise und Partnerschaften, in denen fair verhandelt wird existieren natürlich. Auch bisexuelle und homsexuelle Männer sind in der Lage, eine ausgeglichene Beziehung mit ihren Frauen zu führen. Heterosexualität ist schließlich kein Garant für eine gute Ehe bzw. Langzeitbeziehung. Zudem kann eine dritte Person integriert werden, solange die gemeinsamen Prioritäten nicht in Frage gestellt werden. Wie dem auch sei, spezialisierte Beratungsstellen und ein gut strukturiertes Hilfsnetzwerk für Partnerinnen schwuler Männer sind eine zwingende Notwendigkeit für Frauen, die über viele Jahre hinweg wegen der Tabuisierung psychisch schwer belastet wurden und die sich aus Angst vor finanzieller Armut und gesellschaftlicher Schmach nicht lösen konnten. Grundsätzlich besteht ein Bedarf für zahlreiche Frauen, die dringend spezialisierte Hilfe in Anspruche nehmen wollen.

Annabell Weimar

Weiterführende Links:
www.hetera.ch
www.Marriedgays.org

Zitierte Quelle:
Von Kleist, Bettina. „Mein Mann liebt einen Mann. Wie Frauen das Coming-out ihres Partners bewältigen.“Berlinonline10. 2. 2008. 30. 8. 2003.>/www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0830/magazin/0003/index.html<
Kirbach, Roland.“Schwulsein heute- ganz normal?“ www.zeit.de 21.06.2007. 4.3.2008
(www.zeit.de/2007/26/Homsexuelle?page=1>).

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