März 28th, 2020

OXES aus #101, 2003

Posted in interview by Jan

OXES
„Your Street Versus Wall Street“

Wir schreiben das Jahr 2003. Der Irak wird durch amerikanische Invasionstruppen befriedet, die HipHop und die WHITE STRIPES endlich auch den Menschen in Bagdad zugaenglich machen werden. Stefan Effenberg veroeffentlicht seine Memoiren, in denen er u.a. beschreibt, wie er in rote Lederhosen gekleidet zusammen mit Mario Basler in dessen Ferrari sturzbetrunken durch die Wueste von Katar rauscht, um nicht nur von dem ehemaligen Kaiserslautern-Spieler angegraben, sondern zu allem Ueberfluss, wegen einer Kiste Weissbiers im Kofferraum, von den Autoritaeten des Drogenbesitzes angeklagt, in einen Teppich gewickelt ueber Nacht das Land verlassen muss.

Derweil erhaelt unser Freund MIKE WATT auf Tour mit seinen SECONDMEN in Talahesse einen Anruf von IGGY POP. Es geht um die anstehende Reunion-Show der STOOGES in Florida, bei der Mike fuer den verstorbenen Dave Alexander einspringen soll. Iggy gibt ihm kurz die Liste der zu spielenden Songs durch, die ausschliesslich aus den ersten beiden STOOGES-Alben schoepft, um dann weit ausfuehrlicher auf die Kleiderordnung einzugehen. Deine Flanellhemden sind nicht erwuenscht, wird Mike verdeutlicht, Levis und ein weisses T-Shirt jedoch seinen okay und wenn er sich obendrein noch Lederarmbaender anlegen oder ein Amuletthalsband besorgen koennte, ja dann kann einem durchschlagenden Erfolg eigentlich nichts mehr im Wege stehen.

In den Fruehstuecksnachrichten hingegen wird bekanntgegeben, das sich am Osterwochenende in Italien 130 Menschen zu Tode gefahren haetten, waehrend ein namhaftes Londoner Aktionshaus eine Urinprobe von DAVID BOWIE aus dessen Ziggy Stardust-Phase fuer 60.000 Pfund unters Volk bringen konnte.
Wir schreiben das Jahr 2003 und ausgerechnet aus Baltimore ereilt uns die frohe Kunde, dass es drei Klangforschern nach Jahren intensiver Experimentation gelungen ist, den ROCK zumindest partiell der Levis-Werbung und den Chart-Umtrieben zu entreissen, einer Dialyse zu unterziehen und wie einst Phoenix aus der Asche in machtvoller Gestalt wiederauferstehen zu lassen. OXES nennt sich das Trio, das ein recht eigenes und eigensinniges System entwickelt hat, das sich cluster-aehnlich aus vielen dekonstruierten Spielarten zusammensetzt, die mit mathematischer Praezision, wechselhafter Rhythmik, einer gehoerigen Portion trockenen Humors und reichlich Energie im Arsch gespielt werden.

Rein instrumental verfasst, besitzt die Musik der OXES dabei alle Eigenschaften eines gesunden Suchtstoffes: a) das Meer an erlesenen, gigantischen Gitarrenriffs und cleveren Beatakzentuierungen, die zu keiner Sekunde Ruhe geben wollen, b) den dieser Tage schwer zu findenen, hier aber klar vorhandenen, ganz eigenen Sound, gepraegt durch zwei kabellose, selbstgebaute Aluminiumgitarren und ein Drillich-bezogenes Schlagzeug, und c) den schon verloren geglaubten, bei den OXES jedoch auf wundersame Weise wiedergeborenen Hang zum „klassischen Spektakel“ in neuem Kontext. Jeder der mit dieser letzten Phrase nichts anfangen kann, sollte die Band einmal live erleben, wie sich da positioniert, auf schwarze Kisten gestellt, wie gepost und gestikuliert wird.

Ahnungsvoll ziehen Bilder und Sounds von AC/DC bis SHELLAC am geneigten Betrachter und Zuhoerer vorbei, deren Fixierung durch eine OXES-typische ploetzliche Kehrtwendung stets jedoch verhindert wird, so dass am Ende immer der Reiz leichter Ratlosigkeit bleibt, verbunden mit dem Eindruck, von einer grossen Macht nachhaltig angeschubst worden zu sein. Das die OXES exzellente Musiker sind, die ausschliesslich mittels ihres Handwerks und dem Sinn fuer Selbstinszenierung auch langfristig Gueltigkeit besitzende Ausdrucksarbeit erschaffen, moechte ich dabei nur am Rande erwaehnen. Haben sie doch bereits begonnen, Spuren zu hinterlassen und dabei nicht nur JOHN PEEL und mich zu Fans gemacht…

Die OXES sind:
Nettarino Fowler – schwarze Gitarre
Marco Mirror – silberne Gitarre
Han Sum – Schlagzeug

*

Nat, wie geht’s Dir?
Nat: Ich bin krank.

Krank? Was hast Du denn?
Ich habe eine Erkaeltung. Weisst Du, was das ist?

Eine Erkaeltung. Ich dachte schon, Du waerst vielleicht krank vom Krieg.
Nein, nein, ich bin nur muede. Nun, der Krieg, weisst Du, da habe ich aufgegeben. Ich kann das nicht kontrollieren. (lacht)

Ja, ich denke, das geht Deinem Praesidenten nicht anders. Aber gib’ uns lieber ein schnelles Briefing ueber Deine Baltimore-Gang, die Geschichte der OXES, Eure musikalischen Hintergruende.
Okay, wir Drei kommen aus unterschiedlichen Bands. Die beiden Anderen waren in einer Gruppe, die mit Kompositionen und Performances experimentierte. Sie schrieben beispielsweise kleine Stuecke und entschieden dann waehrend der Performance, welche Stuecke sie davon spielen wuerden. Ziemlich spontan also. Improvisiert?
Beinahe ausschliesslich. Imporovisiert auf der Basis von Pre-Sets, als eine Art von Songstruktur. Und dann kam ich von einigen Bands, die einfach nur laut und krachig waren und nichts wirklich ernst nahmen. Ich war beispielsweise der Gitarrist in einer Band namens CHESTER. Der Schlagzeuger und ich schrieben die komplette Musik und er schrieb ebenfalls die Texte. Und die einzige Sache, ueber die wir sangen, war Kindesmisshandlung. Wir hoerten zu der Zeit viel CURRENT 93 und MEATMEN und wurden von solchen Sachen inspiriert. Am Ende trafen wir (die OXES) uns im College und am Anfang konnten die beiden Anderen mich ueberhaupt nicht ab, weil ich manchmal recht giftig sein kann. Wir begannen dann aber, uns gegenseitig musikalisch zu respektieren und entschieden uns, ein gemeinsames Projekt zu starten.

Das war wann?
Das war im Sommer 1998. Und das war eine Zeit, in der wir Drei viel Metal hoerten, obwohl wir mit dem Hass auf Metal aufgewachsen sind. Also, keiner von uns hoerte sich als Kind je Metal an, nicht einmal LED ZEPPELIN oder … QUIET RIOT. Ich denke, dass beide, sowohl Mark als Chris, der Gitarrist und der Schlagzeuger, in ihrer Jugend MICHAEL JACKSON hoerten.

Uffa.
Yeah, uffa. (stockt kurz) Wo kommst Du her?

Eigentlich aus Deutschland. Dieser Tage lebe ich aber in Italien.
Weil Du „uffa“ sagtest. Das ist ein italienisches Ding. Ich habe eine Freundin in der Naehe von Bologna.

Euer letztes Album habt Ihr inoffiziell auch als das „publicity album“ bezeichnet. Hing das mit der selbstfabrizierten Zensur-Geschichte des Covers zusammen? Erklaer’ uns die Hintergruende!
Nun, die ganze Idee mit der Zensur war eigentlich die Idee des Labels. Das Label entschied sich dafuer, vorzutaeuschen, dass die Vinyl-Ausgabe zensiert worden waere und die Edition deshalb in schwarzen Tueten zu verpacken und mit einem Aufkleber zu versehen, der besagte, dass dieses Album zensiert worden sei. Was aber wirklich passierte, war, dass wir entschieden, ein Album mit zwei verschiedenen Covern herauszubringen. Mit einem Kunstwerk fuer das Vinyl, das einen Protest wert waere und dann einem fuer die CD, welches diesen Protest ausdrueckt. Das war also alles kuenstlich gemacht, und die anfaengliche Idee bestand darin, die CD zuerst herauszubringen, auf das alle den Protest sehen koennen und sich dann natuerlich fragen, warum es den Protest wegen des Vinylcovers gibt. Zwei Wochen spaeter kommt dann das Vinyl heraus und alle koennen begreifen, dass es sich um zwei Teile handelt.

Mit anderen Worten habt Ihr Eure Freunde zu einer Fotosession eingeladen, Ihnen Protestschilder mit Aufschriften wie „Oxes suck coxes“ in die Hand gedrueckt …
Ja, genau. Wir organisierten das, stellten die Schilder her, es sind alles unsere Freunde auf den Fotos.

Geht mit diesem Konzept auch Eure nach aussen zur Schau gestellte Anonymitaet einher? Trotz Fotos, die von Euch zu sehen sind, geizt Ihr ja mit Namensnennungen, gebt nicht wirklich Einblick, in wer diese Band eigentlich operiert.
Fragst Du, warum wir das machen?

Ja, ob das ebenfalls dem Versuch entspringt, Publizitaet zu schaffen.
Nein, die Idee war nicht, Publizitaet zu erreichen. Die Idee ist einfach Publizitaet. Wir versuchten nicht, uns einfach mit diesem Album bekannt zu machen. Wir wollten nur, dass dieses Album die Idee von Publizitaet reflektiert.

Mich hat das ein wenig an den SHELLAC-Ansatz erinnert, niemals Fotos, Biographien, etc. zu versenden. Entweder, die Leute moegen es, oder ignorieren das Ganze.
Die CD aber zeigt Fotos von uns.

Es wird jedoch keine Namensnennung betrieben, wie das „normale“ Rockbands zu tun pflegen.
Wir wollen halt nicht „normal“ sein. Das ist eine Sache, die wir vermeiden wollen. Aber schon auf unserem ersten Album wollten wir moeglichst wenig Worte, jedoch viele Fotographien haben. Weil wir eine instrumentale Band sind. Wir sagen nichts. Also wollten wir etwas visuell sagen, mit Fotos, die uns darstellen.

Glaubst Du, dass mit Instrumentalmusik generell mehr ausgedrueckt werden kann, als wenn sich irgendein Vocalist im Rampenlicht rekelt?
Nun, das werte ich als Kompliment. Was wir versuchen, ist sehr durchdacht, sehr exakt in unserem Songwriting zu sein, auf das die Idee, die wir versuchen auszudruecken, sehr deutlich zum Ausdruck kommt, wie ein bestimmtes Gefuehl in deinem Koerper, beispielsweise Adrenalin oder dergleichen, das fesseln kann. Und wenn wir das dann live spielen, koennen wir das verbiegen, wir koennen den Song verformen, so wie es die Performance halt ergibt. Die Performance eines Songs aendert sich bei uns immer in dem Masse, wie wir den Song im Wandel spielen. Einige unserer Songs dehnen wir live bis zu zehn Minuten Laenge. Beispielsweise nehmen wir einen unserer 3-Minuten-Songs und spielen ihn wirklich langsam, verlaengern ihn auf zehn Minuten, verlangsamen das Tempo, aendern die Gitarrenstimmungen, weisst Du, und wandeln in Zeitlupe. Also ob wir in der Matrix seien.

Betrachtet Ihr Euch als Rock-Dekonstruktivisten?
Mmmh, ich denke, das war eine der Ideen, die uns immer auf eine Art inspiriert hat. Weil es zwei Wege gibt, Sachen zu machen: Du kannst auf etwas aufbauen, was bereits existiert, oder du kannst versuchen … Also, da sind zwei Wege, zu versuchen, auf etwas aufzubauen, was bereits existiert: Du kannst in gewisser Weise aufzeigen, welche Werkzeuge Leute benutzen und du kannst dich dieser Werkzeuge bemaechtigen, um etwas Neues zu machen oder du kannst diese Werkzeuge als gewohnheitsmaessige Dinge blossstellen, die von Leuten zu dem Zwecke genutzt werden, etwas zu schreiben, was nach etwas anderem klingt. Und ich glaube, dass es dies ist, woran wir eher interessiert sind. Zumindest in der Vergangenheit. Jetzt, mit den neuen Sachen, die wir schreiben, sind wir eher beschaeftigt zu versuchen … , keine Ahnung, wie ich beschreiben soll, was wir jetzt machen. Vielleicht sollte ich dazu besser nichts sagen.

Dann lass’ uns einfach abwarten. Nun habt Ihr im letzten Jahr jedoch beim SXSW-Festival gespielt und mit ISIS, SHELLAC und DAELEK. In einem „Freund/Feind-Schema“, in das uns nicht zuletzt das herrschende Kriegs-Szenario presst, wo wuerdet Ihr Euch zur Zeit in den USA einordnen? Gibt es „friends or foes“ fuer Euch?
Was meinst Du mit mit Freund und Feind?

Freunde, wie BOB WESTON von SHELLAC beispielsweise, der Euch half, Euer letztes Album zu produzieren und auf der anderen Seite Leute, von denen Ihr einfach angewiedert seid, deren musikalische Ausdrucksformen, deren Bestrebungen Euch einfach zuwider sind.
Ah, okay. Ich persoenlich denke, dass jeder, der einen Gewinn daraus zieht, etwas Einfaches zu machen, Musik zu machen, ohne … Jemand, der versucht, nur ueber Lautstaerke etwas zu erreichen. Wenn jemand mit den falschen Beweggruenden beschaeftigt ist, denke ich, koennen es die Leute mit funktionierenden Ohren hoeren und es mit ihren Herzen fuehlen. Demnach ist es jeder, der dies betreibt. In guter Musik schwingt eine bestimmte Qualitatet mit, die du mit Worten nicht ausdruecken kannst. Es geht da um Ehrlichkeit und Dinge, die nicht ehrlich sind. Fuer mich beispielsweise ist das der groesste Teil der RapMusik. Viele Leute geniessen RapMusik, und manchmal kann ich einen Song moegen, aber das ist, wie einen Schokoladenriegel zu moegen.

Der ist schnell aufgegessen.
Genau, und viele wollen dann gleich den naechsten. Wenn du aber genug davon hattest, realisierst du, dass sie eigentlich nie gut waren. Und das beziehe ich auf den meisten Rap. Und das liegt bestimmt daran, dass Rap noch so jung ist und Erfolg darin so leicht erreicht werden kann, dass viele Menschen von dem Gebrauch machen, was erfolgreich sein kann. Aber da steckt nicht wirklich Wachstum drin. Ich denke, dass das groesser werden koennte, als Rock, soweit was seinen Sound betrifft. Weil da nie wirklich Live-Instrumente benutzt werden. Es haengt aber immer auch von Texten ab, und das ist etwas, das Rock hat. Und Rock braucht nicht wirklich etwas, wie uns.

Nun gibt es aber eben auch seit einigen Jahren eine Entwicklung in Rock, die Abstand vom Gebrauch von vocals nimmt. Die sich auf rein instrumentale Musik konzentriert Und Abstand von lyrischem Ausdruck durch Worte nimmt, die ueber die Jahre in den meisten Faellen zu Klischees verkommen sind. Vielleicht als Flucht vor den Limitierungen von Rock. Sind die OXES auch auf dieser Spur?
Ich wuerde sagen, dass wir limitiert sind, keinen Gesang zu nutzen. Wir wollten eigentlich einen Saenger haben, und haben eine lange Zeit auch danach gesucht. Wir haben aber nie den richtigen gefunden.

Weil Ihr nicht singen koennt? (lacht)
Nun, so wir wir unsere Performance betreiben, ist es zu schwierig fuer uns, zu singen. Also wollten wir einen serioesen Saenger, der vorzugsweise nicht in Englisch singt. Lieber in Franzoesisch oder Italienisch. Der zu uns singen wuerde. Der sich auf die gleiche Weise bewegen wuerde, wie wir es tun, sich auf das Publikum auf die gleiche Weise beziehen wuerde, wie wir es tun, oder auf ihre (!) eigene Weise, waehrend er die gleiche Aesthetik teilt, die wir haben. Alles was wir tun, hat einen Sinn fuer Humor, einen Sinn fuers Spiel. Ich denke, dies ist wichtig. Gemacht mit Intelligenz, die wir jetzt haben, als Erwachsene. Und von da aus Dinge frei werden zu lassen. Improvisation als Spiel. Gerade jetzt kann ich das nicht wirklich beschreiben. Wir spielen immer dafuer, die Songs auch zu aendern, wenn wir sie schreiben.

In Eurem Zusammenhang fiel jedoch oft der Begriff von „math-rock“. Ich dachte dazu, wie es moeglich ist, „math-rock“ mit Bier zu kombinieren, „math-rock“ mit Theater, „math-rock“ mit Spontanitaet. Weil „math-rock“ immer wie ein sehr organisierter, sehr festgelegter Ausdruck wirkt.
Das stimmt. Ich denke aber, dass Leute den Begriff „math-rock“ fuer alles nutzen, was nicht den gleichen melodischen Skalen und nicht den gleichen, messbaren Rhythmen entspricht. Alles, was dem nicht gleichkommt, wird automatisch von einem Musikkritiker „math-rock“ genannt. Weil es ein einfaches Wort ist, um zu uebermitteln, das es anders ist, vielleicht sogar seltsam und normalerweise instrumental. Vielleicht sind viele Stops damit verbunden, die Gitarren spielen immer das gleiche, oder in gleicher Rhythmusfolge. Aber fuer uns spielt das keine Rolle. Wir versuchen nicht immer etwas zu machen, was komplex und schwierig ist. Wir versuchen einfach etwas zu machen, was aufregend ist und ein wenig seltsam.

Ein gewisser Humor kann Euch dabei zumindest nicht abgesprochen werden, wie er nicht zuletzt auch durch Eure Titel wie „Your Street Against Wall Street“ oder „I’m From Hell, Open A Windle“ reflektiert wird.
Gewoehnlich kommen die Namen durch etwas zustande, worueber wir vorher geredet haben. Speziell bei diesen beiden Titeln, denke ich, war da diese typisch amerikanische, liederliche Show ueber Geld und Geldmachen in Amerika, und wie da gesagt wurde: „it’s your street versus Wall Street“. Und so entschieden wir uns dafuer, das als Songtitel zu nutzen. Die meisten unserer Titel entstehen also aus unseren Gespraechen heraus.

Oder Medien-Reflektionen?
Auch das manchmal. Ich wuerde wahrscheinlich sagen, dass es das normalerweise nicht ist, aber die Medien haben ja generell einen Effekt auf alles, worueber wir reden.

Schaust Du generell viel Fernsehen?
Nein, tue ich nicht. Wo ich jetzt lebe, gibt es nur einen Fernseher, der gerade zwei Stationen empfangen kann. Vielleicht schaue ich alle zwei Tage dreissig Minuten.

(lacht) Das ist nicht sehr amerikanisch, oder?
Nein, ich habe kein Kabel-Fernsehen, wie viele Amerikaner. Ich habe auch keine Play-Station oder dergleichen. Ich denke, dass die schrecklich sind, was fuer einen Einfluss dieses Zeug hat, ist wirklich schlimm, aber viele Leute haben eine und finden Vergnuegen daran. Viele Leute finden allerdings auch Vergnuegen an Heroin.

Magst Du es denn, zu lesen?
Ja, ich mag es, zu lesen. Ich mag Lesen, ich mag Musik zu machen und (ueberlegt kurz) ich mag es, zu trinken, in Bars auszugehen. Es ist billig, hier zu leben, also ist das einfach.

Du lebst in Baltimore, erzaehl’ uns ein wenig davon. Ist es ein ueber seine Historie hinausgehender, interessanter Ort, zu sein?
Fuer eine Stadt ist es ein wirklich merkwuerdiger Ort. Weil der Typus von Leuten, der hier lebt, hier leben muss, weil sie so arm sind. Dann gibt es da noch jene, die hier leben wollen, weil es so langsam ist. Zum Besipiel habe ich einige Freunde, die von Baltimore nach New York gezogen sind, weill sie dort eine ganze Menge an Dingen ausfuehren, viele Menschen treffen und Sachen auf die Reihe kriegen koennen. Dort koennen sie Geschaefte starten; all’ diese Sachen halt.

Die Leute, die sich dann aber dafuer entscheiden, hier zu bleiben, sind die wirklich seltsamen Voegel. Und das ist, glaube ich, eines der besten Dinge an Baltimore. Die Leute, die nicht arm sind und sich dafuer entschieden haben, hier zu leben. Weil du einfach einen Sinn fuer Humor haben musst, um in dieser Stadt zu leben. Und auch eine ziemliche Zen-Perspektive vom Leben, weil hier auch viele schlechte Dinge passieren koennen. Erst vor einem Monat, genau zu dem Zeitpunkt, als sich die OXES fuer eine zweiwoechige Tour und den Auftritt beim SXSW-Festival aufmachen wollten, richtete ein Zehnjaehrige seine Pistole auf mich.

In Deiner Nachbarschaft?
Vor meiner Haustuer. Also, gibt es auch diese Sorte von Sachen. In einem Moment, der wirklich langsam war. Danach war ich mit meinem Mitbewohner zusammen, und wir dachten darueber nach, was passiert war, und spaeter realisierten wir nicht wirklich die Bedeutung dieses Vorfalls. Weil es wirklich eine Ueberraschung war, als dieser Junge seine Pistole zog. Weil er dieses wuetende Kind war und schon so verdorben. Und als er seine Pistole zog, dachte ich, okay, ich werde jetzt aufhoeren, zu ihm zu sprechen. Ich werde jetzt gehen.

TRUST: (lacht)
Weil ich nicht wirklich derart beaenstigt von dieser Pistole war. Weil ich sehr genau wusste, dass er moeglicherweise nicht auf mich schiessen wuerde. Verstehst Du, weil ich weiss, dass viele Kinder hier Waffen haben.

Was wollte er am Ende dann von Dir? Oder war das nur eine Zur-Schau-Stellung?
Ja, das war nur eine Show vor seinen anderen Freunden. Sie fingen an, Schneebaelle nach uns zu werfen und ich fing an, Grimassen zu ziehen, als sie aber immer haerter und haerter feuerten, begab ich mich hinter meine Glastuer, und dann fingen sie an, Flaschen zu schmeissen und ich entschied mich, dieses Spiel nicht laenger mitzumachen und wollte den Platz hinter der Tuer verlassen. Mein Mitbewohner kam dann die Treppe heruntergerannt und fragte, was hier vor sich geht, und ich erzaehlte ihm, dass diese Kids von Schneebaellen zu Flaschen uebergegangen waeren, also oeffneten wir die Tuer und er sagte: „Okay, Jungs, wenn Ihr so weitermacht, muessen wir die Polizei rufen.“ Sobald er die Tuer aber geschlossen hatte, kamen sie wieder nach vorne, um wieder mit den Schneebaellen zu beginnen, und einer der Jungen zog seine Pistole, richtete sie auf uns, fuchtelte damit herum und schrie: „Yeah, yeah, yeah!“, und steckte sie wieder in seine Jacke.

Nun, kommen wir doch nochmal auf Eure Musik zu sprechen. Kuerzlich fiel mir Eure „Half, Half And Half“-7“ in die Haende, mit dieser wunderschoenen Version von „Everlong“ auf der B-Seite. Fuer mich stellte sich diese Aufnahme als ziemlicher Bruch da, zu allem, was ich an Material vorher von Euch gehoert habe. Wie kamt Ihr auf die Idee, einen FOO FIGHTERS-Song, den man als Arena-Rock bezeichnen kann, unter OXES-Bedingungen aufzugreifen?
Ich denke, das war eine der besten Wege, einen Song zu covern und zu spielen, wie wir ansonsten unsere OXES-Songs machen. Als ob wir „Everlong“ geschrieben haetten, und diesen Song so live spielen wuerden. Mit einigen Improvisationen. Ich glaube, es war irgendwo in Frankreich, wo wir spielten, in Lyon, und jemand sagte, dass wir ein ganzes Album mit diesem Song aufnehmen koennten, wenn wir ihn nur jede Nacht anders spielen wuerden.

Kuerzlich habe ich ebenfalls Eure sogenannte Split-Ep mit ARAB ON RADAR-Songs gefunden, die wiederum einen gaenzlich anderen Ansatz darstellt. Wie kam es zu dieser Idee? Seid Ihr Freunde von ARAB ON RADAR?
Ja, wir waren mit ihnen befreundet.

Und nach dieser EP nicht mehr?
Also, sie sind eine Band, die wir wirklich sehr respektierten und wirklich schaetzten, was sie machen. Wir liebten wirklich ihre Musik.

Aber?
Nein, es gibt kein „aber“. Wir moegen ihre Musik wirklich. Und eines Tages entschied ich, dass es eine brilliante Idee waere, eine Platte zu machen, die Songs von uns auf einer Seite hat und Songs, die wir im Stil einer anderen Band schreiben, auf der anderen. Und dann brachten wir das als geschwindelte Platte raus. Als eine Faelschung, wo wir es sind, die beide Seiten bestreiten, eine Seite aber wirklich nur wir sind, anstatt der anderen Band. Und wir erzaehlen niemandem davon. Wir fanden dann auch ein Label, dies mitzumachen, und er mochte die Idee sehr, dieses Label in Montana, dieser Typ namens Josh; er mochte die Idee wirklich. Und dann mussten wir uns entscheiden, eine andere Band zu waehlen.

Wir dachten also an einige andere Bands, die Freunde von uns sind, dachten dann aber, die beste Wahl ware ARAB ON RADAR, weil sie einen derartig anderen Sound, als alle anderen haben, dass selbst wenn es uns gelingen wuerde, Songs zu schreiben, die nur ein wenig nach ARAB ON RADAR klingen wuerden, es vielleicht fuer einige Leute ueberzeugend genug sei, dass es sich wirklich um ARAB ON RADAR handelt. Und wir lagen damit richtig, weil wir diese Songs in vier Stunden schrieben und aufnahmen. Wir gingen einfach nur in unseren Aufnahmeraum, stellten die Mikrophone auf, dachten uns diese Sachen aus, auch die Lyrics und stellten alles in vier Stunden fertig.

Wir schrieben fuenf Songs und nahmen dann drei fuer die Platte. Und als wir dies taten, wurden ARAB ON RADAR wuetend auf uns. Sie dachten, wir wuerden sie verspotten und versuchen, Platten unter ihrem Namen zu verkaufen.

Ach, ploetzlich taeuschten die Jungs vor, ernsthaft zu sein, obwohl sie sich in ihrer Musik doch ausserhalb von allem Sonstigen bewegen.
Sie zu kennen und sie auch live gesehen zu haben, konnte ich ihre Reaktion einfach nicht verstehen. Sie verstanden unsere Platte als Versuch, zu zeigen, dass es einfach waere, ARAB ON RADAR zu sein.

(lacht) Unglaublich. Wie oft hat sich die Platte denn verkauft?
Viel.

Viel? Das glaube ich nicht. 2 Millionen-fach?
(lacht) Nein, nein. Vielleicht 2000 mal. Aber ich denke, dass 500 davon verkauft wurden, weil Leute wirklich dachten, dass hier ARAB ON RADAR spielen. Aber viele davon schickten mir e-mails, um sich fuer eine lustige Platte zu bedanken. Nur wenige Leute hat das veraergert. Die meisten dachten wirklich, dass das eine gute Idee sei.

Das denke ich auch, und in diesem Sinne, vielen Dank, Nat, fuer dieses Interview.

Tom Dreyer

Diskographie:

OXES – „Panda Strong/Kaz Hayashi“ 7“ (`99/Reptilian Records)
OXES – Split-EP mit BIG’N (`99/Box Factory Records)
OXES – Oxes-CD/LP (`00/Monitor Records)
OXES – Oxes/Arab On Radar 10“ (`01/Wantage Records)
OXES – „Half, Half And Half“ 7“ (`02/Monitor Records)
OXES – „Oxxxes“ CD/LP (`02/Monitor Records) in Deutschland ueber CARGO

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