August 28th, 2019

Nels Cline aus #119, 2006

Posted in interview by Jan

Nels Cline

Zuerst hörte ich Nels Cline auf den Solo-Platten von Mike Watt. Ganz unprätentiös spielte er markante Linien mit seinem charakteristischen singenden Ton, schuf harsche Schraffuren, schien beinahe alles zu können. Dann bekam ich durch Zufall zwei Alben seines eigenen Trios und eines mit Thurston Moore. Mehr Facetten wurden hörbar. Mit Moore improvisierte er frei, mit dem Trio ließ er fast nichts aus, was an Jazz aufregend war und sprengte überdies die Grenzen des Genres mit Leichtigkeit.

Der nächste Kontakt waren die Geraldine Fibbers aus Los Angeles, auf die ich stieß, weil Carla Bozulich, ebenfalls auf Mike Watts erstem Solo-Album zu hören, dort sang. Wieder Nels Cline, diesmal in Rock mit ausgeprägtem Country-Einschlag. Danach suchte ich systematischer nach Musik von Cline, stieß auf frühe Jazzrock-Alben, fand ihn auf einer Platte von Wayne Kramer, bei fIREHOSE (wo er mir vorher nicht aufgefallen war, weil sein Beitrag ein 30-sekündiges Solo auf „Mr. Machinery Operator“ war), später dann kam ein Album von Scarnella mit Carla Bozulich, zwischen Improvisation und Songs, ein weiteres mit Schlagzeuger Gregg Bendian, auf dem die beiden „Interstellar Space“ von John Coltrane coverten.

Wenig später hörte ich ihn auf Carla Bozulichs Version des Willie-Nelson-Albums „Red Headed Stranger“. Dann war er auf einmal bei Wilco zu hören und auf der elektrischen Neuinterpretation von „Ascension“ (wieder Coltrane) des Rova Saxophone Quartetts auf dem Album „Orkestrova: Electric Ascension“. Das war zu viel. Zwar sah ich Cline zweimal mit Wilco, aber was mich noch mehr interessierte, waren seine eigenen Projekte. Enter Wels. Für das 19. Unlimited Festival, kuratiert von Larry Ochs (Rova Saxophone Quartet) ebendort war eine Aufführung von „Electric Ascension“ angekündigt, mit Nels Cline, der auch noch in zwei anderen Formationen spielen sollte. Ich ergriff die Chance, sah und hörte ein Wochenende mit aufregender Musik und bat Nels schließlich zum Interview, wobei er sich als einer der uneitelsten und angenehmsten Typen entpuppte, die ich unter Musikern bislang getroffen habe.

Lange hat es gedauert, bis ich dich endlich mal mit deiner eigenen Musik gesehen habe. Wie kam, es überhaupt dazu, dass du jetzt bei Wilco spielst?
Ich traf Jeff Tweedy 1996. Ich spielte bei Geraldine Fibbers und wir eröffneten für Golden Smog, eine Band, die Jeff und Gary Louris und andere machen als ein Nebenprojekt. Gary spielt bei den Jayhawks, Dan (Murphy) von Soul Asylum ist dabei… Geraldine Fibbers mochten Jeff, Carla (die Sängerin der Fibbers) freundete sich mit ihm an. Und sie blieb mit ihm in Kontakt. Und wenn ich in Chicago war, haben wir uns manchmal getroffen und er hat mir Gitarren oder Verstärker geliehen. Er ist ein sehr netter Typ. Dann schließlich spielte ich in einer von Carlas Bands, wo sie ihre eigenen Sachen spielte, vor drei Jahren. Wir spielten mit Wilco und ich traf sie alle wieder.

Ich denke, dass sie über die Zeit, und besonders wegen dieses Gigs, den sie gehört haben, aufmerksam auf mich wurden, zumindest Jeff. Als Leroy Bach die Band verließ, haben sich Jeff und Glenn Kotche (Schlagzeuger bei Wilco) wahrscheinlich gedacht, mich zu fragen. Ich brauchte was neues. Ich war sehr beschäftigt, und ich war pleite. Und es stellte sich als sehr viel mehr Spaß heraus als ich gedacht hatte.
Du hast nicht auf der letzten Platte gespielt, aber bist kurz danach eingestiegen.
Genau, aber wir haben ein Doppel-Live-Album gemacht und dann haben wir angefangen, neue Songs zu schreiben und aufzunehmen.
Bist du jetzt ein volles Bandmitglied in dem Sinne, dass du auch am Songwriting beteiligt bist? Das ich mir interessant vorstellen…
Nun, das hoffe ich. Bis jetzt könnte es schockierend sein, weil alles ziemlich normal ist. Wirklich normal. Wir werden sehen, was passiert, wenn alles gesagt und getan ist, wie man sagt.
Das erste Mal habe ich dich auf Mike Watts „Ballhog Or Tugboat“ gehört. Danach versuchte ich deine Sachen zu kriegen.
Nicht so leicht, nicht wahr?
…dann war ich überrascht über deine alten Platten wie „Angelica“ und „Quartet Music“. Da dachte ich, du hast wahrscheinlich als relativ normaler Jazz-Gitarrist begonnen…
Ich habe als Rock’n’Roll-Gitarrist angefangen. Aber „Angelica“ war als ruhige Platte geplant und es sollten Platten darauf folgen, die zusammen eine Geschichte erzählen sollten. Die hat es nie gegeben, und ich habe dann gleich mit dem ersten Album meines Trios weitergemacht, dem nächsten Album auf Enja Records. Aber ich glaube, dass diese Platten vergriffen sind, zumindest in den USA. Ich sehe sie nie. Ich begann in den späten 60ern…
Wie alt bist du?
Ich bin 49.
Oh! Du siehst jünger aus.
Yeah, i get away with murder, hahaha. Im Ernst. Ich habe einen Zwillingsbruder (Alex), der Schlagzeuger ist, und wir standen sehr auf alle mögliche Rock- und Pop-Musik. Ich hörte die Byrds, die Stones, viel Psychedelic Rock, Love, die Seeds. Später stand ich sehr auf Bluesrock-Bands wie die Allman Brothers, Johnny Winter, ich liebe das erste Free-Album, Humble Pie, all das Zeug. Ich stehe auf frühe Humble Pie, der Gitarrist, Peter Frampton war toll, einer meiner größten Einflüsse.

Er verlor später seine Persönlichkeit an der Gitarre. Buffalo Springfield und so weiter, was alles relevant ist für das Spielen bei Wilco. Ich spiele da Lapsteel (die typische Country-Steelguitar) und was auch immer erforderlich ist. Und Jeff spielt jetzt mehr Leadgitarre, was er gern macht, und ich liebe es, wie er spielt. Er war sehr zurückhaltend vorher, und jetzt fühlt er sich freier, denke ich. Jedenfalls: Als Glamrock kam, verlor ich das Interesse an Rock und interessierte mich für Jazz, vor allem John Coltrane, später fuhren mein Bruder und ich auf AACM ab, den Loftjazz…
Du hast aber in LA gelebt.
Ich lebte da, bin dort geboren, aufgewachsen, mein Vater wurde dort geboren. Es ist eine echte LA-Geschichte. Später hörten wir Progressive Rock und Jazz. Jazzrock elektrischer Jazz und der ganze Free Jazz. So kam es zu meiner verrückten Dichotomie.
Als ich die ersten Lifetime-Platten hörte, erinnerte mich das an dich.
Ich bin sehr davon beeinflusst. Ich habe vor ein paar Monaten übrigens endlich John McLaughlin getroffen, zum ersten Mal. Und ich musste ihm für seine Musik danken und ihm sagen, dass – for better or worse – ich eine Menge seiner Ideen auf der Gitarre gestohlen habe. Und er war sehr nett und sagte: Wir sind alle Diebe. Aber im Ernst, jemand hat mal zu mir gesagt: Ich frage mich, wie du spielen würdest, wenn du nie John McLaughlin gehört hättest. Tja, zu spät… John McLaughlin und Jimi Hendrix haben mich wohl am stärksten beeinflusst. Und Roger McGuinn von den Byrds, Richard Thompson, solche Typen. Neil Young.
Wie kamst du aufs Cover vom Guitar Player?
Keine Ahnung. Ich dachte, es sein ein Witz, ein Streich, als sie mich anriefen. Was mich draufbrachte war Wilco. Aber es stellte sich heraus, dass das nur der Aufhänger war. Denn die Leute beim Guitar Player wussten alles über mich. Aber wenn du jemanden wie mich aufs Cover nehmen willst, müssen die Business-Leute okay sagen, und als sie Wilco aufs Cover nehmen konnten, sagten sie okay. Aber ich denke, langfristig wollen sie auch ab und zu jemanden aufs Cover nehmen, von dem sie denken, dass er mehr Anerkennung verdient, anstatt jemanden, den jeder kennt.

Ich war also Teil eines Experiments, das anscheinend okay ging, denn es gab drei oder vier Leute im Jahr auf dem Cover die weniger bekannt sind. Es war jedenfalls ihre Idee. Ich war ziemlich geschockt. Ich muss zugeben, dass ich mich gefreut habe, denn mein Vater war Guitar-Player-Abonnent. Als das Magazin begann, bekam er es die ersten zwei Jahre, weil er Folkgitarre in der Abendschule lernte. Meine Eltern waren Lehrer. Mein Vater wollte ein paar Akkorde auf der Gitarre lernen. Er besorgte sich also eine Nylon-Saiten-Gitarre. Er ist derjenige, der mir meinen ersten E-Akkord zeigte, hahahaha… Ich habe das Heft in den frühen 70ern viel gelesen. Heute nicht mehr so sehr. Aber es war aufregend und seltsam, hahahaha…
In meinen Kreisen waren solche Magazine immer verrufen. Sowas hat man nicht gelesen.
Der ultimative Grund, dass solche Magazine existieren ist, dass sie Equipment verkaufen. Sie haben so viele Anzeigen, die könnten sonst nicht existieren. Ich sehe aber nichts Falsches an diesen Magazinen. Ich habe nie die Übungen gemacht, aber ich habe die Kolumnen gern gelesen, wo Leute über Studio-Sessions geschrieben haben. Tommy Tedeschos Studioberichte waren toll, er hatte einen extrem trockenen Humor. Ein andermal schrieb John Fahey eine Kolumne, die offensichtlich absichtlich wahnsinnig war, sehr abstrus, Teile davon waren in Deutsch, glaube ich. Sehr bizarr. Ich hab das noch irgendwo. Ich liebe John Fahey, aber es war auch einfach so bizarr. Und da war es – im Guitar Player. Er war schwierig, glaube ich. Wir haben uns später angefreundet, und er war ein wirklich cooler Typ. Ich war sehr traurig als er starb.
Wie bist du an Mike Watt gekommen?
Seltsamerweise war es nicht, weil ich ein riesiger Minutemen-Fan war, was ich war, aber ich hatte damals nie mit ihm gesprochen. Ich habe nur einmal was zu ihnen sagt. Ich spielte mit Charlie Hadens Liberation Music Orchestra, der Westcoast Version. Und wir hatten ein Konzert mit den Minutemen in einem Gitarrenladen in Santa Monica. Und sie mussten wirklich lange auf ihren Soundcheck warten, weil Charlie nicht auftauchte. Wir waren endlos auf der Bühne, während sie warteten. Ich spielte Konzertgitarre und als der Soundcheck vorbei war fragte ich sie: Werdet ihr heute Abend „West Germany“spielen? Und sie schauten mich an wie einen komischen Käfer und dann schauten sich sich an und sagten: Vielleicht.

Sie haben es dann gespielt. Dann, Jahre später, als es fIREHOSE schon eine ganze Weile gab, drifteten Watt und ich in die gleiche Sphäre durch einen gemeinsamen Freund, einen Mann namens David Crouch, der den Rhino-Records-Laden betrieb, wo ich jahrelang gearbeitet hatte. Und auch Thurston Moore war eine Connnection. Wir kannten uns, weil er manchmal in den Laden kam und ich ein großer Fan seiner Musik und der von Sonic Youth war. Später nahmen wir Platten zusammen auf, aber das kam wiederum durch Watt. Er brachte uns zum Spielen zusammen. Ich war ein psychotischer Sonic-Youth-Fan, das muss schon ziemlich lästig gewesen sein.

Als bekannt wurde, dass Mike fIREHOSE auflöste und nach Leuten suchte, um seine Musik zu spielen, schlugen mir David und Thurston vor, ihn anzurufen. Ich wurde auch gefragt, auf dem fIREHOSE-Album „Mr. Machinery Operator“ zu spielen, wo ich ein Solo spiele auf einem Instrumental. Dann fragte ich ihn, ob er den Gefallen erwidern und auf meiner nächsten Single spielen wolle. Der Bassist meines Trios war ausgestiegen, Mark London Sims, wir hatten eine Seite einer Single aufgenommen und ich fragte Mike und er tat es. So begann es. Der Schlagzeuger in meinem Trio, Michael Preussner, spielte nachher mit Watt, das Trio hieß The Crew Of The Flying Saucer, die Band die nach Ballhog auf Tour ging, nach den Sachen, die er mit Eddie Vedder machte.

Er ging mit Eddie Vedder auf Tour, dann holte er die Foo Fighters und verschiedene andere Leute. Wir machten zwei Touren, zwei Schlagzeuger, Gitarre und Bass. Mick Rooney, Preussner, ich und Watt. Wir machten eine Aufnahme mit der Band für eine Rock’n’Roll-Weihnachtsplatte, wo wir „Little Drummer Boy“ spielten. Watt und ich spielen immer noch zusammen in einer Band namens Banyan. Die neue Platte „Live at Perkins Palace“ ist das einzige, was wirklich nach dem klingt, was die Band für eine Zeit war. Stephen (Perkins – Jane’s Addiction) machte eine zweite Platte mit verschiedenen Leuten, wo ich nur auf zwei Songs spiele. Aber die erste Platte war nur Improvisation mit Strawinskys „Rites of Spring“ (für Frankophone: „Le sacre du printemps“) in unseren Kopfhörern. Das mache ich immer noch mit ihm. Er sagte er habe ein paar Ideen für mich. Mal sehen.
Was macht er jetzt?
Du kennst „The Secondman’s Middle Stand“? Er macht noch eine Platte mit dem Schlagzeuger, der mit ihm auf Tour war, ein junger Schlagzeuger aus San Pedro. Und danach weiß ich nicht. Er sagt, er habe eine Platte für die Black Gang, das sind ich und Bob Lee am Schlagzeug. Wir haben eine Single auf Kill Rock Stars gemacht, wo er zu hören ist. Er ist ein toller Schlagzeuger aus LA.
Wann haben die Fibbers sich aufgelöst?
Das war Anfang 1998.
Und warum?
Oh Gott, warum… Im Grunde genommen war es so: Die Band tourte die ganze Zeit und es ging nicht voran. Ich denke, das verursachte Stress zwischen den Bandmitgliedern, vor allem zwischen zweien, die sich nicht verstanden haben. Dann hat uns das Label fallen gelassen und das Management. Es war ein großer Deal, aber wir haben nur wenig verkauft. Als uns das Label fallen ließ, ließ uns auch das Management fallen, und ich denke, das war der Punkt, wo die beiden nicht mehr wollten. Carla wollte noch eine Platte machen mit einer ganz anderen Band und es die Geraldine Fibbers nennen, aber ich habe gesagt: Das kannst du nicht machen. Ich war wie Mike Watt.

Aber ich denke, sie bereut, dass sie das nicht gemacht hat. Sie wollte immer eine Platte machen, wo ich mehr Songs mit ihr schreibe. Aber wir haben eine Platte zusammen gemacht, Scarnella, das ist eine unserer Lieblingsplatten. (Er ist überrascht, dass ich das Album kenne) Wie hast du davon gehört? Niemand kennt das.
Da du all diese unterschiedlichen Sachen machst, Free Jazz, Country, Wilco… Was ist deine Lieblingsform des Ausdrucks?
Oh Mann… Ich muss zugeben, ich mag es sehr, mit meinem Trio, den Nels Cline Singers zu spielen, es ist meine Musik, hahaha. Ich mag es, wenn ich meine eigene Musik spiele. Aber ich habe nicht unbedingt ein Lieblingsding. Heute werde ich improvisieren mit diesem Trio, dass ich gegründet habe, aber nicht führe (ein tolles Trio mit Tom Rainey und Andrea Parkins). Sie sind zwei meiner Lieblingsmusiker und ich liebe es, wie wir zusammenspielen. Ich denke, wenn ich Wilco mache und – ich spiele nicht viel mit Carla dieser Tage – improvisieren kann und meine eigene Musik spielen, bin ich ziemlich glücklich mit allem. Wenn ich nur eine Sache machen würde, wäre das wohl meine eigene Musik, aber ich sehe nicht, dass es jemals möglich sein wird, damit zu überleben. Jetzt tue ich einfach was ich kann.
Was ist mit Europa. Niemand kennt dich anscheinend hier…
Wahrscheinlich, weil ich kaum hier war. Ich kam in den 80ern mit Julius Hemphill und spielte mit ihm, Alex, Stuart Liebig, Bill Frisell und ein paar anderen. Wir machten drei Touren zwischen 1984 und 1986. Danach war ich nur hier mit Mark Isham, ein Trompeter und Filmkomponist aus LA. Deswegen kennt mich niemand hier, weil ich nie hier war. Vor drei Jahren war ich mit den Nels Cline Singers da und wir spielten in Wels und Mulhouse. Ein Jahr später spielten wir in Amsterdam, Italien, so viel wir konnten. Und das Geschäft war wirklich nicht gut. Es war sehr hart. Ich hatte dann einen Agenten hier, und er versuchte uns zu buchen und unsere ganze Tour löste sich in nichts auf. Es gab einen Gig oder so. Er ist ein sehr guter Agent und ich war sehr entmutigt.

Dann kam ich in den letzten beiden Jahren mit Wilco und es lief wirklich gut. Ich denke nicht, dass es irgendeine Schnittmenge zwischen Wilco und dieser Szene gibt, außer dir… Ich mache mir darum keine Sorgen. Ich möchte, wenn möglich, gern öfter rüberkommen, aber jetzt ist das einfach nicht drin, niemand würde zu den Konzerten kommen.
Was macht dich zum „gefährlichsten Gitarristen der Welt“ (ein Journalist schuf dieses brisante Etikett)?
Oh, dieses Zitat… Ein nettes Zitat, aber ich habe keine Ahnung… Ich kann das nicht beantworten. Es ist albern. Aber ich denke, er wollte Aufmerksamkeit erzeugen. Ich denke, es war „Interstellar Space“, das ihn dazu inspirierte. Und für viele Leute, die mich nicht kannten, … Das ist wahrscheinlich die Aufnahme, auf der ich am meisten Gitarre spiele, es ist „balls to the wall“. Darum ging es. Die Platte wurde live aufgenommen. Sie war ein ziemlich politisches Statement, mehr als eine Hommage.

In der Zeit, wo Gregg Bendian und ich das Album gemacht haben, gab es ziemlich viel Revisionismus im Jazz, wo ziemlich viel Free Jazz und so genannter Avantgarde Jazz und Jazzrock aus der Geschichte herausgeschrieben wurden, und wir wollten ein Statement machen. Wir dachten, wir würden eine Menge Ärger kriegen, vor allem, weil es mit elektrischer Gitarre war, aber es lief wirklich gut, die Leuten mochten es und auch Rashied Ali (der Schlagzeuger, der auf der Coltrane-Platte spielt) mochte es. Er sagte dass er es gehört habe und es mochte.
Es könnte dir helfen.
Ich schätze. Ich kenne mich mit diesen Sachen nicht aus. Ich bin furchtbar darin.
Könntest du noch was zu der Orkestrova-Neuinterpretation von „Ascension“ sagen und wie sie sich zu der Version der Brüder Wynton und Branford Marsalis (die den erwähnten Revisionismus in der Jazz-Geschichtsschreibung wesentlich mittragen) von „A Love Supreme“ (wieder Coltrane, Abteilung Klassiker, wenn nicht gar die wichtigste Jazz-Platte aller Zeiten) sagen und dazu, dass es zurzeit eine Rückbesinnung auf diese klassischen Alben gibt?
„Electric Ascension“ ist etwas anders. Ich schätze, die Marsalis-Brüder stehen auf das Original von „Ascension“, aber ich weiß nicht, ob sie diese Version mögen würden. Das ist meine Einschätzung. Ich lege nicht gern anderen Leute Worte in den Mund. Rova haben „Ascension“ schon einmal gemacht, allerdings nicht elektrisch, und es veröffentlicht. Die Idee diesmal war, herauszufinden, ob „Ascension“ noch „Ascension“ ist, wenn man nicht die so genannten traditionellen Jazz-Instrumente benutzt. Ich glaube, ich habe bei allen Aufführungen von der elektrischen Version gespielt.

Letzte Nacht war am meisten Elektronik dabei und es gab zwei Kontrabass-Spieler statt einem elektrischen Bass. Es war verrückt, als sie mich fragten und Fred Frith (Legende! Henry Cow, Art Bears, Skeleton Crew mit Tom Cora, Naked City und etliche Projekte stehen in seinem Lebenslauf) spielte Bass und ich Gitarre. Ich dachte: Was ist falsch an diesem Bild? Denn Fred ist einer meiner Lieblingsgitarristen, ein großer Einfluss. Aber wir hatten viel Spaß. Es ist verrückt für mich, diese Sachen zu machen. Besonders „Interstellar Space“. Mein Bruder und ich spielten eine Live-Version von ein paar Tony-Williams‘-Lifetime-Sachen in LA, und die Aufnahmen scheinen zu zirkulieren, jeder scheint sie zu kennen, aber ich habe sie nie gehört.

Ein Typ aus England rief mich an und wollte wissen, ob er das Zeug im Radio spielen könne. Er dachte, es sei eine reguläre Veröffentlichung. Es ist ein Bootleg. Es ist komisch an diesen Punkt zu kommen. Ich war gleichzeitig in zwei Electric-Miles-Davis-Tribute-Bands mit Henry Kaiser, Wadada Leo Smith und auch Mark Isham. Es war ziemlich seltsam. Ich musste irgendwie damit aufhören. Aber mit Rova ist es ganz anders. Es ist nicht nur ein freies Stück, sondern auch so neu erfunden. Ich denke es spielt direkt in meine Welt. Wenn ich eine Stärke habe, dann ist es, so etwas zu machen.

***

Ich würde da widersprechen. Nels Cline hat eine Menge Stärken. Für den ersten Eindruck lassen sich eine Reihe Stücke auf Nels‘ Homepage herunterladen: www.nelscline.com. Dort gibt es auch eine ausführliche kommentierte Diskographie aller Platten, auf denen Nels zu hören ist.

stone

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