Januar 14th, 2020

MUTINY ON THE BOUNTY (#134, 2009)

Posted in interview by Thorsten

Im November des letzten Jahres kündigte sich eine Band aus Luxemburg an, die ein Konzert spielte, das aus technischem Gitarrengefrickel und wärmenden Post-Hardcoremelodien bestand. In einem anschließenden Gespräch lernte ich den Schlagzeuger Sacha kennen, der mir erklärte, dass die Europatour nur zustande kam, weil die Band Cinemechanica mit einer gemeinsamen Tour einverstanden war. Zusätzlich erfuhr ich, dass die meisten Mitglieder aus unterschiedlichen Ländern stammen, dass nach dem Ausstieg von Dave der ehemalige Bassist der befreundeten Band Treasure Chest At The End Of The Rainbow[R.I.P] Pi (Claudio) in die Band wechselte und dass alle Bandmitglieder Fans von frickelnder Musik sind. Nach diesem Small Talk war mir klar, wenn sich noch einmal eine Gelegenheit bietet, werden Mutiny On The Bounty interviewt. Im Oktober bekam ich meine Chance, denn die Band spielte im Berliner Lokal und nach anfänglichen Interviewproblemen (Soundcheck, zu laute Musik, zu viele Kickergeräusche) verzogen wir uns für circa eine Stunde vor die Tür, um im Beisein von Motorgeräuschen vorbei fahrender Fahrzeuge ein Interview zu führen, das eher zu einem musikalischen Abgleich mutierte.

Wir haben uns vor einem Jahr nach eurem Konzert unterhalten, damals seid ihr mit Cinemechanica getourt und habt eine verdammt gute Show gespielt, die mich begeistert hat. Wobei es dem Sänger von Cinemechanica nicht gut ging und er mit einem Hustenanfall von der Bühne gehen musste.

Pi: Ja, ihm ging es nicht gut, denn er hat sich vorher ein oder zwei Rippen gebrochen und war dann fertig.

Ich kannte die Band vorher nicht und habe die Musik von ihnen erst durch das aktuelle Album „The Martial Arts“ kennen und lieben gelernt.

Sacha: Wenn du die Band jetzt noch einmal siehst, werden sie dir mehr gefallen, weil du die Lieder kennst. Auch wenn das Konzert nicht so gut wird, kannst du mit den Songs etwas anfangen.
Pi: Bei mir ist es meistens umgekehrt. Ich höre die Platte und sage mir „Ja, okay“ und dann begeistert mich die Show viel mehr.

Ja, dass kenn ich auch, aber ich bemerke, dass ich dann einen hohen Anspruch an die Songs habe. Damals habt ihr mir erzählt, dass ihr alle verschiedene Sprachen könnt. Bandintern unterhaltet ihr euch auf Französisch und zusätzlich beherrscht ihr beide die deutsche Sprache.

Sacha: Verschiedene Sprachen lernen wir in Luxemburg von klein auf, denn in meiner Kindheit hat es noch keine luxemburgischen Fernsehsender gegeben. Jetzt gibt es zwei oder drei, aber meistens schau ich nur deutsche, französische oder mal englische Sender. Somit waren wir als Kinder gezwungen eine andere Sprache zu lernen, denn mit Luxemburgisch können wir überhaupt nichts anfangen. Das Land ist so klein, dass du im Zentrum dreißig Kilometer nach oben oder unten gehen kannst, um in einem anderen Land zu sein. Was aber auch seine Vorteile hat.

Ja, ihr habt eine riesige Auswahl an Fernsehprogrammen.

Sacha: [Lacht] Ja, wir haben ungefähr fünfundvierzig…
Pi: …wobei zehn scheiße sind.

Aber ihr könnt Simpsons auf Deutsch und Französisch sehen.

Pi: Simpsons sind definitiv im Original am besten.
Sacha: Ich habe sie auch nur auf Deutsch gesehen und die deutschen Synchronstimmen verinnerlicht. Wenn du dann die französische Synchronisation hörst, klingt es scheiße, wobei es andersrum genauso sein wird. Eine schrecklich nette Familie auf Französisch ist zum Kotzen, aber wenn Franzosen die deutsche Fassung sehen, regen sie sich über die Stimmen auf.

Okay, nun mal zur Sache: Wann habt ihr euch als Mutiny On The Bounty gegründet?

Sacha: Das war im Jahr 2004…
Pi: …im April.
Sacha: Nee, das schreiben wir nur, weil wir es nicht mehr genau wissen. Eigentlich ging es damals los, als sich Nicolas´ Band aufgelöst hat und ich auch keine mehr hatte. Wir haben zufällig musikalisch zueinander gefunden. Obwohl wir uns gut kannten, haben wir nie miteinander Musik gemacht. Meistens saßen wir im Proberaum von „Acen“, eine Band, die es nicht mehr gibt…
Pi: Auch so ein verdammt gutes Mathrockding, das uns sehr beeinflusst hat.
Sacha: Jedenfalls saßen wir bei denen im Proberaum, haben irgendwann zusammen Musik gemacht und den ersten Song auf der ersten Platte [Split mit Treasure Chest At The End Of The Rainbow] auf Anhieb gespielt. Von dem Tag an hat mich Nicolas zehnmal angerufen und gefragt, ob wir wieder proben. Erst wollten wir eine Zweierband gründen, in der wir uns mit Schlagzeug und Gitarre abwechseln, haben aber schnell gemerkt, dass es nicht zu uns passt. Somit haben wir unseren Virtuosen Gerno, der vorher in einer ultratechnischen Metalband gespielt hat, gefragt, ob er nicht Lust hat bei uns zu spielen und aus Zufall hat sich auch der kleine Dave, der einige Jahre jünger ist als wir, angeschlossen, weil er immer bei uns rumsaß und nichts zu tun hatte. Somit waren wir komplett und das blieb für zwei Jahre so.
Pi: Ich denke, in Luxemburg und in den meisten Ländern ist es dasselbe Schema: Eine Band splittet sich, einige Musiker bleiben zusammen, holen sich Leute, die sie gut kennen und den gleichen Musikgeschmack haben und gründen eine neue Band. So lief das auch bei mir mit der Vorgängerband (Treasure Chest) von denen ich komme.
Sacha: Bei uns herrscht eine riesige Inzucht, denn jeder spielt mit jedem. Vorher hatte jeder drei Bands, dann hat es sich etwas gelegt, weil die Bands jetzt mehr machen als nur zu proben, denn sie gehen zum Beispiel auf Tour. Jetzt weiß ich, dass es nicht gut ist, denn wir haben gerade mal zwei Monate zusammen gespielt, haben dann die Split rausgebracht und wegen des vielen Tourens wurde seit drei Jahren nichts mehr veröffentlicht.

Letztes Jahr habt ihr das neue Album für dieses Jahr angekündigt. Ich habe regelmäßig eure Myspaceseite besucht und immer wieder gesehen, dass ihr die Veröffentlichung verschoben habt.

Pi: Das ist mit vielen Faktoren verbunden. Da war die Sache mit dem Wechsel von Dave und mir am Bass und die Touren. Zusätzlich haben wir den Gesang integriert, den ich haben wollte. Zum Anfang sollten es nur ein paar Songs sein und nachher sind es bis auf die Ausnahme von einem [eine Motoradkolonne fährt vorbei] reguläre Elemente unserer Songs geworden. Ebenfalls hatten wir Probleme mit dem Studio, in dem wir unsere Songs aufgenommen haben, denn wir teilen uns das Studio mit anderen Bands, so dass es meistens besetzt ist. Der Besitzer ist ein guter Freund von uns, bei dem ein großer Teil der ambitionierten Luxemburger Bands aufnimmt, so dass wir bis zu zwei Monate warten mussten, bis wir wieder an der Reihe waren. Die fehlenden Aufnahmestrukturen sind ein Problem in Luxemburg. Wir haben zwar gute Studios, aber die sind groß, neu und sehr genreorientiert, so dass wir nicht dahin gehen wollten. Zudem haben wir halt diesen Freund, der sich für unsere Musik interessiert, sich damit auskennt, genau weiß, wie er uns weiter helfen kann und versteht, was wir aus unserer Aufnahme rausholen wollen. Das alles war ein längerer Prozess.
Sacha: Das waren auch viele Sachen, die schlecht organisiert waren, aber wir haben wie immer [er zieht die beiden Worte extra lang] aus all den Sachen etwas gelernt und ich glaube nicht, dass wir uns nochmal in ein Privatstudio setzen wollen. Es läuft eher darauf hinaus, dass wir in ein Studio gehen, wo wir in zwei Wochen alles gezielter aufnehmen können.

Nehmt ihr eure Songs live auf?

Sacha: Nein, wir wollten die Instrumente individuell aufnehmen, um damit arbeiten zu können. Ich persönlich finde es immer noch besser, als live einzuspielen.

Als ich mir auf eurer Myspaceseite den ersten Song mit Gesang [Norton Hears A Who] angehört habe, ist mir die Assoziation zu den früheren Songs von Fall Of Troy gekommen. Diese junge hohe Stimme, die den Gesang langzieht und von Geschrei abgelöst wird, kam mir sofort bekannt vor.

Pi: Ja, wir mögen alle Fall Of Troy, wobei wir mit der letzten Platte nicht viel anfangen konnten.
Sacha: Wir mögen den Gesang, aber es war, wie bei jeder anderen Band, nie der Fall, dass wir so klingen wollten wie sie…

Nein, nein, nein, das wollte ich euch nicht unterstellen!

Sacha: Ja, das weiß ich, aber wir haben das schon öfter gesagt bekommen, weil damals die Bands mit ihrem Wechsel aus Gesang und Geschrei angesagt waren. Unser ehemaliger Bassist hat die Screams produziert, somit haben wir das miteinander verbunden.

Oh man, auf dem neuen Album von Fall Of Troy waren nur drei Songs, die mir gefallen haben. Ich habe mich sehr auf das Album gefreut, da die Band mein persönlicher Einstieg in das Math-Genre war. Hinzu kommt, dass sie aus Musikern besteht, die mit ihrem ersten Album gerade mal achtzehn Jahre alt waren. Erinnert ihr euch an den Song “ F.C.P.S.I…“, einfach der Hammer!

Pi: Ja, aber wenn du auf deiner dritten Platte anfängst Blueselemente mit in deine Musik zu nehmen, dann stimmt etwas nicht. Die Band hat riesiges Potential und…
Sacha: Vor allem der Gitarrist und Sänger [Thomas Erak] ist sehr talentiert, aber ich habe irgendwo gelesen, dass „Manipulator“ eine Experimentierphase war und sie lieber auf die älteren Sachen zurück greifen. Ich persönlich war am Anfang sehr beeindruckt von ihnen, aber es gibt so viele andere Bands, die dasselbe Potential haben, nur in einer anderen Richtung.
Auf eurer Myspaceseite kannte ich vielleicht vierzig Prozent der Bands, die ihr als Einflüsse aufgezählt habt. Unter anderem kannte ich eine Band, deren Platte ich mir mal zufällig in einem Secondhand-Plattenladen gekauft habe: North Of America.

Pi: Uhhh…sehr gute Band.

Ich habe nur das „Brothers, Sisters“- Album und kenne leider nichts anderes von ihnen.

Pi: Uhhhh… du musst unbedingt die ersten Alben hören! Sie haben vier oder fünf andere Sachen davor aufgenommen, inklusive der B-Seiten Veröffentlichungen.
Sacha: Sie hatten auch noch eine andere Band, die sich „The Plan“ nannten, die du dir unbedingt anhören musst. Die haben sich mittlerweile auch schon aufgelöst.
Pi: Dann gibt es noch eine weitere Band, die sich auch schon aufgelöst hat: The Holy Shroud. Die Leute von North Of America sind auch eine Art Kollektiv, in dem wie bei uns jeder mit jedem spielt. Sie kommen immer wieder mit neuen Projekten, ich kann hier nicht von wirklichen Bands reden, weil sie meistens nicht einmal auf Tour gehen. Sie bringen nur Platten heraus, weil das eine Momentaufnahme von einigen Monaten ist. [Wieder fahren einige Motorräder vorbei]
Sacha: Das ist für viele Bands eine große Reverenz. Für mich ist das sehr ehrliche Musik, die viel Scharm und viele interessante Aspekte hat.
Pi: Die Musik ist auch sehr persönlich. North Of America gibt es schon lange und als sie auf ihrer ersten Europatour waren, war ich vierzehn oder fünfzehn und habe mir die Band in Saarbrücken angeschaut, was jetzt zehn Jahre zurück liegt. Für mich sind sie eine Art Pionier, denn heutzutage kennen nicht viele Leute solche Bands, die den ganzen D.I.Y.- Spirit mit sich tragen. Die Bands machen, was ihnen gefällt und ihnen ist es egal, ob es jemanden interessiert oder nicht. Sie wollen nicht davon leben, denn sie machen nur Musik. Ich finde es ehrlicher und Qualität fördernder, wenn du frei machen kannst, was du willst, ohne Druck von irgendwelchen Seiten zu spüren. Deswegen bin ich ein Sympathisant der D.I.Y.-Kultur.

Würdet ihr euch auch als D.I.Y. bezeichnen?

Pi: D.I.Y. schon, solange wir noch alle Zügel in der Hand haben und selber über Dinge entscheiden können…
Sacha: Wir organisieren viel allein, aber ich will nicht alles stur im D.I.Y.-Sinne machen. Wir machen gerne Sachen alleine, weil wir machen können, was wir wollen. Zudem kostet es weniger Geld, aber wenn wir Hilfe angeboten bekommen, wie zum Beispiel von der Bookingagentur „Under The Stars, Me!“, arbeiten wir gerne mit ihnen zusammen.
Pi: Die Agentur macht es ja auch unter derselben Optik.
Sacha: Auch wenn sie es nicht unter derselben Optik machen würde, hätten wir damit kein großes Problem.
Pi: Nein, es muss schon eine Beziehung da sein. Du kommst auch mit anderen Leuten in Kontakt und spielst an anderen Plätzen, weil du den Vorteil hast, das ein Booking dahintersteht, dass ein komplettes Pressebuch von dir hat und das dich auch mit Leidenschaft vertritt.

Nochmal zurück nach Luxemburg: Ihr habt schon erwähnt, dass ihr ein großer Kreis an Musikern seid, inwieweit ist die Szene vernetzt und spielt ihr viel mit euren Freunden zusammen?

Pi: Dadurch das Luxemburg so ein kleines Land ist, triffst du über die Jahre jeden Menschen und irgendwie hat jeder mit jedem etwas zu tun. Wir sind in einem Kollektiv und veranstalten selber Shows und über diesen Weg haben wir viele Leute kennen gelernt.
Sacha: Viele der Bands sind sehr gute Freunde von uns, mit denen wir öfter spielen, viele Sachen teilen und viel Spaß haben. Ich kann behaupten, dass seit einigen Jahren in Sachen Musik viel passiert. Vor allem gibt es nicht nur Bands, die einfach nur existieren, sondern die arbeiten und viel erreichen wollen, auch wenn es nur ums Spielen geht oder um Freude zu haben. Es macht Spaß die Evolution der Musikszene zu beobachten und zu sehen, dass es voran geht.

Ich habe gelesen, dass ihr zusammen mit Russian Circles und These Arms Are Snakes eine Show spielt. These Arms Are Snakes finde ich sehr interessant, da es eine der Nachfolgebands von Kill Sadie ist. Die Mitglieder sind mit der Bandauflösung in viele andere Bands gewechselt.

Pi: Das ist genau dasselbe wie bei North Of America: Viele Leute kennen die Band heute nicht und wissen auch nicht, dass es eine Etappe war, die viele Bands beeinflusst hat. Schaust du aber in Mailorders oder Plattenläden, dann merkst du, dass die Betreiber die Band noch kennen, aber einige kennen sie nicht mehr und dann beginnt die Suche nach den Platten.
Sacha: Aber das hängt auch von den Generationen ab. Ein Arbeitskollege zum Beispiel ist Mitte vierzig, Anfang fünfzig, spielt wie verrückt Bass und kennt zehntausend Bands. Egal was ich ihm vorgespielt habe, es war nie gut, denn es klang immer wie eine Band, die er schon vor dreißig Jahren gehört hat, die ich überhaupt nicht kannte. Er meinte immer [Sacha verstellt seine Stimme], „Ja ja, hör dir mal das an [allgemeines Gelächter], dann weißt du warum die so klingen.“ Ich glaube, es wird immer dasselbe sein, denn es hat keiner das Rad neu erfunden. Irgendwo gab es immer Einflüsse und es wird immer einen geben, der ältere Bands kennt.

Das ist auch eine interessante Entwicklung mit dem „Mathrock/core“-Genre. Ich dachte bis vor einiger Zeit, dass es das Ding sein wird, bis ich endlich mal bemerkt habe, dass die Entwicklung aus dem Jazzrock kommt und die älteste Platte die ich kenne, wo das zitiert wird, ist aus dem Jahr 1996 von Cephalic Carnage [Conforming To Abnormality], wobei ich glaube, dass es bestimmt noch einige frühere Projekte in der Richtung gab.

Sacha: Genau das ist es, denn so etwas gab es schon bei den Sachen von Yes aus den siebziger Jahren.

Was? Wer?

Sacha: Yes? Pi, wie hieß nochmal der größte Hit von der Band?
Pi: Äh… „Owner Of A Loney Heart“.
Sacha fängt an den Refrain zu singen: „Owner Of A Loney Heart“- Acapella auf der Straße. [Den Song spielt die Band nochmal als Zugabe an und verpasst mir einen zweitägigen Ohrwurm, plus einen triftigen Grund, um wieder mal in die Karaoke-Bar zu gehen]

Na klar, kenn ich!

Sacha: Yes waren davor total verrückt, denn sie… ich glaub Mars Volta haben viel Yes gehört. Viel genuddels mit Synthis, verrückten Takten und das haben die schon vor fast vierzig Jahren gemacht. Ich habe meinem Arbeitskollegen lauter Musik vorgespielt und er hat mir Yes empfohlen. Manchmal denkst du, dass eine Band von der oder der Band beeinflusst wurde und dann kommt der Einfluss auf einmal aus dem Salsa oder so.
Pi: Für mich trifft das zu. Ich höre so viele verschiedene Bands, deren Musik ich mir unterbewusst behalte. Beim Songschreiben, registriere ich es kaum, aber wenn ich aktiv zu höre und nicht dabei spiele, dann merke ich die Verbindungen. Dabei hat es nichts damit zu tun, ob die Musik schneller oder der Rhythmus anders ist. Alle Melodien die heute entstehen, hat es schon immer gegeben nur nicht in dieser Form.

Ja, ich denke zurzeit, dass Musik aus Zitaten besteht und ich frage mich, ob es noch eine weitere Entwicklung geben kann.

Sacha: Eine Band kann nicht komplett neu klingen, dafür aber frisch. Ich merke, dass etwas in der Musik einer Band steckt, das eigen ist, aber ich glaube nicht, dass ich jemals etwas hören werde, was ich noch nie gehört habe.

Es passiert mir immer wieder, dass ich von einem Musikgenre schnell gelangweilt bin und würde mir wünschen, dass mich jede Band mit einem neuen Album überrascht, aber das klappt nicht immer und somit wende ich mich anderen Genres zu. Vielleicht war dass der Grund, warum Fall Of Troy mal etwas anderes ausprobieren wollten und deswegen anders klangen.

Pi: Das geht vielen Bands so, aber das ist auch marketing strategisch bedingt. Kommt eine Platte gut an, dann wird diese reproduziert, was ebenfalls gut an kommt. Es gibt eine große Fangemeinde für weniger experimentelle Musik, wie das Metalcoregenre, in dem eine Band die andere reproduziert. Gerade weil es bei den jüngeren Fans ankommt, welche die primären Käufer sind und sich damit identifizieren können. Das gibt es nicht nur im Metalcore, sondern auch in der Retrorockwelle, wie dem Britrock oder weiß ich wo. Daran kommst du auch nicht vorbei, denn seit ein paar Jahren fusionieren Genres, indem zum Beispiel Elektro in härtere Musik mit einfließt, was man vor zehn Jahren noch nicht hatte, da die Technologie noch nicht so weit war. Es muss immer einige Vorreiter geben, die im Endeffekt immer nur Vorreiter sein werden und nicht weiter kommen, aber eine komplette Bahn für Bands öffnen.
Sacha: Nur einige „Pioniere“ haben etwas davon, die gute Idee zum richtigen Zeitpunkt gehabt zu haben. Wenn du auf deine Musik angewiesen bist, dann ist es frustrierend.

Ihr habt mir erzählt, dass einer von euch ein Fan von Cinemechanica ist, gerne mit ihnen Touren wollte und einfach die Band angeschrieben hat und sie zugesagt haben.

Pi: Eigentlich ist nicht nur einer von uns Fan der Band ist, sondern wir alle. Wir suchen immer nach kleineren Bands, weil auch wir Musik schnell langweilig finden, somit müssen wir weiter graben und sind auf kleinere Labels gestoßen und haben Cinemechanica für uns entdeckt. Wir sind eine Zeit lang auf der Musik hängen geblieben, weil…
Sacha: …sie verdammt gut sind.
Pi: Ja und weil wir uns mit ihnen identifizieren können. Musikalisch passen wir gut zusammen, denn es steckt die gleiche Energie drin und die Musik ist verfrickelt und trotzdem nicht die Gleiche. Von der Struktur der Musik und den Arrangements sind wir verschieden, denn unsere Musik hat einen Hang zu Post-Hardcore-Elementen, wie den Anfängen von At The Drive In. Wir machen das nicht bewusst, aber wie gesagt, das steckt mit drin, weil wir die Sachen sehr mögen. Damals war Nicolas ein sehr großer Fan und hat die Band einfach angeschrieben.
Sacha: Wir machen uns grundsätzlich einen Spaß daraus kleine Bands anzuschreiben. Komischerweise hat es oft funktioniert, leider konnten wir nicht immer mit ziehen. Wir versuchen es weiterhin und fragen, wann kommt ihr nach Europa und wann nach Luxemburg. Somit spielen wir demnächst auch mit Maps And Atlases. Eine sehr gute Band, die sehr verschieden ist, da die alten Sachen anders sind, als die neuen. Die Band kommt doch tatsächlich wieder nach Europa und wir spielen demnächst mit ihnen. Leider spielen sie nur einige Shows in Europa, aber wir waren schnell genug, um sie nach Luxemburg zu holen.

Habt ihr so auch Trip Fontaine kennen gelernt? Ihr spielt ja morgen eine Show zusammen.

Sacha: Den Auftritt morgen hat die Bookingagentur organisiert. Sie haben einmal mit uns in Luxemburg gespielt und da haben uns ausnahmsweise Trip Fontaine angeschrieben. Somit haben wir für sie ein Konzert organisiert, sie haben bei uns gepennt und wir haben viel Zeit gehabt mit der Band zu reden. Wir haben uns immer mal gesagt, dass wir miteinander spielen müssen, denn es macht Spaß sie auf der Bühne zu sehen. Wir sind froh morgen mit ihnen zu spielen, weil sie live sehr gut sind.
Pi: Es ist uns schon öfter passiert, dass wir auf Bands treffen, wo wir es nicht vermuten. Es kommt auch vor, dass wir für Bands Konzerte organisieren und dann zu einem späteren Zeitpunkt mit ihnen zusammen spielen. Die Welt ist einfach klein. An den verrücktesten Orten triffst du Leute, die du schon einmal gesehen hast. Heute sind wir ein paar Belgiern begegnet, die bei Shows von uns waren, als wir in Groß Britannien gespielt haben.
Sacha: Aber das macht es auch spannend und das ist die gute Seite. Es macht einfach Spaß gute Bands zu sehen, zu plaudern zu spielen und danach ein Bier zu trinken und weiter zu plaudern.

Habt ihr die Chance mit 31 Knots zu spielen?

Sacha: Wir haben letzte Woche mit ihnen zusammen gespielt und spielen in zwei Wochen wieder mit ihnen in Belgien. 31 Knots haben mittlerweile viermal in Luxemburg gespielt und sind bei uns Stammgäste. [Bekannte der Band kommen vorbei, man begrüßt sich gegenseitig, spricht über die Popkomm und die Schwierigkeiten der Labelsuche]

Ich dachte, ihr bringt heute eure neue Platte mit.

Sacha: Wir haben viele Leute enttäuscht, aber jetzt können wir sagen, dass es endlich kommt. Die musikalische Produktion ist fast fertig und es liegt jetzt bei dem Typen, der das Mastering macht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit und es liegt nicht mehr in unserer Hand.
Pi: Aber es gibt eine Deadline für das Mastering.
Sacha: Aber nicht für die Labels.

Noch mal zurück zu 31 Knots. Wie findet ihr das neue Album?

Sacha: Ich habe nur spärlich reingehört. Um ehrlich zu sein, fehlt mir von der Band der Sound auf den Platten. Sie nehmen sich immer selber auf, was irgendwie gut klingt, aber ich finde, diese Band würde mit einem besseren Sound bei den Leuten ankommen. Wir haben letzte Woche mit ihnen gespielt und den Unterschied von vor zwei Jahren gesehen und ich habe eine riesige Ohrfeige bekommen, denn sie klingen jetzt wieder mal sehr gut. Sie haben aber viele Alben herausgebracht, dass sie jetzt viel weiter sein müssten, als sie es eigentlich sind.
Pi: Sie haben sich schon weiter entwickelt, denn auf der Bühne spielen sie ihre Show wie ein Theaterstück. Alles ist theatralisch, die ganze Inszenierung, einfach alles.
Sacha: Der Bassist ist so in seinem Instrument gefangen, dass er die Leute überhaupt nicht anschaut. Der Sänger verkleidet sich und spricht mit Samples, auf denen sich Frauen unterhalten. Als sie das letzte Mal in Luxemburg spielten, haben wir die Show in einem größeren Venue veranstaltet und da ist der Sänger [Joe Haege] mit seinem Mikrophon und einem Koffer von der Bühne gesprungen und hat sich während des Singens aus- und angezogen. Somit hat er die Zuschauer in die Show miteinbezogen.

Ich freu mich auf das Konzert. 31 Knots sind eine meiner derzeitigen Lieblingsbands und soweit ich es gelesen habe, hat jeder Song auf „Worried Well“ eine kritische und politische Aussage, welche sie mit einer Art Brechtschen Theater vermitteln.

Sacha: Ich habe das Gefühl, dass sich ihre Musik erst langsam entwickelt hat. Zwar waren sie auch vor sechs Jahren super, aber der Aspekt des Kabaretts war weniger vertreten und hat sich immer mehr entwickelt. Sie waren fast jedes Jahr bei uns und es sind immer mehr Leute zu den Shows gekommen.

Ich kenn mit dem neuem Album nur den Vorgänger „The Days And Nights Of Everything Anywhere“ und kann euch zustimmen, dass sie mit dem neuen Album eine Veränderung durchgemacht haben. Auf dem Vorgänger waren auch einige gute Stücke wie „Sanctify“ vorhanden, dass auf dem Rhythmus eines Kinderliedes läuft.

Sacha: Als wir ein wenig mit der Band gesprochen und nachgefragt haben, wie sie das mit dem Touren und Aufnehmen handhaben, hat uns Joe klar zu verstehen gegeben, dass sie zu jeder Zeit genug Lieder haben, um ein neues Album aufzunehmen. Hört man sich nach einem Konzert die Platte an, dann hört man den Unterschied. Meines Erachtens ist das nicht gut, wenn du zehn neue Songs hast, schnell ein Album aufnimmst und dann auf Tour gehst. Erst dann entwickeln sich die Lieder und die Power kommt rein. Wenn sie die Songs live spielen, sind diese kompakter und schneller und das kommt auf den Alben nicht so gut rüber. Ich höre mir die Platten selten an, aber wenn sie auf Tour kommen, geh ich jedes Mal hin und bin begeistert. Wenn sie diese Kraft noch auf Platte hätten, dann hätten sie sicherlich mehr persönlichen Erfolg.

Puh, ich bin soweit durch mit meinem Fragenkatalog. Wir haben uns viel über andere Bands unterhalten, habt ihr noch etwas als Band zusagen?

Pi: Wie gesagt unsere Platte kommt Anfang 2009 auf einem gutem Label heraus und wir arbeiten schon an einigen neuen Sachen.
Sacha: Wir versuchen wieder auf Tour zu kommen. Das hängt davon ab, ob wir die Platte auf einem deutschen Label veröffentlichen können. Es ist schwer in Deutschland Fuß zu fassen, denn es gibt so viele Bands, die Konzerte spielen.

Na ja, ich habe das Gefühl, dass zurzeit Metal/Deathcore schwer angesagt ist.

Sacha: Ja, das muss sich halt verkaufen… Wir wünschen uns, dass wir hier noch mehr spielen können, weil wir oft das Gefühl hatten, dass unsere Musik nicht unbedingt das Ding ist, was Leute anzieht. Trotzdem haben wir viel Spaß und viele Freunde kennen gelernt und das wollen wir intensivieren. Morgen spielen wir das nächste Konzert und da sind wieder viele nette Leute. Uns macht das viel Spaß.

Interview und Fotos: Matthias Lehrack

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