Oktober 30th, 2019

MCLUSKY (#96, 2002)

Posted in interview by Thorsten

Ein kurzer, scharfer Schock

Mclusky geben ohne Umschweife zu, welche Wurzeln ihrer stürmischer Rock hat. Andy, Gitarrist und Sänger des Trios aus dem walisischen Cardiff, zählt ohne lange nachzudenken auf: „Die Pixies sind die Band, auf die wir uns alle einigen konnten. Ansonsten Shellac, Gang Of Four, Hüsker Dü, Fugazi, Jesus Lizard, Jesus & Mary Chain, The Fall, Tricky….“
Das ist bis auf Tricky (der auch sonst nicht so richtig passt) allerdings alles schon ein paar Jahre alt… „Stimmt, aber mir fallen keine aktuellen Bands ein, die wir wirklich mögen“, sagt er nach einigem Nachdenken. „…Trail Of Dead sind ganz gut, At The Drive-In auch. ‚Feel Good Hit Of The Summer‘ von Queens Of The Stone Age ist ein toller Song… aber sonst?!“ Das ganze Gerede um die Rückkehr von Rock geht ihnen entsprechend am Hintern vorbei, auch wenn sie es besser finden, wenn junge Leute die Strokes oder die White Stripes hören, als Limp Bizkit.

The Albini Swing

Steve Albini produzierte das umwerfende zweite Mclusky-Album „Do Dallas“ nach Kenntnisnahme der Songtitel ihres Debüts mit dem in der Tat wundervollen Namen „My pain and sadness is more sad and painful than yours“ (Albinis Titel-Favorit: „When They Come Tell ‚Em No“) nur zu gern. Eine ideale Kombination. 21 Songs nahmen Mclusky bei Albini in neun Tagen auf, die meisten nur ein einziges Mal. 15 davon landeten auf dem Album.
In einer Rezension von „Do Dallas“ stand, ein Bekannter des Autors habe bei den ersten Schlägen auf die Hi-Hat, mit denen das Album eröffnet, erkannt, dass es sich um eine Albini-Produktion handele…

„Wirklich?“, staunt Andy. „Ich weiß nicht. Vielleicht ist er ein größerer Albini-Spezialist, als der Rest von uns. Ich weiß nicht, ob Albini ein besonderes Kennzeichen bei der Hi-Hat hat. Oh, Albinis berühmter Hi-Hat-Sound, hahaha. Ich erkenne seinen Gitarren- und Bassound sofort, aber die Hi-Hat…“

Mclusky live on stage

„Ein kurzer, scharfer Schock“ solle es sein, wenn Mclusky auf der Bühne stehen, meinte die Band am Nachmittag. Der Schock am Abend dauerte eine ungefähre halbe Stunde, eröffnet mit dem grandiosen „Light Sabre Cocksucking Blues“, ohne das Tempo im weiteren Lauf wesentlich zu reduzieren, laut, wirklich laut, die Tribüne in der Kesselhalle im Schlachthof erbebte, ohne ein Gramm theatralisches Pathos, aber auch, ohne die zarten Pop-Facetten, die die Songs bei allem wütenden Drängen haben, völlig zu überrollen.

„Wenn die Leute wirklich schreien, spielen wir auch eine Zugabe“, hatten Mclusky vorher gesagt, und sie ließen sich in der Tat lange bitten, bevor sie für eine Zugabe zurückkamen und die Bühne den unerfreulichen Heyday überließen, für deren larmoyanten Rock sich nur noch ein relativ kleiner Rest des Publikums interessierte. Schöner wäre gewesen, Mclusky in einem kleineren Rahmen zu sehen, als in der nicht mal halb gefüllten Kesselhalle.
Die komische Tour mit Heyday und einer anderen Band, deren Namen ich lieber vergessen habe, war eine der unzähligen Merkwürdigkeiten aus der weiten Welt des Rock’n’Roll. Aber Mclusky spielen jede Show, die sie spielen können. Und das ist gut so.

Die Angst vorm Fliegen

„Von allen Songs des Albums ist der ‚Light Sabre Cocksucking Blues‘ am schwierigsten zu erklären. Es ist eine Übung in Sprache, aber im Grunde geht es um meine Angst vorm Fliegen. Ich weine nicht beim Fliegen, aber es ist nicht die lustigste Sache, die ich mir vorstellen kann, lass es mich so sagen…“

Schlagzeuger Matt ergänzt: „Es ist das Lustigste, was ich mir vorstellen kann. Mit ihm zu fliegen. Je mehr er sich aufregt, desto mehr Spaß habe ich.“
„Das ist wahr. Wenn wir fliegen und es gibt Turbulenzen, sagt er: Das ist doch keine Turbulenz! Ich will mehr! Und er versucht das Flugzeug in Bewegung zu schaukeln.“
„Fliegen ist ziemlich langweilig heutzutage…“
Auf Transkontinentalflügen gibt es immerhin freie Drinks.
„Stimmt, das ist toll“, stimmt mir Matt zu.
Andy trinkt nicht gern auf Flügen. „Als wir aus Amerika zurückkamen, lebte ich in einer Welt von Gin-Geruch. Ich versuchte zu schlafen und alles, was ich roch war Gin. Die Rhythm-Section trinkt am liebsten Gin. Ich bevorzuge Vodka, der riecht nicht so stark wie Gin.“
Matt: „Ich glaube nicht, dass Gin riecht.“
Andy: „Du merkst es nicht mehr.“
Matt: „Ich finde, dass Gin ein recht romantischer Drink ist. Wenn ein Mädchen Gin riecht, wird sie das ziemlich anziehend finden.“

Ich bin skeptisch und lege ihm „African Queen“ mit Bogart ans Herz, bei dem eine Jahresproduktion Gordon’s in einen afrikanischen Fluss fließt. Dann entgleitet das Gespräch mählich. Herrliches Mucke-Gelaber, ein Humor, der sich erahnen lässt, wenn man sich ihre Titel anschaut, aber das müsstet ihr selbst mal ausprobieren. Hingehen, anschauen!
(stone)

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