November 14th, 2019

KRIEGSHÖG aus #139, 2009

Posted in interview by Jan

Interview mit KRIEGSHÖG (Tokio, Japan)

Hey, normalerweise sind wir vom Trust ja die Leute, die die Hypes lostreten (ha ha), aber im Falle KRIEGSHÖG ist dem Maximum RocknRoll Fanzine in seiner Dezember Ausgabe 2008 nur zuzustimmen: Die EP „Hardcore Hell“ der japanischen Band KRIEGSHÖG ist einfach mehr krass, mehr geil, mehr wahnsinnig, mehr HC… als vieles andere und zu Recht eine der Topplatten des Jahres 2008. Heartfirst Records aus München presste die Single nach und über Flo vom Label entstand (danke!) dann der Kontakt zu Kriegshög-Sänger Masaki, der die Fragen von mir und Matze aus dem fernen Tokyo (relativ gemächlich) schlussendlich im September 2009 beantwortete. Die Band verfügt über keine Internet- und myspace-Seite, ich glaube, das ist in Japan voll das Protestding. Anyway, bitte die Band sofort nach Europa einfliegen!!!

Jan (J): Hi Masaki, schon mal Danke im voraus für deine Antworten. Lass uns mal mit einigen kurzen Fragen und kurzen Antworten zum aufwärmen beginnen…
Matze (M): Kennst du irgendwelche Mythen, Legenden oder Fakten über Sakevi Yokoyama von GISM? Wir wollen Gerüchte hören!
Hi Jan und Matze, zuerst einmal sorry für die Verspätung mit den Antworten. Also, die Frage ist zum aufwärmen viel zu schwer… Ich habe Sakevi Yokoyama einmal getroffen, dass muss 5 oder 6 Jahre her sein, wir haben die Hände geschüttelt und er war sehr freundlich. Das ist alles, was ich sagen kann.
J: Deine Lieblingsbands mit 15 Jahren, was sind sie heute?
Hmh, das ist eine harte Frage. Damals lebte ich in den USA. Mit 14 oder 15 ging ich für einen Urlaub zurück nach Japan. Dort begann meine Einführung in die japanische Hardcore-Punk-Szene. Ich sah Bands wie Tomorrow, Order und begann, Warhead, Forward etc. zu hören. Die meisten dieser Bands spielen immer noch harten Punk und sie sind immer noch jetzt meine Favoriten. Ich weiß nicht, ob Buumbklaat immer noch spielen, aber sie waren ein großer Einfluss auf mich, als ich 14 war. Sie waren auch eine der ersten HC-Punkbands, die ich den USA sah. Heutzutage höre ich auch noch Metal.
M: Wie kamst Du an Informationen über westliche HC/Punks Bands ran? Gibt es eine Art Sprachbarriere, z.B. wenn du nach 80er Jahre HC aus Italien suchst?
Wie gesagt, ich lebte in den Staaten, deshalb kamen japanische Punkbands in meiner Punksozialisation erst später. Ja, die von dir angesprochene Barriere gibt es in Bezug auf Bands, die keine Texte in englischer oder japanischer Sprache haben.
M: Gibt es The Gerogerigegege eigentlich noch, vielleicht kennst du hier auch ein paar Gerüchte?
Ich hab nicht viel über sie gehört.
J: Warum sind deutsche Bands wie die Scorpions und die Donots so populär in Japan?
Keine Ahnung, ich vermute, weil sie gut sind.
J: AC/DC oder KISS?
Not for me.
J: Ok, genug aufgewärmt, lass uns über die mächtigen Kriegshög sprechen. Für die Leser, die Kriegshög nicht kennen… Ist es korrekt, dass eure Musik von Discharge mit einem Gruß zu Mötorhead beeinflusst ist? Und der politische Einfluss ist von Crass?
Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Aber wir hören all die erwähnten Bands und wir lieben sie. Mit dem politischen Einfluss, ich weiß nicht, wir sind nicht so streng, aber unsere Texte sind schon über war, greed and bastards.
M: Kannst du uns einen kleinen Überblick geben: wer spielt bei Kriegshög, wie hießen euere eventuellen vorhergehenden Bands?
Nuclear Winter: Nenji (also plays in UNARM), Agent Orange: Tera, Ausgebombt: Shingo, Sodomy and Lust: Masaki.
J: Ihr kommt alle aus Tokyo, oder? Ich denke, dass Tokyo neben Los Angeles eine der Mega-Städte in der „ersten Welt“ ist, die man nirgendwo anders findet: Beide Städte sind riesig, so breit ausgefächert wie Riesen-Städte der „zweiten“ und „dritten Welt“, z.B. Mexiko City oder afrikanische Hauptstädte. Ok, ich weiß es bei Tokyo jetzt nicht genau, ich war noch nie dort, aber halt zweimal in Los Angeles…
Yeah, Tokyo ist riesig. So viele Züge, so viele Menschen, so viele Sachen passieren… und es ist teuer, überhaupt zu atmen. Vielleicht ist ein Besuch witzig, aber nach einem Monat bist du kaputt.
J: Neben Merzbow, Melt Banana und Boris sind Kriegshög eine der wenigen japanischen Bands im Trust. Kennst und magst du die erwähnten Bands?
Aber sicher, wer nicht? Es ist eine Ehre, mit ihnen erwähnt zu werden.
M: Wie kam es dazu, dass Flo von Heartfirst Records ausgerechnet Euch und Eure Single für eine europäische Wiederveröffentlichung ausgewählt hat? Ich würde sagen, dass es da noch mehr Bands und 7″s gäbe, die rasend schnell ausverkauft waren und eines Rereleases würdig wären, Zyanose, D-Clone fallen mir spontan neben anderen ein. Denkst Du, es liegt an diesem MRR Single of the Year Ding? Wie kam der Kontakt zustande, ist da irgendeine spezielle Geschichte hinter dieser Verbindung?
Ich habe damals ab und zu beim japanischen DOLL Fanzine mitgeschrieben und hatte Flo bzw. Heartfirst interviewt. Er war wirklich nett und wir wurden gute Freunde. Und tatsächlich war er es, der mir riet, ein „s“ zwischen das „krieg“ und „hog“ zu packen, damit es in deutscher Grammatik mehr Sinn macht. Somit begann der Kontakt mit Flo schon recht früh und als er letztes Jahr in Japan war, sah er uns live und mochte sehr, was er sah.

Das war mehrere Monate nachdem unsere erste 7″ auf Hardcore Hell rauskam und wir hätten nie erwartet, dass sie so schnell ausverkauft gewesen wäre. Wir hielten Ausschau nach einem Label für eine Wiederveröffentlichung und da war Flo. Heartfirst war für mich nicht einfach ein gewöhnliches Label für ein Rerelease, sondern war und ist sehr besonders für mich und wir wollten die europäische Version speziell machen, also machten wir ein anderes Layout und packten einen Bonustrack dazu. Das Ergebnis war super! Die Songs sind dieselben wie von der ersten Pressung, aber wir sehen diese europäische Pressung als eigenständiges Release, verstehst Du was ich meine?
M: Wie wichtig sind Live Auftritte für Kriegshög? Wie ist denn allgemein die Situation in Japan für Konzerte? Spielt Ihr vorwiegend in Bars, Clubs oder gar in Discos? Wie sind die Bedingungen dort zu spielen, bekommt Ihr Geld oder ist womöglich pay-to-play die Regel?
Live Shows sind am allerwichtigsten. Jedes einzelne Konzert ist anders und es gibt nur wenige, mit denen wir 100% zufrieden sind. Ich weiß nichts über die Situation in Europa, aber die Lage hier ist sehr unterschiedlich im Gegensatz zu den USA. Wir spielen meist in Clubs, aber diese sind sehr teuer, wenn man sie eine ganze Nacht mietet. Selbst wenn mehr als 100 Zahlende kommen, ist es dem, der das Konzert macht, kaum möglich, den Bands etwas Geld auszuzahlen.

Na ja, es kommt darauf an, wo man spielt, wenn Du ein Konzert in einem Proberaum / Studio organisierst, kostet es nicht so viel, aber es kommen auch nicht so viele Leute. Immerhin sind die Soundanlagen in diesen professionellen Clubs sehr gut, besonders in den Punkclubs, deshalb bevorzugen die Bands dort zu spielen.
J: Wir hatten in unserer April/Mai Ausgabe einen Tourreport Japan der deutschen Band NOW DENIAL, die haben mit Euch gespielt dort, erinnerst Du dich an das Konzert?
Ja sicher erinnere ich mich, wir spielten mit denen. Ich erinnere mich nicht an deren Namen, aber die waren super!
M: Gibt es vage Pläne, irgendwann mal in Europa zu spielen? Ist es schwierig hier rüberzukommen, vielleicht weil Ihr nicht genug Urlaub am Stück bekommt oder ähnliches?
Wir haben noch keine genauen Pläne bisher, aber ja, wir würden wahnsinnig gerne in Europa touren. Und Du hast recht, es ist schwierig zu touren, ich arbeite Vollzeit, die anderen Bandmitglieder auch und einer von uns hat Familie. Es ist in der Tat schwer, Urlaub am Stück zu bekommen, überhaupt haben wir sehr wenige freie Tage neben den Samstagen und Sonntagen. Ihr Europäer könnt so etwa einen Monat im Sommer freinehmen, richtig? Ich hasse Euch alle.
M: Ich wundere mich oft, warum 7″s wie Eure nur in so kleinen Auflagen gepresst werden. Die verdienen meist viel größere Aufmerksamkeit und können oft die Nachfrage gar nicht bedienen. Wenn 500 gepresst werden, ist es wirklich recht schwierig, außerhalb Japans an eine Single ranzukommen. Was denkst Du über das Punkcredo, so viele zu pressen und breit zu vertrieben, dass auch ein Punk in, sagen wir, Osteuropa ohne großen Aufwand an ein Exemplar bei einem lokalen Distro rankommt?
Ich weiß, was Du meinst, aber auf der anderen Seite musst Du verstehen, dass kleine Independent Punklabels nicht genug Geld haben für große Auflagen. Zum Beispiel Hardcore Survives, das ist ein kleines neues Label, das unser Freund SO macht, er hat die Hardcore Hell 7″ rausgebracht. Wir hätten nie erwartet, dass so viele Leute Interesse an unserem Krach haben, also dachten wir 500 wären genug und das war das Maximum, was SO finanziell stemmen konnte. Ein anderer Faktor ist, dass es sehr teuer ist, eine Platte in Japan zu veröffentlichen.

Direkt in Japan zu pressen ist sehr teuer und selbst wenn man irgendwo anders presst, hat man immer noch die Kosten des Versands hierher. Also kostet am Ende jede Single 7$, während man 7″s in den USA für 3$ bekommen kann. Dieser Preisunterschied macht es für japanische Labels sehr schwierig, die Platten zu tauschen und ihre Releases in Übersee zu vertreiben. Ich weiß nicht, ob es Labels gibt, die absichtlich kleine Auflagen pressen. Ich bin total dagegen, Platten vorsätzlich rar zu machen und würde nie wollen, dass meine Band rar ist.
M: Wie aufgesplittert ist die Szene in Japan oder halten alle zusammen? Kommen die Streetpunks, Crusten, Thrashers und Oi-Skins zu den gleichen Konzerten oder bleibt jeder für sich?
Es ist jetzt nicht aufgesplittert, aber ich denke, jede der erwähnten Musikrichtungen hat ihre eigene Szene. Aber mir kommt es so vor, dass sich alles mehr mischt, alte legendäre Bands spielen mit jungen Bands, wobei Genres und Alter gemischt werden, was ich super finde.
M: Kannst du uns Labels und Bands heutzutage empfehlen? Was denkst du über HG:Fact oder MCR? Sind das overground Labels und keine underground Labels mehr?
Ich bin nicht ganz sicher, was die Definitionen von overground Labels und underground Labels sind, deshalb weiß ich auch nicht, wie man HG:Fact und MCR bezeichnen kann. Aber diese zwei Labels sind immer noch sehr DIY und veröffentlichen konstant sehr gute Bands, sogar schon bevor ich überhaupt mit Punk hören anfing. Ich denke, diese 2 Labels sind die bedeutendsten in der Geschichte des japanischen Punk.
J: Ihr habt kein myspace, keine Homepage, gibt es dafür einen bestimmten Grund?
Es ist einfach so, dass wir denken, dass das Medium Internet nicht unser Weg ist, durch den wir uns ausdrücken wollen. Wir drücken uns durch unsere Platten und live Konzerte aus. Wenn du wissen willst, wann und wo wir spielen, komm zu den Konzerten und nimm dir Flyer mit. Ist das nicht der Punkweg? Or are we hard minded?
J: Lass uns ein bisschen über Japan im Allgemeinen reden. Ich weiß, es ist ein europäisches Klischee, so von wegen „Die Japaner sind immer sehr höflich und respektvoll“. Ist das immer noch so oder mehr ein Relikt alter Zeiten? Gibt’s das auch in der Punkszene, das die Leute alten oder so called wichtigen Punks sehr starken Respekt zollen?
Wir zollen den alten Punks ja nicht Respekt, weil sie alt sind, sondern denen, die was gemacht haben, der Musik, die sie in der Vergangenheit gemacht haben. Höflich zu sein ist ein Hauptbestandteil einer smarten Kommunikationsweise, mit der man sich viel Ärger ersparen kann. Die echte japanische Mentalität ist eine Mentalität, die sehr viel Wert auf „Respecting Harmony“ legt.
J: Wo wir schon bei Klischees und Vorruteilen sind… was für Vorurteile über Japan stimmen eigentlich? Die Leute arbeiten sich zu Tode, Stichwort „Karoshi“?
(Anmerkung wikipedia: „Als Karoshi – japanisch für Über-Arbeiten-Tod = Tod durch Überarbeiten – bezeichnet man in Japan einen plötzlichen berufsbezogenen Tod. Todesursache ist meist ein durch Stress ausgelöster Herzinfarkt oder Schlaganfall“)

Irgendwie stimmt es, ja, es sterben Leute, weil sie zu viel arbeiten.
Gibt es wirklich die Automaten, wo man gebrauchte Schulmädchen-Slips bzw. Unterwäsche kaufen kann?
Das ist falsch, solche Automaten gibt es nicht.
Japanische Bands wie Balzac können nix eigenes kreieren, aber sie können perfekt vorhandenes imitieren?
Ist was Wahres dran, weil es sehr viele Imitierungen gibt, aber manche fügen dieser ihre eigene Essenz hinzu.
J: Welche Vorurteile haben Japaner denn gegenüber USA und Europa? Denkst du, einige sind wahr?
Big, stupid and your arm pit smells. Haha.
J: Kennst du diesen Flim (Titel vergessen, eine amerikanische Komödie), wo ein Ami einer asiatischen Frau sagt „Hey, for us Americans you all look the same“ und sie dann antwortet „Funny that you mentioned it cause for us, you also look all the same”. Diese Stelle im Film finde ich echt klasse, ich weiß gar nicht warum, vielleicht so die Richtung „man lernt von anderen nur durch Kommunikation“ oder so.
Ok, ich verstehe, was du meinst, aber sorry, ich kenne den Film nicht.
J: Hast du noch Grüße an die Leser?
Thanx for reading punx. Play loud AND DIE!!!!!

Interview: Matze (M), Jan (J)
Kontakt: möglich über Heartfirst Records, heartfirst.net

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