November 30th, 2016

Kolumnen (#63, 04-1997)

Posted in kolumne by Jan

Vielleicht kann sich noch jemand erinnern das ich in einer Kolumne vor einiger Zeit geschrieben habe, das die „Beschäftigung“ des Menschen das A und O im Leben eines jeden ist. Ich meinte damit natürlich nicht stumpfe „Lohnarbeit“ sondern interessante Tätigkeiten, das kann auch Arbeit sein – leider nur in den wenigsten Fällen – oder eben eine andere Aufgabe, vom Kinder kriegen bis zum Briefmarkensammeln ist da alles drin.

Nun gut, natürlich glaube ich das immer noch, nixtun ist tödlich. Da hat es mich natürlich besonders gefreut als ich in einem bekannten deutschen Nachrichtenmagazin die Ergebnise einer Studie fand. Der Glücksforscher (was es alles gibt!) M. Czikszentmihalyi hat seine Versuchsteilnehmer zuerst gefragt wo sie am glücklichsten seien – natürlich antworteten die meisten sie seien in der Freizeit am glücklichsten. In seinem Versuch forderte er die Probanden einige Wochen lang per Piepsignal auf ihre momentane Befindlichkeit zu notieren. Und was kam dabei raus? „Momente der Erfüllung und Bestätigung stellen sich bei der Arbeit eher ein als in der hochgeschätzten Freizeit – die entpuppte sich als eine Quelle von Streß und Langeweile.“ Dazu brauch ich keine Glücksforscher – haha.

Ansonsten freue ich mich schon sehr auf das Mitarbeitertreffen diesen Monat in Karlsruhe – nicht das ich mir da jetzt großartige „Änderungen“ erwarte, die sind gar nicht nötig – aber es ist einfach schön über 20 Leute aus der ganzen Republik zusammenzuhaben. (Remember: am 19.4. spielen dann Abends im Karlsruher Substage [ex Subway] Dawnbreed, Make Up und K.N. Frick legt Platten auf – da können natürlich alle kommen). Einige Leute mehr werden dann zu dem 5. Trust-Abend im August in Köln kommen, merkt euch also den 16.8. schon mal vor. An diesem Abend spielen in der Kantine: Kick Joneses, NRA, Dackelblut & But Alive – wer nicht mehr reinkommt muss draussen bleiben – logisch oder? In jedem Fall freue ich mich jetzt schon auf das Konzert. Wir werden das natürlich auch noch ein paarmal ankündigen damit es auch niemand vergisst.

Ernährt euch vernünftig und genießt das Leben – mit all der Scheiße die dazugehört!

(dolf)

Europe, urban area, 10:45 CET. Ich lebe in einer sehr modernen Welt, denke ich, Manchmal eher zu modern. Meine Nachbarn hier im Haus tun das nicht im selben Maß… Was mein‘ ich eigentlich mit „modern“. Einerseits, daß ich es in meinem Alter immer noch nicht geschafft habe, einen festen Job zu kriegen, weswegen ich mich auch ganz besonders flexibel fühle und so richtig als Vertreter einer kommenden ökonomischen Generation. Zum anderen, daß ich, wenigstens subjektiv, einen extremen Freiheitsgrad erworben habe, tun und lassen kann, was ich will, in keine festen Strukturen eingebunden bin etc. Das ist nicht unbedingt allein fürs späte zwanzigste Jahrhundert typisch, aber ich halte es für zukunftsorientiert – auch die Fähigkeit, damit umzugehen, ohne die, zumindest empfundene äußere, materielle und ideelle Sicherheit. Und natürlich die weltweite Vernetzung, das darf nicht fehlen. Tatsächlich gehört das Internet mit seinen verschiedenen Anwendungen seit letztem Dezember fest zu meinem Leben. „Wir hier“ vom Trust haben ’ne Menge Spaß mit unseren Diskussionen via E-Mail. Schnell und billig. Für Punks geradezu ideal, nicht?

11:40 CET. Weiter – nach diversen Telefonaten, nein, kein Netz, das mach‘ ich nachts, da ist es noch schneller und billiger. Eine schnellebige Zeit, was? Wird sie jemals schnell genug sein? Ist es nicht tröstlich, zu wissen, daß Albert Einstein, unser aller heimlicher Traum-Opa, gezeigt hat, daß die Zeit umso langsamer vergeht, je schneller man sich bewegt. Da man geläufigerweise solche Sätze umdrehen kann, würde ebenfalls gelten: je schneller die Zeit vergeht, desto langsamer bewegt man sich. Hm. Vom Computer zum Kühlschrank zum Klo zum Computer. Soll das die Zukunft sein?

Zur Gegenwart jedenfalls zwei Randbemerkungen: Da stand ich doch neulich an der Tankstellenkasse, mein rastlos rasender Reporterblick irrt umher und fällt auf die Zeitschriften Ecke, wo meinem Unterbewußtsein eine typografische Ungereimtheit auffällt. Das nähere Hinsehen zeigt dann, daß es sich um die aktuelle Titelseite des Porn-Magazins „Hustler“ handelt, auf dem die mäßig bekleidete Strandschönheit ihre Lockenpracht so weit nach oben reckt, daß sie Teile des Schriftzugs bzw eineinhalb Buchstaben davon verdeckt. Schwupps, wird aus „Hustler“ ein deutlich lesbares „Hitler“. Klasse, wa? Da tun sich Abgründe auf! Wahre Interpretationsorgien bieten sich an! Die andere Nebenbemerkung für today ist der schlechteste Film meines Lebens, neulich auf Video gesehen, weil der Titel so ansprechend klang: „Surf Nazis Must Die!“.

Unfaßbar grottenschlecht! Unmotivierte, lustlose Schauspieler, ein Drehbuch, wie es jeder Trustleser innerhalb von einer Sekunde erfinden kann, ein sterbenslangweiliger Heimkey-boardsoundtrack, in der Summe so schlecht, daß es schon wieder schlecht ist. Vergleichbar höchstens mit den Nachrichtenkabelsendungen auf Augsburg TV. Der Bodensatz von zehntausend Jahren urbaner Zivilisation. Letztendlich richtet mich sowas doch immer wieder auf, weil ich dann weiß, daß es Leute gibt, die viel blöder sind als ich. Und trotzdem überleben. Womit wir beim Kernpunkt angelangt wären. Trust, das Fachmagazin für postmoderne Überlebenstechniken. Was gibt’s da zu grinsen, Hasso?

(fritz)

Heute ist so ein prima Scheißtag, wo man nicht viel geregelt bekommt und sich dafür noch mehr Vorwürfe macht… heute ist Rosenmontag. Vorhin habe ich sogar mal die Glotze angeworfen und mir 10 Minuten Karneval am Rhein angeschaut… man muß immer wissen, was man hasst, und das bedarf manchmal einer Auffrischung. Und wenn wir schon bei Scheiße sind, heute mal ein wenig zum Thema `Liveplatten’. Grund dafür ist, daß mir in einigen Katalogen von Mailordern die Cheapoangebote zur Your Choice Live Series aufgefallen sind, so Marke `Kauf’ die ersten 68 Lps für 19,80 (zusammen)’ (Natürlich übertrieben, was soll’s). Gehen wir mal von dieser Serie weg – um später noch einmal auf sie zurückzukommen. Prinzipiell halte ich neben 2/3 aller anderen Platten Liveplatten für ein vollkommen überflüssiges Produkt des `Platten-Rausbring-Wahns’, und auch wenn ich viele besitze, höre ich sie sowieso nie. Mit ausgewählten Ausnahmen.

Der Sound ist immer scheiße, und selbst, wenn z.B. ein DAT über die Anlage gezogen wurde, fällt einem zuhause auf, daß der Sound auf Konzerten auch meist scheiße ist, was aber bei dem Konzert als solchen nicht stört. Es gibt immer noch etwas Heiliges, wenn dann eine Band sich einstöpselt, ein einzigartiges Ereignis. So habe ich Konzerte immer gesehen und tue es auch heute noch so. Das Erlebnis – ein Zusammenspiel aus Musik, Bandgebärden, Publikum und evtl. Erinnerungen an das ein oder andere Lied – ist immer wieder unterschiedlich, auch nach all’ den Jahren. Man vergleicht hier und da und letztendlich ist das alles fast so cool wie surfen. Der Versuch, dies alles nach Hause zu transportieren kann in dieser Form nicht klappen.

Und selbst, wenn man es audiovisuell beleuchtet: Ein Video von der Hüsker Dü `New day rising’ Tour, welches ich irgendwo neulich gebraucht gekauft habe, bringt allein durch den Kauf die Erinnerung: Beim Anschauen dann, naja, was machen die beiden Fettsäcke da, warum klingt das wie unser Staubsauger, warum bewegen die sich nicht…. das war doch damals alles anders (Blödsinn natürlich, aber was ist schon so Verwerfliches daran zu finden, die Vergangenheit mit einer rosa Brille zu sehen? Ist doch mein Hinterkopf!). Wenn dann Video-Athleten ein Konzert mit 26 Kameras filmen, erinnert das leider an gar nichts mehr außer an MTV.

Aber die Live LP. Kein bißchen. Da fällt mir so pi mal Daumen ein, wie die Jungs vom Flex! damals netterweise darauf hinwiesen, daß die Misfits Live LP zwar qualitativ deutlich über allen Live – boots anzusiedeln ist, aber immer noch nur super-eingefleischten Fans überhaupt was bringt: ca. 0.1-0.2 cm in der Sammlung, weil komplett unanhörbares Gebratze. Das bringt mich auf einen weiteren Meilenstein der Live-LP-Verarsche: Die Agent Orange, die die Band aus Vertragsgründen noch bei Enigma veröffentlichen mußte, aber selber die fiesesten Zuschauerjubeleien mitreingemixt hat: Das Ding kannste nicht anhören.

Manchmal muß man sich eine Livescheibe kaufen, weil es sonst nichts mehr von einer guten Band zu holen gibt. Kein Kommentar. Manchmal feiern sich Clubs mit Livesamplern. Auch so `ne Sache. Ist ja `ne coole Sache für’n Club, wenn es ein so gutes Programm hatte, aber ernsthaft: Die Dinger sind sowas von uninteressant, und selbst wenn es ein semi-legendärer Ort ist (ein paar aus Hamburg fallen mir ein, oder einer in Holland…. Visionen beschissener Psychobillysampler aus London…. ). Wenn es ein fairer Cub ist, und die somit sich feieren wollen, o.k., nix dagegen, aber anhören? Genauso unsinnig sind die Bonustracks auf Cds gegenüber Lps, oder auf Eps… kommen nicht gerade Social Distortion auf Tour? Großmeister der sinnlosen Live-Version.

Jaja, die Your choice Series. Da will ich ja sagen, daß ich das Konzept klasse finde, so eben lang-fristig diverse Projekte zu unterstützen, daher auch tolle, meist integre Brands gewählt wurden, aber selbst wenn Du jetzt schreiend vor mir stehst, um mir zu erklären, daß da eine ganz phantastsiche Aufnahme dabei ist: Gehört habe zumindest ich sie nicht.

Die Liveaufnahme hat nur selten – so gut wie nie – einen Charme, der die regulären Platten aussticht. Da fällt mir ehrlich gesagt nur die Ramones It’s alive ein, die die Quintessenz der Band (merke `onetwothreefour’) halbwegs unterhaltsam präsentiert und alle Studio Lps der Band um Längen schlägt.

Andere Sache: Wenn eine Band Tracks im Studio live aufnimmt, ist das nicht nur für sie ein günstiger Weg, ihre Musik zu verbreiten (wenn’s nur nich alle täten, gähn), oftmals finden sich hier schöne Beispiele, wie Musiker `ZUSAMMEN’ spielen, was schon Vorteile bieten kann – gegeüber `und jetzt noch mal der Baß’ zum 21. Mal in 3 Stunden. Also ein semi-o.k. für `Live im Studio’.

Den Rest braucht wirklich keiner.

(daniel)

ITS A BEAUTIFUL WORLD WE LIVE IN……….

Es ist schon komisch, wie einem das Leben anders vorkommt, wenn man erst die magische Grenze des 30. Geburtstages überschritten hat. Vorher ist man ein wilder Twen, ohne sich in irgendeinerweise bewußt zu sein, was das eigentlich ist, und auf einmal ist das vorbei. Na und??, denkt man sich, ist doch nur ein weiterer blöder Geburtstag, was ja auch -objektiv betrachtet- stimmt. Wenn da nicht aus heiteren Himmel das käme, was einige als Sinneskrise, Mid-Life-Crisis, oder wie auch immer, bezeichnen würden. Da kommen einem aus heiterem Himmel so bekloppte Gedanken wie: „Warum schreibe ich eigentlich für ein Fanzine?“, oder „Warum habe ich noch nicht geheiratet?“ oder noch schlimmer „Warum habe ich noch keinen Job, der es mir ermöglicht, einen 3er BMW anzuzahlen?“.

Schrecklich was? Alle, die dieses komische Alter noch nicht erreicht haben, werden sich in keiner Weise vorstellen können, wovon ich gerade rede, aber denen kann ich nur sagen, daß ich mir vor einem Jahr auch noch nicht vorstellen konnte, daß ich dieser typischen Klischeevorstellungen erliege, aber das kommt noch! Die, die mein Alter erreicht haben und sich immer noch mit so etwas kindlichen wie einem Fanzine beschäftigen, sprich dies hier lesen, denen kann ich nur wünschen, daß sie ihre zweite Lebenskrise mit 50 auch so gut überstehen. Männer machen diesen Mist nämlich zweimal in ihrem Leben durch, dafür erspart uns die Natur die Wechseljahre. Die Frage an sich ist einfach die, was fange ich mit meinem Leben an?

Vor der großen 30 ist es ja völlig egal, weil es zum Teil recht cool ist Student, Arbeitsloser, Punk, Betrunkener, Fanzineschreiber, Plattensammler etc. zu sein, seinen Eltern auf der Tasche zu liegen und sich mit Aushilfsjobs durchzuschlagen. Und jeder, der denkt, man sollte sich schon mit 18 den ersten Bausparvertrag zulegen, liest gerade das falsche Magazin. Darum geht es mir auch nicht, es geht mir um die Konsequenz, die man aus diesem entweder natürlichen oder gesellschaftlichen Phänomen zieht. Kann ich noch als „alter“ Mann Punk hören, kann ich noch für das Trust schreiben, kann ich noch mit Menschen, die 10 oder sogar 15 Jahre jünger als ich sind, auf einem Konzert pogen? Es gibt nur eine Antwort, und die ist: Ja!!! Aber dieses Ja hat größere Auswirkungen, als auf den ersten Blick erscheint. Da wäre die leidliche Frage nach dem Beruf. Darf man als „Punk over 30“ einen halbwegs gutbezahlten Job haben?

Verdammt noch mal ja! Gibt es welche, die so viel Spaß machen, daß man ihn die nächsten 40 Jahre ausüben will? Ich hab zwar im Moment keinen solchen, aber ich werde mein blödes Studium einfach beenden und mir dann einen suchen. Wer das jetzt spiesig findet der kann mich mal kreuzweise, schreibt mir einen bösen Leserbrief. Das wichtige im Bewältigen dieses Phämomens ist nämlich, daß man es schafft, aus der Lethargie der Jugend auszubrechen, es aber auch schafft, sich ein gehöriges Maß an Kindlichkeit zu bewahren. Also zum einen muß die leidergottes vorhandene Notwendigkeit, für seinen Lebensunterhalt die nächsten Dekaden arbeiten gehen zu müssen, akzeptiert werden, zum anderen aber muß ich persönlich festzustellen, daß das nicht heißt, das ich aufhören muß beim nächsten Steakknife-Konzert wie ein Geistesgestörter abzufahren.

Also geht arbeiten und hört trotzdem DEVO….ciao

(al)

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0