November 22nd, 2016

Kolumnen (#62, 02-1997)

Posted in kolumne by Jan

Ich hab‘ das Leben gesehen…das neue Jahr, ich glotz‘ raus, seh‘ nur Schnee und die ganzen Böller von vor 3 Tagen bzw. deren Überreste, denke mir, Bierstatt Böller, und stelle fest, daß die Zeit mit diesem Wetter und den ekelhaft kurzen Tagesstunden prädestiniert ist, ein wenig nachzudenken.

Jetzt bin ich ja denkfaul noch und nöcher, aber um mich rum verschiebt sich so viel, so viele Leute, die ihre kleine Last mit sich herumtragen, die ganze Beziehungsscheiße, die finanziellen Nöte, das Älterwerden oder meinentwegen auch die Drogenkacke… alle scheinen das ganze Jahr diesen Kram untern Teppich zu kehren und im Winter macht’s Bumm! und die Brühe kommt raus. Verschimmelt und eklig stinkend. Und man selbst muß – weil man bei der Scheiße einfach nicht mitmachen will – daher wieder von vorne bis hinten alles mögliche richten, nur weil die Leute sich selbst nicht arrangieren können.

Alle verlangen Professionalität gekoppelt mit ‚grundauf solidarischer Fairness‘ und sind selbst zu blöde, irgendwas zu regeln. Und wenn’s nur der Solifladenbrotverkauf ist. Naja. Letztes Jahr habe ich mich hingesetzt und gedacht – welches waren DIE PLATTEN, die es eben für mich im Laufe des Jahre gebracht haben. Nun gut, dieses Jahr ist das nicht einfach. Pauschal würde ich sagen: ‚Gar keine.‘ aber so schlimm war es dann doch auch nicht.

Wer gerne Poppunk hört, kam dieses Jahr an der Descendents Reunion LP nicht vorbei, genausowenig wie an der Oblivion ‚Shoot me a Waco‘. Ist die letzte Boxhamsters nicht dieses Jahr erschienen? Pflichtprogramm. Überhaupt hatte ich das Gefühl, daß es alles ein wenig aufwärts geht. Die 1100 Leute neulich in Bremen bei oben genannten plus Dackelblut und EA 80 waren schon cool. Beim Krach fiel mir die Slug Doppel LP ‚The three man themes‘ auf, auch wenn das neben musikalischen auch persönliche Gründe haben mag. Lustig fand‘ ich das viele alte Heroen aus’m Noise-Lager auf Metalpfaden wandern oder einfach ein Metalpublikum suchen (was viel schlimmer ist, aber wohl eher die Miete bezahlt).

Der Industrie sind endlich alle Rezepte ausgegangen, da wollen selbst die Technoschlümpfe nicht mehr reißen, die echten Kerls, wie Martin sagen würde, taugen auch nichts mehr, überall ist alternative und so was ei-gentlich der Mainstream und der Rubel rollt einfach besser. Obwohl, was rede ich, ich glaube so ist es zumindest, aber dafür interessiert habe ich mich nicht. Habe neulich ein Spex im Bahnhof durchgeblättert. Kennt jemand diese Bands? …und hältst das Steuer…. Genau! Surf habe ich viel gehört, wie immer, und die Phantom Surfers sind Götter und das Beste überhaupt. Auch sehr schön ist dubbed reggae, aber davon habe ich leider keine Ahnung. Im Rock, im klassichen Rock, na gut, Rocket ftc gibt’s seit ewig, aber ihr ‚Durchbruch‘ bescherte uns immerhin einige denkwürdige Konzerte. Eigentlich sind ja auch Auslandsaufenthalte immer dazu prädestiniert, neue Mucke zu glotzen & zu hören. Nullnummer.

Habe ich oben nicht geschrieben, daß ich das Gefühl hätte, alles würde besser werden? Schwachsinn. Die bittere Idiotenscheiße beim Fanzinetreffen hat sich fortgesetzt: Carsten, Andi, Frank & Co. vom Blurr werden es nicht mehr druchführen, da eine Veranstaltung bei ihnen im Geschwister Scholl Haus im Rahmen eines Samplerprogrammes mit so viel Wixern verbunden war, daß – ohne hier in Details aufzugehen – die Jungs keinen Bock mehr haben und das kann man ihnen nicht Übelnehmen. Das ist sehr schade, aber dann trinken wir halt hinter verschlossenen Türen! Prognosen für 97? Wir gehen alle wie immer zu Fugazi und NoMeansNo, rocken mit Steakknife und den Boxhamsters, denn viel Neues wird nich kommen. …mitten im Ozean spielst du mit dem Feuer….und ein Nachtrag zur Auflösung von Jawbreaker: Waren Blake und Adam (vox + drms) die super alten Freunde und Chris (bs) stand immer außen vor, endete der Spaß mit einer Schlägerei zwischen erstgenannten. Und Chris hatte wohl dann auch keinen Bock mehr, weil er schon lange auf der Abschußliste stand….letztes Lowlight dann Blake zu Adam, daß er gerne wieder Musik machen würde, aber nie mehr mit ihm. Schade, huh, aber stand ja schon vor Monaten bei uns in den News.

(daniel)

Neulich höre ich einen großen bayerischen Radiosender, natürlich nicht freiwillig. Bringen die doch glatt einen Beitrag gegen Cola! Und was für einen – da hab ich mich schon gefreut und dachte mir die Welt ist vielleicht doch nicht so schlecht. In dem Beitrag sagte dann eine Sprecherin von der „Ärztlichen Praxis“ das immer mehr Kinder wegen Osteoporose (Knochenschwund) behandelt werden müssen. Ursache hierfür wären die vielen Softdrinks – insbesondere Cola – die dem Körper Kalzium entziehen. Dann erzählt sie noch von einem elfjährigen der sich überwiegend von Gebäck und Cola ernährt hatte – bei dem brachen die Knochen schon bei geringsten Anlässen. Klasse dachte ich mir, jede/r noch so dumme Mutter, Vater, Erziehungsberechtigte im allgemeinen der/die diese Info hören MUSS seinem Kind in Zukunft verbieten Cola zu trinken.

Das viel Zucker drin ist war ja allgemein bekannt, aber das es auch noch die Knochen zerstört – naja, auf jeden Fall haben sie das dann zur besten Sendezeit auf diesem …3 Sender gebracht. Mit einem guten Gefühl verlies ich den Ort der Radioausstrahlung – um dann am nächsten Tag gleich in der Scheiss-Augsburger-Allgemeinen-Zeitung den Glauben an das bisschen Gute zu verlieren das ich am Tag zuvor gewonnen hatte. Vornweg, die Zeitung ist so ziemlich das letzte, inkompetent, konservativ – nein, besser rückständig (konservativ kann ja im günstigsten Fall auch positiv sein), provinziell und unprofessionell. Außerdem sind sie gegen die legalisierung von weichen Drogen (so nach dem Motto: „Heute der Joint, morgen die Spritze“), deshalb werden auch noch so kleine „Erfolge“ der Staatsmacht immer ausführlich gefeatured. Gerne erinnere ich mich an eine Geschichte vom letzten Jahr: Die Grünen ernten im Umland 3-4 große Pflanzen ab, also nichts besonderes. Was schreibt die AZ? „Cannabis Plantage in Wulfertshausen“ zur Erinnerung – „Plantage“ = ‚auf Lohnarbeitserfassung basierender landwirtschaftlicher Großbetrieb in tropischen Ländern‘ – wißt ihr was ich meine?

Aber ich bin vom Thema abgekommen, einen Tag nach der klasse Cola-Meldung im Radio springt mich dann folgende Überschrift in der AZ an: „Kinder müssen auf ihr geliebtes Cola-Getränk nicht verzichten“ da meldet sich dann so eine Sprecherin der DGE (Deutschen Gesellschaft zur Ernährung) zu Wort und meint das es keinen Grund gibt Kindern den Genuss von Cola generell zu verbieten – wichtig sei vielmehr auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, also Kalzium und Phospate. Kalzium ist in Molkereiprodukten enthalten und Phospat in Wurst, Schinken und Schokolade. JAAAAAA! Das steht da – also, ganz einfach, ersäuft die Kinder in Cola, und rettet sie dann anschließend mit gesunder Schokolade und Wurst. Das muß man sich mal vorstellen, sowas kann heutzutage gesagt und gedruckt werden – also mit dieser DGE, da wird es das deutsche Volk bestimmt weit bringen und das ist gut so! Das deutsche Volk frisst sich tot! Aber keine Angst eine ausgewogene Mischkost aus Schokolade, Wurst und Cola mit ein bisschen Milch und alles ist gesundheitlich unbedenklich. Das dazu. Der Fairness halber muss ich sagen das die AZ so schlecht auch nicht ist, die meisten Agenturmeldungen kann man als Info lesen und welche Tageszeitung ist gleichzeitig auch noch eine Satireblatt?

Noch was in ganz eigener Sache – liebe MitarbeiterInnen. Unsere nächste Zusammenkunft zwecks Gespräch und Gesauf ist am 19. April in Karlsruhe. Am Abend feiern wir dann wieder im Substage (ex-Subway, siehe News) mit den ästhetisch und musikalisch sehr beeindruckenden MAKE UP aus Dc – da können dann natürlich alle hin (ja auch du!) und die Trust-Schreiberlinge kennenlernen und untern Tisch saufen (good luck). Wie immer muß ich hier natürlich wieder loswerden das es jetzt mit der Kälte reicht, los Frühling komm und Sommer auch gleich dazu. Ich will warm!

(dolf)

Freunde, Römer, Mitbürger – oder noch besser, nach dem berühmt gewordenen Zitat eines unserer frühen Bundespräsidenten : „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger!“ Das hat er ernst gemeit, der Gute, und ich mein’s auch ernst. Deadly serious. Meine favourite Zeitverschwendung ist seit diversem der Rechen-knecht, auch als Computer bekannt. Ich dachte mir vor ein paar Jahren: „Du mußt das alles lernen, das ist die Zukunft!“ So, und natürlich hielt mich meine die-hard-punk-attitude weit weit von Satan Gates und seinen Lakaien, so daß mein first choice ein teenage Atari war, der wiederum auf Dauer zu klein wurde. Ein einzelnes Megabyte Arbeitsspeicher und keine Festplatte sondern reine Diskettenoperation – nun, das läßt so ein Gerät definitiv veralten. Und die alte Personalcomputer -Aufrüstungslüge kann man, genauso wie alle anderen Aufrüstungslügen. getrost vom Tisch wischen.

Es lohnt sich nicht. Mit einer moderneren, gebrauchten Kiste it man besser dran. Das heißt zB. in der Anwendung, daß ich meine Reviews, Interviews und Kolumnen nicht mehr wie früher maschinenschreiben oder ausdrucken und unter realem Benzinverbrauch in die Trust-Redaktion bringen (oder schicken) muß, sondern alles für 12 Pfennige via E-Mail versende. Ohne die Ressourcen unseres Heimatplanten mehr als irgend nötig zu belasten. Das halte ich für einen echten Fortschritt… jetzt muß ich den Faden wieder aufnehmen, weil ich durch ein konventionelles, analoges und verbales Telefongespräch mit Dolf unterbrochen wurde – auch wenn es sich um ebensolche Themen drehte. Natürlich, da sind wir uns einig, ist das Internet im Moment noch eine riesengroße Spielerei, die, von wenigen ernsthaften wissenschaftlichen Datenbankwürmern mal abgesehen, nur dazu dient, noch mehr PC’s zu verkaufen. Und es ist fraglich, ob sich dieses Kommunikationsmittel jemals zum vorherrschenden entwickelt, ob es zB das Fax verdrängt und ob in dreißig Jahren niemand mehr ohne mobilen Netz-Palmtop oder gleich Net-Wrist aus dem Haus geht.

Es ist aber bei allem schon soweit, daß sich unsere Regierungen bereits ernsthafte Gedanken über eine Internetsteuer machen. Auch wenn diese im Moment weder machbar noch wirtschaftlich sinnvoll wäre, gehen doch bereits immer mehr Steuerbeträge verloren, weil Daten eben, wie bei Beispiel oben, nicht mehr materiell transportiert werden, sondern so gut wie kosten- und umsatzfrei über’s Netz geschickt werden. Hurra, keine Mark für’s Schweinesystem, mag sich mancher sagen – das Problem ist nur, daß die Entwicklung eine sinkende Besteuereung von Konzernumsätzen und damit zwangsläufig höhere der immer knapper werdenden Arbeitsplätze mit sich bringt. Klar? Höhere Krankenkassenbeiträge, niedrigere Bafögsätze, komplett undurchsichtige internationale Finanztransaktionen. Die letzteren haben in jüngster Vergangenheit ja bereits Größenordnungen angenommen, die – bei einem kleineren Mißgeschick – tatsächlich Staatshaushalte von mittleren Nationen in den Bankrott drücken können.

Und nachdem die Entwicklung nicht gebremst wird, sind in Bälde alle Staatswesen gefährdet. Hm, zur Rettung der Ozonschicht sind mittlerweile, beinahe zu spät, erste halbherzige Schritte unternommen worden. Möglicherweise kommt es einmal auch zu Aktionen zur Wiederherstellung des Welt-Finanzgleichgewichtes oder zur Herstellung von Datengerechtigkeit. Sicher aber ist, daß durch die totale Computerisierung weiter Wirtschaftswachsteum bei gleichzeitigem Arbeitsplatzschwund bewirkt wird. Liebe Leser, bitte vergeßt jede Vorstellung davon, jemals „einen Job“ zu kriegen. D.I.Y. – or die. Jetzt erzähl‘ ich noch eine lustige Anekdote aus dem virtuellen Spiegelkabinett: Ich interessiere mich seit längerem für Computerspiele. Weniger die Baller-, Autorennen-, Abenteuer-Ritter-und Rätsel-Spiele, sondern für möglichst komplexe Wirtschafts- und Gesellschaftssimulationen.

Eins davon, ein knallhartes Kapitalistenschweineteil, lädt seine Addicts in der Schlußseite ein, doch ihren Senf auf die Firmen-homepage zu laden. Das mach‘ ich dann natürlich, mit dem Ergebnis, daß man eingeladen wird, sein Foto für das Nachfolger spiel einzuscannen und -schicken, so daß dieses Portait mit einhundert anderen als Konterfei für einen Cyber-Industriekapitän dient. Und jeder, der dann dieses Spiel als aktuelle Lieblingsdroge wählt, kann dann mit deinem Konterfei Märkte erobern und Konkurrenten in den Ruin treiben. Und das alles nur über Draht und ohne irgendjemand anderen auch nur telefonisch kennengelernt zu haben. Rein virtuell. Ist das nicht Klasse? Nenn‘ es schräg, bizarr oder krank, das ist das kommende Zeitalter, und wehe, du nimmst es nicht mit Humor. Ach ja, unser alter Hasso hat sich jetzt digitalisieren lassen und schläft nachts in meiner Festplatte. Letzte Nacht hat er, sicherlich ganz unschuldig im Schlaf, meine Vinylkolumne zerkaut, deswegen ist sie unleserlich und wird erst im nächsten Heft erscheinen. Mahlzeit.

(fritz)

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