April 11th, 2019

JORDIN ISIP (#71, 1998)

Posted in interview by Thorsten

über jordin isip zu schreiben ist eigentlich nicht der richtige weg sich mit ihm auseinander zusetzen. denn die bilder des new yorkers sprechen im grunde für sich selbst. ohne es zu wissen, werden viele von euch das ein oder andere mal schon auf einer jordin isip ausstellung gewesen sein. nämlich all die tausend male in denen ihr in guten plattenläden gestöbert habt. die liste der bands, deren cover er gestaltet hat ist nicht gerade klein. aber um nun doch noch ein paar dinge über diesen menschen zu erfahren hier ein kleines interview.

wie alt bist du, und wie lange bist du schon künstlerisch aktiv?

ich bin 30 jahre alt. ich habe kunst an der ‚rhode island school of design‘ studiert und 1990 dort meinen abschluß gemacht. ich komme aus einer künstler familie. mein großvater war maler und illustrator, mein vater ist ein industrie-designer und meine mutter ist schmuck-designerin.

kannst du dich noch an alle bands erinnern deren cover du illustriert hast?

ich denke schon. bad trip, threadbare, mind over matter, voice of reason, resolution, ui, god is my co-pilot, relapse, temperance, equality, process und eine 7″ compilation mit long island hc bands (krakdown, in your face, bustin‘ out, just nice).

wie bist du überhaupt dazu gekommen cover art work und illustrationen für underground bands zu machen? hat dich diese szene irgendwie angezogen oder warst du selbst in der lokalen hardcore-szene aktiv?

bad trip waren sehr gute freunde von mir. wir sind zusammen in queens in der selben gegend aufgewachsen. wir standen alle auf hc. sie meinten ich solle ein paar t-shirts und die positively bad e.p. für sie designen. das war so um 1988-89. ich war 12 jahre alt, als ich das erste mal mit punk rock in berührung kam. ich stand total drauf. die sex pistols, ramones, clash, stiff little fingers und jam waren damals meine lieblingsbands. und die dead kennedys natürlich auch. du weißt ja wie das ist. ich ging zu den örtlichen punk shows, später zu den hardcore shows. ich fing an flyer, platten cover und shirts zu gestalten. das war meine art mich auszudrücken und teil der szene zu sein.

würdest du dich als underground künstler bezeichnen? ich meine, einige bands, für die du cover gemalt hast, kommen aus der hc szene. auf der anderen seite zählen time magazine, sony music, atlantic records, um nur ein paar zu nennen, zu deinen kunden.

nun, ich nenne mich gar nichts. underground art, ist das eine ästhetische beurteilung oder bezieht es sich darauf für wen ich gearbeitet habe? was, wenn ich beides getan habe? (und dem ist so) bedeutet dies, daß das eine das andere ausschließt, ich entweder dies oder das bin? ich bin ein illustrator, ein maler, ein künstler, ein kommerzieller künstler. ich belaste mich nicht mit- und kümmere mich auch nicht um die einschränkungen einer kategorisierung meiner arbeit.

in der glücklichen lage zu sein, von dem was man über alles liebt auch noch leben zu können, muß eine tolle sache sein. wie sieht also dein normaler tag aus? stehst du erst so gegen 2 uhr nachmittags auf und machst nächtelang party? oder gehst du nebenher noch einem anderen job nach und führst ein ganz normales leben, wie jede/r andere auch?

ja, dies ist mein traumjob. im wesentlichen lebe ich von meiner malerei und zeichnerei. es gibt keinen boß, keine hatz zum arbeitsplatz und keine anzüge, die getragen werden müssen. in gewisser art und weise ist es wie nicht zu arbeiten. manchmal denke ich eines morgens aufzuwachen, und all das wird vorbei sein. was das aufstehen angeht, ich bin kein wirklicher langschläfer. meinen wecker brauche ich eigentlich nie zu stellen. jeder tag verläuft anders und das ist einfach toll. es gibt keine täglich gleichen abläufe an die ich mich halten muß.

brooklyn hat bei uns den ruf einer sehr gefährlichen und gewalttätigen gegend. soweit ich mit deinen arbeiten vertraut bin reflektieren sie alle etwas düsteres und negatives. würdest du sagen, daß der fakt, in brooklyn zu leben, einen starken einfluß auf deine arbeit hat?

ich denke in new york zu leben und aufgewachsen zu sein hat einen sehr großen einfluß auf meine arbeit. der schmutz und ruß, die hektik, der krach, die millionen unterschiedlicher menschen, die kriminalität und all das. aber es ist nicht alles düster und negativ, es gibt hier genau so viele schöne dinge. es ist dieses zusammengepfercht sein von gut und böse auf engem raum. wo ich in brooklyn lebe ist es nicht so gewalttätig. brooklyn ist sehr groß und wie vielerorts gibt es gute und weniger gute gegenden. brooklyn = gewalttätigkeit ist eine verallgemeinerung die vor allem durch die lokale rap und hardcore musik bestärkt wird. ich will ihnen ja nicht die realitäts bezogenheit ihrer musik absprechen. denn diese arten von musik haben seit jeher das soziale leben reflektiert. aber wie gesagt, gibt es gute und schlechte gegenden in einer großstadt.

welche dinge im leben bewegen dich zu neuen illustrationen? ist deine arbeit politisch motiviert oder reflektiert sie persönliche probleme und ängste? wirst du vielleicht sogar von einigen bands beeinflußt?

ich denke, daß du hier die frage schon beantwortet hast. die dinge, die mich motivieren neue illustrationen zu zeichnen, oder einfach nur für mich selbst zu arbeiten, wenn ich mal gerade keine auftragsarbeiten habe, sind für gewöhnlich politisch oder sozialer natur. aber auch persönliche probleme, situationen, ängste und triumphe. es ist wie eine therapie für mich. es gibt mir die möglichkeit mich von den dingen zu befreien, die sich in mir aufgestaut haben.

wie ist für gewöhnlich das prozedere wenn eine band ihr albumcover von dir gestalten haben möchte? hörst du dir erst einmal die musik an und entscheidest dann ob du den auftrag annimmst? oder ist die message und die musik der bands nicht wichtig für deine entscheidung, ob du für sie arbeitest oder eben auch nicht?

wenn mich eine band bittet ihr albumcover zu gestalten, lasse ich mir vorher die musik und die texte schicken. und das aus zweierlei gründen. zum ersten möchte ich sicher sein, daß ich mit ihrer message leben kann. z.b. wollte vor ein paar jahren eine plattenfirma ein paar meiner bilder für eine ihrer neuen bands benutzen. ich bat sie mir eine pressemappe, musik und den ganzen kram zu schicken. es stellte sich heraus, daß es sich um eine christliche rockband handelte, die eine menge anti-choice benefits gespielt hat. sehr konservativ. obwohl mir der job gut und gerne 3000 bis 5000 dollar gebracht hätte, habe ich postwendend abgelehnt. ich hätte nie und nimmer ihre weltanschauung unterstützen können, no fucking way. die aussage meiner bilder wäre untergraben und ad absurdum geführt worden. natürlich haben all die hc, punk, independent bands, für die ich etwas gemacht habe nicht so viel geld. ich frage sie, was sie sich leisten können, und was immer das sein mag, es ist ok für mich. alles was ich verlange sind ein paar exemplare der platten und künstlerische freiheit. der zweite grund weshalb ich nach den texten und der musik frage ist der, daß ich mich von ihnen inspirieren lasse.

deine einmalige verwendung von farben und textfragmenten hat diesen typischen ‚jordin isip style‘ geschaffen. ist dieser farbe/text stil durch andere künstlerInnen beeinflußt worden, oder hast du ihn im laufe der jahre völlig selbständig entwickelt?

obwohl ich natürlich von sehr vielen anderen künstlern und kunstformen beeinflußt wurde, denke ich, daß die bilder die ich schaffe einfach nur jordin isip sind. es sind nicht nur die farben und die textfragmente. es ist auch die iconography, die symbole meines visuellen vokabulars die zu diesem typischen stil beitragen. es ist ein stil der sich entwickelt hat und sich auch hoffentlich in der zukunft weiter entwickeln wird. zu kunst, die ich sehr schätze gehören unter anderem: max beckmann, deutscher expressionissmus, surrealismus, afrikanische mexikanische asiatische masken kunst, kunst geisteskranker, kinderkunst, osteuropäische animation, selbsterlernte- und folk art, ben shahn, mexikanische murealisten, romare bearden, picasso, dubuffet, guston, golub, sue coe, hannah hoch, john heartfield, georg grosz, giacometti, basquiat, winston smith, jamie reid… diese aufzählung könnte noch endlos weiter gehen.

hast du eigentlich totale künstlerische freiheit wenn du an einer illustration eines magazin artikels arbeitest? oder kommen diese leute schon mit einer klaren vorstellung vom endprodukt zu dir? gewisse einschränkungen mußt du bei magazin illustrationen doch aber auf jeden fall in kauf nehmen, oder? macht dir diese arbeit wirklich spaß oder ist es ein mehr oder weniger harter job, der dein tägliches brot sichert?

im illustrations business ist das mit der künstlerischen freiheit sehr unterschiedlich. bei allen bands, für die ich gearbeitet habe, hatte ich selbstredend diese freiheit. das ist auch der grund weshalb ich nie ein platten cover für ein major label gemacht habe. das waren immer independent label. du hast ja schon bemerkt, daß ich sony und atlantic records auf meiner kunden liste stehen habe. ist auch absolut richtig. aber bei atlantic records war es eine anzeigengestaltung für das ’south by southwest‘ festival. die haben eine zeichnung benutzt, die noch aus meiner schulzeit stammt. und sony beauftragte mich ein bild für die verpackung eines geschenkes zu malen, welches alle ihre künstler erhielten. die öffentlichkeit hat das niemals zu gesicht bekommen. der ablauf bei der magazin illustration ist wie folgt. sie schicken mir den artikel oder die geschichte. ich mache dann 2-3 skizzen, die mein grobes konzept darlegen. aus diesen skizzen sucht das magazin dann eine aus. eine einschränkung besteht sicher darin, daß ich manchmal dinge illustriere, deren inhalt mich eigentlich überhaupt nicht interessiert. aber es macht auch spaß das alltägliche in ein interessantes bild zu transformieren. häufig finde ich die themen der artikel aber sehr interessant. und dann ist es fast so, als würde ich für mich selbst arbeiten. ich nehme nie jobs an, bei denen der art director schon ganz klare vorstellungen von dem hat, was ich zeichnen soll. für mich ist die hälfte einer kreation bereits die idee dazu. eines der magazine, für die ich am liebsten arbeite, heißt ‚the progressive‘. es ist ein politisches magazin. deren art director ist großartig. er schickt mir nur den artikel und läßt mich einfach das machen wozu ich lust habe. bei ihm brauche ich keine skizzen einzureichen. es gibt kein approval auf das ich warten muß. ich denke auch, daß unter solchen bedingungen meine bilder am besten werden. ich mag diesen tatsächlichen schaffensprozeß eines bildes. wenn du dich an eine skizze halten mußt, ist das manchmal schon eine gewisse einschränkung.

was ist die größte befriedigung für dich als künstler? was sind so die momente in denen du absolut zufrieden mit deiner arbeit bist? was würdest du als den höhepunkt deiner bisherigen karriere bezeichnen? und auf der anderen seite, was für dinge ziehen dich total runter? warst du jemals so unzufrieden mit einer veröffentlichten illustrationen, daß du bereut hast, es überhaupt getan zu haben?

am glücklichsten bin ich, wenn ich ein stück geschaffen habe, welches nicht nur mich zufrieden stellt, sondern auch den betrachter berührt oder erreicht. ohne dieses feedback ist die ganze sache wie ein selbstgespräch. ich habe etliche illustrationen gemacht, die ich als fehlschläge betrachte und die ich bereut habe. ich denke, daß du in der kunst, wie in anderen bereichen des lebens auch, sich bietende chancen nutzen mußt, neue dinge ausprobieren, methoden, techniken. das wird nicht immer von erfolg gekrönt sein. aber das ist immer noch höllisch besser als dieses ständige wiederkäuen einer ewig gleichen sache. ich denke, daß sich meine arbeit innerhalb der letzten zehn jahre sehr verändert hat. es ist einfach zu erkennen, wenn man mal zurückschaut. beim malen allerdings waren mir die veränderungen gar nicht so bewußt. das ist eine natürliche evolution. so gesehen sind die fehlschläge in wirklichkeit eine form der weiter entwicklung. ich lerne dadurch und lasse sie danach links liegen.

sind deine bilder jemals in galerien ausgestellt worden? interessiert dich das überhaupt?

ja, ich hatte schon ein paar ausstellungen, obwohl das eigentlich keinen bedeutenden teil meines lebens darstellt. ich sehe meine bilder lieber in magazinen, auf platten, postern und buchumschlägen. durch diese medien erreichen meine bilder mehr leute als dies in galerien jemals der fall sein könnte. aber es ist auch cool die originale zu zeigen, weil du nur so die werke in ihrer natürlichen form sehen kannst, nicht als reproduktion. die farben sind wirklicher. die textfragmente kommen auch besser zur geltung. und die bilder sind nicht verkleinert oder beschnitten.

wir hatten da mal eine frage in unserem trust poll. bist du auch der meinung, daß in musik oder kunst ausgedrückte rebellion oder der wille zur veränderung einen einfluß auf das reale leben habe kann?

ich denke, daß musik und kunst sehr wohl das leben der leute beeinflussen können. nicht daß ein bild oder song etc. jemanden von rechts nach links bewegen würde, oder von oben nach unten. ich denke aber, sie können eine lehrreiche wirkung haben. sie können fragen aufwerfen und interesse für themen wecken, mit denen man vorher überhaupt nicht vertraut war. genau so gut kann ein song oder ein bild aber auch die möglichkeit eröffnen etwas aus einer ganz anderen perspektive zu betrachten. als ich anfing punk und hardcore zu hören wußte ich nichts über die welt, die mich umgab, politik und so. z.b. dead kennedy’s kombination aus großartiger musik, texten und artwork (winston smith) hat für mich als 13-15 jährigen eine völlig neue welt eröffnet. und ich denke, das hat mich stark beeinflußt. ich ging zu ‚rock against reagan‘ shows, ich wurde mir der welt um mich herum bewußter, und mir wurde klar, daß ich ein wichtiger teil von ihr bin. kunst dient natürlich auch als ventil für den künstler. und auf manche leute, die bereits einen gewissen standpunkt vertreten, mag es predigend wirken. aber das ist nicht schlimm, da auch dies einen positiven aspekt in sich birgt. es ist nämlich wichtig zu sehen, daß man mit seinen gefühlen und ansichten nicht alleine dasteht. das big business wird natürlich immer versuchen rebellion zu vereinnahmen, nett zu verpacken und sie an die massen als sauber verpacktes produkt zu verkaufen. klar ist das abscheulich. aber wenigstens wird die stimme die sie kaufen und verkaufen immer noch eine message transportieren, die vielleicht einigen die augen öffnet und dazu beiträgt diese welt etwas sicherer und besser zu gestalten.

interview: torsten meyer

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