November 2nd, 2018

INSIDE ARTZINE (# 169, 2014)

Posted in interview by Jan

Durch Zufall und ehrlich gesagt viel zu spät, bin ich auf das Underground-Kunstmagazin INSIDE-Artzine gestossen, das mir der Herausgeber Jenz zum Tausch mit meinem jährlich erscheinenden CD-R Sampler „Beat my Head against the Wall“ zuschickte. Seitdem bin ich immer wieder regelrecht geplättet und fasziniert von so viel Genialität, die in geballter Form in diesem Magazin steckt. Das INSIDE existiert seit 1990 und wird im Alleingang von Jenz herausgebracht und vertrieben. Die Auflagenhöhe in all den 24 Jahren, kam zwar gerade mal auf 17 Ausgaben, doch das langersehnte warten auf die jeweilige neue Ausgabe lohnt sich immer wieder von neuem und ist jeden verdammten Cent der 5 Euro des Verkaufpreises wert. Denn schließlich wird man überwältigt von Bildern oder fotografierten Skulpturen die einen mit ihrer morbiden Schönheit die richtig ins Gesicht springen oder fesseln.

Die Publikationen von Jenz aus Trier und vielen weiteren weltweit agierenden Künstlern erwecken auch nicht den Eindruck von herkömmlicher Kunst (was immer das auch sein mag), sondern erinnern vielmehr an das Coverartwork mancher Extremmetal oder -Grindcoreband, ohne jedoch deren Stumpfsinn bzw. Satansbeschwörung oder Kitschigkeit zu bedienen. Und überhaupt hinkt auch etwas der oftmals erwähnte Vergleich mit dem Metalgenre, weil die Kunstwerke bei näherer Betrachtung (in die man vor Detailverliebtheit automatisch zu verfallen scheint) eben meist auch eine Attitüde besitzen, die sich u.a. kritisch und provokativ auseinandersetzt mit dem weltlichen und politischen Geschehen oder an anderer Stelle einfach nur wahnsinnig cool aussehen.

Sozusagen dienen die Bilder wie eine, Kunst als Waffe oder als ein „grässliches“ Spiegelbild dieser verwahrlosten und heruntergekommenen Welt. Das INSIDE international Artscum (also Kunst-Abschaum)-Magazin wird jedem einzelnen Wort seiner Namensgebung gerecht, weil hier eben nicht schnell verwertbare Kunst gezeigt wird, die eine Schöngeistigkeit, eine Hoffnung oder ein Happy End vermuten lässt, sondern es sind künstlerisch hochwertige Bilder, die den Verfall, die Mutation, und die alltägliche Perversion und Aggression direkt und unverschönt projizieren und damit auch gekonnt provozieren, wie es in musikalischer Hinsicht schon lange nicht mehr als möglich erscheint. Und zudem entpuppte sich Jenz als ein sehr sympathischer und humorvoller Interviewpartner, mit dem ich außerhalb des Internets, also in der realen Welt gerne mal ein Bier trinken würde.

Zur Einleitung: Seit wann gibt es das INSIDE-Artzine und was war die ausschlaggebende Motivation und der Anlass zur Gründung deines Magazins?

Das INSIDE artzine gibt es seit 1990, damals noch ein kopiertes s/w Fanzine mit gesammelten Werken von Freunden und anderen Irren aus der Nachbarschaft. Antrieb war eigentlich nur mal unser eigenes, verrücktes Zeug auf Papier zu sehen. Die Auflage der Nummer 1 lag bei 100 Stück, von Hand zusammen gelegt und getackert. Durchaus motivierernd war damals aber auch ein Heft names COMIC TRASH (vom Florian Engel), der hatte damals schon eine echt beeindruckende Schnittmenge aus schräger Kunst (hauptsächlich Zeichnungen z.B. von Jeff Gaither, R.K. Sloan, Orlando) und massig Info über Künstler, Bücher, Mags, Distros. Sehr wichtig damals, in einer ausschließlich analog vernetzten Welt. Und wie das so ist als Punkrockkid, da kommt schnell der Gedanke „Wow, will ich auch“. Und was soll ich sagen, der Gedanke ist mir seit jetzt über 20 Jahren nicht mehr aus dem Kopf gegangen.

Welche Auflagenhöhe und welche Reichweite hat das Heft und in welcher Regelmäßigkeit erscheint es?

Die aktuelle Ausgabe #17 hat eine Auflagenhöhe von 1000 Stück, ist weltweit konsumierbar (via unserem Webshop, plus einigen anderen Spots rund um diesen verkommenen Planeten) und ist exklusive für das Jahr 2014 erschienen. Ich arbeite dran, vielleicht auch zweimal im Jahr eine Ausgabe hinzubekommen, mache mir da aber auch keinen Stress. Der ist nicht gut für die Gesichtshaut.

Eine an Künstler oft gestellte Frage: Was willst du mit deiner Kunst ausdrücken? Wie wichtig ist dir die Message, die Attitüde?

Eine „unter Künstler“ gefürchtete Frage 😉 Im allgemeinen schwer zu beantworten, aber da du ja speziell nach meiner Kunst fragst, versuch ich es mal. Eine bewusste Message würde eigentlich voraussetzen, dass ich schon beim Produzieren der „Kunst“ darüber nachdenke, wie bring ich diese Botschaft unter die Leute. Die beste Botschaft macht ja keinen Sinn, wenn sie meinen kreativen Keller nicht verlässt. Das wiederum behindert aber schon in gewisser Weise den Prozess des „wie bekomme ich das Bild, was in mir ist, möglichst unverfälscht auf die Leinwand, Bildschirm, etc.“?!

Ich muss drüber nachdenken, wie verpacke ich die Botschaft, wer soll sie verstehen, lasse ich Kritik an der Botschaft zu. Da wird’s dann immer länger. Denke, bei meinen Sachen ist es eine Mischung: Während des „Zusammenreimes“ ganz am Anfang, interessieren mich Botschaft, Publikum, Sinn einen Scheissdreck. Da steht dann eher der unreflektierte Spaß im Vordergrund. Wenn dann Sachen dabei rauskommen, die auch für andere einen Sinn machen, yeah. Und um ehrlich zu sein, es ist mir schon lieber, wenn der Betrachter die Chance eines Zugangs zu einem Kunstwerk bekommt, der sich über die beiden äußeren Ende „versteh’ ich nicht“ und „schön“ hinaus bewegt.

Du bezeichnest das INSIDE als Art Scum. In welcher Weise seid ihr der Kunst Abschaum?

Abschaum“ ist ein Zeichen der Respektlosigkeit. Die Kunst ist keine Wissenschaft, die man erlernen muss. Keine Religion, an die man glauben muss. Keine Erkenntnis, der man hinterher jagen muss. Kein Heiligtum, was an weißen Wänden angebetet werden muss. Ich höre immer wieder „Ich versteh ja nichts von Kunst“. So ein Schwachsinn. Alles was man braucht um Kunst zu „verstehen“ sind zwei Augen mit einem Hirn in der Mitte. Wer dann auch noch zwei Hände hat, kann direkt mitmachen. Der Kunst Abschaum nimmt sich selbst nicht wichtig, denn er hat nichts zu verlieren. Keine Moral, keine Tabus, keine Unschuld. Also in diesem Fall ein klarer Fall von Understatement.

Haha, die perfekte Antwort. Was muss für dich ein Bild, ein Künstler erfüllen, damit er im INSIDE aufgenommen wird, gibt es da irgendwelche Kriterien und auf was legst du am meisten Wert?

Da das INSIDE artzine im weitesten Sinne ein Egozine ist, gibt es nur eine Hürde die man nehmen muss um ins Heft zu kommen: Mein Geschmack. Wenn mich eine Arbeit flasht, dann auch meistens ohne groß drüber nach zu denken. Kennt ja jeder (z.B. bei Musik), manchmal hauen einen Sachen direkt vom Hocker, ohne das man genau weiß warum. Es gibt also keine Checkliste… „krank“, „durchgedreht“, „finster“… nach der ich Bilder sortiere. Manchmal ist es die handwerkliche Qualität, die mich an einem Kunstwerk beeindruckt, manchmal die Schlichtheit. Manchmal weil es krass hässlich wirkt, oder weil es eine tiefe dunkle Schönheit ausstrahlt. Wobei das Problem „Hässlichkeit vs Schönheit“ ja auch eher eine oberflächliche Entscheidung ist. Ist eine Blume hässlich, wenn man weiß das sie auf einem Massengrab wächst? Ist wohl eher eine innere Einstellung zu den Dingen, was Sachen schön oder hässlich erscheinen lässt!?

Wenn man dein Magazin durchblättert, gewinnt man schnell den Eindruck, als würdest du beinahe auf jegliche Werbung verzichten oder dir deine Werbepartner/kunden (die hauptsächlich aus dem Punk/HC und linkspoltischen Umfeld stammen) selbst aussuchen. Dabei besticht das Heft mit 170gramm schweren Papierseiten und einer professionellen Aufmachung, wie kannst du das preislich stemmen, bei einem Verkaufspreis von gerade mal 5 Euro. Ich glaube da verlangen andere Kunstmagazine erheblich mehr und sind zudem noch mit massig Werbeanzeigen vollgestopft?

Yep, das Heft ist bewusst werbefrei, das was man ab und an sieht, sind befreundete Projekte die ich pushen will oder Tauschanzeigen (old school halt ;-). Ich denke, dass muss jeder Herausgeber für sich entscheiden. Bei mir steht der kommerzielle Aspekt nicht im Vordergrund, da ich nicht von dem Mag leben muss. Sagen wir mal, der materielle Teil ist in Zeiten von Flyeralarm & Co. durchaus machbar (auch mit einem Verkaufspreis von 5 Euro), die Zeit die ich reinstecke ist dagegen nicht mit Geld zu bezahlen. Dafür macht es zu viel Spaß.

Und das man mit Spaß kein Geld verdienen kann, wissen wir doch alle, oder?! Schwer zu sagen wie lange ich noch in der Art weitermache. Irgendwann werde ich mit Sicherheit aber auch dazu übergehen, schon morgens beim Durchsehen der neuen Beiträge Cocktails zu trinken. Mittags dann mal kurz in die Redaktion, Handy aufzuladen und ein paar Leute entlassen und abends dann auf illegalen Ausstellungen in ausgetrockneten Abklingbecken Bestechungsgelder von japanischen Kunstsammlern kassieren…

Aber dennoch ist es erfreulich und löblich, das du eine Anzeige des TRUST-Fanzine geschalten hast und in der Thankslist steht auch Jan Röhlk. Was für eine Verbindung hast du zum TRUST?

Man kennt sich halt schon eine sehr lange Zeit. Mit Dolf und/oder Jan einen Trinken zu gehen kann ich nur empfehlen. Und das TRUST ist einer der wenigen Mags, in dem ich nicht punktuell lese, was mich interessiert, sondern ich les es einfach von vorne nach hinten durch, egal was kommt. Das erweitert den (Punk)Horizont enorm.

Du kommst aus der Punk/Hardcoreszene, kannst du uns mal deine Sozialisation schildern/erläutern. Wie und wann hast du mit Punk/HC in Kontakt gekommen bist und wie du persönlich Punk+HC definierst?

Teil eins der Frage ist einfach: Nach AC/DC und Judas Priest kam Discharge und U.K. Subs, bevor dann alles vom „This is Boston Not LA“ Sampler weggetrasht wurde. Speziell die Gang Green Nummern sind für mich bis heute die Maßeinheit für „Ausrasten“, und ab da wußte ich: Wow, so klingt mein Soundtrack beim Abfahrtslauf. Und mir wurde klar, dass diese Power nicht auf kompositorischem Wissen und instrumentalem Geschick basierte, sondern schlicht weg auf Leidenschaft. Mach es wenn du Bock drauf hast! Scheiss egal wie es klingt, aussieht und/oder schmeckt. DIY! Und damit kommen wir zu dem zweiten, weitaus schwierigeren Teil deiner Frage.

Um sich jetzt nicht in endlose Laberei zu verfilzen (ja ja, strenggenommen ist „Punk“ ja auch noch mal was anderes als „Hardcore“ bla bla): Ich finde, was die meisten Aktivitäten dieser Szene vereint, ist der Wille „sein Ding zu machen“. Sei es eine Band, ein Zine, eine Konzertgruppe, eine Kneipe, ein Crustcorestammtisch. Das klingt nach Egonummer, meint aber eigentlich nur, dass man Dinge immer weiter entwickeln soll. So wie man denkt, dass sie besser sind und einem persönlich noch mehr Spaß bringen. In „Punk“ muss man Energie stecken um welche zurück zu bekommen. Und damit meine ich nicht 20 Paletten Dosenbier auf irgend einem RedBullMercedesTelekom-Festival mit berühmten, etablierten Punkbands zu stemmen. Ansonsten erlebt man nur Oberfläche.

Auch wenn es durch die zahlreichen und oftmals gestalterisch aufwendigen Cover und Flyerartworks, sowie die in deinem Heft provokanten und aussagekräftigen Abbildungen offensichtlich sein sollte das Punk, Hardcore und Kunst einhergehen – Kannst uns vielleicht doch nochmal erklären wie für dich Punk/HC oder die Subkultur im allgemeinen mit der Kunst zusammenpasst?

Würde ich vielleicht gar nicht so eng formulieren. Klar eine Menge Kunst kann man durch seine provokative, unangepasste Art dem „Punkkontext“ zuordnen, einfach weil es scheinbar ähnliche Werte sind, die da transportiert werden. Aber jetzt so etwas wie „Punkkunst“ zu konstruieren, finde ich unsinnig. Da schafft man sich nur neue Ghettos im Kopf. Die Kunst ist frei. Ob im Punk, Hip Hop, Death Metal oder Country & Western.

Und wenn wir gerade schon mal beim Punkkontext angelangt sind. Welche Künstler aus diesem Genre schätzt du am meisten?

Hm, du meinst Künstler die im Zusammenhang mit Punk-Plattencovern auftauchen?! Jeff Gaither/R.K. Sloan (Accüsed), Mad Marc Rude (Misfists) oder Michael Seiff (das legendäre „No Mercy“-Cover). Bands? Classics: Dead Kennedys (Fresh Fruit…), Plasmatics (Last hope…), Black Flag (My War), R.K.L. (RnR Nightmare), +++ Aktuell: Horse the Band, Lewd Act, Waltari, Melt Banana, The Swellers, Christmas (letztens als Vorband REAGAN YOUTH die Show gestohlen), +++

Ansonsten ging neulich H.R. Giger von uns, der am 12.05.2014 an den Folgen eines Sturzes verstarb. Siehst du dich von Giger beeinflusst? Oder lass uns die Frage weiter ausholen, welche Vorreiter gab es in der Vergangenheit, die das was ihr publiziert etabliert oder den Grundstein dafür legten?

Auf allerjedenfalls. Der Hans Rüdi war als Künstler ein absolut eigenes Universum! Leider in den Augen vieler über die Jahre zu einem HeavyMetalCover-Künstler geschrumpelt, hat der Mann die Finsternis in der Malerei neu definiert. Bezeichnend dafür ist, dass, um die Einzigartigkeit der Wirkung seiner Bilder auf den Betrachter zu erklären ein eigenes Wort erfunden werden musste: Gigeresk. Ein Künstler, der sein Werk nur durch sich selbst erklären kann. Crazy shit!!! Ich war gerade dran, mit ihm ein Interview für das INSIDE artzine anzuleiern, als das passierte, aber scheiss auf das verfickte Interview: H.R…. sei auf ewig bedankt für deine Einsichten hinter den schwarzen Vorhang. Hm, Grundsteine.

Auf jeden Fall inspirierend fand ich schon immer die Urpunker des Dadaismus. Nichts ernst nehmen, dabei immer schön ernst wirken und die mentale Brechstange der Provokation in der Tasche bereit halten. Die haben Grundlagen geschaffen. Guckt euch die Sachen eines John Heartfields an! Da sind Collagen dabei, die sind über 70-80 Jahre alt und würden 1:1 auf das Cover der nächsten Crustpunkscheibe passen. Speziell seine Anti-Hitler-Coallgen sind beeindruckend. Wohlgemerkt zu einer Zeit, wo man für Naziverarsche durchaus mehr befürchten musste, als „nur“ eine aufs Maul zu bekommen.

Auf den ersten Blick wirken die Kunstwerke in deinem Heft schon etwas verstörend/psychotisch. Einigen Leuten denen ich das INSIDE zeigte, fanden es sogar zu derb und mental herunterziehend haha. Was sind so die gängigen Reaktionen auf dein Heft und welche war bisher die heftigste?

Ha ha, „mental herunterziehend“. Das ist aber eine nette Formulierung für „destruktive Scheisse“ (auch schon gehört). Ja, kenn ich so Reaktionen. So im Sinne von „Kunst muss doch positiv sein und mich weiterbringen“. Das kommt dann aber meistens von Leuten, die ihren Geschmack als Maßstab für alle anderen nehmen. Was weiß’ ich denn, was ihn „weiterbringt“?!Es gibt aber auch durchaus differenziertere, negative Meinungen. Auf einer Ausstellung meinte eine ältere Frau mal zu einem meiner Bilder „Ich find dieses Bild abgrundtief hässlich und abstoßend und ich würde es mir nie an die Wand hängen (ha ha, was für eine absurde Idee nebenbei bemerkt), aber es berührt mich.“

Na das ist doch schon mal was. Mir ist es lieber, eine negative Reaktion zu erzeugen als vorbeigeplätscherte Beliebigkeit. Hat wohl auch was mit der nächsten Frage nach der „Provokation“ zu tun, also ließt du da weiter. Noch kurz zu den Reaktionen: Es gibt natürlich auch positives Feedback, im Sinne von „geilster Scheiss auf Erden“. Ich bin dankbar für jedes nettes Wort, nicht weil es ein angenehmes Gefühl ist (das ist es), sondern weil es ein Ansporn ist, weiter zu machen. Also mal ein weltumspannendes „Dankeschön“ an all die Irren da draußen, die unseren Stuff mögen! Und lass euch nicht belabern… ihr seit nicht (wesentlich) kranker als die andern…

Was fasziniert dich genau an der Provokation und wieso hältst du die Provokation für wichtig? Nun ist Provokation aber auch ein sehr weites Spielfeld, bei dem die Grenzen (soweit sie eben im Auge des Betrachters existieren) gewollt überschritten werden. Gibt es für dich diese Grenzen oder eine gewisse Grauzone in der z.B. Nazisymbole zur Provokation genützt werden?

Die Provokation ist ein erprobtes Mittel speziell in der Kunst um Aufmerksamkeit zu erregen. Sid Vicious und sein Hakenkreuztshirt. GG Allin frisst seine eigene Scheisse. Duchamp stellt ein gewöhnliches Pissbecken mit Unterschrift im Museum aus. Die Provokation zwingt den Betrachter zu einer Reaktion. Im besten Fall ist diese ein konstruktiver Beitrag. So haben die Reaktionen auf Duchamps Pissbecken („Fountain“ 1917) z.B. das Selbstverständnis von Kunst („was ist Kunst“) entscheidend beschleunigt. Im schlechtesten Fall gibt’s eines aufs Maul für den Künstler (siehe GG Allin, der stand aber auch drauf). Kann man sich dann ja überlegen, was besser ist, oder?!

Und… ja klar gibt es auch Grenzen! Es gab mal den Fall eines nicaraguanischen Künstlers der im Rahmen einer Installation einen verwahrlosten Straßenhund im Museum ankettete und (angeblich) verhungern ließ. „Wenn ich den Hund als Kunstobjekt vor eine Wand binde, wird er plötzlich zum Fokus. Wenn er in der Straße vor Hunger stirbt, kümmert das keinen.“ Er hat ja Recht, aber das kann man auch anders mitteilen, oder? Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, sollte es in der Kunst keinerlei Zensur geben. Wo sonst, als auf der hypothetischen Spielwiese der Kunst, kann man alles thematisieren, ausprobieren, visualisieren ohne direkt von seinem Chef entlassen zu werden?!

Ein Labor für Neues, Ungewöhnliches, Unangepasstes, Irres… zu Testzwecken einfach mal laut ausgesprochen um es öffentlich zu hinterfragen. Das heißt ja nicht, dass man sich in einem geistig rechtsfreien Raum befindet. Respektiert eure Umwelt und alles wird gut! Und noch zur Abteilung Hakenkreuztshirt: Wenn jemand meint, mit so etwas so symbolhaft Dummen und Beschissenem wie einem Hakenkreuz posen zu müssen, dann soll er das mal machen, sich aber dann nicht wundern, dass man ihn für genauso dumm und beschissen hält!

Zudem gibt es zwischen all den Bildern auch kritische, politische oder nihilistische Texte (in englischer Sprache) zu lesen. Um was handelt es sich meist in den geschriebenen Artikeln?

Das was ich in Flyern immer als „Stories“ zusammenfasse, sind in der Regel Kurzgeschichten, Lyrikmonster, Statements, Ansagen und Umsturzversuche. Es gibt seltsame Reports über Fickmaschinen („Art that will fuck you“, (Gas)Masken („The art of suffocation) oder die Wahrheit über H.P. Lovecraft („Lovecraft wasn’t wrong“). Außerdem gibt es Interviews in denen oft die Grenzen zwischen Sinn und Unsinn, bzw Wahrheit und ausufernden Lügen auf einen kleinen jucken Klumpen Hirn zusammengeschmolzen werden („Gonzo“ genannte). Lest den krassen Copacabana-Sambaabsturz meinerseits mit dem brasilianischen DeathMetalArtist Marcelo Vasco im aktuellen Heft durch und ihr werdet mir Recht geben: Das wäre ja in echt kaum aus zu halten…

Gibt es in der Kunstwelt eigentlich auch diese oftmals strikte Trennung zwischen Mainstream und Underground?

Ja. Der Mainstream dient dem Kapitalismus. Der Underground bekämpft ihn.

In welchem preislichen Rahmen befinden sich ungefähr die Bilder und kannst du oder deine Kollegen davon leben?

Das ist wahrscheinlich unterschiedlich. Die allermeisten Leute aus dem Heft kenne ich ja nicht persönlich, deswegen kann ich da nur mutmaßen. Ein Chris Mars kostet im Original (Öl) schon seine 9000 Dollar. Da sind schon eine ganze Reihe an Vollzeitkünstlern dabei, die auch durchaus davon ihre Miete bezahlen können. Genau so sind aber auch immer noch die kranken, verrückten Irren im Magazin, die im schallisolierten Keller ihres Reihenhauses, Bilder mit abgebrochenen Filzstiften auf Pizzakarton krickeln um nicht verrückt zu werden. Die leben natürlich von ihren Sachbearbeitergehältern. Wie weiter oben schon mal erwähnt, versuche ich nicht von meiner Kunst zu leben. Im Brotjob bin ich selbstständiger Grafiker.

Im Verhätniss zur Musik ist Kunst meistens ziemlich (über)teuert. Und dabei denke ich gar nicht, das Kunst einen solch enormen Mehraufwand bedeutet. Ich meine bis eine gut eingespielte Band ihre Songs richtig gut im Kasten hat, vergehen auch unzählig viele Stunden, was dabei aber rum kommt, ist meist sehr spärlich. Daher die kritische Frage, die mich schon seit langem interessiert – Warum ist Kunst so teuer? Und wenn man bedenkt, wie schnell es im Punk/Hardcore-Underground zu einem Ausverkaufsvorwurf kommen kann, dann frage ich mich ob es diese Vorwürfe auch im Kunstbusinnes gibt?

Denke, das hat mit einer der vorherigen Fragen zu tun, nach der Trennung zwischen Mainstream und Underground in der Kunst. Mainstreamkunst hat neben der äußeren Gestalt den Wert zum Inhalt. Und damit ist der reine kommerzielle Marktwert gemeint, sprich wie schaffe ich es einen Künstler noch teurer zu machen!? Dafür gibt es dann eine eingespielte Maschinerie zwischen Magazinen, Galleristen, Kuratoren da wird dann im PingPongverfahren ein Objekt hochgepitcht, abkassiert und fallen gelassen. Diese Leute schaffen sich selber den Preis, zu dem sie dann verkaufen.

Deshalb ist manche Kunst sau teuer und andere nicht. Ich geb zu, dass ist jetzt eine sehr vereinfacht Sicht der Dinge, aber diese gutgeölte Maschinerie der Wertsteigerung findet sich an allen Ecken und Enden in unserer kapitalistischen Gesellschaft. Der ideele Wert spielt da leider nur noch eine untergeordnete Rolle. In Bezug auf „Ausverkauf“: Ich kann es niemanden verübeln, dass er mit seiner Arbeit Geld verdienen will. Haut rein, Leute. Irgendwann geht aber wohl jeder persönliche Reichtum auf Kosten anderer, oder?! Im Gegensatz zur PunkrockHardcoreMusikszene scheint der „Aufstieg“ aus dem Kunstunderground in Gefilde in dem man seine Miete davon bezahlen kann, aber weniger argwöhnisch betrachtet zu werden. Ich denke, es wird eher als verdienter Erfolg gewertet. Wie weit man sich als Künstler für den Erfolg bückt, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Inwieweit kannst du dich mit der (ich weiß gar nicht, wie ich dazu sagen soll) – normalen bzw. jener Kunstszene identifizieren, die Prossecoschlürfend vor ihren oftmals für den objektiven Betrachter sinnentleerten Bildern stehen um diesen doch eine höhere Bedeutung hinein zu interpretieren?

Ha, ha, ich weiß genau was du meinst. Diese Leute gibt es IMMER auf Ausstellungen, völlig unabhängig davon wo und was an der Wand hängt. Ich identifizier mich grundsätzlich mit gar nichts, also kann ich mich auch ganz entspannt mit solchen Leuten unterhalten und dabei meine Forschung über aufrecht gehende Einzeller vorantreiben.

In einem anderen Interview hast du unterschieden zwischen dummer und intelligenter Kunst, was wären hierfür die Kriterien, ab wann ist Kunst für dich dumm oder intelligent?

Hm, so verkürzt klingt das sehr arrogant, so als wenn ich die Weisheit mit großen Löffeln gefressen hätte. „Dumm“ würde ich mal eher im Sinne von „leidenschaftslos“ betrachten. Sachen, die sich einem Trend anbiedern, die sichtbar berechnend sind oder offensichtliche Propaganda (für was auch immer) sind, könnte man als „dumm“ bezeichnen. Dumm, weil es schade ist, eine ultimativ kreative Ausdrucksmöglichkeit, wie der Kunst, nur mit egoistischen, angeberischen Inhalten zu verschwenden!?

Da macht es doch mehr Sinn, seine Gefühle, seine Wünsche, seine Verzweiflung in seine Arbeit zu packen und so seiner eigenen Existenz, dem Universum und all den durchzechten Nächten einen Sinn zu geben, oder? Damit wir uns nicht missverstehen: Am Ende ist es aber dann auch wieder der persönliche Geschmack, der einem das Kunstfeuer durch den Arsch jagt oder nur einen blassen Furz aus dem Arsch der Empfindung entlässt. Ich würde niemals einzelne Kunst/Künstler als „dumm“ oder „intelligent“ aburteilen! Bin ich Mr. Knowitall, oder was?

Inwieweit verfolgst du die Mainstream-Kunstszene? Wohin steuert die Kunst, was sind die Entwicklungen usw.?

Nein. Kein Plan. Ist mir scheissegal 🙂

Du arbeitest, wie ich das als unwissender Laie erkennen kann, hauptsächlich mit dem Computer und auch viele der anderen Puplizisten im INSIDE verwenden Grafikprogramme. Welche Rolle spielt heutzutage die Computertechnologie und inwieweit vereinfacht es die gestalterischen Fähigkeiten? Und welche Gestaltungsmaterialien und Techniken werden ansonsten angewendet?

Der Computer ist nur ein weitere Werkzeug im Kampf den kreativen Druck im Größthirn sichtbar zu machen. Allerdings ein Werkzeug mit einem entscheidenden Vorteil: Die Undo-Taste! Das nimmt ein wenig von der Last und Entgültigkeit von Entscheidungen. Blau oder Rot? Groß oder klein? Du kannst es einfach ausprobieren und dann entscheiden wie es aussieht und ob es das ist, was du sehen willst. Ansonsten ist der Rechner auch immer so gut wie der, der ihn bedient.

Gibt es noch weitere Magazine im Stile des INSIDE-Magazines?

Nein.

Und welche Künstler kannst du uns ans Herz legen?

Checkt unseren Blog artscum.org. Da gibt es eine (inzwischen) gigantische Linkliste zu Künstlern, Galerien, Blogs, Shops, Portalen rund um die verrückte Kunst (http://artscum.org/links-disclaim-everything/). Mit der größte Spaß an dem Mag ist, dass man ständig auf neue wahnwitzige Talente stößt, egal in welcher Disziplin. Deshalb ändern sich meine Favs ständig. Aktuell bin ich von einem Mann namens Darksynhedrion geflasht, richtig finstere Photocollagenarbeiten, hoffnungslos durchgedreht und dabei unfassbar elegant.

Hoffe ich kann ihn auch für eine der nächsten Ausgabe gewinnen. ( https://www.facebook.com/darksynhedrion.czart ) Ebenfalls sehr schätzen tue ich zur Zeit die Arbeiten von Angel Roy aus Frankreich ( http://www.pinterest.com/angelautorevers/ ) der hat es einfach raus, seine Photos nur mit einigen kleinen „Korrekturen“ in echt alptraumartige Perspektive zu kippen. Googlet auch mal Seth Siro Anton (Surreal-Death-Metal Art-Stuff) oder Dan Verkys (Garden of Bad Things). Oder wollt ihr lieber was schräges? Die Japanerin Yukaman ist immer jenseits von geschmacklicher Moral und Anstand. Alle Künstler der jeweiligen Ausgabe sind im Magazin mit Kontaktdaten aufgeführt, jedes Heft ist also ein weiteres, angesägtes Sprungbrett für endlose Achterbahnfahrten entgleister Kunst.

Und zum Abschluss noch die obligatorische Bitte um ein abschließendes Wort, Lebensmotto oder dergleichen?

Um mit den Worten deines Kollegen Jan zu sprechen: AC/DC! Auf jeden Fall. KISS ist Kinderkacke! Bela, sei bedankt fürs Interview. Wer Lust hat, schaut sich mal meine Website an www.fallingsky.de ich bin immer auf der Suche nach Ausstellungsmöglichkeiten egal wo und in welchem Rahmen. Neben meinen Arbeiten, gibt es natürlich auch die Möglichkeit einer INSIDE artzine Ausstellung. Kontaktet mich für Details.  Wem das noch nicht reicht, wir haben auch einen Blog laufen, in dem sich noch mehr Bilder/Interviews/Veröffendlichungen der beteiligten INSIDE artzine Künstler befinden, sowie massig Reviews, Links und ein Shop mit Mags & Shirts: www.artscum.org In diesem Sinne: Follow the Scum…

INSIDE artzine #17 – International Artscum Magazine

Paintings, Digital Collages, Sculptures, Photos, Stories, Reviews.

Paper-Magazine in the spirit of H.R. Giger, Gottfried Helnwein & Hieronymus Bosch

Format: A4, Pages: 48, Circulation: 1000, Established: 1990, Language: English

5 Euro (plus postage)

Bahrull Marta (Indonesia) · Yukaman (Japan) · autoreversegraphikart (France) · Joseph D. Myers (USA) · Shichigoro Shingo (Japan) · Urs Böke (Germany) · Michael Hutter (Germany) · Marcin Owczarek (Poland) · Matt Lombard (USA) · Olexa Mann (Ukraine) · Leon Wong (Taiwan) · Victor Slepushkin (Russia) · Seth Siro Anton (Greece), +++ „Don’t mess around with Satan“ – Gonzo-Interview with Marcelo Vasco, „Art After Death“ – Report Part 2, Reviews & Revolution, Links & Lies.

www.inside-artzine.de (International Artscum Magazine)

www.artscum.org (Artblog of the grotesque)

www.fallingsky.de (The Art of jenz dieckmann)

jenz@inside-artzine.de

http://www.marcelduchamp.net/

http://www.johnheartfield.com/heartfield-DADA-POLITICS-ART.html

http://www.ggallin.com/

https://www.youtube.com/watch?v=_v0bqZsoIOw (This is Boston not L.A. – Sampler)

 

Interview/Text: Bela

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