September 7th, 2014

INDIEPUNK RECORDS (# 64, 06-1997)

Posted in interview by Jan

Indiepunk-Records Strikes Back!!!

Zugegeben, die Überschrift läßt an die Weltraumabenteuer von Luke Skywalker, Han Solo und Leia Organa denken, die z.Z. ja ein richtig groß angelegtes Revival erfahren. Aber im Gegensatz zu dem dreiteilligen Heldenepos von George Lucas gewinnt in der heutigen Realität doch immer wieder die dunkle Seite der Macht. Eines der zahlreichen Beispiele ist Sanny, einigen von Euch sicherlich als Mischer von Rantanplan und …But Alive bekannt, und seinem Plattenladen Indiepunk-Records wiederfahren.

Na ja und auch wenn ich mit dem momentanen Zustand der „Fanzine-Szene“ alles andere als zufrieden bin, denke ich doch, daß die Gegenöffentlichkeit immer noch einer der Hauptpunkte eines Fanzines sein sollte. Denn nach dem Brandanschlag auf den Plattenladen – und darum wird es in dem Interview gehen – herrschte fast sowas, wie eine Nachrichtensperre und bitte, wo soll man sich dann informieren, wenn nicht in einem Fanzine?

Na also und genau diese Tatsache brachte mich dazu, nach langer Zeit mal wieder ein Interview zu führen. Am revolutionären 1. Mai trafen wir uns also nach dem ersten Rantanplan Open Air-Konzert im Siegener VEB um dieses Gespräch zu führen.

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Seit wann gibt es Euren Laden und wie haben wir uns den vorzustellen?

Sanny: Ich bin der Sanny und habe vier Jahre lang mit dem Michel zusammen Indiepunk-Records gemacht. Es ist ein sehr vielseitiger Plattenladen von Punk und Independent über HipHop, Trip Hop, Techno, Dance bis hin zu gebrauchten Hifi-Sachen, also Plattenspieler, Tapedecks und Verstärker. Im gleichen Gebäude war früher auch noch ein Infoladen, der aber vor etwa einem Jahr seinen Betrieb mehr oder weniger eingestellt hat, weil – wie das halt z.Z. überall so ist – die Infoladengruppe an Motivationsschwäche litt.

Auch die Antifa traf sich in diesem Haus, die ihre aktive Arbeit aber ebenfalls eingestellt hat. Somit hat der Plattenladen auch noch diese Funktionen mitübernommen, war also Anlaufstelle und Kontaktadresse für den Infoladen und für Antifa-Geschichten. Gleichzeitig war es auch noch die Kontaktadresse für Konzerte im AZ in Schopfheim, dem Cafe Irrlicht. Das Ganze war also schon eine recht runde Sache.

Das ist ja eine Zeit lang gut gegangen, doch dann ist da ja was passiert…

Sanny: Ende Januar gab es einen Brandanschlag, wobei der Plattenladen komplett abgefackelt und die ganzen Waren vernichtet wurden. Glücklicherweise wurde der Brand aber so rechtzeitig entdeckt, daß es nur ein Schwelbrand war und er somit nicht auf das restliche Haus und vor allem nicht auf das angebaute Wohnhaus übergriff. Der Infoladen hatte außer Wasserschäden von den Löscharbeiten nichts abgekriegt, doch der Plattenladen wurde komplett vernichtet.

Da stellt sich natürlich die Frage nach der Motivation.

Sanny: Wenn man weiß, welche zusätzlichen Funktionen der Plattenladen hatte (Infoladen u.ä.) kann man ja kleine Rückschlüsse ziehen, aus welcher Ecke dieser Brandanschlag kam – und es ist eindeutig klar: es war ein Brandanschlag – denn er war gut vorbereitet und die Leute kannten die Schwachstellen. Das war also nicht so eine Kamikaze-Sauf-Aktion „Komm hauen wir Indiepunk-Records mal das Fenster ein und fackeln das Ding ab“, sondern das war ganz klar eine geplante Aktion.

Ich denke mal, daß Ihr dann auch relativ schnell die Polizei eingeschaltet habt, oder?

Sanny: Die ersten Ermittlungen liefen folgendermaßen ab. Es kamen zuerst Brandsachverständige, die noch voll in Ordnung waren und schnell feststellten, daß mit 100 prozentiger Sicherheit ein flüssiger Brandbeschleuniger verwendet wurde. Wir haben uns von denen sogar erklären lassen, woran man das erkennt und das ist eine eindeutige Geschichte. Bodenvertiefungen waren schwärzer angebrannt, als der Rest vom Boden, weil da dann halt eine kleine Lache war und es somit an der Stelle mehr gebrannt hat.

Bei einer Bodenneigung nach hinten lief die Flüssigkeit dann eben nach hinten und an der Wand ist es hochgbrannt. Das war also mit primitivster Logik und einer Wasserwaage eindeutig nachweisbar. Dann hat sich die Kripo, Dezernat für Kapitalverbrechen, eingeschaltet und hat die Ermittlungen übernommen. Doch die haben nur gesagt, daß sie sich nicht vorstellen könnten, wie jemand in den Laden reingekommen sein soll.

Daraus schlossen sie, daß wir das selber waren, weil es jemand mit Schlüssel gewesen sein muß. Somit wurde ich selbst dann kurzfristig zum Hauptverdächtigen auserkoren, obwohl – wie alle wissen und der Kripo auch gleich gesagt wurde – es keinerlei Versicherung für diesen Laden gab. Versicherungsbetrug und somit eine eigene Motivation scheiden also vollkommen aus. Ich mußte dann – wie man das von Derrick und Tatort kennt – mein Alibi darlegen.

Nein, das ist nicht wahr und was war`s?

Sanny: Ich war zu dem Zeitpunkt in Hamburg auf Wohnungssuche. Das ging dann soweit, daß die Kripo den Staatsschutz eingeschaltet hat und der Staatsschutz wieder rum den Staatsschutz Hamburg beauftragt hat, Leute vorzuladen, die dort mein Alibi bestätigen sollten. Somit war klare Sache, daß ich erstmal ihr Hauptverdächtiger war.

Was natürlich total lächerlich ist…

Sanny: Was total lächerlich ist, aber auch eine Geschichte hat, da ich lange in der Antifa mitgemacht habe und sie mir nie was anhängen konnten. Aber da unser Staatsschutz sehr eng mit NPD-Kräften zusammengearbeitet hat, gehe ich davon aus, daß sie mir einfach noch eine reinsemmeln wollten. Ich denke es gibt zwei oder drei Gründe für diese Aktion.

Erstens war das wohl eine Art Rache, zweitens sollte ich in meiner neuen Heimat gleich unbeliebt gemacht werden, marke „Kaum kommt der Typ nach Hamburg werden Leute wegen ihm vom Staatsschutz vorgeladen“ und drittens hatten die Ermittlungen gegen mich sicherlich auch den Sinn der Verschleppung, denn solange gegen mich ermittelt wurde, geschah nichts anderes. Es ging dann so weiter, daß eine Frau aus Hamburg über einen Anwalt mein Alibi bestätigt hat.

Somit war ich völlig aus dem Rennen, und sie mußten sich etwas Neues einfallen lassen, um die Ermittlungen zu verschleppen. Also schickten sie die Proben vom Brandort dem LKA, die ein Brandgutachten erstellten in welchem es heißt, daß keinerlei Spuren von einem Brandbeschleuniger in den Brandrückständen festgestellt werden konnten.

Man muß dazu sagen, daß dies erst fast einen Monat später geschah. Entweder hat sich das Zeug, das als Brandbeschleuniger benutz wurde also schon längst verflüchtigt, oder es war von Anfang an deren Taktik, einen Brandanschlag zu bestreiten. Von daher denke ich, daß dies auf jeden Fall ein bestelltes Gutachten ist.

Aber von den ersten Bullen, die ermittelt haben, muß es doch auch irgendwelche Gutachten geben…

Sanny: Gleich nachdem klar war, daß die uns was anhängen wollen, haben wir direkt eine Anwältin aus einem guten linken Anwaltsbüro genommen, was auf deren Stirn auch gleich Schweißperlen ausgelöst hat. Wir haben dann auch eigene Ermittlungen angestellt. Sonntag nachmittags zu fünft: Als fünf Freunde und ein Hund sind wir hingefahren und…

Moment, Du machst da einen Fehler: es waren vier Freunde und ein Hund.

Sanny: Ja, Du hast recht, aber wir waren auch nur zu viert und ein Hund, fünf Plätze im Auto waren besetzt. Wir sind zum Plattenladen gefahren, weil wir eine Theorie hatten, wie die da wohl rein gekommen sind. Dubios war z.B. auch, daß das Faxgerät verschwunden war. Es war weder vorhanden, noch verkohlt, und anhand dieses verschwundenen Faxgeräts und eines offenen Fensters im Nebenraum entwickelten wir unsere Theorie. Wir haben der Kripo damals auch schon gesagt, daß sie dieses Faxgerät suchen müssen.

Denn niemand fackelt den Laden ab und nimmt dann nur ein völlig veraltetes Faxgerät mit. Also sind wir selbst hingefahren und haben im Nebenraum auch gleich das Faxgerät gefunden und am Verlauf des Kabels konnten wir auch ganz klar feststellen, wie die überhaupt in den Laden reingekommen sind.

Daraufhin haben wir sofort unsere Anwältin angerufen und die Bullen herzitiert, damit sie das aufnehmen. Wir haben dann sogar noch das Einbruchswerkzeug – ein ca. 80 cm langes Mittelding zwischen Heckenschere und Bolzenschneider – gefunden, das offensichtlich im Nebenraum rumlag.

Und das hat keine Fraktion der Bullen je entdeckt?

Sanny: Nein niemand. Ich hab` diesen Bolzenschneider deshalb entdeckt, weil er auf einem Tonofen im Nebenraum lag und ich mit dem Kopf dagegen gerannt bin. Aber auch auf diesen Geräten, die ganz klar angefaßt wurden, konnten die Bullen angeblich keinerlei Fingerabdrücke feststellen. Nicht mal meine, obwohl ich das Teil hundertprozentig in der Hand hatte. Das zeigt auch wieder, wie die Ermittlungsarbeit geführt wurde.

Gut, wie ging das dann mit den Ermittlungen weiter?

Sanny: Da ging dann gar nichts mehr. Der letzte Stand der Ermittlungen ist, daß das LKA eben keinen Brandbeschleuniger nachweisen konnte, und somit ist das jetzt alles im Sande verlaufen. Unsere Anwältin wird demnächst jetzt Akteneinsicht kriegen, und zu dem Zeitpunkt kann man dann vielleicht mehr sagen.

Was ist dem Laden an Schaden enstanden?

Sanny: Dem Laden ist im Prinzip ein Schaden von 40 – 50.000 Mark entstanden, wovon – wie gesagt – kein Pfennig versichert war. Der einzige kleine positive Teil des Ganzen war, daß die Gebäudeversicherung die Gebäudeschäden übernommen hat, wodurch es auch möglich war, den Laden wieder neu aufzubauen. Aber der Laden selbst ist jetzt immens verschuldet.

Was meinst Du, wie lange seid Ihr jetzt dran Schulden abzuarbeiten? Das ist ja jetzt doch eine ganze Menge…

Sanny: Das kann ich recht konkret sagen, weil wir das mal ausgerechnet haben: Vor dem Brand wären es noch drei Jahre gewesen. Jetzt sind es acht Jahre. Aber der Hammer an dem Ganzen war, daß drei Tage nach dem Brand nicht mal die regionale Presse von etwas wußte.

Es wurde einfach grundlos verschwiegen, und auf dem Land kommt ja sonst das kleinste Häppchen im Polizeibericht und somit in den Regionalteilen der Zeitungen vor. Wir haben dann eine Presseerklärung geschrieben und an die regionale und überregionale Presse und gleichzeitig noch als bundesweiten Rundbrief an die Infoläden verschickt.

Sind die Ermittlungen offiziell schon eingestellt?

Sanny: Nein offiziell noch nicht, aber es tut sich auch nichts mehr. Die einzige Spur, die es noch gibt – das ist aber ein Witz – ist, daß irgendwie ein junger Mensch mit Parka an und Kapuze auf, in der Brandnacht gegen acht vorm Plattenladen gesehen wurde, und da haben sie halt mal so rumgefragt, ob jemand wüßte, wer das gewesen sein könnte. Aber das ist auch alles.

Soweit ich mitbekommen habe ist aber doch auch einiges an Solidaritätsveranstaltungen gelaufen…

Sanny: Erstmal gab es regional sofort ganz viele Solidaritätsbekundungen. Im AZ, dem Cafe Irrlicht haben viele, auch überregionale Bands solimäßig gespielt, Rantanplan haben vor kurzem drei Solikonzerte für den Plattenladen gegeben und das Überraschendste war, daß sogar – so unpolitisch ist die Szene im Underground also doch nicht – eine große Techno Soliparty für den Laden im AZ stattfand.

Gut, dann habt Ihr jetzt aber -trotz aller Hürden, die Euch da in den Weg gestellt wurden – neu aufgemacht…

Sanny: Diese ganzen Solidaritätsdinger, die da kamen, waren unglaublich schön und haben uns aufgebaut und zudem eine gnadenlose Power ausgelöst. Das Motto der Eröffnung war dann auch „Indiepunk-Records Strikes Back!“.

Diese neue Motivation hat auch mit sich gebracht, daß sich eine neue Infoladengruppe gegründet hat und in der Endphase der Renovierungsarbeiten des Plattenladens auch der Infoladen renoviert wurde und beide gleichzeitig eröffnet werden konnten.

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Oops, der Verlauf der Geschichte hat meine Einleitung zur Lüge erklärt: die dunkle Seite der Macht um Oberasthmatiker Darth Vader ist nicht stärker, nur einfacher zugänglich und verführerischer. Denn der Mut, Wille und die Entschlußkraft der Rebellen ist so groß und stark, daß es auch dieses Mal gelang, die endgültige Kapitulation abzuwenden. Also wenn sich Euer X-Flügler mal in unser Paralleluniversum verirrt, tretet aus dem Hyperraum (oder für die Trekkies, wie z.B. Sanny: geht mit der Wharp-Geschwindigkeit runter) und schaut bei Indiepunk-Records in der Kirchstr. 4 in Lörrach vorbei, okay? Möge die Macht mit Euch sein!

Interview/Text: Rainer sgOTTie

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Hier noch eine Anmerkung, da die Gelegenheit so günstig ist. Ich frage mich ob es ein Teil von DIY ist seine Rechnungen nicht zu begleichen. Also ich rede hier nicht von unserem „knallharten“ Zahlungsziel von zwei Monaten („üblich“ sind max. 14 Tage, für die Leute die da drüber nichts wissen), wenn das nicht eingehalten wird – na gut.

Aber wenn es dann zum Teil Jahre dauert bis die Scheisse endlich geregelt ist – dann ist das schlicht und einfach SCHEISSE. Und da gibts auch nichts zu diskutieren. Natürlich ist die jetzige Situation eine die Nachsicht verlangt – kein Thema, aber ich rede über die Zahlungsfaulheit vor dem Brand – da gibts auch kein Mitleid.

Was bedeutet denn das jetzt für uns (und wohl auch andere), wir schicken die nächsten 8 Jahre Trust-Hefte nach Lörrach – die werden natürlich nicht bezahlt weil man ja „Schulden“ hat (ich frage mich was das bei uns ist) die abbezahlt werden müssen. Natürlich dumm gelaufen das jetzt grad Indiepunk als „schwarzer Peter“ herhalten muß, wie Eingangs erwähnt, bot sich eben an.

Nein, da gibt es schon einige die das Prinzip „Wenn du meine Ware verkaufst, dann gibt mein Geld nicht an jemand anders“ nicht verstanden haben. Keine Diskussion, kein rumschreien – das wollte ich mal wieder gesagt haben. Auch auf die Gefahr hin das wir jetzt wieder die „geldgeier“ sind. Ein leidiges Thema. Abgesehen davon hoffen wir natürlich das der Laden schnell wieder auf die Beine kommt.

Text: dolf

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