November 6th, 2019

HAZELWOOD VINYL (#153, 2012)

Posted in interview by Jan

„Ich schaue gerne Filme, aber schaue jetzt zum Beispiel nicht nur Horrorfilme (da gibt es eh nur 1-2 gute). Ich bin Film-Fan, ich mag gute Filme. Wenn ich nur Horrorfilme schaue, dann bin ich Horrorfilme-Fan, aber ist das was ganz anderes, als Film-Fan zu sein, verstehst du?…Genauso ist es mit Musik. Nur ein Genre ist langweilig. “

Interview mit HAZELWOOD VINYL PLASTICS

Ihr wisst, dass wir euch vom Trust nur Sachen (Bands, Labels etc.) vorstellen, die wir selber total geil finden. Bei dem Mitte 90er gegründeten Label, Studio, Verlag Hazelwood Vinyl Plastics aus Frankfurt am Main verhält es sich natürlich ebenso. Das Label um Gordon Friedrich und Wolfgang Gottlieb, die ich im folgenden in der Privatwohnung von Gordon Mitte 2011 interviewte, startete vor fast 20 Jahren als SST-Worship Geschichte. Die erste Veröffentlichung direkt Universal Congress Of (UCO).

Deren Bassist Steven Galeta wohnte dann auch konsequenterweise Jahrelang in Frankfurt, erst im Hazelwood-eigenen Studio, dann in einer WG mit Wolfgang zusammen. Es folgten Platten mit Saccharine Trust, vor kurzem nahm man Grant Hart von Hüsker Dü ins Programm auf. Doch nachdem man die alten Helden von SST, wie auch den umtriebigen Mike Watt persönlich in Frankfurt-Rödelheim beherbergte und schließlich feststelle, dass bei SST nicht alles Glanz und Gloria war, löste man sich davon und veröffentlichte kontinuierlich bis heute einen bunten Strauss aufregender Musik. Es gibt also natürlich auch genügend eigene tolle Band-Entdeckungen. Auf einem Labelabend vor einigen Jahren im 025 in Frankfurt haben mir The Great Bertolinis gut gefallen und die Mardi Gras.bb sind ja eh interessant. Genauso wie DM Bob & Country Jem, King Khan, Daniel Jonston.

Die Leute hinter dem Label sind positiv Verrückte, wie man es sich nur wüschen kann. Nicht alle ihre musikalischen Veröffentlichungen, da bin ich ehrlich, laufen mir immer rein, right. Aber der Spirit ist ansteckend inspirierend. Das spannende ist die konsequente Haltung: Fuck Schubladen-Denken. So was interessiert mich, so was ist „Punk“ von der Haltung her. Kennenlernen tat ich Wolfgang über Stone auf der Leipziger Popup Messe vor einigen Jahren, Wolfgang und Gordon (der ja auch für unser SST Special schrieb) waren bei unserem letztjährigem SST-Abend in Köln mit dabei. Gordon mit ca. 300 km/h am Lenker, ein Becks in der Hand auf dem Weg von Frankfurt nach Köln UND dabei über Mike Watt am philosophieren gehört zu den beeindruckendsten Bildern des an Überraschungen nicht unarmen Jahres 2010 für mich.

Das Interview fand statt mit sechs Hasseröder (ich), 2 Packungen Kippen (alle drei zusammen) und ich hatte selten das Gefühl, so viel interessantes, spannendes und lustiges an einem Abend in einem Interview erfahren zu haben. Schleimer? Nö, lest doch selber. Wenn ihr es noch fertig bringt, den Blick über den Tellerrand zu schaffen…

Guten Abend Wolfgang und Gordon, eigentlich darf ich ja dieses Interview nicht führen, da ihr einem früheren Trust-Schreiber ja schon mal Hausverbot gegeben habt, ich erinnere da an die Saccharine Trust-Frikadellen Affäre…
W (Wolfgang): Ah ja, der dicke Al! Ich war das, aber ich war sehr sanft und habe ihn eher galant hinaus begleitet. Das alles war vor Jahren, als Al total besoffen auf einem Hazelwood-(HW) Festival in Frankfurt bei uns war, auf dem u.a. Saccharine Trust spielten. Es gab einen kleinen türkischen Grill, Al war halt super breit und fing irgendwann an, die kleine Frau hinter dem Stand mit Frikadellen zu bewerfen, die hatte dann wirklich Angst vor dem dicken großen Glatzkopf… Jack Brewer wurde gebeten, zu schlichten und nachdem Al sich vor ihm auf die Knie geworfen hat und sich als größter Fan von ihm outete, meinte Jack Brewer, dass er ihn nicht raus schmeissen kann, weil so viele Fans hätte er nicht… Auf jeden Fall begleitete ich Al noch nach Hause bis vor die Haustüre.

Wunderschön! Viele denken ja, ihr habt euer Label nach Lee H. benannt, dabei war der betrunkene Kapitän der Exxon Valdez der Namenspate …
G (Gordon): Genau, und Lee wird auch anders geschrieben mit Nachnamen. Joe Hazelwood, Kapitän des Öltankers Exxon Valdez, verursachte den größten Ölunfall der Geschichte, das war alles eine bezeichnende, eine tragische Geschichte 1989, ich glaube, das war in dem Jahr. Er hat den Tanker auf das Riff gesetzt, wurde auf drei Promille getestet, er hatte halt unglaubliches Pech, im Prinzip, weil wahrscheinlich alle See-Kapitäne blau sind, wenn sie monatelang alleine auf See nur mit ihrer Crew unterwegs sind – bei ihm ging’s in die Seehose. Irgendwie erinnerte mich das ganze damals auch an unsere Situation, wir waren den Drogen, nicht nur dem Alkohol, nicht abgeneigt…

W: Joe lag zum Zeitpunkt des Unglücks schlafend in seiner Koje.

Zu was für einem Jubiläum kann man euch dieses Jahr eigentlich gratulieren, klärt uns auf bitte?
G: Das ist schwer zu sagen. Wir feierten ja erst uns 20 jähriges, dann unser zehn jähriges und haben auch schon 100 Jahre Jubiläum zelebriert. Wir wissen es selber nicht genau, bzw. wo soll man anfangen, die Jahre zu zählen? Die allerersten Platten haben wir völlig ohne unseren späteren Vertrieb Energie für alle, kurz EFA, gemacht. Unsere erste Kompilation mit befreundeten Bands, die wir im Studio aufgenommen haben, hatte auch gar keine Nummer.

W: Wenn man den Zeitpunkt nimmt, wo es uns „richtig“ gab, als Firma, mit Logo und so weiter, dann ist das 15 Jahre her.

Mardi Gras.bb ist einer der bekanntesten Band von euch, wie war eigentlich die Story mit deren Universal Anzeige, die ihr von HW gestaltet hattet und dann in der Spex kam usw.?
G: Kurz noch mal zu der Frage davor: wir haben ja mit SST Bands angefangen, die erste Platte war „Sparkling Fresh“ von Universal Congress of, die habe ich selbst produziert und das war auch unsere erste offizielle HW-Platte im EFA-Vertrieb. Und die Spex, also, durch die sind wir ja damals erst auf SST aufmerksam geworden, die haben das Label total groß gemacht, so das SST Bands in Deutschland bekannter als in den USA waren, nur hat die Spex diese Bands auch später fallengelassen, aber… Das war ja so, Jutta Köther von der Spex hat UCO auf einem kalifornischen Festival entdeckt, wir machten dann die Platte und hatten so bei der alten Spex-Mannschaft wie eben Jutta oder Diedrich Diederichsen „automatisch“ einen guten Ruf. Die Spex wurde dann von dem Piranha Verlag gekauft.

Die machen ja auch das Burger King Kundenmagazin…
G: Genau, also die Spex wurde von dem Verlag gekauft und Uwe Viehmann wurde neuer Chef-Redakteur. Die Mardi Gras.bb Band brachten wir bei Universal unter, gesignt waren sie weiterhin bei uns, aber wir hatten dann ein wenig Kohle in der Hand und haben die neue Platte überall fett beworben, in der intro usw. Es war halt auf diesem sehr stylischem Motiv u.a. ein Typ zu sehen, der seinen NICHT (!!!) erigierten Schwanz in der Hand hielt, manche Medien pixelten das, einige machten einen Balken drüber, nur die Spex-Redaktion hatte das wohl nicht gesehen und so erschien dann die erste Ausgabe mit CD-Beilage, in der auch diese Anzeige drin war. Die gesamte Ausgabe musste dann aus dem Handel zurückgezogen werden… Die haben halt ihre journalistische Sorgfaltspflicht verletzt.

W: Mit der Anzeige verbunden war die Idee, „Sex, drugs and rocknroll“ in einen ganz anderen Kontext zu stellen. 2001 war das ja und wir dachten, das wir statt einer nackten Frau das halt umdrehen und nen Typen nehmen, der seinen Schwanz in der Hand hält und neben einem Plattenspieler sitzt, auf dem die neue Scheibe der Mardi Gras.bb Band liegt.

G: Das war ja noch die Zeit, wo die Hamburger Schule en vogue war… Das ganze Setting war in so einem Oma Wohnzimmer angesiedelt. Es sollte eben nicht Punkrock sein, kein Bier und Schwanz in der Hand, sondern halt stylisch… wo man das erst spät entdeckt, es war ja auch kein großer Schwanz… das war der ganze Witz…

W: Ich hatte dann auch mal später die Redaktion besucht. Viehmann meinte, es wäre ein harter Schlag gewesen, nach fünf Jahren ging es dann wieder… aber was ich echt eierlos fand: Warum haben sie nicht Universal abgestraft? Die waren dann zu wichtig und dann nahmen sie uns?!

Wie sind Mardi Gras.bb eigentlich zu euch gekommen?
W: Der damalige Vertrieb, Efa, also der Chef, hat uns die Band empfohlen. Er meinte, da ist ne geile Band, aber die brauchen die „richtigen Leute“, die mit ihnen arbeiten…

G: Ja, er meinte, da wäre ne Band, die verkaufen aus dem Kofferraum in Mannheim 2000 Platten… ich fand die erst scheisse, echt jetzt. Ich bot ihnen also an, sie im Studio zu produzieren, und stellte sie vor die Wahl: entweder wir machen alles anders, ganz anderes Konzept, oder wir machen die Produktion, wie ihr sie haben wollt, dann aber nicht auf unserem Label. …Sie machten es mit und „Alligatorsoup“ hat bis heute 30.000 Alben verkauft. Es ist eine großartige Platte geworden, dann gab es meiner Meinung nach einen kleinen Durchhänger und jetzt, Anfang 2011, waren alle Konzerte ausverkauft, in Berlin mit 600 Leuten und auch noch an anderen Orten.

Ihr habt ja den Vertrieb von Indigo zu Rough Trade gewechselt, wie läuft es?
W: Super.

Ha, danke. Kann man das so sagen, ihr wechselt von dem bekanntesten deutschen Indie-Vertrieb zu dem bekanntesten weltweit?
W: Beide haben einen super Namen, was entscheidend ist: wer ist für dich zuständig, wir würden nicht zu einem No name Vertrieb gehen, dafür besitzen wir zu viel Renommee. Jetzt haben wir ein super Team und manchmal ist es halt Zeit, zu gehen…

G: Wir haben, das muss man auch sehen, mit Hazelwood auch schon immer ähnlichen oder beinahe mehr Erfolg im Ausland gehabt und…

In Ostdeuschland, haha?
G: Ja, haha, aber auch USA, England, Skandinavien, einige Zeit auch in Frankreich, es gab Musik in Filmen und TV-Werbe-Einsätze, wir lizenzierten an Vice und die verkauften in den USA in Lizenz im 10 000er-Bereich… Die EFA hatte am Anfang einen starken Export, als die bankrott gingen, spielten wir ein wenig „Bäumchen Wechsel dich“, und hatten viele Vertriebe durch. Die allermeisten sind schwach im Export. Bei Indigo sind es alles wahnsinnig nette Leute, die beiden Chefs sind auch sehr nett, bei den Disponenten hatten wir nicht so viel Glück. Indigo ist auf Deutschland fokussiert, und wir sind fünf Leute inklusive Carsten als Booker, ein Auszubildender, wobei der harte Kern aus drei Leuten – Wolfgang, Dennis und mir – besteht.

Wir machen das Label selber, die Produktionen im Studio, die Promo, die Videos, die Cover und wir können einfach nicht auch noch das Ausland abdecken. Wir haben in Frankreich wahnsinnig viel Geld durch bankrotte Vertriebe verloren. Um die 20.000 Euro. Durch Rough Trade können wir jetzt sagen: das Ausland ist abgedeckt. Rough Trade ist international aufgestellt, das kann Indigo nicht, die sind wiederum in Deutschland beinahe besser, aber international eben nicht. Die haben ja tolle Labels für den deutschen Markt.

Jetzt waren wir im Ausland, aber euer Headquarter ist in Frankfurt-Rödelheim. Frankfurt, wir denken an die Grünen, die ´68er, Kaufhausbrand, dann leider auch Böhse Onkelz, bei Rödelheim natürlich an den großartigen Hiphop. Steht ihr zwischen den Stühlen, mit der Au/Exzess-Punk-HC-Nummer habt ihr ja auch nicht soo viel zu tun, andererseits seid ihr auch kein Mainstream, sondern in einer ganz eigenen Liga?
G: Adorno nicht zu vergessen. Und ich hörte, Sabine Setlur arbeite mittlerweile bei Tengelmann an der Gemüsetheke. So geil kann es nicht gewesen sein. Also, wir sind kein Punk-HC-Label, stimmt.

W: Wir sind kein Punk-Label…

Von der Herangehensweise aber doch schon sehr stark, alles selber machen / DIY…
W: Ja gut, wenn du das so siehst… aber noch mal, Punkmusik veröffentlichen wir nicht, ganz einfach deswegen, weil sich keine geile Punkband anbietet. Würde ich eine finden, würden wir es machen. Aber so den breiten Ansatz, das haben wir von SST übernommen, von denen man auf gar keinen Fall alles übernehmen sollte, aber diese Vielfalt wiederum schon, eben, das man nicht ein Gerne bedient, das kann man sich schon von SST abschauen. Nur ein Gerne, das ist langweilig. Das habe ich dir heute Nachmittag am Telefon schon gesagt, ich schaue gerne Filme, aber schaue jetzt zum Beispiel nicht nur Horrorfilme (da gibt es eh nur 1-2 gute). Ich bin Film-Fan, ich mag gute Filme. Wenn ich nur Horrorfilme schaue, dann bin ich Horrorfilme-Fan, aber ist das was ganz anderes, als Film-Fan zu sein, verstehst du?

Ja, sehr gutes Bild!
W: Genauso ist es mit Musik. Nur ein Genre ist langweilig.

G: Das ist alles gleichzeitig Fluch und Segen. Der Segen ist, nicht den Strömungen des Marktes unterworfen zu sein, Hypes gehen an uns vorbei, da sind wir vor geschützt, wir sind nicht hip, kein Szene-Label… Andererseits ist aber genau dieser breite vielfältige Ansatz auch ein Fluch! Du musst für jede Band einzeln kämpfen und immer wieder bei Null für jede neue Platte anfangen. Was ich eben meinte mit Hamburger Schule. Nimm L´age d´or, die hatten Tocotronic und dann viele Bands auf ihrem Label, die sich ähnlich anhörten und die konnten dann leichter gepusht werden.

Aber bei uns klingen vielleicht noch The Great Bertholinis ein wenig wie Mardi Gras.bb, aber Grant Hart klingt halt total anders usw. Die sind alle grundverschieden, jede Platte muss einzeln von null an beworben werden. Da sind die Sparten-Labels, die sich z.B. auf Primitive-Rocknroll oder so etwas konzentrieren… die haben ihre Fanbase und sind so gesehen im Vorteil. Wir machen ne Punk-Platte, direkt danach eine Popscheibe, gefolgt von einer Jazz-Veröffentlichung. Der HW-Fan muss breitbeinig sein…

Was war eigentlich mit der Frankfurter Band Gentle Veincut, die Frage wurde von Stone aufgeworfen?
G: Das ist eine tolle Noise-Core-Band, von der HW die erste LP machte. Ich höre ja nicht nur SST, sondern damals auch Alternative Tentacles Records, No Means No und liebe Victims Family, auch heute noch. Gentle Veincut haben mich sehr an Victims Family erinnert. Ich mochte die Köpfe Diego, Alex und Volkan. Nach der Produktion der ersten Platte….Ach ja, das ist schwierig mit solchen autonomen Bands in autonomen Strukturen. Wir hatten ja auch mit King Kahn unsere Schwierigkeiten, dazu vielleicht an anderer Stelle mehr.

Ich meine, wir sind auch Part-Time-Autonome und politisch fühlen wir uns dem Ganzen verbunden, das ist also kein Thema, aber zum Beispiel ist die Verlässlichkeit ein Problem. Viele autonome Bands lösen sich drei Mal im Monat auf und finden sich dann wieder zusammen. Speziell Gentle Veincut gibt es nach 12 Jahren immer noch. Alex hat die Band verlassen, auf ne Insel, dann wieder nicht, ach, da kriegste die Tür nicht zu bei so eigenbrötlerischen Bands und Menschen. Wir als Label brauchen einigermaßen professionelle Strukturen. Wir wollen Erfolg haben.

Wir wollen einen Vertrieb. Wir sind ein offenes Label und wollen dennoch funktionieren. Diese Form von Professionalität kannst du von solchen Bands nicht erwarten. Und alleine bekommen die’s ja auch nicht hin. Die haben jetzt noch 2-3 Platten gemacht, die sind immer noch sau gut, aber werden immer noch im Heddernheimer Bunker spielen…

W: Meine Meinung: jegliche Form von Gruppierung von wegen „ich bin der und der Gruppe zugehörig“ finde ich verdächtig… so als Freigeist…

Aber wenn du zu keiner Gruppe gehört, gehört du doch irgendwie auch wieder zu einer, könnte man sagen?
G: Nein, das stimmt nicht, wir gehörten zu keiner bestimmten, sondern zu ganz vielen Gruppen. Das ist das Vereinende an uns. In Frankfurt gibt es viele gute Bands, aber keine Szene. Wenn wir aber ein Festival machen, dann kommen alle. Auch Gentle Veincut, genauso wie Hip Hop-er, die ganz anders drauf sind, HC-Leute, Jazzer… Bei uns stehen sie zusammen auf einer Bühne…Deshalb stimmt es nicht, dass, wenn wir zu keiner Gruppe gehören, dann wieder zu einer gehören… wir lehnen ja nichts generell ab, wir mögen viele gut gemachte Sachen. Die Leute merken, das unser Interesse ehrlich ist, wir denken nicht in Gittern.

Ihr veranstaltet ja regelmäßig Konzerte in eurem Studio, der Yellow Stage. 2010 und 2011 hattet ihr eine Woche jeden Tag Konzerte veranstaltet. Wie ist es dieses Jahr gelaufen?
W: Schon 2010 hatten wir mit dem BIG BUM SHAK ein 7-Tage-Festival veranstaltet und 2011 mit dem „Hazelwoddstock“ haben wir das noch mal getoppt!

Schöner Name im übrigen!
W: Es wurde wieder sieben Tage durch gefeiert und alles, was wir vorher gut gemacht haben, haben wir nun richtig gut gemacht.

G: Ich war die ganze Zeit NÜCHTERN (!!!) Für mich eine Premiere. Das war hart, hat aber wohl viel zum guten Gelingen beigetragen.

W: Ja, es war echt sehr gut. Gut organisiert, die Leute hatten Spaß, es waren tolle Bands, es gibt bald dazu eine Woodstock-DVD, die wir auch selber machen. Da kann man sehen, was man verpasst hat. Über 1000 Leute waren insgesamt da, was für Frankfurter Verhältnisse viel ist, zumal ohne Headliner!

Das stimmt!
G: Wir hätten genügend Bands auf dem Label, die den Laden noch voller gemacht hätten. Wir wollten aber das Event selbst im Vordergrund haben, mit kleinen Namen aus der Region. Nur am letzten Tag, dem Sonntag, spielten Mardi Gras.bb. Das war natürlich ausverkauft. Aber auch davor gab es schon zwei ausverkaufte Tage, mit Bands, die, wenn’s schlecht läuft, mitunter auch mal nur 30 Leute ziehen.

Apropos Event…
G: Ja, doofer Name… von mir aus „Happening“, das Ereignis an sich an sieben Tagen. Die Leute sollten kommen wegen des Zusammenseins, dieses Hippie-Ding irgendwie. Dabei haben wir schon eine rationale kritische Grundhaltung zu Hippies, das sollte eher auf der Meta-Ebene ablaufen. Wir spielten mit dem Klischee dieser Art „Togetherness“. Das wäre mit fetten Bands kaputtgegangen. Und schließlich ist es keine große Kunst, mit Grant Hart und nen bisschen Werbung viele Leute zu ziehen. Die wären dann aber eben nur wegen Grant gekommen und nicht, wie wir es uns vorstellten, wegen „der Sache an sich“.

In eurem Studio waren schon Barry White und Lemmy, was für Traumbands habt ihr, mit denen ihr mal zusammenarbeiten wollt?
G: Prince! Ne anständige Platte, seit 15 Jahren hat der nix mehr Gutes gemacht, das würde ich gerne machen, bei uns im Studio für 2 Wochen.

W: Dinosaur jr, wenn wir schon die ganze SST Garde durch haben…

G: Bei Barry White waren wir so dezent und haben keine Fotos gemacht, bei Motörhead gab es eins.

Kurze Fragen nach der Rauchpause mit der Bitte um kurze Antworten…Cypress Hill?
W: Mal nen Video gesehen, ganz witzig, aber nicht mein Fall.

Doors?
W: Die Doors, Jim und so?

G: Große Gesten waren jahrelang verpönt, aber die epischen Werke scheinen wieder zu kommen.

AC/DC oder Kiss?
G: Hier kann ich dir keine kurze Antwort geben, obwohl ich mich mit beiden nicht befassen musste. Aber ich habe meine Probleme mit Hardrock im allgemeinen, diese Machotum in der Musik mochte ich nie. U2, Metallica, so etwas habe ich nie gehört. Ich hab Probleme mit Macho-Gehabe, deshalb höre ich Minutemen, aber eben nicht so was…

Black Flag mit Rollins dann aber okay?
G: Nee, nicht mit dem späteren, das ist nicht okay…mit Rollins hatte ich von allen SST-Bands die meisten Probleme… Vielleicht sind es die Bands selber gar nicht, Kiss mit ihren Masken, das wirkt gar nicht so machohaft, aber damals, das war ja meine Generation, als diese Platten raus kamen, da war ich 12 oder 13 Jahre alt. In Duisburg, wo ich herkomme, fanden solche Bands ausschließlich nur Jogging Hosen-Assis gut, mit Bierflasche und Kippe auf dem Stromkasten sitzend, auch schon mit 13 Jahren. Ich habe damals Coltrane gehört oder auch Debbie Harry – frühe Punk-Sachen, aber keinen Hardock, bis heute nicht…Ich weiß nicht, ob das im Trust gut ankommt, jeder hat da so seine anderen Grenzen.

Oh, das kommt schon gut an, ha.
W: Also.. ein Eimer voll Scheiße ist ein Eimer voller Scheiße, egal was drin ist… Ich hatte auch nie eine Affinität zu Hardrock…Gordon meinte mal, wenn Hardrock intelligent gemacht wird, dann ist es Hardcore.

Oha, hört hört, aber ja, guter Spruch!
W: Hardrock ist HC für Dumme.

G: Was ist aus diesen Bands, AC/DC, KISS, für ein Schmodder geworden, ich hab dazu keinen Bezug, bei Beatles oder Stones, da hätte ich Beatles gesagt…

W: Frühe Stones mag ich, aber doch eher die Beatles. In den 80er wollte ich aber keine Musik hören, die aus den 60er kam.

G: Ich finde auch, so Bands wie die Stones stehen in einer generativen Reihenfolge mit AC/DC oder KISS, und Beatles eher mit Velvet Undeground oder Minutemen. Genau das, was die Stones machten, dieses Machotum, Lederhose, breitbeinig wehende Haare im Nebel, das haben die Beatles mit ihren Jacketts nie gemacht…

W: Mit gewisser Ironie ist das völlig okay, frühe Stones halt finde ich gut, ja.

Kommen wir zu euren Helden, statt über meine zu reden, und die wir alle in dieser Runde geil finden: wie kommt man an Grant Hart ran? SST hatten wir ja schon, ihr habt ne geile Tour mit UCO und Saccharine Trust letztes Jahr gemacht, der Auftritt in Frankfurt war so gut, ich kann es immer noch nicht beschreiben, wie ergriffen ich war, als „A human certainty“ von „Pagan Icons“ gespielt wurde, aber Grant Hart ist ja schon ne andere Nummer?
G: Gegenfrage, wenn du Grant Hart bist und suchst nen Label in Deutschland, wen würdest du nehmen?

Virgin Records?
W: Haha! Nee, der hat es echt nicht mehr dicke mit den Majors, der hat die Schnauze voll und das hat sich doch alles erledigt und ist nicht mehr so, wie es vor 15 Jahren war. Wir haben uns mit neuen und coolen Bands und alten Heroen nen Namen gemacht…

G: Und ein Major ist nur ein Kaufhaus. Als ich die Anfrage bekam, dass Grant Hart ein Label suchte, da haben wir erst mal das Booking für seine Deutschlandtour gemacht, darauf wurde er auf uns aufmerksam. Wir haben uns gut verstanden, das Booking ist gut gelaufen. Inzwischen hatte Wolfgang mal recherchiert. Von seiner letzten Platte hat er in Deutschland 138 Exemplare verkauft!

Was, da fehlen keine drei Nullen am Ende?
W: Der war jahrelang auf Heroin und völlig im Arsch und somit völlig uninteressant für ein Label. Wir haben ihm auf die Beine geholfen. Es gab ein Feature auf Arte Tracks, es war ne fette Tour, gute Werbung, das ist unsere Arbeit. Das Rolling Stones Magazine berichtete. Die meisten dachten ja, der ist tot…

Daniel Johnston macht ihr ja auch..
W: Ja, den hab ich auch produziert, im Gegensatz zu Grant Hart.

Wie ist der so drauf?
W: Wirklich fertig und sehr krank, das war kein leichtes Arbeiten mit ihm. Er ist smarter, als viele denken, aber eben auch angewiesen auf fremde Hilfe. Nach der Arbeit mit ihm fühlte ich mich bei der ganzen Sachen nicht mehr 100 % wohl. Seine alten Aufnahmen finde ich großartig, und ich habe mich sehr gefreut, ihn machen zu dürfen. Aber nach dieser Erfahrung… Die Leute, die ihn jetzt supporten und live anschauen…das ist einerseits wegen der alten Platten, andererseits ist es wie bei einem Verkehrsunfall, wo alle Leute auf der gegenüberliegenden Spur stehen bleiben und gaffen.

Das hat mir ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache gegeben – ein Teil von so etwas zu sein… Ich habe die Platte gemacht, um etwas künstlerisch Wertvolles, etwas Gutes mit ihm zu machen. Das Tragische gehört zwar zu seiner Person dazu, aber der Künstler steht für mich im Vordergrund. Mit seiner Krankheit wird halt auch von seinem Umfeld hausieren gegangen, das hat mich Abstand nehmen lassen. Er ist entmündigt, die ganze Kohle geht nicht an ihn, sondern an sein Umfeld.

G: Das habe ich ähnlich wie Wolfgang empfunden.

***
Es ging noch über „vom Studio oder vom Label leben“, Schnittmengen mit anderen Labels, die DVD, neue Releases, Howe Gelb schon fertig im Studio aufgenommen, kommendes Grant Hart Studioalbum… Checkt das Label unbedingt mal aus, es lohnt sich.

Kontakt: hazelwood.de
Interview, Text: Jan Röhlk
Fotos: HW

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