September 23rd, 2019

FLIGHT 13 Records aus #126, 2007

Posted in interview by Jan

Interview mit Tom von Flight 13 Records & Mailorder

Ein Sonntag Abend Anfang September, 21:00, eine schön ruhige Terrasse eines afghanisches Restaurants in Freiburg – Stühlinger: Andrea (Mandelplätzchen und Tee) und Jan (Weizenbier) interviewen Tom (Radler, Tee, Kartoffelbällchen mit Quark), danach ging es in die KTS zu VAZ und TEN VOLT SHOCK. Ich fand das Gespräch mit dem sehr fröhlichem und optimistischen Tom – Chef von dem Mailorder und Plattenlabel und Plattenladen Flight 13 aus Freiburg – allemal interessanter als das Konzert im Anschluss: VAZ waren nicht so gut wie Ten Volt Shock und Flight 13 waren am besten – here we gehen zur Geschichte von Flight 13, warum das Logo nichts mit Frontline zu tun hat, ob die Arbeit im Musik-Bereich wirklich der heißeste Scheiß ist und was Aquaristik really means.

Kurz gesagt, die drei Bereiche dieser Schwerpunktausgabe – Arbeit (in einem Mailorder), Macht (der Mailorder ist eine Firma und Tom ist der Chef) und Freizeit (thats the thing with Aquaristik) – werden u.a. thematisiert. Infos und das Angebot von Flight 13 natürlich unter www.flight13.com bzw. www.myspace.com/flight13records. Flight 13 betreiben mit Ritchie Records (http://www.ritchierecords.de/news) noch ein zweites Label, dass organisiert Ingo, der Mitarbeiter und Freund des Hauses seit der ersten Stunde ist.

Ja, hallo Tom.
Hallo Jan.
Schön, dass du dich bereit erklärt hast, das Interview zu machen…
Ah, das ist mit eine Freude-
Wie läufts denn in Freiburg so, also ich meine, wie geht’s Flight 13? Ihr seid doch vor zwei Jahren umgezogen oder?
Wir sind erst Anfang dieses Jahres, also 2007, umgezogen, von daher ist das alles noch recht frisch… und na ja, das ist super! Bessere Lage! Na ja, Andrea kennt das ja noch, wie das vorher war, und jetzt sind wir einfach zentraler und mehr im Geschehen drin.
Macht sich das auch finanziell bemerkbar?
Gute Frage, nee, nicht wirklich eigentlich, also ich hab’s mir auch noch nicht richtig angeschaut, aber es kommen mehr Kunden, d.h. die Stammkundschaft kommt jetzt öfters, was aber nicht heißt, dass die unbedingt mehr kauft oder so was.
Ist das denn hier das Zentrum, dieser Stadtteil, wo Flight 13 ist, also Stühlinger? Liegt ja recht nahe am Hauptbahnhof.
Also Stühlinger ist schon so der coolere, der gute Stadtteil, wo man im Prinzip auch sagen kann, dass da die meisten Flight-Kunden herkommen, deswegen macht das auch Sinn, hier zu sein.
War der alte Laden denn kleiner?
Nö, der war nicht kleiner, aber einfach schlechter zu erreichen und letztendlich war er auch teurer.
Ok… also geschäftlich konntest du noch keinen “signifikanten Unterschied“ feststellen?
Nein, wir leben ja vom Versandhandel und der Versandhandel ist, wie wir alle wissen, natürlich standortunabhängig und das Ladengeschäft ist jetzt einfach so eine Sache, die mitläuft und die Spaß macht, aber nicht den Hauptumsatz einfährt.
War das eigentlich beabsichtigt mit euerm Logo – als ich das allererste Mal einen Flight 13 Katalog in der Hand hatte – so Mitte der 90iger Jahre – dachte ich irgendwie “Ach cool, Frontline macht wieder Hardcore“? Also mich hat das Logo und die Aufmachung irgendwie an den alten Frontline-Katalog erinnert, der mein erster HC-Bestell-Mailorder war…
Unser Logo??? Hmh… also, das höre ich jetzt zum ersten Mal, dass das mit Frontline verglichen wird. Ja gut, Frontline gabs vor uns und… was soll ich da schon sagen, die verwenden bestimmt nen ähnlich normalen Schriftzug wie wir das machen, keine Ahnung, aber ich hab mich nie für Frontline interessiert und würde mir das deshalb auch nicht zum Vorbild nehmen.
Aber die waren doch eigentlich so Anfang / Mitte der 90iger zusammen mit Malibu schon die “Global Player“ im Bereich Mailorder oder? Flight 13 oder Green Hell habe ich erst viel später wahrgenommen.
Okay… gut, ich meine, den Malibu Mailorder gab es ja tatsächlich schon lang, Frontline… ich weiß gar nicht, wann Frontline gegründet wurde, dass musst du mal selber nachgucken und klar, die hatten natürlich schon ihre Zeit, wo sie gute Geschäfte mit Tonträgern gemacht haben, aber die sind ja dann auch relativ schnell ins Merch-Geschäft eingestiegen und haben dann ja auch ihre Tonträger-Abteilung… also ich weiß gar nicht, ob die überhaupt noch existiert…
Ich war letztens noch mal auf der Seite, da war noch was…
Ah okay, aber da geht’s ja auch um Fashion, also wenn du dir neue Schuhe kaufen willst oder nen Minirock oder was weiss ich was, dann kannst du das bei Frontline tun, also wir haben eigentlich mit denen nichts gemein, wir sind Tonträger-Fachverkäufer und das eigentlich ausschließlich.
Aber das ist doch eigentlich schon so die Standard-Entwicklung, wenn man sich jetzt auch mal Lost and Found ansieht – wie auch immer man die bewerten will – die sind ja auch den Weg von einem Tonträger-Mailorder jetzt zu einem völlig anderen Level gewechselt, also jetzt nicht größenmäßig, obwohl wahrscheinlich das auch, aber die machen jetzt ja auch nur noch Fashion.
Ja… also, ich tue mich jetzt ein bisschen schwer, weil ich über andere Firmen reden muss und ich bin da jetzt nicht super-kompetent, aber klar, Lost and Found hat eine ähnliche Entwicklung wie Frontline gemacht. Das weiß ja auch jeder, dass die Margen im Textilbereich einfach größer sind und man kann sich einfach die Klamotten nicht brennen, d.h. man muss die kaufen und diesen Weg sind halt beide Firmen gegangen… was ich weiß ist, das bei denen im Tonträger-Angebot nicht mehr so viel passiert.
Und für euch war das jetzt nie so eine Option, dass mit der Fashion-Sache auch eventuell mal zu probieren, also mehr ins T-Shirt oder Longsleeve-Geschäft einzusteigen?
Geht so, wir hatten das schon mal probiert, wir hatten ja auch mal so einen kleinen Fashion-Katalog gemacht, weil wir gedacht haben, dass ist ne schlaue Idee und das ja auch alle gemacht haben…
Ach so, von euch selber dann so eine Mode-Linie?
Nein, einfach mehr Textilien anzubieten, die über Band-Merch hinausgehen. Also Band-Merch ist ja das eine, das ist ja auch noch ziemlich “music related“, es ging ja ein bisschen weiter in diesen Bereich Fashion hinein..
Also so Vans und Dickies-Hosen und sowas?
Nee, um Gottes Willen, so was nicht, keine Ahnung, wir haben dann irgendwelche Künstler kontaktet, die Shirts designen, und die dann in 20er Motiv-Auflage gedruckt haben und so was, also das war alles auf nem Low-Level, wir hatten im Prinzip keinen Vertrieb. Wir hatten dann halt probiert, mit denen zusammenzuarbeiten, aber das hat nicht wirklich funktioniert, weil einfach Fashion was anderes ist wie Band-Merchandise und die Leute sind es nicht gewöhnt, Fashion bei Flight zu kaufen.
(Anm: hier wurde das Essen serviert, nach einer Pause ging es dann weiter)
Was mich am meisten interessieren würde, ist der Spagat zwischen ökonomischen Sachzwängen und Idealismus – inwieweit musst du dich da verbiegen bei der alltäglichen Arbeit und den betriebswirtschaftlichen Abrechnungen?
Gute Frage, kurz beantwortet ist es so, dass ich / wir zum Glück in der Lage sind, keine richtig großen Kompromisse eingehen zu müssen. D.h. wir sind auch so drauf, dass wir Platten, die wir nicht gut finden oder nicht verkaufen wollen, halt dann auch nicht verkaufen, so was können wir uns einfach noch leisten. Bei unserer Arbeit, bei dem was wir tun, da kann sich jeder davor stellen und mit guten Gewissen sagen, dass das okay ist.

Also wir machen da eigentlich wenig Kompromisse, klar müssen wir unser Geld verdienen, aber das heißt nicht, dass wir Scheiße anbieten und schreiben, dass es gut ist.
Noch mal kurz nachgefragt, ihr habt ja schon ein relativ breites Spektrum, man kann ja nicht sagen, Flight 13 bietet nur Punk / HC und nen bisschen Garage und Punkpsych an – ihr habt Ska im Programm, ihr habt Lougne, Ambient etc….
Das ist völlig richtig, ich meine, wir kommen vom Punk/ HC, da fing alles an, und mittlerweile hat sich das Programm halt erweitert, aber letztendlich spiegelt das Flight-Programm den Musik-Geschmack jedes einzelnen Mitarbeiters wieder, d.h. wenn wir eine Lougne- oder eine Elektro-Abteilung haben, dann ist das der Götz, der sich darum kümmert, weil er es selber gut findet, und damit seine Kompetenz in diesen Bereich reinbringt und so ist es eigentlich mit allem, das sind für uns keine Kompromisse, dass ist nicht was, wo wir am Tisch zusammen sitzen und uns überlegen “Ah wir brauchen jetzt noch irgendwie da oder da was, wir brauchen jetzt eine größere Ska-Abteilung“, sowas machen wir nicht. Das was wir persönlich gut finden, dass verkaufen wir auch und da kommt dann dieses Programm raus, was natürlich sehr vielfältig ist, aber das hat für mich nichts mit Kompromissen zu tun.
Was ich klasse fand, ich hab das mal in einer Testcard-Ausgabe gelesen, dass ihr eine zeitlang ziemlich viel Reggae verkauft habt, dann rauskam, dass bei einigen Platten sehr schwulenfeindliche Äußerungen dabei waren und diese Platten habt ihr dann rausgeschmissen.
Da haben wir einiges rausgenommen, aber das ist natürlich eine sehr sehr schwierige Diskussion, die da geführt wurde von wegen “Wo fängtste an, wo hörtste auf“. Und es ist nunmal tatsächlich so, dass schon etliche Texte von Reggae-Artists einfach nicht 100 % in Ordnung sind, das hat einfach auch mit der Musik an sich und mit der ganzen Philosophie von Reggae zu tun, aber wir haben die schlimmsten Sachen von Reggae natürlich rausgenommen. Aber das ist jetzt auch so ein Beispiel: wir haben die Reggae-Abteilung, weil zwei Mitarbeiter, der Rob und ich, privat sehr viel Reggae hören und das gut finden.

Wir bieten da auch einiges an, aber in Relation dazu verkauft sich das relativ schlecht, das ist ein ganz kleiner Teil, das ist noch nicht mal 1 %, was wir an Reggae-Platten verkaufen. Aber das ist einfach so, wir hören es gerne, und die guten Scheiben listen wir dann ein und wollen es anbieten und quasi die Botschaft nach draußen schicken und gucken, vielleicht fruchtet es, aber so ist das halt und das ist wieder der Punkt wie eben schon mal.

Das Programm ist das, was wir privat hören und gut finden. Natürlich sind da auch Sachen dabei, die man einlistet, als Beispiel aus dem Gitarrenbereich, die einen jetzt nicht überzeugen oder so, die aber gefragt sind und die man dann natürlich macht, aber da schreiben wir dann auch nicht “Hey, die Scheibe ist super“. Da sind wir dann auch so drauf, dass wir uns zurückhalten und das halt beschreiben und jeder muss dann selbst entscheiden, ob er das dann kaufen wird.
Also für die ganzen verschiedenen Musikstile, die ihr anbietet, ist dann einer dafür verantwortlich, der das geil findet und der dann der Verantwortliche für Surf, Elektro oder Punk ist?
Nicht nur einer, also es gibt letztendlich Schwerpunkte: Wir verkaufen ja in erster Linie Musik, die rockt, also wo in der klassischen Formation gespielt wird und Gitarren dabei sind, ob das jetzt Punkrock oder irgendwie auch Portugal. The Man oder so was, alles was irgendwie rockt, ist der große Pool und die Masse von Sachen, die wir verkaufen und da sind viele für zuständig. Da schreibt dann das ganze Team Besprechungen oder Artikel-Vorlagen und dann gibt’s dann so spezial-Bereiche wie z.B. Elektro, die weitestgehend von einzelnen Mitarbeiter bestritten werden, in dem Fall jetzt der Götz.

Oder Ska, das macht dann der Rob, also, es gibt dann so Schwerpunkte, aber es ist jetzt nicht so, dass jemand sagt, “du bist der und du machst das“, also, es wird auch nichts angesagt. Bei Flight kann jeder im Prinzip machen, was er tun will, natürlich in diesem Kontext und es gibt Regeln, aber es gibt eine klare Ansage “Das und das ist jetzt deins“, was das Repertoire anbelangt.
Also da hört sich ja echt nach einem geringen Verbiegungsfaktor an, ich habe allerdings auch keine Ahnung, wie gut man von nur Punk/HC-Verkäufen leben kann, da müsste man vielleicht mal schauen, wir groß Flight 13 ist oder wie viele Leute ihr eigentlich seid?
Wir sind insgesamt ein Team von 8 Leuten, aber das sind natürlich nicht alles Vollzeitkräfte, da gibt’s Praktikanten, da gibt’s Jobber, da gibt’s Auszubildende, aber das ist so das Dach. Zu der Punk/HC-Geschichte ist es halt so, dass wir da herkommen und dass es lange Zeit das war, wo wir am meisten verkauft haben, aber mittlerweile ist es schon so, dass die – ich nenne sie mal “Gitarren-Abteilung“, die halte sehr groß ist, da ist ja alles drin, von Postrock bis zu bisschen Metal, bisschen Stoner, und alles, was in diesem weiten Feld Independet/Alternative läuft – das hat mittlerweile die Punkabteilung überholt.
Echt?
Ja.
Okay… also alles so was wie Strokes und so…
Na ja, Strokes ist jetzt ein schlechtes Beispiel, weil es halt so eine Majorband ist, es gibt ja auch viele Gitarrenbands, die auf Indies sind, wie z.B. Genepool oder so was, dass man auch gut finden kann und was wir auch gut finden und was auch Spaß macht, zu verkaufen, weil wir die Band und das Label mögen. Es ist ja nicht so, dass Gitarre gleich Major bedeutet.
Okay, verstehe, schlechtes Beispiel mit Strokes, alles klar. Sag mal, war das eigentlich von Anfang an so gedacht mit Flight als ein Hobby, und irgendwann könnte mal realistisch sein, dass man davon leben könnte?
Nee, das Interessante ist eigentlich, dass Flight nie nen Plan hatte, ja, das ist tatsächlich so, ich hab es ja genauso wenig geplant, dass ich heute hier sitze und das erreicht habe, was ich erreicht habe. Ich war selbst Musiker, habe selbst Platten rausgebracht, meine eigenen auf dem eigenem Label, weil das sonst keiner machen wollte…
Ach, bei welchen Bands denn?
Ich habe bei Scarecrow gesungen und später bei Laika, also nicht bei den englischen Laikas. Und damit fing das alles an und dann hatte ich Tonträger von meinen Bands und dann kriegste das natürlich nicht alles verkauft und d.h. du hast dann natürlich Freunde, Bekannte, Connections, wo du dann halt Ware tauschst und dann hast du halt irgendwie plötzlich andere Ware da in 5er/10er Stückzahlen. Und was machste, weil du das ja auch irgendwie losschlagen willst? Du machst ne Liste. Und so gabs dann irgendwann – ich glaube 1986 – die erste DIN A4 handkopierte Versandliste, mit vielen Kassetten, was damals wichtig war. Und so fing das damals halt an.
Wow. Bist du dann auch mit ner Kiste auf Konzerte gefahren?
Ja ja, heute mache ich das aber nicht mehr, weil der Aufwand viel zu groß ist und ich dafür einfach kein Nerv hab. Also ich brauche auch noch so ein paar Stunden Freizeit. Früher natürlich bin ich rumgefahren auf Konzerte, klar.
Diese Plattenkisten werden ja auch immer sehr gerne gesehen auf Konzerten. Aber jetzt mal so ganz platt gesagt, die sind ja meistens auch billiger und sind die Plattenkisten-Leute dann einem Plattenladen-Besitzer nicht irgendwie ein Dorn im Auge?
Nee, das ist total egal. Hey, das sind Leute, in erster Linie junge Leute, die machen was aus Spaß an der Musik und das ist eh immer das Beste, wenn du was aus Spaß machst und die müssen ja nicht irgendwie richtig Geld verdienen, ich mein, die wissen ja manchmal schon nicht mehr, was Mehrwertsteuer ist, und hauen dann einfach 1-2 Euro auf die Platte drauf und gut ist, ich finde das total in Ordnung, und ..
Also keine Konkurrenzgefühle?
Nein, ey mein Gott, was soll ich tun? Ich reg mich darüber nicht auf, ich finde das total in Ordnung, dass ist ein Teil der Szene, so fängt alles irgendwie an, die sind vor Ort bei den Leuten, die auch Musikbegeistert sind, die auf Konzerte gehen und stehen dann da rum und verkaufen die Platten. Ich finde das total ok, ich hab das ja früher auch gemacht, ich kenn diesen Weg… Und noch eine Sache zu dieser Sortimentsgeschichte, da spielt natürlich auch mit rein, dass wir alle älter werden.

Klar haben wir keine 40jährigen Praktikanten, aber so das Kernteam von der Urbesetzung, die noch dabei sind… wir werden natürlich älter, d.h. unser Musikgeschmack verändert sich. Ich kaufe mir heute auch mal ne Feist-Platte und hör mir das an und find das super, was ich natürlich vor 20 Jahren nicht gemacht habe. Ich besprech heute auch Gitarrenscheiben, was ich früher nicht gemacht hätte. Aber das ist einfach so das Ding.

Und unsere Kundschaft wird auch mit uns älter und wenn es dann irgendwie passt und die Leute nicht rausfliegen aus ihrer Kundenhistorie, weil sie einfach kein Geld oder keine Zeit mehr für Musik haben und Lebensumstände sich halt verändern, dann können die uns da begleiten und dann passt das auch wieder. Die Altersstruktur der Kunden ist ja auch tatsächlich mitgewachsen, unser durchschnittlicher Kunde ist nicht 18.
Gab es bei euch denn nicht mal auch Klagen, dass die jungen Leute nicht mehr anständig Musik hören? Ich habe manchmal das Gefühl, dass so eine junge Szene weg bricht, weil die nur noch CDs kaufen und es keine Schallplattenkäufer mehr gibt… und dann ist da auch wieder die Gefahr, du kaufst eine Cd und brennst die 10 mal für deinen Freundeskreis…
Also diese Sache, dass da kopiert wird, das hat nicht wirklich etwas mit dem Format zu tun. Es ist natürlich einfacher, von ner CD Kopien zu ziehen wie von ner Platte, aber es gibt auch diese Plattenspieler, wo du dann gleich das File generierst für den Rechner und kannst es brennen. Und ich mein, das gabs ja früher auch schon, wir haben ja auch früher kopiert. Wir hatten ja auch nicht viel Geld, ich meine, wie wars denn früher? Irgendjemand aus dem Bekanntenkreis hat ne Platte gekauft, und dann wurde die getapt und die wurde auch noch 2-3 getapt für Kumpels und das war ja auch super.

Also das gabs ja schon immer, aber da stand auch erstmal natürlich nen Kauf von einem physikalischen Tonträger. Heutzutage findet das ja auch oft nicht mehr statt, da wird ja dann nur kopiert, weil irgendjemand irgendwo sich das File runter geladen hat. Das ist auch der Unterschied. Und dann, das ist natürlich ganz schlimm, dass ist das, was du auch gefragt hast, ich sprech da immer vom “kulturellen Verfall der Jugend“, also dass die Kids keine Schallplatte mehr kennen und na ja, also die Hobbys der Kids haben sich auch total verändert: es geht ja heutzutage um andere Dinge, es geht um Handys, Spielkonsolen usw., wir sind ja heute in einer ganz anderen Welt als wie vor 20 Jahren, als wir noch Kids waren.

Das ist natürlich schwierig: das kann man natürlich verurteilen und ich verurteile das auch – aus der Sicht eines Plattenverkäufers finde ich es natürlich nicht gut, weil natürlich weniger Klientel da ist, aber ich kann es natürlich auch nicht verhindern. Was halt schlimm in dem Zusammenhang ist, das Musik, die natürlich ein Kulturgut ist, einen enormen Werteverfall bekommen hat und das die Kids einfach gar nicht mehr bereit sind, irgendwie für Musik zu bezahlen.

Sie sind bereit, sich für 2 Euro nen Klingelton von irgendwie Jean-Paul aufs Handy zu ziehen, dafür zahlen sie dann, aber eine Platte wollen sie nicht kaufen. Und das ist halt Schade und da hängen viele Probleme dran und deswegen geht es der Tonträger-Industrie seit Jahren richtig schlecht und alle klagen.
Aber andererseits, ihr habt ja auch Flight 13 -Duplication. Ich arbeite bei einer Schneidefirma, und es ist da Wahnsinn, wie viele Leute wollen, dass es Vinyl von ihren Sachen gibt. Da scheint es ja doch noch Leute zu geben, die das Vinyl schätzen.
Natürlich gibt’s die, sonst würde es Flight ja auch nicht geben. Wir verkaufen ja auch noch nach wie vor mehr Schallplatten als CDs und das ist ja auch gut so. Ja, es gibt diese Leute, natürlich, es hat sich aber auch verändert, früher hast du halt Kassetten bekommen und heute bekommst du halt schon CDs von den Leuten geschickt, es ist alles auch irgendwo erschwinglicher geworden für alle. Ich finde das ja auch gut.
Wie hängt das eigentlich mit euch zusammen?
Die Duplication ist eine komplett selbstständig Firma, also, die ist angeschlossen und der Betreiber ist ein Freund des Hauses, aber es wird auf komplette eigene Rechnung gearbeitet und einfach nur den Name benutzt.
Also die Gewichtung ist ingesamt und nach einem Ranking schon der Mailorder, der Plattenladen und das Label oder macht ihr auch noch Booking?
Nee, wir machen sonst nichts. Wir leben vom Mailorder, den Laden, denn haben wir, weils halt Spaß macht und weil es halt einfach schön ist, Kundenkontakt zu haben, das Label ist auch letztendlich Hobby, wir verdienen kein Geld mit dem Label, dazu müssten wir andere Sachen machen. Also wenn eine Platte mal richtig gut verkauft wird von uns, dann – und das kommt selten vor – bedeutet das etwa 1500 Einheiten und davon kann man nicht leben, da bleibt nix übrig, wenn man Presskosten, Werbung usw. alles abziehst, Lizensen an die Band, Gema, da bleibt einfach nichts.
Hauptbestandteil ist also der Mailorder, wo ihr auch die Kataloge immer raushaut?
Ja.
Wenn 1986 die erste handkopierte Liste raus kam, dann war das vor 21 Jahren – würdest du sagen, ihr seid so “organisch gewachsen“ – ein blöder Begriff – also, dass ihr so kontinuierlich mehr geworden seid und irgendwann hat man gedacht, “Och, ich beende mein Studium schnell oder beende es gar nicht“ und mache dann…
Ja ja, genauso wars.
Oder gab es irgendwann mal so einen richtigen Boom, was weiß ich, 1994 mit Green Day und so? Oder auch drastische Einschnitte?
Im Prinzip ist es kontinuierlich gewachsen. Von 1986 an wurde das immer mehr, am Anfang war das natürlich ganz langsam. Zum einen war ich zu der Zeit noch auf der Schule, als ich das Gewerbe angemeldet hatte, ich war damals 16. Dann musste ich erstmal mein Abi irgendwie fertig machen und da gibt nichts mit “mehr ausbauen“, ich hatte ja auch kein Geld . Dann habe ich Zivi für 2 Jahre gemacht und dann hat die Mutter zu mir gesagt, dass ich jetzt mal ausziehen könnte und dann hatte ich eine eigene Wohnung am Hals und mit Dirk von Tocotronic, der damals in Freiburg wohnte, hab ich dann zusammen gewohnt.
Nein! Echt?
Ja ja…
Ach komm, dass ist doch der mit dem (Anm: fuchtel an den Haaren rum)…
Ja genau, der mit dem Scheitel, ja ja. Aber da war das alles mit Flight noch auf kleiner Flamme, letztendlich schon auch noch so Hobby-mäßig. Dann habe ich mir überlegt, was ich so mache und hab dann angefangen zu studieren, so wie das jeder oder alle machen und gemerkt, dass das nichts für mich ist…
Ach lass mich raten… hmh…. Technik?
Nein.
Germanistik?
Nein.
Soziologie?
Jap, ganz schlimm, Soziologie und Anglistik. Das hab ich dann nen paar Semester gemacht und es dann hingeschmissen und dann musste ich halt Gas geben und habe geschaut, dass ich Flight nach vorne bringe und hatte ja auch dann zum ersten Mal Zeit, mich Vollzeit drum zu kümmern und da rein zu klotzen und dann ging das natürlich alles schneller als in der Zeit vorher.
Und der Name war dann einfach so, weil Flight 13 für so einen Unglücksflug steht?
Nee, ach keine Ahnung, es hieß ja vorher Weed-Productions und wir mussten den Namen ändern, weil der rechtlich irgendwie geschützt war und dann haben wir uns irgendwie Flight 13 ausgedacht. Und ein guter Kollege hatte dieses Logo dann gemacht mit dem abstürzendem Flieger, was ich halt gut fand, ich wollte damals einen englischen Namen haben, ich wollte einen Namen haben, unter dem ich alles machen kann, also nicht einen Namen, wo du beim ersten Mal hören schon weisst, dass das nur HC ist und da darf es nix anderes sein. Auf so was hatte ich kein Bock, ich wollte das von vorne herein total offen halten. Und 13 fand ich irgendwie ganz gut, ich hatte damals oft den Jingo-Song gehört, der hat mich da beeinflusst, der kam da grad raus und da dachte ich mir, “Hey, das ist cool, ich bin am Dreizehnten geboren“.
Und wann kamen dann die ersten Angestellten oder wie ist das dann weitergelaufen? Ich meine, du hast eben gesagt, Flight hätte nie nen Plan gehabt, von daher hattet ihr ja dann damals auch keinen Business-Plan oder so was…
Nee, natürlich nicht. Ja wie läuft so was ab? Man hat ja sehr viele Freunde, und die sind auch alle musikinteressiert und bewegen sich in deinem Umfeld und finden das super, d.h. am Anfang war das einfach so, dass da Leute waren, die mir geholfen haben, für nichts und für mal was mitnehmen oder so was. Ich meine, wir haben Kataloge relativ lang kopiert, irgendwann hat man die mal gedruckt.

Ich kann mich allerdings auch noch erinnern, wie ich das dann noch gesetzt habe in so nem PC-Laden und noch versuchte, dass auszuschießen auf so einer Folie … um die Kosten für die Druckplatten zu sparen, haben wir dann mit Folie gearbeitet, das war ne schlechte Qualität, weil das Licht von der Seite durchgeschienen hat. Die ersten Kataloge, die wir dann gedruckt haben, haben wir dann beim Drucker selber fertiggestellt.

Drucken konnten wir nicht, aber haben dann die Bögen von Hand zusammengetragen, da sind wir dann aufmarschiert Samstag mittag mit ner Kiste Bier bei der Druckerei und haben halt die Kataloge gemacht. Alles super handmade und… ich hatte Helfer, ohne die wär es nicht gegangen. Die haben mir dann geholfen. Und irgendwann wurde es größer und die Umsätze wurden mehr und dann hatte man auch mal ein bisschen Geld…
An irgendeiner Jahreszahl kann man das aber nicht festmachen, was weiß ich, als die dritte Fugazi rauskam oder so? Ich meine, Punk/HC sind eure Wurzeln und es ist doch irgendwie ganz erstaunlich, dass man es schafft, von dieser Musik, die ja sehr auf Unkommerzialität setzt, leben zu können…
Ja klar, aber das ist ja auch immer so eine Frage, wie definiert man das “Davon leben können“ und was man für eigene Lebensansprüche hat. Also ich bin halt auch jemand, der nicht viel braucht, um glücklich zu sein und ich leiste mir jetzt auch nicht in dem Sinne tolle Dinge oder teure Sachen, ist mir nicht wichtig, könnte ich auch nicht. Und du hast nach einem Zeitpunkt gefragt, das war schon Mitte der 90iger.
Ach, dann schon so dieses Green Day, Rancid, Offspring.
Ja keine Ahnung, ich will jetzt nicht sagen, dass wir wegen einer Band wir Green Day groß geworden sind, um Gottes Willen, das wär auch irgendwie Schade. Es hat sich bei uns nie an einzelnen Bands festgemacht, wir haben immer geschaut, dass wir ein gutes Programm da stehen haben und lieber 100 Titel, die wir 10 mal verkaufen, als 1 oder 2, die dann 200-300 mal laufen, das ist immer die schlechtere Variante.
Ihr habt also 8 Mitarbeiter, wie wiele davon sind Vollzeit-Flight 13-Kräfte?
Also nach der Definition gibt es nur zwei Vollzeit-Leute, mich und den Götz.
Also ihr seid dann die Chefs, also Flight 13 ist ja kein kollektiv oder so, sondern eine Firma.
Ja, das ist eine Einzelfirma und die gehört mir und deswegen bin ich der Chef.
Aber das ist doch auch eine Gratwanderung, wenn man aus so einer Bewegung kommt, die auf Anti-Hierachien Wert legt und wenn du dann der Entscheider bist und Entscheidungen fällst, die dann auch mal nicht ganz einfach sind….
Ich habe damit eigentlich kein Problem. Wir haben eine flache Hierarchie bei uns, weil ich nicht der Chef-Typ bin, der rumrennt und die Kommandos gibt, aber ich natürlich der Typ bin, wo alle Fäden zusammenlaufen, der die Controllings macht und wenn irgendwo was schief läuft, da Lösungen finden muss.
(Anm: leider war hier das Band zu Ende und wir haben das erst etwas später gemerkt und deshalb geht’s jetzt etwas abrupt weiter).
Wie ist das eigentlich in deiner Freizeit, hörts du da auch noch Musik?
Privat Musik hören mach ich schon noch, aber es ist nicht so, dass wenn ich nach Hause komme, Musik anmache. Ich haben den ganz Tag was um mich rum, wir hocken in einem Grossraumbüro mit 3 Leuten, wir hören da alle Musik, wenns blöd läuft, das ist eine Geräuschkulisse… ich bin dann froh, wenn ich meine Ruhe habe. Und ich bin auch deswegen zum Aquarianer geworden, weil das einfach ein schöner Ausgleich ist, wenn du nach Hause kommst, dann in irgendwelchen Becken rumzufummeln, irgendwelche Pflanzen zu setzen und die Fische zu füttern.

Ich mache ja einen Brain-Job, ich hocke den ganzen Tag letztendlich vor dem Rechner, telefoniere, höre Musik, aber sitze den ganzen Tag vor der Kiste und beweg mich zwangsläufig nicht viel und mache halt auch nichts mit meinen Händen und das ist schon was, das ich dann vermisse. Dann guckt man natürlich im privaten Bereich, dass man Dinge entdeckt, wo man sagt “Hey geil, da kann ich mal irgendwas hochheben oder rumtragen oder irgendwas mit den Händen machen“.
In der Gastkolumne von dem Todd vom Razorcake fand ich den Satz sehr schön, dass er erzählte, dass er sich selbstständig gemacht hat, sein eigener Boss ist, sich selbst mag und deshalb seinen Boss nicht hasst – du bist ja auch dein eigener Boss… und die Chefrolle bereitet dir aber offensichtlich keine Probleme?
Nee, eigentlich nicht. Ich kann auch für andere Leute arbeiten und Arbeiten ausführen, die man mir aufträgt. Was ich halt nicht leiden kann: z.B. als ich Zivildienst gemacht habe, arbeitete ich als Schreiner in der Psychiatrischen Klinik, das war super interessant und ich habe quasi eine Schreiner-Lehre umsonst bekommen, habe aber da jeden Tag unsinnige Aufgaben gemacht. Ich war eine Woche lang beschäftigt, für irgendeinen Arzt ein tolles Möbelstück zu bauen, was ich auch geschafft habe und das habe ich abgeliefert. Zwei Wochen später kam der Auftrag, ich kann es abholen und kann es verschrotten. Das hat mich echt geprägt, so einen Unsinn mache ich nicht. Deswegen finde ich es gut, mein eigener Chef zu sein und eben zu schauen, dass nicht so Unfug passiert.
Ha ha, da erinnert mich an eine Szene in einem Freak-Brothers-Comic, wo die einen Steinhaufen von links nach rechts schleppen müssen, dann die Stelle, wo der Steinhaufen stand, putzen müssen, um am Ende den Steinhaufen wieder an seinen ursprünglichen Platz zu schieben… also arbeiten, um irgendwas zu machen…
Also so bin ich überhaupt nicht, kann ich mir überhaupt gar nicht leisten, ich versuche immer, hoch effektiv zu sein bei allem was ich tue. Weil ich werde hier ja auch nie fertig mit der Arbeit, obwohl ich fast jeden Tag 10 Stunden arbeite und manchmal auch am Wochenende, also nee, das kann ich mir überhaupt gar nicht leisten, das geht auch gar nicht.
Ich kann mir vorstellen, dass die meisten, die dieses Interview lesen, sich denken “Oh Mann, der hat echt nen Traumjob… ist kreativ-schöpferisch tätig, macht was mit seiner Libelingsmusik“ – ich hatte ja auch mal so gedacht, und nen Job als Praktikant in Plattenfirmen gemacht… is schon cool, aber… gut, ich war Praktikant aber…
Ich kenne das und hör das natürlich auch nicht zum ersten Mal und es nicht natürlich nicht so cool, wie es von Außen den Anschein hat.
Was sind denn so die Negativ-Seiten?
Hey, letztendlich sind wir ein Wirtschaftsunternehmen, d.h. ich habe auch jede Menge Dinge zu tun, die in jedem anderen Unternehmen auch stattfinden. Ich muss natürlich eine Finanzplanung machen, muss mich mit Zahlen rumschlagen, so was, ich hock ja nicht nur dran und alles ist super und hör Musik. Der Tag beginnt morgens, es kommen E-Mails rein, viele Bestellungen, Kunden wollen was, fragen, bestellen, beschwerden.

Du hast erstmal die volle Breitseite an Arbeit im Genick, und das dann abzuarbeiten, also klar, das ist nicht schlimm, aber vieles ist halt Standard-Arbeit, die in anderen Firmen genau so anfällt. Da beklagt sich dann einer, dass die Social-D-Pressung wellig ist und wo anders ist es halt der Haartrockner, der nicht richtig funktioniert. Viele Arbeiten sind letztendlich austauschbar.
Das habt ihr ja auch in eurem Katalog, den Aufruf an die Vinylkunden, mehr Tolerant zu üben.
Ja ey, es gibt natürlich auch unglaubliche Geschichten, deswegen schreiben wir das…
Was ist denn die “unglaublichste Geschichte“?
Die unglaublichste? Es gibt Leute, die schicken ne Platte zurück, weil die in der Anlaufrille knistert.
Oh.
Also, was da im steht Katalog ist schon tatsächlich vorgekommen. Aber um noch mal drauf zurück zukommen: Der Job ist geil, er macht mir Spaß und ich gehe jeden Morgen sau gerne in die Firma und ich freue mich auch drauf. Aber es ist auch so, dass es nicht nur super ist, weil es auch viele Arbeiten gibt, die dich einfach auch langweilen, weil es standardisierte Vorgänge sind, die ich dann aber auch schnell mache, weil ich halt fit drin bin, und bevor ich das irgendjemanden erkläre, “so und so geht das“, mache ich es halt selber.
Machst du dann alles selber, also wenn euer Computersystem abstürzt?
Ja gut, da haben wir schon jemanden, der dafür zuständig ist und wir haben auch letztendlich EDV-Leute, die uns auch helfen, also, ich wünschte, ich könnte alles selber, aber tief gehende EDV-Probleme kann ich nicht lösen, ich bin zwar mittlerweile auch ganz gut, was EDV anbelangt, aber ich kann nicht wirklich alles lösen. Natürlich sind auch Aufgaben verteilt, ich habe auch eine Buchhalterin, die alles was Zahlungsverkehr anbelangt, einfach regelt. Ich hock mich nicht hin und mache Überweisungen, das macht keinen Sinn, ich mache halt ne Finanzplanung.
Habt ihr denn feste Bürozeiten oder wie sieht so ein normaler Tag von dir aus?
Ich fang meistens morgens um 8:30 an, dann geht’s los mit den Bestellungen, die aus dem Internetshop abgeholt werden und bearbeitet werden, das wird ja alles per EDV direkt ins System portiert. Das wird abgefrühstückt, dann müssen die Kundenmails beantwortet werden, da sind ja auch viele Bestellungen oder Anfragen. Das muss gemacht werden.

Dann wird jeden Morgen in der Regel vor 11:00 Uhr bei den Lieferanten bestellt, damit die Ware am gleichen Tag noch das Haus verlässt. Klar, Telefonate laufen auf, Ware wird angeliefert und wenn bestellt wird, ist der nächste Schritt, dass Ware eingestockt wird. Wir kriegen jeden Tag mehrere Pakete, klar. Also, dass mache nicht alles ich, ich stocke auch mit ein, aber das mache nicht nur ausschließlich ich…
Einstocken heißt “Platten in den Computer eingeben“?
Nee, Ware kommt rein, und du musst im Lager fragen, was hast du bestellt und was ist tatsächlich da, das wird gestockt, dann werden Rechnungen geschrieben und so gegen 15.00 Uhr ist man mal so aus dem Gröbsten raus, was so quasi der Drang von außen war. Dann werden die Rechnungen geschrieben, unten sitzen die Packer im Lager, die packen die Päckchen und machen alles fertig.

Und dann habe ich noch so nen paar Stunden Zeit, wo ich mich um den ganzen anderen Kram kümmern muss, wie eben z.B. neue Geschäftskontakte, Artikelneuanlage, Plattenbesprechungen machen. Es ist relativ viel einfach durch den Geschäftsablauf vorgegeben, was man zu tun hat. Je nachdem wie man dann besetzt ist… es gibt auch Tage, wo man alleine oben im Büro bist, da haste dann natürlich schon die Hölle am Hals, weil du musst das dann alles selber machen, das Telefon bimmelt sturm, du kommst halt gar nicht mehr hinterher, das gibt’s halt auch.
Beobachtet ihr denn auch den Markt, also hier im Schwarzwald gibt’s ja auch X-Mist, guckt ihr dann schon, dass ihr euch eine Nische schafft… Du hast gesagt, diese Klamottenschiene wolltet ihr ausbauen und es gibt ja noch andere, die das wahrscheinlich besser anbieten, weil die andere Strukturen haben, wie jetzt z.B. halt Frontline, der ein ausschließlicher Klamottenversand ist und das dann dort besser abgefangen werden kann. Macht ihr so was, dass ihr guckt, worin ihr euch unterscheidet? Wie wird Flight 13 vermarktet?
Wir gucken natürlich, was die Mitbewerber machen, dass ist ganz klar, dass ist auch eine Pflicht. Es geht dann aber eher dadrum, ob jemand das auch anbietet und zu was für einem Preis. Aber wir treffen keine Entscheidung bezüglich einer Sortiments-Ausrichtung. Stichwort X-Mist oder so, ich meine, X-Mist ist super, aber auch natürlich wesentlich kleiner, deshalb muss sich X-Mist eher die Nische suchen, weil wir letztendlich das allumfassende Programm haben, das klingt jetzt ein bisschen hochtrabend, so ist es nicht gemeint, aber wir haben einfach das größere Programm und deswegen kann es für uns da nicht um die Grösse gehen, X-Mist ist da eher die Nische und hat da sein Klientel und ist ja auch super und ist da ja auch billiger.

Wir gucken natürlich schon, aber letztendlich fürs Programm ist es für uns nicht relevant, weil wir sagen, die Platte ist super und überzeugt uns, dann bieten wir die halt auch an, egal, wer die auch mitanbietet. Natürlich ist dann die Verkaufserwartung eine andere, weil das dann viele anbieten, das mag sein, aber das heißt nicht, das wir das dann nicht anbieten. Das ist dann relevant, dass wir dann ne Ordermenge niedriger ansetzen, wir müssen ja auch relativ viel mit Vorbestellungen arbeiten und gucken, was denken wir, was verkaufen wir in den ersten Wochen und preordern das…
Ihr guckt dann schon mal, was Green Hell macht, die haben doch so eine ähnliche Größe …
Das weiß ich nicht, wie viele Leute da arbeiten, dass ist ja das große Mysterium, dass weiß ja keiner, keiner der es sagen will zumindest. Aber wie gesagt, ich gucke mir natürlich regelmäßig die Webseiten relevanter Mailorder an, ganz klar.
Was macht ihr dann an Marketing, lebt ihr von eurem guten Namen, versucht ihr, Neukunden zu gewinnen, wie funktioniert das denn?
Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir da nicht so viel machen müssen. Wir machen halt sehr viele Sachen mit dem Kundenstamm, denn wir haben. Man kriegt ja als Flight-Kunde jeden Monat irgendwas per Post geschickt, was schon mal nicht unerhebliche Kosten veursacht, mit Drucken und Porto. Wir sind so drauf, “für unsere Stammkunden das Beste“. Ansonsten schalten wir halt noch nen bisschen Werbung, wir haben ein Budget festgelegt, was wir im Jahr halt ausgeben wollen, das sind dann irgendwelche Standards drin, halt die Ox-Anzeige, die wir schon machen, seitdem der Joachim das Heft macht, weil es für uns am meisten Sinn macht: von dem, was im Heft abgedeckt wird, deckt sich das relativ groß ab mit unserem Reperatoire, was wir anbieten.

Klar ist dann auch mal ne Anzeige im Visions, im Trust oder im Flying Revolverblatt dabei, aber so richtig viel machen wir da nicht. Gute Werbung, also gutes Marketing zu machen, ist auch sehr schwierig, weil es ganz schnell sehr teuer wird und man hohe Streuverluste hat . Die Werbemaßnahme, die fast nix kostet und neues Klientel bringt, die gibt’s nicht so einfach. Man muß da schon en bisschen Spielgeld in die Hand nehmen und ausprobieren.
Das hört sich ja insgesamt alles gut an, also ich kann mir jetzt nicht so richtig vorstellen, dass es bei dir Existenzängste gibt… wenn du mal krank wirst oder so…
Nein, die Firma funktioniert zum Glück auch mal ein paar Tage ohne mich, dass ist ja auch super. Ich war ja auch am großen Tag des Umzugs krank, ich hatte am Vortag so ein Kotz-und Scheiß-Virus und hab mich noch am Vortag in die Firma geschleppt und die EDV-Anlage abgestöpselt und hier aufgebaut, neu verkabelt, die lief und dann kam alles aus mir raus…. das war aber auch die wichtigste Tat, weil das kann keiner.

Natürlich kann ich mal eine Woche krank sein, dass ist nicht schön, aber das Tagesgeschäft wird dann von jemand anderem aufgefangen, aber es gibt ja immer Sachen, die liegen bleiben. Und in den Urlaub fahren, klar, super, Urlaub, toll, ich weiß halt aber auch schon, dass wenn ich zurück komme, ich auch schon ein paar Tage mehr Gas geben muss, um irgendwelche Special-Sachen, die personenbezogen sind, abarbeiten muss.
Gab bei eurem Anfang eigentlich irgendwie so Vorbilder oder so? Beim Trust war es ja so, dass man zumindest schon mal das MRR hatte und sehen konnte, wie so was läuft oder wie es eben auch nicht laufen sollte… ich weiß nicht, vielleicht heute schaut man dann auf so was wie Interpunk oder Stickfigure?
Ich war ja auch selbst früher Mailorder-Kunde und hab auch in Plattenladen gekauft, aber wir hatten hier nen Plattenladen, der hatte vielleicht 20 Punkscheiben, deshalb musste ich zum Versandhandel geben und hab da in Berlin beim Vinyl Boogie und natürlich auch beim Malibu bestellt und nen bisschen was bei We Bite, aber das waren nicht wirklich Vorbilder.

Die Idee des Versandhandels fand ich halt gut, man bestellt was, dann kommt man nen Packet und packt das dann freudig aus, das finde ich super. Das probieren wir auch, heute umzusetzen, dass wir gute Pakete machen, Geschenke in die Pakete reinzulegen (wenn wir haben), dass die Leute sagen “Hey super“ und noch was extra haben. Flight existiert ja nicht, damit wir überleben können, wir machen das ja aus Spaß und versuchen, diesen Spaß zu transportieren.

Weil ohne Spaß geht’s halt nicht, du kannst ja auch bei Media-Markt oder bei amazon bestellen, aber bei uns ist halt das irgendwie noch ein bisschen persönlicher, man kann mit uns reden, und das kriegen wir auch immer als Feedback zurück und das ist natürlich schön.
Wenn du ein gutes Angebot bekommen würdest, zu verkaufen, würdest du das dann machen? Was wären denn Alternativen, was du noch gerne machen würdest?
Ich würde auf jeden Fall drüber nachdenken, leicht würde es mir nicht fallen, zu verkaufen, vielleicht würde ich es auch nicht machen. Wobei es genügend Sachen gibt, die ich noch gerne machen würde, definitiv was anderes als ein Bürojob, eine Delphinschule aufmachen, mit Kindern arbeiten, sowas. Ich würde auf jeden Fall etwas machen, wo ich noch mehr Sinn drin sehe.
Ja gut, aber durch die Musik, die ihr verkauft, gebt ihr ja auch anderen Leuten, die dieses Jobs schon machen, Sinn.
Das ist richtig, aber ich mache das ja schon lang genug und wir haben ja eben gelernt, dass der Sinn für Musik – eben Verfall, Wertigkeit von Musik – , dass ist ja immer schwieriger. Ich weiß nicht, man muss manchmal schon arg bekehren. Vor 20 Jahren war das für mich die Mission, ich wollte Leute zu guter Musik bringen, zu Bands mit den richtigen Texten, mit der richtigen politischen Einstellung, das war damals meine Mission.

Und die ist natürlich heute immer noch da, aber etwas verwässert, weil ich auch andere Musik und andere Bands höre. Deshalb, was Neues zu machen, hätte ich schon Bock. Ich will das, was ich jetzt mache, nicht auch noch die nächsten 30 Jahre machen. Wie das Spiel Plattenmailorder läuft, weiß ich eigentlich bis zur Perfektion. Ich bin jemand, ich liebe Aufgaben, ich löse gerne Aufgaben, und ich hätte gerne irgendwann ein eine neue Aufgabe.
Wenn du frei entscheiden könntest – ohne Geldgedanken etc. – welchen Bereich der drei Standbeine von Flight 13 du nach Lust und Laune nur noch machen würdest – also Mailorder, Plattenladen oder Label – was würdest du machen?
Ich würde den ganzen Tag zu Hause hocken, Bier trinken und mir Bands anhören und nur das Label machen. Aber das habe ich ja früher gemacht, dass ist nicht wirklich neu… wenn ich mal was anderes machen würde, dann wäre das weg von Musik, sonst kann ich das gleich weitermachen.
Hattest du denn als Kind oder so mal einen Traumjob?
Als kleines Kind wollte ich immer zur Wasserschutzpolizei… Wasser ist mein Element, ha. Nee, Traumjob gibt’s nicht, ich finde das, was ich mache, schon geil.

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(Anmerkung: wir sprachen noch über andere Dinge wie die kommende Spermbirds-DVD, die Walter 11 und ob Tom noch mal gerne selber Musik machen will, aber wir belassen es mal hierbei und hoffen, euch einen Einblick geben zu können, wie Arbeit, Macht und Freizeit bei Flight 13 aussieht)

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