Dezember 2nd, 2019

FAIRY LIGHTS aus # 190, 2018

Posted in interview by Jan

„Der Name Fairy Lights entstand, als ich einen Artikel über einen Typ in England las. Er verwendete seine Weihnachtsdekorationslichter in der Form eines Penis vorne auf seinem Haus, um seine Nachbarn zu ärgern“

Interview mit THE FAIRY LIGHTS

Ich bin nicht gut darin, neue unbekannte Bands zu entdecken und das auch noch beurteilen zu können, ob und wie groß dieser Gruppe werden wird. Also, das können echte „Trüffelschweine“ viel besser (unsere früheren Schreiber Daniel und Al konnten das wunderbest!). Was ich aber gut kann, das ist aus bereits bestehenden Sachen neue zusammenzusetzen. Insofern war es auch kein Wunder, dass ich die geile „neue“ Band THE FAIRY LIGHTS deshalb „entdeckte“, weil ich mit ihrem Sänger und Gitarristen Kenny Chambers auf Facebook befreundet bin und er krasse Demo-Songs von just jener Kapelle postete.
Kenny Chambers? Genau, Kenny Chambers!

Von den göttlichen Moving Targets und Bullet LaVolta! Ich schrieb ihn an bezüglich eines Interviews und er antwortete mit ja und „PS: Ich erinnere mich an euer Fanzine, ich weiß, ich habe noch eine Ausgabe irgendwo, vielleicht mit einem Targets-Review“. Yes, so muss dat doch sein. (und Moving Targets interviewten wir auch schonmal fürs Trust #29 (1991)).

Die Moving Targets waren eine melodic-poppige-melancholische-HC-Punk-amerikanischer-Gitarrenrock-der-80er-vor-Grunge-Band, die sich 1982 an der Ostküste im Großraum Boston gründete. Ihre Einflüsse formulierten sie so: The Clash, Hüsker Dü, Mission of Burma, Bad Brains, Led Zeppelin, Rush, Sex Pistols. Die Band bestand aus Kenny Chambers (Gitarre, Gesang), Pat Leonard (Bass) und dem Schlagzeuger Pat Brady (letztere sind beide leider verstorben, so erzählte es Al Quint mir in meinem Interview in Trust # 182). Vier Platten haben sie veröffentlicht: „Burning in Water“ (1986), „Brave Noise“ (1988), Fall (1991) und „Take This Ride“ (1993). Ihr müsst bei Interesse unbedingt das Debüt auschecken, ich mag zwar alle Platten von ihnen, aber die „Burning in water“ ist so endkräss! Mehr Infos zu den beweglichen Zielen findet ihr an dieser Stelle: https://tinyurl.com/y8bzo8ph (viel besser als der deutsche und englische Wiki-Eintrag). Jemand schrieb im Netz zu den Targets: „Along with Husker Du and Minutemen MT was maybe the most powerful three-piece unit in hardcore“ – kann sein oder?

Kenny Chambers spielte aber auch einige Zeit bei den genialen Bostoner Bullet LaVolta mit (er stieg 1988 dort ein), die zwischen 1986 und 1992 existierten. Ihre erste EP, „Dead wrong“ von 1988, finde ich auch am besten (erschien auf Taang! wie auch das Moving Targets-Material). Im Netz steht einerseits, dass Kenny dort Schlagzeug spielte, andererseits soll er die zweite Gitarre gemacht haben… Allerdings steht auf der Facebook-Seite von Moving Targets, dass Chambers einen Bullet-Gitarristen ersetzt hatte (dort findet sich ebenfalls ein sehr informativer Geschichtsüberblick zu Moving Targets, Vgl. https://tinyurl.com/ybqj7ypm).

Kenny veröffentlichte auch nach dem Ende beider Bands Solo-Kram (sein ganzes Oeuvre findet ihr auf Discogs, https://tinyurl.com/y9rtpv5h). Und nun also stoße ich wie bereits erwähnt im Netz auf seine aktuelle Band, in der die genialen Zeiten der Moving Targets wieder aufleben! Zu ihren Einflüssen schreiben sie selber nur folgendes: „The Fairy Lights sind eine Rock-Band aus Denton, Texas mit viel zu vielen Einflüssen, um sie aufzählen zu können. Wir haben eine Lärm-Beschwerde nach dem ersten Song unseres Debüt letzten Monat bekommen“.

Kenny teilte mir via E-Mail noch mit: „Die Fairy Lights entstanden, als mein Freund (und Gitarrist) Keith einige Typen (Will am Schlagzeug, Sinevil am Bass) fand und mit ihnen Ende 2016 Musik machte. Wir haben einfach nur gejammt und einige meiner Songs ausprobiert. Wir haben dann einigen Kram aufgenommen und ein Konzert in Denton (Texas) gemacht. Will hatte andere Verpflichtungen und wurde durch einen Typ namens Gerald für einige Shows ersetzt. Es gibt zahlreiche Songs und Videos auf der Fairy Lights Facebook-Seite, die diese Ära der Band dokumentieren“. Die Fairy Lights machen also ihrerseits total geilen amerikanischen Gitarrenrock und haben außer Demos im Netz noch nichts veröffentlicht. Labels, greift zu! Die Band besteht aus Keith Spakleback (Bass, Hintergrund-Gesang), Bill Kensik (Schlagzeug) und Kenny an der Gitarre und am Gesang. Right Said Fred!

Kenny, beschreib doch noch mal, wie die Fairy Lights entstanden sind.
The Fairy Lights entstanden durch den Vorschlag meines Freundes Keith. Wir begegneten uns auf Facebook und durch Zufall landeten meine Freundin Rona und ich in Denton in Texas (von da kommt Keith her). Ich richtete zu Hause einen Proberaum ein und wir begannen, zusammen zu zocken. Am Anfang waren wir zu viert. Ein Bassist und einige Schlagzeuger kamen und gingen wieder. Nach circa einem halbem Dutzend Konzerten kristallisierte sich die Band als Trio heraus, mit Bill Kensik am Schlagzeug und Keith wechselte von der Gitarre zum Bass. Als Bill bei uns begann, bemerkten wir erst das Potential, das wir haben und entdeckten die gute Chemie zwischen uns dreien.

Die Band ist aus Texas, das überraschte mich, du lebst nicht mehr in Boston?
Rona fragte mich, ob ich es mir je vorstellen könnte, Boston zu verlassen und in Texas leben zu können (sie kommt von da). Ich war ziemlich skeptisch bezüglich dieser Idee bis zu dem Zeitpunkt, als wir Denton in Texas einen Besuch abstatteten. Es ist ein unglaublicher Ort zum Leben, mit zahlreichen verschiedenen lokalen Musik-Szenen und Auftrittsmöglichkeiten. Es ist wie eine kleinere Version von Austin. Und Denton ist für eine Stadt in Texas politisch ziemlich progressiv. Niemanden interessiert’s, wer du bist oder was du hier so vorhast. Es fühlt sich so an, als ob wir schon immer hier waren, obwohl wir erst seit einem Jahr hier sind. Hierhin zu ziehen brachte mich auf jeden Fall wieder dazu, Musik zu machen.

Was bedeutet der Bandname?
Der Name Fairy Lights entstand, als ich einen Artikel über einen Typ in England las. Er verwendete seine Weihnachtsdekorationslichter in der Form eines Penis vorne auf seinem Haus, um seine Nachbarn zu ärgern. Diese bunten Lichter heißen „Fairy lights“ in England. Wir brauchten einen Namen für unseren ersten Auftritt und wir mochten den Klang und niemand benutzte ihn zu der Zeit.

Eure Songs sind so super großartig, verfolgt ihr einen „Karriere“-Plan mit den Fairy Lights?
Wir haben keine großen Pläne; einfach Konzerte spielen und die Songs bei mir im Proberaum aufnehmen. Zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben immer noch das magische Gefühl zu haben, ein Instrument in meinen Händen zu spielen, das ist einfach Belohnung genug. Mein Zugang zu der Karriere-Seite von Musik war immer sehr „low-key“. Sich einfach nicht um diese Seite zu kümmern bietet dir die Chance, einfach die kreative Seite vom Musikmachen zu genießen. Ich würde gerne mehr Songs machen und veröffentlichen, weil am End´, das ist das einzige, was wirklich zählt.

Gibt es Bands, die ihr alle mögt und auf die ihr euch einigen könnt und welche, die ihr alle hasst?
Wir alle drei mögen zahlreiche Bands und Musik, die uns gemeinsam gefällt. Ich bin ziemlich „old school“ in meinem Geschmack: Stones, Stooges, Hendrix, Bowie, New York Dolls, Punkrock (Punk veränderte mein Leben als Teenager), Bad Brains, Mission of Burma und Hüsker Dü. Keith weiß sehr viel über Punkrock, interessiert sich aber auch für andere Musik. Bill mag alles, was gut ist. Die einzige Sache, bei der Keith und ich nicht übereinstimmen, ist Kelly Clarkson. Er schlägt regelmäßig vor, einen ihrer Songs zu covern, aber ich sage kontinuierlich nein.

Deine alten Gruppen, die Moving Targets und Bullet LaVolta, waren so super geil, warum haben sie sich aufgelöst?
Die Moving Targets haben sich zu ihrer aktiven Zeit mindestens ein Dutzend Mal aufgelöst. Immer für so dumme Gründe, das ich mich an die meisten nicht mehr erinnern kann. Wir haben uns immer gut verstanden, wenn wir zusammen gespielt haben und gereist sind, um Konzerte zu spielen. Pat Brady war so ein lustiger Mensch, er hat uns immer zum Lachen gebracht und nahm die Dinge nicht zu ernst. Zwischen Chuck und mir gab’s mehr so eine bestimme Art von Spannung, aber es wurde immer mit gegenseitigem Respekt ausbalanciert, wenn es um die Musik ging.

Wir hatten einfach nicht die Dynamik als Band, es nach oben zu schaffen. Ich denke, du musst es wirklich wollen, auf einem größeren Level erfolgreich zu werden, nur so kannst du gemeinsam als Band bestehen und alle Herausforderungen meistern, die auf dich zukommen, wenn du eine Band machst. Uns war es egal, uns war es nur wichtig, geile Konzerte zu spielen, wenn es an der Zeit war. Und mit einem Schlagzeuger wie Pat Brady ging das immer super.

Bei Bullet LaVolta war es eine andere Geschichte. Das war die einzige Band, in der ich je mitspielte, die einen Plan hatte, auf einem bestimmten Niveau Erfolg zu haben. Wir hatten einen großartigen Manager, Tom Johnston, der auch Buffalo Tom managte, und einiges an Unterstützung von einem Major Label (RCA). Wir machten einige gute Platten und tourten ein bisschen in den USA. Und in Europa mit einer kraftvollen Live-Show, aber das Timing war einfach nicht richtig für die Band. Ich stieg aus, als Nirvana und andere Bands gerade ihren Durchbruch hatten. LaVolta begannen, sich mehr in eine Metal-Richtung zu bewegen und das war nicht so mein Ding. Nachdem ich weg war, blieben sie noch für ein Jahr oder so zusammen und veröffentlichten ihr letztes Album, „Swan Dive”, und dann lösten sie sich auf.

Ich habe mich immer gewundert, wie es dazu kam, das die Moving Targets auf TAANG! Records Platten machten, das war ja eher ein HC-Punk-Label, ja, wie kam das?
Curtis von TAANG! hörte und mochte die drei Moving Targets-Stücke auf dem „Bands That Could Be Gods”-Sampler, der 1984 rauskam. Als die Band 1985 wieder zusammen spielte, gingen wir mit Lou Giordano ins Studio, um „Burning In Water” aufzunehmen. Curtis bekam eine Kassette mit den Roh-Mixen und sagte, dass er das Album auf seinem Label rausbringen will. TAANG! begann, sich etwas von dem „nur Hardcore”-Stil zu entfernen, das war dann mit Bands wie den Lemonheads, deshalb war es jetzt nicht so ungewöhnlich für uns, auf seinem Label zu landen.

Curtis mochte die Targets wirklich sehr, deshalb erschien es für uns als eine gute Wahl. Er war eine gute Unterstützung für uns, uns wieder ins Studio zu bewegen und die nächsten drei Platten aufzunehmen, die dann auch rauskamen.  Unglücklicherweise, weil wir uns so oft auflösten, konnten wir nicht so viel touren oder wirklich die Band promoten. Die größte Leistung war unsere Europa-Tour mit der Hilfe von der Paperclip Booking Agentur im Sommer von 1990. Es war eine großartige Möglichkeit, Konzerte für unsere dortigen Fans zu spielen. Wir fühlten eine große Liebe von unseren europäischen Freunden und hatten eine wundervolle Zeit.

Bist du mit dem Platz, den die Moving Targets und Bullet LaVolta in der Musik-Geschichte haben, zufrieden, freust du dich, dass die Leute sich an die beiden Bands erinnern oder bist du angepisst, dass ihr es nach dem Durchbruch von Nirvana 1991 im Alternative-Rock-Boom nicht „geschafft” habt?
Ich hatte früher mehr Bedauern dahingehend, dass wir nicht lange genug zusammengeblieben sind, um zu schauen, ob wir nicht mehr Publicity hätten bekommen können, aber was willst du machen? Ich bin dankbar, dass die Leute immer noch die Moving Targets hören oder andere Sachen, in die ich involviert war. Ich wünschte, mehr Leute könnten das einfach erstaunliche Schlagzeugspiel von Pat Brady zusammen mit Pat Leonoard´s massivem Bass-Spiel hören, besonders, weil beide ja nicht mehr unter uns weilen. Am Ende denke ich, dass unsere Musik immer noch am Leben sein wird, lange nachdem ich weg bin. Mit Sachen wie Facebook, da waren die Leute dazu in der Lage, mir mitzuteilen, wie viel wir ihnen bedeutet haben. Für mich persönlich, wenn ich es ernsthafter betrieben hätte, eine Karriere in der Musik anzustreben, ich glaube, es hätte auf einer bestimmten Art und Weise geklappt. Natürlich muss ich es akzeptieren, so wie die Dinge eben gelaufen sind. Immer noch überhaupt spielen zu können, das ist ein Geschenk und ich beabsichtige nicht, damit irgendwann aufzuhören.

Der Moving Targets-Song „Always Calling“ auf eurem Debüt ist so toll, worum geht es in dem Text?
„Always Calling” ist ein Song, bei dem es keine Geschichte hinter dem Text gibt (wie bei den meisten meiner Lieder). Es ist einfach ein Ausbruch von Punk-Energie und Frustration, die du vielleicht fühlst, wenn du jung bist. Ich denke, wenn jemand versucht, herauszufinden, wo und wie du in dieses Leben passt, da entstehen viele Fragen und Antworten, aber am Ende bist du immer auf der Suche, einfach immer auf der Suche. Ich glaube, das bedeutet der Text für mich. Ich hoffe immer, dass jemand, der diese Songs hört, etwas findet, was ihn mit diesen verbindet. Ein Wort, ein Satz oder einfach die Musik selber. Auf jeden Fall danke für die Fragen und ein großes Dankeschön an jeden, der unsere Band in seinem Leben behält.

Danke für deine Zeit!

Interview: Jan Röhlk
Kontakt: facebook.com/The-Fairy-Lights-213423249064843/

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