März 21st, 2020

ERIC MINGUS aus #81, 2000

Posted in interview by Jan

Um…Er…Uh…
ERIC MINGUS

Er wird zur Genüge festgestellt haben können wie es ist, der Sohn eines legendären Musikers zu sein. Vielleicht spricht er deshalb nicht gern darüber. Charles Mingus war in den Fünfzigern einer derjenigen, die mit ihren Bands begannen, kollektiv zu improvisieren. Er spielte Kontrabass in den verschiedensten Formationen und mit ungefähr allen, die wichtig waren im Jazz, bis er 1979 starb. Eric Mingus ist der Sohn dieser sagenumwobenen Gestalt und dessen Frau Judith.

Unlängst bekam ich ein Album von Mingus junior in die Hände, auf dem er lässig zwischen Blues, Jazz und Soul, Rezitation und Gesang changierend eine eigenartig zeitlose Musik spielt, die weder eindeutig einer Mode oder einem bestimmten Subgenre zuzuordnen ist, noch etwa besonders abseitig wirkt. Dunkel, gut abgehangen, Mingus im ständigen Dialog mit seinem Kontrabass, während im seine Mitmusiker unaufdringlich zuarbeiten. ‚Um… Er… Uh…‘ klingt jedenfalls nicht gerade nach dem Debüt eines jungen Musikers.

Mir jedenfalls ging es wahrscheinlich wie nicht wenigen anderen: Ich hatte von diesem Eric Mingus noch nie zuvor gehört. Den kargen Informationen der Plattenfirma zufolge, hatte er immerhin schon Festivals gespielt, auf deren Programm sich so illustre Leutchen wie Elvis Costello, Nick Cave und Jarvis Cocker die Ehre gaben. Und als Sessionmusiker muss er auch schon einige Meriten erworben haben. Im Folgenden einige Ergebnisse meiner Nachforschungen, die ich unternahm, um etwas mehr herauszufinden.

Geboren im Juli 1964 studierte der junge Eric 1985 Gesang und Bass am Berklee College, besann sich dann allerdings eines abenteuerlicheren und suchte die „education of the road“, wie er sich ausdrückt, indem er mit Bobby McFerrin, Karen Mantler und Carla Bley tourte, die ihre Komposition ‚Who Will Rescue You‘ mit Erics Stimme im Sinn schrieb.

1994 zog er nach London und arbeitete in zahlreichen europäischen Clubs, unter anderem im Quasimodo in Berlin. Sämtliche größeren Jazzfestivals des Kontinents beehrte er wohl auch mit seiner Anwesenheit, aber, hey, treib ich mich da rum?

Seit seiner Rückkehr in die Staaten ist er gerngesehener Gast in der Knitting Factory und anderen ‚happening‘ Orten. Ständig zwischen Poetry und Musik unterwegs arbeitete er an Poe- und De-Sade-Lesungen, bei denen er mit Zelebritäten wie Steve Buscemi, John Cale und – ausgerechnet – Sting zusammentraf.

Sein neues Album mit dem brillanten Titel ‚Um … Er… Uh …‘ ist durchzogen von einem starken Jazz-Poetry-Vibe. Und meine Vermutung, dass sich Mingus nicht nur auf den Jazz-Festivals dieser Welt, sondern auch an Orten wie dem legendären Nuyorican Poets Café herumtreibt, bestätigt Eric.
„Ich bin schon vor vielen Jahren im Nuyorican Poets aufgetreten. Und ich trete oft als Dichter auf, nicht nur mit meinen eigenen Sachen.“

Diese starke Betonung des gesprochenen Wortes ließ mich beim Hören deines Albums an Hiphop denken. ‚Um… Er… Uh…‘ klingt wie ein Konzeptalbum, dessen Titel das Problem beschreibt, die richtigen Worte zu finden. Ist das deine Grundidee gewesen?
„Ich habe versucht, ein Konzeptalbum zu machen. Ich weiß nicht, ob es sehr offensichtlich ist, du bist jedenfalls der erste, dem es aufgefallen ist. Ja, die Worte sind wichtig für diese Aufnahmen. Ich denke oft, dass in der gegenwärtigen Musik die Betonung eher auf dem Rhythmus und den Reimen der Wörter liegt, als in Inhalt und Bedeutung. Ich höre, wie Leute Songs mitsingen oder –rappen, und sie scheinen gar nicht zu bemerken, was sie sagen. Aber ich glaube nicht, dass sich das auf Rap reduzieren lässt. Eine Menge Popsongs sind meiner Beobachtung nach so gesungen, dass sie eher mit gesanglichen Fähigkeiten angeben, als das Gefühl oder die Bedeutung eines Stücks auszudrücken.“

‚Schwarze‘ Musik ist zur Zeit wieder mal sehr erfolgreich, nicht zuletzt da, wo weiße Musiker wie Jon Spencer oder Moby sich ihrer bedienen. Ist das wieder die alte Geschichte der Ausbeutung, wie sie seinerzeit in jemandem wie Elvis Presley kulminierte, oder eher ein allmähliches Verschwinden dieser Barrieren?
„Ich glaube wir sehen den Anfang einer echten Vermischung musikalischer Stile. Die Musiker nehmen die Einflüsse aus Musik, die sie seit Jahren hören und machen ihre eigene Aussage damit. Die Ausbeutung findet eher auf der Geschäfts- und Vermarktungsseite statt. Ich habe sowieso Probleme mit dem Konzept, Musik in Abteilungen zu trennen.“

Könntest du kurz erklären, wer Jack Michelene und Jaki Byard waren, denen du Stücke auf deinem Album gewidmet hast? Ich weiß lediglich, dass beide Freunde deines Vaters waren, der eine ein Dichter, der andere ein Musiker, und dass sie ab und zu mit deinem Vater aufgetreten sind…
„Jack Michelene, der auf der CD leider falsch geschrieben ist, war ein Dichter und ein Freund meines Vaters. Ich traf ihn Jahre nachdem mein Vater gestorben war. Ich war sehr bewegt von seiner Arbeit und von ihm persönlich sehr inspiriert. Er ist definitiv eine Inspirationsquelle für ‚Um… Er… Uh‘. Jaki Byard spielte auf vielen Platten mit meinem Vater zusammen. Ich traf ihn, als ich noch sehr jung war. Er war ein sehr musikalischer Mensch. Ich sollte mit ihm vor ein oder zwei Jahren am Berklee College of Music auftreten, aber unglücklicherweise wurde er ermordet, bevor es dazu kam.“

Jaki Byard war sicherlich nicht der einzige Musiker, den du in deinem Elternhaus kennengelernt hast. Inwieweit hat dein Elternhaus deine musikalische Genesis beeinflusst? Wieviel hast du eigentlich von ihm mitbekommen?
„Ich spreche wirklich nicht gern über das persönliche Verhältnis, das ich mit meinem Vater hatte. Ich bin 35, und mein Vater starb, als ich 15 war. Ich hatte oft die Gelegenheit, einige großartige Musiker zu treffen. Aber ich habe auch eine Menge anderer Seiten des Lebens erforscht…“

Ich habe einen Satz gefunden, der sagte, Charles Mingus sei Punk gewesen, bevor es den Begriff gab. Ergibt dieses Statement einen Sinn für dich?
„Naja, ich denke, es hängt von deiner Definition von Punk ab. Wenn man sagt, Punks seien anti-establishment und darauf aus, die Musik zu verändern, vermute ich, du könntest sagen, dass er Punk war. Aber ich glaube nicht, dass er auf die Klamotten abgefahren ist…“

***

Erics Musik und Poetry findet ihr auf den Platten ‚How I Miss My Gun‘ (Some Records) und ‚This Isn’t Sex… It’s Therapy‘ (Slam Records). Eric ist außerdem auf Platten von Karen Mantler, Freddie Bryant, Fibre und der Mingus Dynasty zu hören. Gerade erschien, wie erwähnt, das Album ‚Um…Er…Uh‘, aufgenommen mit dem Gitarristen Jeff Friedman und dem Schlagzeuger Ethan Winogrand.

(stone)

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