März 25th, 2020

ENDEARMENT aus #97, 2002

Posted in interview by Jan

Manchmal gibt es immer noch Bands in Deutschland, bei denen man sich einfach wünscht, daß mehr Leute ihre Musik hören würden. Bei dem Detmolder Trio Endearment ging es mir so, und ich dachte mir, die Jungs könnte man doch mal im Trust vorstellen.

Phillip, Mirco und Felix gründeten die Band vor 5 Jahren, damals war noch eine Sängerin dabei, die die Band dann allerdings nach der selbstbetitelten Mini-LP verließ. Die damalige Veröffentlichung zeichnete sich schon durch sehr gute Texte mit starkem politischen Anspruch aus, aber bei der kürzlich erschienenen LP „Voulez vous revolter avec moi ce soir„ klang das Ganze noch mal um Längen besser und auch homogener.

Für langweiliges Emogeheule ist bei den Jungs kein Platz, und der neue Sänger klingt fast wie einer der Leo-Brüder (the Lapse, Van Pelt und Native Nod). Dieser Vergleich trifft aber nicht nur auf den Gesang zu, sondern auch die Musik geht stark in diese Richtung, allerdings hat das Ganze schon eine gute Portion Eigenständigkeit. Im besetzen Haus in Erfurt hatte ich dann die Möglichkeit, die drei netten Jungs mit ein paar Fragen zu löchern.

Die alten Endearment sind mittlerweile nicht mehr, jetzt wird mehr gerockt und der Felix hat den Gesang übernommen. Was hat sich für euch in den letzten Jahren dadurch geändert?
Phillip: Nach einer zwei Jahre langen Krankheitsphase unseres Gitarristen Mirco mußten wir erst mal wieder zueinander finden. Die ergebnislose Suche nach einer Sängerin haben wir dann erst mal eingestellt und beschlossen, daß Felix den Part übernimmt.

Wie war das für dich, Felix?
Felix: Auf jeden Fall war es eine Umstellung, sich auf zwei Sachen gleichzeitig zu konzentrieren, aber mittlerweile klappt das ganz gut.

Mirco: Durch die Konstellation stehen einfach zum ersten Mal alle Mitglieder zu 100% hinter der Band, und ich will deshalb auch gar keine andere Besetzung mehr.

Die neue Platte „Voulez vous revolter avec moi ce soir„ ( Willst du heute Abend mit mir revoltieren) stellt aufgrund ihres Titels schon ein klares politisches Statement gegenüber dem Käufer dar. Was ist an dem Statement dran?
Phillip: Der Titel birgt schon eine gewisse Ironie. Als wir damals im Studio waren, lief dort oft dieser blöde Song von Christina Aguilera, „Voulez vous coucher avec moi ce soir„; zu der Zeit haben wir uns dann auch auf den Plattentitel festgelegt. Zu den Texten kann ich nur sagen, daß wir schon politischer geworden sind, was aber nicht auf einem Konzept beruht, sondern einfach nur Dinge sind, die uns in unserem Alltag beschäftigen.

Wie sieht eure Auseinandersetzung mit Politik im Alltag aus?
Phillip: Mirco, Felix und ich sind alle aktiv im autonomen Zentrum „Alte Pauline„ in Detmold beschäftigt. Das Proben ist nicht nur auf die Musik ausgelegt, Texte werden diskutiert und aktuelle Themen werden auch debattiert.

Die Platte hat Mirco selber veröfffentlicht. Hat das was damit zu tun, durch so einen Schritt die Kontrolle über weitere Schritte der Band zu haben, oder fandet ihr einfach kein Label?
Mirco: Wir haben echt viele Sachen verschickt, unter anderem auch in die USA, und so haben wir echt nette Absagen bekommen, und zuletzt habe ich dann gesagt, ich veröfffentliche das Ding selber. Da ich mein Geld eh nicht auf der Bank horten möchte, war das echt schon ein schöner Grund, sein Geld auszugeben. Somit ist die Platte dann auch einfach 100% Endearment geworden und steht für den DIY Gedanken.

Wie würdet ihr jemandem die Platte näher bringen, der die ganze Szene und das Drumherum nicht kennt?
Phillip: Rock Musik. Wer die Musik nicht kennt, dem sollte reichen, daß halt eine Gitarre, ein Bass und ein Schlagzeug dabei ist.

Mirco: Ich würde das schon als EMO bezeichnen, obwohl mittlerweile fast alles als EMO bezeichnet wird, sogar Jeanette Biedermann.

OK, das lassen wir mal jetzt? Auf eurer Platte habt ihr auch das Einheitsfrontlied von Bertolt Brecht gecovert. Erstmal Hut ab dafür, wie kam es dazu, daß solch ein Song auf der Platte landet?
Felix: Ich habe mal zu Hause auf dem Klavier das Lied gespielt, den Song dann mit einem 4 Spurgerät aufgenommen und das Ergebnis dann den anderen vorgespielt.

Mirco: Der Text ist sehr politisch, und man kann ihm nicht wirklich ausweichen.Es gab aber auch schon heftige Reaktionen, und das Ganze wurde als Kommunistenkacke bezeichnet.

Phillip: Bis auf den Remix ist es halt auch das letzte Statement, was den Hörer mit unserem politischen Background konfrontiert.

Phillip: Es gibt mit Sicherheit die, die Texte von Bertolt Brecht als pathetisch abtun, aber letztendlich sagt der Text nur aus, daß es nötig ist, eine revolutionäre Bewegung aufzubauen, um die momentanen Verhältnisse zu ändern.

In einem Song laßt ihr euch über die Israelthematik aus. Wie waren die Reaktionen auf dieses Thema?
Phillip: Reaktionen gibt es immer, die „Linke„ ist bei dem Thema auch immer eher gespalten, obwohl in immer mehr Städten zu sehen ist, daß unsere Meinung auch ankommt. Es ist unmöglich, wenn eine emanzipierte Linke Solidarität für die Palästinenser und ihre Taten hat. Mittlerweile setzt sich die Solidarität für Israel aber immer mehr durch. Für weitere Fragen oder Kritik stehen wir euch gerne zur Verfügung und freuen uns auch darüber.

Wie war eure Tour zu der neuen Platte?
Phillip: Wir haben mit tollen Bands getourt, u.a. Duesenjäger und Schnelle Autos Organisation. Insgesamt waren es 10 Tage, und wir haben mal vor 5 Leuten und auch mal vor 140 Leuten gespielt. Wir haben die Tour selbst organisiert, was echt stressig war, aber im Nachhinein war es das Ganze echt wert.
Felix: Die besetzten Häuser und autonomen Zentren liegen uns schon am Herzen, allerdings macht das Gemisch von verschiedenen Auftrittsorten auch das Individuelle einer Tour aus. Man sammelt ganz viele verschiedene Eindrücke und nimmt dadurch auch viel für sich selber mit.

OK, am Ende mal wieder eine meiner liebsten Fragen. Welche Platte steht schon am längsten in eurem Plattenschrank und hat bis heute noch nicht an Gültigkeit verloren?
Mirco: Mit 14 Jahren habe ich mir von Cure die „Three imaginary Boys„ gekauft und die höre ich immer noch.

Felix: Erste selbst gekaufte Platte war das Weiße Album von den Beatles, ansonsten müßte ich noch etwas überlegen.

Phillip: Meine erste Platte war von Salt`n Pepa „Let`s talk about sex„: spitzen Text, klasse Band, und die setzen sich dafür ein, daß man Kondome benutzen soll. Ansonsten wär es aber doch eher schon die „life, love, regret„ von Unbroken.

Felix: Eine sehr schöne Platte ist auch die „Sultans of sentiment„ von Van Pelt.

***
Mir fällt da noch ein sehr schönes Abschlußzitat von Bertolt Brecht ein,was auch sehr gut zu der Band und ihre Musik paßt; sozusagen als Konzept über allem steht. „In the dark times,will there also be singing; yes, there will also be singing about the dark times.“

Dem kann ich dann auch nichts mehr hinzufügen, außer daß ich in den letzen zwanzig Minuten einer Band näher kommen konnte, die sich meiner Meinung nach durch ein starkes Maß an Authentizität auszeichnet und dabei auch mal wirklich weiß, was sie mit ihrer Musik aussagen will. In dem Sinne „Swing your fist„ mit Endearment und schenkt den Jungs etwas mehr Aufmerksamkeit, denn die haben sie wirklich verdient.

Interview: Sascha Klein

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