Dezember 18th, 2019

DUB TRIO und NORTHERN STATE (#131, 2008)

Posted in interview by Thorsten

Das scheint dieser Tage auf Ipecac normal zu sein. Eigentlich höre ich einen bestimmten Stil fast nie, erklär ich immer wieder gerne. Aber diese oder jene Platte von jenem oder diesem Künstler gefällt mir dann doch sehr gut. Und immer wieder fällt dabei auf, dass die erwähnte Band oder der Musiker auf Mike Pattons Label veröffentlicht. Dälek gehören in diese Reihe, Imani Coppola oder eben Northern State und Dub Trio, um die es im folgenden geht.
Fangen wir mit Dub Trio an. Dub ist nun wirklich nicht der Stil, der sich sonderlich häufig im Trust wiederfindet. Ist das überhaupt je passiert? Aber das New Yorker Trio – bestehend aus Drummer Joe Tomino, Bassist Stu Brooks und Gitarrist DP Holmes – nimmt die interessanten Seiten von Dub wie diesem tiefen, intensiven Bass oder die kurzen Einsprengsel spannender Sounds und entwickelt den Sound einfach weiter. Noiserock ist für die Band vermutlich ebenso wichtig. ‚Another Sound is Dying‘ ist das erste Album auf Ipecac, was als folgerichtiger Schritt erscheint. Immerhin arbeiten Dub Trio nebenbei auch noch als Backing Band für Mike Pattons Popprojekt Peeping Tom. Das folgende Interview entstand per Mail.

Das scheint ein logischer Schritt weg von Roir zu Ipecac zu sein. Immerhin hat Mike Patton auf eurem letzten Album mitgespielt, und ihr seid bei Peeping Tom dabei. Könnt ihr mir trotzdem die Unterschiede zwischen den Labels erklären und den Wechsel begründen?

DP: Roir ist ein großartiges Label und hat auch die Vinyl-Version veröffentlicht. Aber wir haben solch gute Reaktionen von Pattons Fans bekommen, als wir ihn als Support begleiteten, so dass es Sinn machte, uns in diese Richtung zu bewegen.

Ihr passt ja auch aufs Label – nicht unbedingt musikalisch, aber in eurer Herangehensweise. Ich muss bei eurer Musik immer an Dälek denken. Seht ihr da Ähnlichkeiten in der Art, mit Musik umzugehen, auch wenn Dälek HipHop machen?

DP: Ich würde nicht unbedingt die Herangehensweise nennen, aber die Mentalität. Wir nehmen einen Stil und drehen ihn durch die Mangel. Das ist schon irgendwie Punkrock. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Typen von Dälek sich einen Dreck darum kümmern, ein bestimmtes Publikum zu befriedigen. Wir tun das auch nicht. Ich glaube auch, dass beide Bands sowohl Noise als auch Ambient lieben.

Was für ein Publikum kommt denn überhaupt zu euch?

Das ist ziemlich gemischt. Wir haben viele Leute, die einfach Musik lieben, etliche Noiserock-Fans, ein paar tolerante Metaller und einige offene Dub-Hörer. Und alles Mögliche dazwischen. Wir wollen uns keinen Genre-Grenzen unterwerfen, und ich denke das spiegelt sich in unserem Publikum wider.

Um nochmal auf Dälek zurückzukommen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei denen viele HipHop-Fans auftauchen. Habt ihr eine Hardcore-Dub-Fanbasis?

DP: Wir haben definitiv nicht mehr so viele Reggae-Fans wie früher. Unser Sound hat sich erweitert. Aber ich glaube, dass diejenigen, die Dub wirklich verstehen, auch noch zu den Konzerten kommen.

Wie wichtig ist Dub denn für eure Musik? Und wie wichtig sind andere Stile? Könntet ihr nach den letzten Platten überhaupt ein traditionelles Dub-Album machen?

Joe Tomino: Dub ist schon das Fundament, auf dem wir aufbauen. Ob das nun traditioneller (Reggae) Dub ist oder nicht – wir nutzen den Stil als Kompositionsmittel. Aber wir müssen Dub nicht mit einem Reggae-Feeling spielen. Im Grund ist Dub der Vorläufer des Remixes. Das Genre entstand, indem man existierendes Material benutzte und davon verschiedene Mixe (Dubs oder Remixe) gemacht hat. Ähnlich gehen Dub Trio vor. Wir schreiben ein Lied und spielen die Grundform jeden Abend relativ ähnlich. Aber die Dubs (Hall, Delay, Aussetzer, was den Mute-Knopf am Mischpult imitiert) sind jede Nacht anders. Genauso wie wie Dub-Versionen eines Horace-Andy-Songs von Scientist oder Prince Jammy anders klingen würden, auch wenn sie das gleiche Ausgangsmaterial benutzen würden. All unsere musikalischen Einflüsse, sowohl kollektiv als auch individuell, sind wichtig für Dub Trio. Es ist aber gar nicht so wichtig, diese zu mischen. Als wir angefangen haben, gab es keine vorgefassten Meinungen, was daraus werden würde. Wir waren nur Freunde mit ähnlichen Geschmäckern und einer gemeinsamen musikalischen Vergangenheit. Irgendwie findet aber alles, was wir gut finden (sei es Postrock, HipHop oder Metal), seinen Weg in unsere Musik. Musik klingt heutzutage so wiedergekäut. Wir wollen, dass unsere Musik etwas anderes aussagt. Wenn du daran Spaß hast: Cool. Wenn nicht: Auch okay. Ich hoffe, dass unsere Musik Leute dazu bringt, dass sie sich auch außerhalb von Schubladen bewegen.

Seid ihr denn mal auf Jamaika gewesen? Wie kam eure Musik dort an?

Joe: Tatsächlich war keiner von jemals auf Jamaika. Wir würden aber alle gerne dorthin fahren. Unsere Musik ist nicht gerade traditioneller „Reggae Dub“, insofern bezweifle ich, dass wir zu Konzerten in irgendwelchen Hotelanlagen eingeladen werden würden. Wir machen keine Musik für Touristen! Ich hoffe, dass es da unten einige Leute gibt, die die Tradition des Dubs kennen und unsere Version zu schätzen wissen.

Ich bin ein ja nur ein dummer Noiserock-Fan, deswegen musste ich googlen, um herauszufinden, dass der Titel eures Albums ‚Another Sound is Dying‘ von Tenor Saw stammt. Was bedeutet der Mann für euch?

Joe: Der Titel ist eine Zeile aus dem Lied ‚Ring The Alarm‘ von Tenor Saw. Das Lied war ein früher Dancehall-Hit geschrieben im Stalag-Riddim (diesen Begriff sollte der interessierte Leser besser im Internet nachschlagen, DS) in den frühen Achtzigern. Wir haben den Titel vor allem wegen der Bedeutung dieses Satzes genommen. ‚Ring the alarm another sound is dying‘ bezog sich darauf, wie gut (dying) die Soundsystems in Dancehalls und bei Soundclashes waren. Wir mögen nichts lieber als ein tolles Soundsystem.

Könnt ihr mir mehr über das Lied erzählen?

Stu: ‚Ring The Alarm‘ ist einer der größten Dancehall-Hits aller Zeiten, geschrieben und aufgenommen von Tenor Saw (Clive Bright) und veröffentlicht 1985, als die jamaikanische Musikindustrie auf digitale Techniken umstieg. Das Lied wurde sofort ein Klassiker, den du immer noch in den Plattenkisten vieler DJs finden wirst. Das Lied war auch Tenor Saws Antwort darauf, dass sein Soundsystem nicht die Anerkennung bekam, die es verdiente.

Und bekommen Dub Trio diese Anerkennung?

Stu: In Europa vielleicht, aber hier in den USA bevorzugen die Leute Musik mit Gesang, die für sie bekannter und angenehmer klingt. We’re killing the sound system, and we’ll kill yours too. Unsere Musik hat sich auch für uns von Album zu Album zu etwas Neuem entwickeln. Vielleicht beschreibt uns das Zitat ganz gut – ein neuer Sound wird geboren, der alles alte davor zerstört.

Ihr habt nochmal mit Mike Patton gearbeitet. Warum? Warum nur er als Sänger und kein anderer? Könntet ihr euch vorstellen, mit etlichen Gastsängern zu arbeiten so wie Patton mit vielen verschiedenen Musikern bei Peeping Tom arbeitet?

Stu: Wir haben darüber nachgedacht, mit verschiedenen Sängern zu arbeiten. Nebenbei haben wir das auch getan. Aber erst einmal wollen wir ein Album machen, das ganz eindeutig Dub Trio ist. Da wir auf Ipecac und ein Teil von Peeping Tom sind, dachten wir, es wäre gut, mit Mike zu arbeiten. Wir haben ja schon vorher zusammengearbeitet und mochten, was er tat. Wir vertrauen ihm wirklich und wussten, dass seine Arbeit großartig sein würde. Wir haben aber durchaus überlegt, in der Zukunft mal ein Album mit Gesang aufzunehmen. Vielleicht als Kollaboration wie Peeping Tom – ein anderer Sänger pro Track. Vielleicht als Dreifach-CD mit einem Stil pro CD: die erste Platte mit Metal und Rock, die zweite HipHop und die dritte Reggae. Und das Ganze natürlich in der Dub-Variante. Trent Reznor wäre jemand, mit dem wir gerne arbeiten würden.

Zweite Band sollen Northern State sein, auch ein Trio, auch aus New York, allerdings auf Long Island aufgewachsen. Was, wie wir noch sehen werden, durchaus wichtig für die Musik ist. Sprout, Spero und Hesta veröffentlichten ihre Musik einst sogar auf Sony, aber wie das so ist mit Indie-HipHop (nennen wir es mal so): Auf ein großes Label passt das nicht. Auf Ipecac schon, wo nun ‚Can I Keep This Pen?‘ veröffentlicht wurde. Das Interview entstand, als Northern State mit Tegan & Sara auf Tour waren; hoffentlich kann man die Band auch bald mal in kleineren Clubs sehen.

Ich habe diese Frage bereits häufiger Ipecac-Bands gestellt: Normalerweise höre ich einen bestimmten Stil nicht, ich bin zum Beispiel kein großer HipHop-Fan. Aber die Bands auf Ipecac mag ich – euch zum Beispiel. Ist das normal?

Sprout: Ja, das passiert häufig, und es ging uns schon so, als wir noch nicht auf Ipecac waren. Wir werden zwar als HipHop-Band angesehen, aber wir machen nicht den gleichen HipHop, den kommerzielle Bands spielen. Deswegen kommen etliche Leute nach unseren Shows zu uns und sagen, dass sie HipHop nicht mögen, aber uns lieben. Dass Ipecac uns gefunden haben, macht völlig Sinn.

Wie kam das? Eure ersten Sachen war ja sehr HipHop.

Hesta: Ich finde, dass sich alle guten Künstler weiterentwickeln. HipHop ist auch nur ein teil dessen, was für uns wichtig ist. Als wir die CD für Columbia gemacht haben, haben wir mit vielen coolen HipHop-Künstlern gearbeitet, die unsere Helden waren. Deshalb kam auch eine sehr straighte HipHop-Platte raus. Als es nach drei, vier Jahren Zeit wurde, was Neues zu machen, machten wir auch wirklich etwas Neues. Rock, Pop oder elektronische Musik sind für uns ebenso wichtig.

Und was ist wichtiger? HipHop, Rock, Indie?

Hesta: Wichtig ist, dass wir Lust haben auf die Musik, die wir machen. Wenn wir im Studio sind, wollen wir Spaß haben, uns weiterentwickeln und etwas aufnehmen, das wir uns selber anhören möchten, worauf wir stolz sind und von dem wir glauben, dass unsere Fans Spaß daran haben. Jetzt kriegen wir es leichter hin, die verschiedenen Genres zusammenzufassen.

Und wie seid ihr an Ipecac geraten?

Hesta: Die Platte davor haben wir wie gesagt für Columbia gemacht, was keine so gute Entscheidung war. Deshalb haben wir wieder von vorne angefangen und „Can I Keep this Pen?“ selber bezahlt. Mike Patton war schon an unserer ersten Platte interessiert, aber das hat nicht geklappt. Jetzt haben wir uns wieder bei ihnen gemeldet.

Eine von euch ist Anwältin, hab ich auf der Webseite gelesen.

Sprout: Oh, das war ein Witz. Ich hoffe nicht, dass die Leute wirklich glauben, ich hätte zwei Kinder. Die sind tatsächlich ausgestopft.

Ohje, und ich hab das ernst genommen. Ich habe noch eine andere Frage wegen der Biografien, ich hoffe, das ist nicht auch ein Witz. Aber erst mal verratet ihr mir noch, was jetzt besser läuft.

Hesta: Es gibt auf jeden Fall eine Gemeinsamkeit, und zwar dass wir immer noch absolute Kontrolle über unsere Musik haben. Wir haben auch bei Columbia selbst ausgesucht, mit wem wir arbeiten wollten. Aber wir können, von Patton mal abgesehen, eigentlich jeden erreichen und mit ihm reden, auch dem Präsidenten.

Ich kann mir auch vorstellen, dass man gleich über andere Zahlen redet. Wenn man auf Columbia 40.000 Platten oder so verkauft, ist das ein Flop. Bei Ipecac klingt die Zahl gut.

Spero: Für uns macht es einfach viel mehr Sinn, wie Ipecac arbeiten. Sie sind viel verantwortungsvoller, und wir arbeiten wie ein Team. Es ist schön, nicht nur volle Kontrolle über die Musik zu haben, sondern auch über die geschäftliche Seite. Ipecac arbeitet wie ein Partner mit den Künstlern.

Eure erste CD habt ihr selber gemacht. Habt ihr darüber nachgedacht, das zu wiederholen?

Spero: Klar haben wir darüber nachgedacht. Das wäre auch toll gewesen. Aber wir sind nur drei Leute und können uns nicht noch weitere Hände wachsen lassen. Das ist bei all der Arbeit einfach zu wenig.

Hesta: Wenn wir die Platte nur in den USA veröffentlichen wollen würden, ginge das vielleicht. Aber nicht, wenn sie weltweit erscheinen soll. Ipecac hat einen Vertrieb hier in Deutschland. Unsere letzte Platte auf Columbia kam übrigens nie in Deutschland raus. Wir sind begeistert, dass wir jetzt hier spielen können.

Spero: Bei Ipecac ist man so nah dran am Selber veröffentlichen wie möglich, zugleich aber haben wir die Hilfe von weiteren Leuten, eines Vertriebs und von zusätzlichem Geld. Die Platte gehört uns aber sogar noch, wir haben sie nur lizensiert.

Ok, also dann die andere Frage zu eurer Webbiografie: Du willst ein Buch machen für Mädchen, damit sie lernen, wie man eine Band startet. Stimmt das denn?

Sprout: Das ist wahr. Das Buch dreht sich sehr um unsere Erfahrungen, als wir unsere Band gründeten. und über das Seitenprojekt, das Spero und ich machen. Es ist eine Anleitung für 12- bis 16-jährige Mädchen, was so ziemlich alles abdeckt. Wie findest du Bandmitglieder? Welche Musik möchtest du spielen? Wie lernst du ein Instrument? Wie schreibst du Lieder? Bandmeetings, Geld, Tourneen, Equipment – alles das ist ein Thema. Also alles von den richtigen Anfängen bis hin zu einer erfolgreichen Band, wie auch immer man das definiert. Das hat natürlich für Zwölfjährige eine ganz andere Bedeutung. Das Buch kommt im Juni raus. Kim Gordon von Sonic Youth schreibt das Vorwort, was ziemlich klasse ist, außerdem habe ich Zitate von Musikerinnen versammelt – Tegan And Sara haben zum Beispiel über ihre Erfahrungen geschrieben, Edie Brickell auch.

Was unterschied euch denn von den Mädchen, für die du das Buch geschrieben hast?

Sprout: Wir waren wesentlich älter, als wir Northern State gegründet haben. Das Buch ist für wesentlich jüngere Mädchen. Wir haben all diese Sache gemacht, nachdem wir auf dem College waren. Wer weiß, wo wir wären, hätten wir mit 15 angefangen.

Spero: Als wir auf Long Island aufgewachsen sind, hatten wir gar keine Ahnung, dass wir eine Band machen könnten. Das war überhaupt keine Option. Wir haben Scherze darüber gemacht, aber bestimmt nicht ernsthaft darüber nachgedacht.

Sprout: Das war schon seltsam. Wir hatten Freunde – Jungs -, die ganz selbstverständlich eine Band gegründet haben. Und es gab das ein oder andere Mädchen, das gesungen hat. Aber dass drei Mädchen sich zusammentun würden? Das wirkte seltsam. Dass wir sagen könnten ‚dies ist unsere Band, unsere Musik‘ oder wir eventuell sogar davon leben könnten, das wäre uns nie in den Sinn gekommen. Besonders im HipHop – vergiss solche Ideen. Weibliche MCs wirkten auf uns absurd. Hätte uns jemand damals erzählt, dass wir eine weibliche HipHop-Band machen würden, die auf der ganzen Welt tourt, hätten wir darüber gelacht. Das war Teil meiner Idee, dieses Buch zu schreiben: Ich wollte zeigen, dass genau das möglich ist. Jeder kann das erreichen.

Spero: Wenn wir es können, kann es jeder.

Sprout: (lacht) Das ist auch der Titel der Einleitung.

Gibt es denn immer noch Unterschiede zwischen Manhattan oder Brooklyn und Long Island oder gar dem Mittleren Westen?

Sprout: Ja. Definitiv. Auch wenn Long Island am Rande von New York liegt, ist es schon sehr suburban. Man wächst wie in einer Blase auf. Natürlich haben wir hier und da die Einflüsse der Stadt gefühlt, aber man erlebt schon die typische Vorstadt-Jugend. In New York haben sich unsere Persönlichkeiten schon sehr gewandelt.

Spero: Ich denke aber schon, dass wir Einflüsse hatten, die die Kids außerhalb der großen Städte nicht erleben.

Sprout: Ich weiß nicht. Ich bin ein paar Mal mit meinem Vater zu Broadway-Shows gefahren. Aber hat das im Alltag auf der High School wirklich einen Unterschied gemacht?

Spero: Aber ich wusste immer, dass ich nach New York ziehen würde. Das war mein Plan. Ich weiß nicht, ob Kids weit weg von den großen Städten diesen Traum haben. Zumindest ist er nicht so realistisch wie er für uns war.

Sprout: Vielleicht passt das auch zu dem, was wir vorher gesagt haben. Als wir in der High School waren, sind wir nie auf die Idee gekommen, eine Band zu gründen. Aber als wir direkt nach dem College diese Idee hatten, konnten wir gleich loslegen. Wir begannen nicht nur mit der Band, sondern kauften sofort Mikros und suchten uns einen Proberaum. Wir waren so angetrieben von der Idee, die Band zu machen, dass das irgendwoher kommen musste. All die Sachen, die wir brauchten – Musiker, die uns aushalfen, Computer, mit denen wir die Beats programmieren konnte, dies und das -, war für uns problemlos erreichbar. Wir wollten in Clubs auftreten? Es gab sie direkt in der Lower East Side.

Wenn ihr jetzt durch die USA tourt, seht ihr da Bands wie eure? Junge Versionen von Northern State?

Spero: Ich hatte lange Zeit das Gefühl, als wären wir so ziemlich die einzigen, die das machen. Aber jetzt, wo wir mehr Fans haben, weil wir unter anderem so viel mit Tegan & Sara touren, kriegen wir etwa über My Space viel mehr Reaktionen. Wir hören weit häufiger, dass Girls anfangen zu rappen. Das passiert jetzt hier und da. Ich hoffe, das wir damit was zu tun haben. Ich denke es jedenfalls. Sie sehen uns auf der Bühne und fühlen sich inspiriert.

Ich würde ja gerne noch kurz über Politik reden. Ihr erwähnt auf eurer Platte die Demokraten und den Ex-Gouverneur von New York, Eliot Spitzer, der wegen eines Sexskandals zurücktreten musste. Womit wollt ihr beginnen?

Spero: Ich muss dazu sagen, dass ich diese Eliot-Spitzer-Zeile lange vor dem Skandal geschrieben habe. Ich ahnte nicht, dass er Prostituierte sehen würde. Ich war damals durchaus begeistert von ihm, weil er viele gute Ideen hatte. Jetzt ist die Zeile leider in den Dreck gezogen. Wir überlegen, ob wir einen Eliot-Spitzer-Reim-Contest auf My Space machen sollen.

Sprout: Das nehmen wir aber mit Humor. Denn auf der anderen Seite finden wir, dass jemandes Sexleben absolut nichts mit seiner Arbeit zu tun hat. Es war frustrierend, dass bei Bill Clinton seine Affäre so viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich glaube, dass er sich deswegen nicht mehr auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Insofern ist es schon amüsant, dass wir nun ausgerechnet diese Zeile in einem Text haben.

Hesta: Was die Zeile über die Demokraten angeht. Ich hab die über John Kerry geschrieben, vor vier Jahren der Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Es war damals so dringend, dass es einen anderen Präsidenten geben würde. Aber dann stellen die Demokraten solch einen langweiligen, uninspirierenden Kandidaten auf. Barack Obama hingegen kann Menschen inspirieren. Ich persönlich unterstütze ihn nicht, aber er kann genauso wie Hillary Clinton die Menschen vereinen. John Kerry war das ganze Gegenteil.

Eure Texte beziehen sich da immer wieder auf aktuelle Ereignisse. Die sind nach einiger Zeit überholt – die Zeile über Eliot Spitzer ist es jetzt schon.

Hesta: Der Hinweis auf die Demokraten war schon überholt, als wir das Album aufnahmen. Ich musste den Text schon einmal umschreiben.

Sprout: Aber das ist eben im HipHop so, dass man sich auf aktuelle Ereignisse bezieht. Auf der ersten Platte hat Hesta gesungen „Don’t blame me, I voted for Gore“. Diese Zeile ist mittlerweile überholt, aber damals hatte sie eine Bedeutung und war sehr wichtig. Wir haben uns damit positioniert.

Spero: Wir schreiben darüber, was wir erleben, als junge Menschen in New York City, und was wir beobachten. Und wir kommentieren das, was uns wichtig ist.

Und was ist mit ‚Fuck The Police‘?

Spero: Das Lied wird wohl nie veraltet sein. Das haben wir geschrieben, weil viele Menschen unserer Generation so apathisch geworden sind. Selbst wir, die wir deutlich gegen George Bush Stellung beziehen, sind von Angst und Apathie gelähmt. Man hat das Gefühl, nichts ändern zu können in dieser grausigen politischen Maschine. Das ist ein schlimmes Gefühl. Das Motto der Generation unserer Eltern war ‚tune in, drop out‘, und die Leute glaubten daran. Es war allerdings enttäuschend, was daraus wurde. Wir wollten darauf verweisen, dass Bands wie NWA oder Public Enemy eine starke politische Agenda hatten. Und zumindest eine kleine politische Message soll auch unsere Musik haben.

Dietmar Stork

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