April 6th, 2020

Das ABC des Christentums I. Buchauszüge aus „Die Kirche im Kopf“ Michael Schmidt-Salomon & Carsten Frerk aus #127, 2007

Posted in artikel by Jan

Das ABC des Christentums (1)
Das Buch Die Kirche im Kopf – Von „Ach Herrje!“ bis „Zum Teufel!“ klärt auf heiter-satirische Weise über das Christentum auf.

Das 280seitige Werk der beiden hpd-Redakteure Carsten Frerk und Michael Schmidt-Salomon versteht sich als „Enzyklopädie für freie Geister und solche, die es werden wollen“. Das Lexikon erklärt, warum im christlichen Kulturkreis angeblich „alles Gute von oben kommt“, warum „Christstollen“ keine Katakomben im alten Rom sind und weshalb „Gott immer bei den stärksten Bataillonen ist“ („Heiliges Kanonenrohr!“). Dem TRUST haben die Autoren Auszüge aus dem Buch (jeweils ein Begriff pro Buchstabe) zu einer kleinen Serie zusammengestellt.

A

Abrahams Schoß: „Sicher wie in Abrahams Schoß“: geschützt und geborgen sein. In den Schoß des Stammvaters Abraham wird der arme Mensch (Lazarus) nach seinem Tod von den Engeln getragen, während der gleichzeitig sterbende Reiche in die Unterwelt verdammt wird (Lk 16, 19-26). Und trotz aller Bitten des Reichen gibt Abraham den Armen nicht heraus, sondern belässt ihn in seinem vor der „Unterwelt“ schützenden Schoß. Ob Abrahams Schoß aber angesichts des ? Kadavergehorsams von Abraham tatsächlich der sicherste Ort der Welt ist, darf bezweifelt werden. Denn Abraham (hebräisch: „Vater vieler Völker, Vater der Menschen“) wird vor allem deshalb verehrt, weil er bereit war, Gott zuliebe seinem Sohn Isaak, den allerdings Gott persönlich mit Abrahams Frau Sarah gezeugt hatte, (1 Mos 21, 1 siehe Vergewaltigung) die Kehle durchzuschneiden: („… und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten“ – 1 Mos 22, 10). Glücklicherweise überlegte es sich der HERR, von soviel Gehorsam und siehe Ehr-Furcht gerührt, noch einmal anders und ersetzte das Opferangebot des eigenen Sohnes durch einen Widder.

Abrahams fruchtbarem Schoß entsprangen Judentum, Christentum und Islam, weshalb man diese Religionen auch die „abrahamitischen Religionen“ nennt. Wie Stammvater Abraham sahen auch seine treuen Nachfahren, die gläubigen Juden, Christen und Muslime, nur selten ein Problem darin, im Namen Gottes die Klingen zu schleifen und sich untereinander und gegenseitig abzumetzeln (siehe Krieg).

B

Böse, das: Gegenbegriff zu: das ? Gute. Ausdruck eines naiv moralisierenden, gespaltenen Weltbildes (
siehe Dualismus), in dem im wahrsten Sinne des Wortes alles „dämonisiert“ wird, was irgendwie „ungehörig“ erscheint und sich der eigenen Erkenntnisfähigkeit entzieht.

Herkunft des Bösen: Das Böse kam nach christlicher Auffassung in die Welt durch den sog. „Sündenfall“. Für den Christen versteht sich von selbst, dass das Böse nicht vom „lieben Gott“ gewollt war (siehe A und O), denn der kann in seiner allumfassenden Güte weder böse sein noch irgendetwas Böses erschaffen. Aber aus Gründen, die nur Gott weiß (? Geheimnis des Glaubens), nahm der Schöpfer das Böse billigend in Kauf, als er Engel und Menschen mit der sog. siehe Willensfreiheit ausstattete. Zwar wusste der Allmächtige und Allwissende, dass willensfreie Individuen per Definition eigensinnig sind, er liebte aber seine Geschöpfe so sehr, dass er dieses Risiko einging, auch wenn er dadurch (zeitweilig, denn am Ende wird ja alles wieder gut!) die Harmonie seiner Schöpfung aufs Spiel setzte. Und so geschah, was geschehen musste: Als sich ein Teil der Engel gegen Gott auflehnte und Adam und Eva von der verbotenen Frucht naschten, geriet die Schöpfung aus den Fugen. Das genuin Böse war entstanden und es wirkt bis zum heutigen Tage fort.

Anatomie des Bösen: Das Böse – so versichert uns die Deutsche Bischofskonferenz – ist nicht nur „Ausdruck und Folge menschlicher Freiheit“, es hat „kosmische Dimension“. Es ist also nicht nur für uns böse, es ist an sich böse. Es ist fürchterlich, grauenerregend, atemberaubend böse-böse – nicht nur irgendwie gemein oder unfair. Darüber hinaus ist das Böse auch noch schrecklich raffiniert, denn es will uns verführen, hier und heute, immer und überall. Deshalb muss der Mensch stets auf der Hut sein, die religiösen Gesetze befolgen und das Böse meiden, wenn möglich: vernichten – vor allem, wenn das Böse „Achsen bildet“ (US-Präsident Bush), um die guten Menschen vom rechten Weg abzubringen.

Bedeutung des Bösen: Der Glaube an die Existenz des Bösen liefert dem einfach strukturierten Geist hinreichend einleuchtende Erklärungen für den nicht gerade optimalen Zustand der göttlichen Schöpfung (siehe Theodizee). Indem er missfällige Menschen oder Entwicklungen als „böse“ etikettiert, kann der Gläubige „heiligen Zorn“ empfinden und sich auf der „sicheren Seite“ fühlen. Allerdings hat diese Sicherheit einen hohen Preis. Denn der Mensch, der an das Böse und seine eigene Willensfreiheit glaubt, steht in ständiger Gefahr, selber siehe  Schuld auf sich zu laden. Schuldgefühle wiederum gelten als Hauptursachen für seelische Störungen.

Auch viele säkular denkende Menschen haben sich von der metaphysischen Idee einer aus freiem Willen aufgeladenen, moralischen Schuld nicht wirklich befreien können. Dabei beruht dieses Schuldkonzept auf äußerst `sandigem’ Fundament. Bei Licht betrachtet, also jenseits des religiösen siehe Hokuspokus, sind Gut und Böse banale, inhaltsleere Begriffe. Nach heutigem Wissensstand verhalten sich Menschen nämlich exakt so, wie sie sich aufgrund ihrer biologischen Prägung und ihrer Lebenserfahrung verhalten müssen. Kaum ein Neurophysiologe von Rang glaubt noch an die sog. siehe Willensfreiheit. Damit entfällt aber die empirische Basis für die vermeintlich freie, moralische Entscheidung für oder gegen Gott, für das Gute oder das Böse. Schlimmer noch: Der „liebe Gott“ hat kein Alibi mehr, das erklären könnte, warum seine Schöpfung derart aus dem Ruder gelaufen ist.

Realität des Bösen: Ansonsten lassen Darth Vader („Krieg der Sterne“) und seine „Heiligkeit“ Papst Johannes Paul II. grüßen, der anlässlich seines Besuches (Mitte August 2002) in Polen murmelte, dass der Welt „bisher unbekannte Gefahren bevorstünden“ durch „das Geheimnis des Bösen“. Wen oder was auch immer er damit gemeint haben könnte: Da der Papst als siehe  Exorzist ja bereits mehrfach das Böse in Gestalt des Teufels gesehen hat, wird er wohl gewusst haben, von welcher Teufelei er sprach. Als gewöhnlicher Mensch muss man da richtig doll aufpassen, denn derselbe alte Mann erklärte Ende Januar 2002, dass die Unauflöslichkeit der Ehe Teil der göttlichen Ordnung sei und für jeden gelte. Wer als Anwalt oder Richter an einem Scheidungsverfahren teilnehme, kollaboriere mit dem Bösen! (siehe Advocatus Diaboli)

C

Christstollen: sind keine Katakomben im alten Rom, der Begriff bezeichnet auch nicht im Atombunker die Ecke des Stollens, in der sich die Christen versammeln, sondern ein Gebäck, das vorwiegend im Dezember konsumiert wird. Der Christstollen gehört zu den so genannten „Gebildebroten“, da er seit vielen Jahrhunderten als Symbol für das in weiße Tücher gewickelte Jesuskind gilt (siehe Kannibalismus). Urkundlich wird dieser Stollen erstmals 1329 in Naumburg an der Saale erwähnt, wo die Bäcker ihrem Bischof und seinem Hofstaat ebendiese Stollen zu backen hatten. Was den Geistlichen recht war, gefiel auch dem Fürsten und so hatten die Weiß- und Platzbäcker (bis 1913) dem königlichen Hof zu Dresden am zweiten Weihnachtsfeiertag zwei Christstollen von jeweils eineinhalb Meter Länge anzuliefern. Aber: Die Adventszeit galt früher in katholischen Gebieten als Fastenzeit und in diesen Zeiten durfte keine Butter verwendet werden. Also „Kuchen“ mit (erlaubtem) Öl gebacken? Igitt, nein. Und so gestattete der Papst (gegen ein „Bußgeld“) die Stollenbäckerei mit Butter – trotz der Fastenzeit.

D

Dreifaltigkeit: Eine überaus seltene, von Gläubigen daher hoch gepriesene Form von „multipler Göttlichkeit“, etwa analog zum Krankheitsbild der „multiplen Persönlichkeit“. Wäre Gott ein Mensch, müsste man ihn wohl mit starken Psychopharmaka behandeln, denn die Geschichte, die seine Dreifaltigkeit über sich selbst zum Besten gibt, hat es in sich:

Ausgangspunkt war ein böser Streit mit einigen seiner Geschöpfe. Diesen Unfrieden wollte Gott beilegen – nachdem er es einige Male mit Massenvernichtungsaktionen versucht hatte (siehe Sintflut, siehe Sodom und Gomorra) –, indem er sich selbst in die drei Segmente „Vater“, „Sohn“ und „Heiliger Geist“ aufspaltete und bei all dem dennoch ein und derselbe ungeteilte und seit jeher existierende Gott blieb. Dann sendete er einen Teil seiner Selbst (nämlich den Heiligen Geist) aus, um eine Jungfrau namens Maria (siehe Leihmutter) zu befruchten (siehe Missbrauch, sexueller), die neun Monate später einen weiteren Teil seiner selbst (nämlich den Sohn) zur Welt brachte (siehe Klonen). Der Gottessohn predigte eine Zeitlang in der Umgebung von Jerusalem, trieb Dämonen aus (siehe Exorzismus) und vollführte gelegentlich kleinere Wunder. Seine eigentliche Bestimmung bestand aber darin, auf abscheuliche Weise hingerichtet zu werden, denn das hatten die Fantastischen Drei (Vater, Sohn und Heiliger Geist) von langer Hand geplant. Warum? Weil allein die Ermordung und Wiederauferstehung des zweiten Ichs (der Sohn) das erste Ich (Vater) über den Sündenfall hinwegtrösten konnte. Wahrscheinlich schüttelt sich der dritte im Bunde (der Heilige Geist) über die groteske Affäre bis heute noch vor Lachen.

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