Dezember 12th, 2016

CROWSKIN (#177, 4-16)

Posted in interview by Jan

„Du musst das dialektisch sehen – weil wir so spielen, wie wir spielen, können wir ansonsten recht entspannte Menschen sein. Wobei – nach einem Crowskin-Auftritt brauch ich schon ein paar Minuten, um wieder runterzukommen. Das ist dann für die Dauer der Show schon irgendwie auch ernst gemeint und für mich mit intensiven Gefühlen verbunden. Es ist ja nicht zuletzt eine physische Angelegenheit, direkt vor voll aufgerissenen Verstärkern zu stehen und sich vom eigenen Lärm so mitreißen zu lassen. Da ist es schon so, dass man wie ein Schauspieler im Theater ein Stück in seiner Rolle aufgeht. Und hinterher kehrt man dann zur banalen Realität zurück und kann auch wieder lustig sein.“

Crowskin aus Potsdam bzw. Berlin servieren einen brandgefährlichen Cocktail, gemixt aus Doom, HC, Punk, Sludge und Metal. Ich bin mir sicher, dass sie zu den geilsten Live-Bands aus bzw. in Deutschland zählen. Mit Crowskin-Urgestein-Gitarrist Flo führte ich dieses Interview. Ihn interviewte ich schon zwei Mal fürs Trust, zum einen wegen seinem damaligen Fanzine, zum anderen bezüglich seiner alten Band Chainbreaker, in der Flo Schlagzeug spielte. Checkt Crowskin auf jeden Fall mal aus. Sie selber charakterisieren ihre Musik als „Fast as a Schnecke“ und genau dieser Eindruck drängt sich auf den Platten und live förmlich auf: ganz langsam wandert diese mächtige Musik in dein Gehirn respektive Herz… Einige Songs findet ihr auf http://crowskin.bandcamp.com/. Was vielleicht noch wichtig wäre: Crowskin sind keine dieser – ich will es mal so nennen – „Schlager-Doom“-Bands. Also Bands, die dermaßen von kitischigen Klischees übertropfen, dass es schon an eine Parodie grenzt: ich meine u.a. so ganz ganz böse Bands, textlich voller Pathos, die Plattencover so dermassen stumpf etc.pp. ´Nuff said! Viel Spass mit dem Interview.

Hi lieber Flo, gib uns dochmal einen Überblick über euer Line-Up: wer machte und macht bei CROWSKIN was?

Flo: Hi Jan, CROWSKIN waren zu Anfang vor zehn Jahren Wonny/Gesang, Dirk/Bass, L…i/Schlagzeug und ich an der Gitarre. In der Besetzung haben wir 2005 ein erstes Demo mit vier Stücken aufgenommen. Nach knapp 2 Jahren ist Marcy/Gitarre zu uns gestossen und in der Besetzung haben wir die Split-LP mit BLACK SHAPE OF NEXUS sowie die „Harmony of Death“ 7″ aufgenommen. Nochmal etwas später sind Wonny und Dirk gegangen und Sasch/Bass und Alexandra/Gesang sind dazugekommen und in der Besetzung sind die übrigen Tonträger und Veröffentlichungen entstanden. Ganz aktuell ist nun Ulla am Gesang bei uns eingestiegen, nachdem Alexandra gerade Mutter geworden ist und nicht mehr mit uns auftreten kann.

Ach Scheisse, Alexandra ist nun ganz raus oder nur vorübergehend?

Flo: Wieso scheisse? Wie sich die Dinge entwickelt haben, ist doch insgesamt super! Alex ist nicht „ganz raus“, aber momentan gibt es keine Perspektive, dass sie mit uns weitermachen könnte und Ulla ist auch nicht als „Ersatzspielerin“ da, die nur phasenweise einspringt, sondern als volles Bandmitglied. Wir kennen sie schon lange, sie hat mit ihren früheren Bands unter Beweis gestellt, dass sie eine gute Stimme hat und es passt menschlich total gut. Wir freuen uns jedenfalls darauf, bald endlich wieder live zu spielen!

Sag mal, ihr mischt doch alle oder doch fast alle noch in anderen Bands bzw. Projekten mit, kannst du uns da mal einen Überblick geben, wo ihr noch mitmacht bzw. an sonstigen Szene-Aktivitäten beteiligt seid?

Flo: Ja, mit uns ist es wie bei vielen anderen auch, dass wir nicht als CROWSKIN im luftleeren Raum hängen, sondern je nach Möglichkeit versuchen, uns in die Szene und die Strukturen einzubringen, die uns selbst und anderen Bands oder ähnlichem überhaupt erst die Möglichkeit geben, vor Publikum aufzutreten. Und je nach Zeit machen wir auch ausserhalb von CROWSKIN noch Musik mit anderen Leuten. Ohne Gewähr für Vollständigkeit: L…i spielt noch Schlagzeug bei CANCER CLAN und singt bei CYNESS, wo ich auch Gitarre spiele. Wie es mit Ullas Band BRINK OF DESPAIR aktuell hinsichtlich Aktivität aussieht, kann ich auf Anhieb gar nicht sagen. L…i veranstaltet ausserdem Konzerte in verschiedenen Läden in Potsdam, wo wir anderen ihn meist bei den am Abend anfallenden Tätigkeiten wie Catering, Einlass oder Bar unterstützen. Sasch ist ausserdem im Archiv e.V. aktiv, der das Kulturzentrum Archiv betreibt.

Cool, danke für den Überblick. Sag mal, CROWSKIN stehen ja in einem Kontinuum von Potsdamer HC-Punk-Grind-Bands, die mit C beginnen, woher kommt das, haben die legendären CRUDE B.E. das geprägt oder ists nur Zufall? Deine frühere Band hiess ja auch mit C, die ganz famosen CHAINBREAKER …

Flo: Es ist ein geheimer Kult, pardon: „CVLT“, über den ich Dir als Nichteingeweihtem leider keine Details verraten darf. Es ist wahr, die Altvorderen, die das Mysterium begründet haben, waren CRUDE B.E., gefolgt von CYNESS, CONFESSED CRIME, CHAINBREAKER, CURSE THE CROSS, CANCER CLAN, COMPLETE CRAP, eben uns – CROWSKIN … mittlerweile schliessen sich sogar Berliner an, wie z.B. COLD WAR oder CRACK UNDER PRESSURE… das „C“ ist aber auch ein geiler Anfangsbuchstabe mit seinem geschwungenem Bogen, findest Du nicht auch?

Habe mir noch nie über das C besondere Gedanken gemacht, dein Argument leuchtet mir aber ein, haha. Auch wenn ihr in der C-Tradition der Band-Besamung seid… ihr fallt ja doch aufgrund eurer langsameren Musik aus der Reihe, sonst waren es ja eher Geballer-Bands und ihr seid ja mehr Doom und schleppend – seht ihr euch eigentlich als Potsdamer oder Berliner Band oder ist scheiss egal?

Flo: Dass alles „Geballer-Bands“ gewesen wären, stimmt so nicht ganz; CONFESSED CRIME waren auch langsam und dröhnend und die übrigen Bands haben hinsichtlich des Ballerfaktors ja deutlich variiert. Es gibt keinen engeren Stil, der damit verbunden wäre. Umgekehrt haben wir mit CROWSKIN mit unserem Beitrag zur „Rot Box“ auch mal richtig drauflosprügeln wollen und das auch einigermassen hingekriegt. Es ist ein schönes Streiten um des Kaisers Bart, wie langsam oder schnell eine Band spielen darf, aber letztendlich kommt’s doch darauf an, ob man sich weiterhin in seiner Szenerie der alternativen Läden zugehörig fühlt, also nach wie vor die Graswurzelstrukturen vor der eigenen Haustür unterstützt. Wichtiger als der Stil ist doch die Haltung. Und da wollen wir definitiv eine der C-Bands sein. Zur Ortsfrage: ist im Grunde scheiss egal. Die Leute schreiben Potsdam dazu und es ist okay für uns. Wenn wir gefragt werden, sagen wir schon auch „Potsdam“, weil alles andere zu kompliziert wäre. Verstehe, danke für den Einblick.

Sag mal, eure neue Platte ist ja frisch raus (zumindest jetzt zum Zeitpunkt des Interviews), überraschenderweise habt ihr dafür das Label gewechselt und seid jetzt auf Per Koro Records -wie kam das, warum wolltet ihr nicht bei den vorhergehenden Labels bleiben? Und was bedeutet es euch, auf Per Koro zu sein?

Flo: Naja, „frisch raus“… offiziell veröffentlicht wurde sie im Frühjahr, aber angesichts dessen, wie sich die Zeit zwischen Songs üben in 2011, aufnehmen, abmischen zwischen 2013 und 2014, warten und dann 2015 final einen Tonträger in der Hand zu haben gedehnt hat, kann man tatsächlich von „frisch raus“ sprechen. „Überraschender Labelwechsel“…? Wir haben zwar unsere grossen Tonträger bei Vendetta Records veröffentlicht, aber das war ja nie was mit einem exklusiven Vertrag, sondern jedes Mal aufs Neue mit Labelmacher Klose abgesprochen, der jedes Mal meinte, dass er das macht, wenn wir ihn gefragt haben bzw. der sogar ganz am Anfang zu uns gekommen ist und uns gefragt hat, ob wir nicht die Split-LP mit BLACK SHAPE OF NEXUS bei ihm machen wollen.

Aber parallel hatten wir immer schon Compilationbeiträge bei anderen Labels, die wir gut fanden, untergebracht, wie z.B. bei Fucking Kill Records oder Blinddate Records. Und bei dieser LP jetzt hat Klose signalisiert, dass er sie erst mal nicht veröffentlichen könne, weil sein Releaseplan übervoll ist, so dass wir Markus von Per Koro gefragt haben, der auch sofort Lust hatte, so dass die Sache klar war. Per Koro hat das Vinyl gemacht, unser alter Kumpel, der kleine Aruf, hat parallel die CD auf W.O.L.F.B.I.K.E.R. Records veröffentlicht, woraus dann ein Split-Release mit Matthias und seinem ehrwürdigen Ecocentric Records geworden ist. Für uns bedeutet all das sehr viel – wir sind in der Lage, unsere Musik mit Hilfe von Freunden und Bekannten zu veröffentlichen, die wir seit vielen Jahren kennen und schätzen, auf Labels, deren Output wir mögen und der uns, speziell mich, geprägt hat. Auf Per Koro kommen seit Anfang der Neunziger Platten raus, die mich stolz sein lassen, dass meine jetzt da mit in einer Reihe steht: SYSTRAL, MÖRSER, NARSAAK, HAMMERHEAD, die grob unterschätzte Split-7“ von STEP INTO NOWHERE und SPIT ACID … Das Gleiche gilt für Ecocentric alleine schon für seinen „I kill what I eat“-Sampler, aber natürlich auch seine aktuellen Releases von befreundeten Bands wie GUN MOB oder PLANKS. Und bei W.O.L.F.B.I.K.E.R. bzw. dem Vorgängerlabel Repoman Records waren BOLZ’N, Alexandras Band vor uns, LUZIFERS MOB, unsere Kumpels von BLACK SHAPE OF NEXUS usw.. Das ist im Grossen und Ganzen wirklich genau die Gesellschaft, in der ich mich beim Musikmachen bewegen will!

Seid ihr mit eurer neuen Platte zufrieden, ist sie „das beste, was ihr je gemacht habt“, um mal die alte Musikerfloskel zu bemühen? Gibt es Platten in eurer Diskografie, über die ihr nicht so zufrieden seid im Nachhinein? Ich muss sagen, dass ich zwar eure Platten gut finde, aber ihr seid für mich einfach die krasse Live-Band, die Live-Auftritte ziehen mich immer dermassen in einen Bann, das schaffen die Platten nicht so ganz.

Flo: Ja, wir sind mit diesem neuen Album total zufrieden und es ist in der Tat das Beste, was wir je gemacht haben – zumindest, wenn es um den Lernprozess geht, wie man sich Musik ausdenkt, sie bearbeitet und in einer mehr oder weniger abgeschlossenen Form dann präsentiert. Man ist ja immer auf der Suche nach dem ultimativen Stück, das nochmal eine Steigerung zum vorherigen bedeutet und man möchte das nochmal besser einfangen, um diesen Kick, den wir selbst beim Musikmachen spüren, festzuhalten und auf einer Platte zu dokumentieren. Das läuft immer besser und wir sind auch nach mittlerweile 10 Jahren nicht am Ende der Fahnenstange angekommen, sondern kommen immer ein bisschen weiter, sei es, was Songarrangements betrifft, sei es, was die Live-Präsentation betrifft, sei es, was kreative und ökonomische Prozesse in einem Aufnahmestudio betrifft. Mir macht beides Spass – sowohl auf einer Bühne oder vielmehr in der Ecke eines Kellers vor aufgedrehtem Verstärker die Sau rauszulassen als auch in einem Aufnahmestudio mit den Möglichkeiten rumzuspielen und mal Sachen zu machen, die man live so nicht hinkriegen würde.

Du erwähntest ja schon eure zwei Sampler-Beiträge bei Fucking Kill Records (FKR) und Blinddate (BDR) – wenn ich mich recht entsinne, waren das beides Coverversionen, die ihr beigesteuert habt, einmal zu dem Slap-a-Ham-Tribute-Sampler von FKR und einmal zu der Coversampler-Reihe auf BDR – das waren ja dann noch mal schnelle Beiträge von euch, war euch Slap-a-Ham Records wichtig und wie bzw. warum habt ihr die Coverversion für BDR ausgewählt?

Flo: Unsere Samplerbeiträge sind einerseits Coverversionen von CROSSED OUT, TURBONEGRO und HELLHAMMER, andererseits für die „Rot Box“-Compilation eigene Songs im Stile der früheren Prügelbands auf Slap-A-Ham, quasi als Hommage. Ja, das ist teilweise recht flott, weil es uns Spass gemacht, mal was anderes zu machen und das selbstauferlegte Stilkorsett abzulegen, in dem wir uns ansonsten bewegen. Und wie gesagt, gedacht war das auch als Hommage an eine Reihe von Bands, die uns früher beeindruckt haben und die wir immer noch mögen und anhören. Das Ganze ist, wie oben schon mal angeschnitten, mehr eine Frage der Haltung und eines Grundsounds und einer Grundästhetik als der Zahl der Anschläge pro Minute.

Auf Slap-A-Ham sind ja nicht zuletzt auch MELVINS, BURNING WITCH, EYEHATEGOD und NOOTHGRUSH erschienen, die zum Interesse an dem langsam-dröhnenden Hardcore beigetragen haben, den wir so spielen wollen. Bei der „Rot Box“ hat übrigens John von WEEKEND NACHOS als Gast mitgesungen, mit denen wir auch schon einige Konzerte zusammen gespielt haben, was unserer Ansicht nach sehr gut zusammen gepasst hat – soviel zum Thema Vielfalt…! Auf TURBONEGRO sind wir als Schnapsidee gekommen, weil wir die Idee toll fanden, eine Frau „I got erection“ schreien zu lassen; dass MONARCH! kurz vor uns auch die Idee hatten, haben wir erst einen Moment später bemerkt, aber da deren Version ganz anders klingt als unsere, sind wir dabei geblieben.

Mich würde mal interessieren, wie ihr es hinbekommt, dass eure Stücke einerseits immer neue Facetten bieten, andererseits man doch immer Crowskin heraushört. Schreibt ihr die Musik gemeinsam oder wie läuft das Song-Writing bei euch ab?

Flo: Wie wir das hinbekommen… das ist ein geheimer Masterplan! Im Ernst: ist doch nicht so schwer angesichts von den (fast) immer gleichen 5 Leuten mit dem (fast) immer gleichen Instrumentarium, dass sich bei allen intendierten Abweichungen immer genug Ähnlichkeiten einstellen, die auf uns als Band schliessen lassen. Aber ich fasse das durchaus als Kompliment auf, sowas wie eine Handschrift zu haben. Die Ideen hat meist einer von uns alleine – teilweise nur ein Riff, teilweise ein ganzes Stück, gibt’s in die Runde und wir doktern dann mehr oder weniger lange dran rum. Jeder trägt an seinem Instrument bei, was er oder sie für richtig hält und entweder es geht gleich durch oder wir diskutieren ein wenig, bis alle zufrieden sind und wir das Ganze so lange üben, dass wirs im Vollrausch auch noch hinkriegen.

Kommen wir mal auf eure Texte zu sprechen. Ich bin da etwas hin- und hergerissen, muss ich sagen – einerseits gefallen mir diese lyrisch-poetischen Texte – auf der anderen Seite könnte man euch ganz ganz ganz bösartig vorwerfen, unpolitische Texte zu haben, da es ja keine – für mich erkennbare – „Message“ zu geben scheint. Mir ist schon klar, dass es unpolitisch nicht gibt und ja doch, auch die Art, wo und wie eine Band auftritt, ist politisch und da seid ihr ja klar undogmatisch links, so würde ich es vermuten und genau, auch Instrumental-Bands können politisch sein… Würdest du mir zustimmen, dass es zumindest bei euch rein von den Texten nicht ganz klar ist, was man für eine Band vor sich hat? Weil ernste, dramatisch-lyrisch-poetische Texte, das könnte auch das politisch andere Lager begeistern / machen…. Würdest du sagen, dass ihr eine „message“ habt und wenn ja, welche? Wer schreibt bei euch die Texte?

Flo: Es ist doch nicht bösartig zu sagen, dass wir keine plakativ politischen Texte haben. Das ist Fakt. Muss man aber auch nicht haben und das würde nicht zu der Art von Musik passen, weil die nicht dazu gedacht ist, rationale politische Analysen oder gar Slogans zu transportieren. Es geht bei uns um persönliche Gefühle und um Zwischenmenschliches und da ist das Politische allerhöchstens sublim versteckt. Wobei – manchmal auch recht offensichtlich, wie z.B. beim Stück „Knie nieder“. Wenn Du einen Text von uns völlig aus dem Gesamtkontext reisst, würde das mit der Begeisterung für’s andere Lager sicher tatsächlich funktionieren. Wer weiss – vielleicht gibt’s auch den einen oder anderen Wirrkopf mit rechtsradikalem Weltbild, der – eine Spezialität von neurechter Ideologie – sich als undogmatischer Freigeist begreift und in seinem deutschen Sehnen nach „gedanklicher Tiefe“ (man beachte bitte die Anführungszeichen) auch sowas wie uns mag. Aber um nicht zu merken, wo wir stehen und wo wir uns zugehörig fühlen, muss man schon arg den Kontext ausblenden, möchte ich meinen. Wo es diesbezüglich Missverständnisse gibt, werden wir aber auch recht deutlich, dass wir uns dort verorten, wo Du uns oben vermutet hast. Eine „message“ in dem Sinne haben wir nicht, ausser vielleicht, dass man sich im Rahmen unserer Musik auch mal einfach seinen Gedanken und Gefühlen hingeben darf und das ganz sinnvoll sein kann, um ansonsten im Leben klarzukommen und nicht irgendwelchen Gefühlsscheiss unterdrückt mit sich rumzutragen. Die Texte sind in der Mehrzahl von Alex geschrieben worden und manchmal wissen wir selbst nicht genau, was sie mit den Bildern sagen wollte und haben unsere eigenen Assoziationen zu.

Noch eine Frage zu den Texten – ist es nicht irgendwie ein Widerspruch im Hause CROWSKIN, einerseits seid ihr doch alle lustige offene Menschen, andererseits ist da diese ernste dramatische böse Musik…. Klarer Fall von Persönlichkeitsspaltung, haha.

Flo: Das ist doch kein Widerspruch, sondern der ganz normale Ausgleich, um die Welt im Gleichgewicht zu halten. So wie die meisten Clowns in Wirklichkeit traurige oder zynische Menschen sind, so sind wir halt an sich durchaus offene Zeitgenossen, die Spass haben, v.a. wenn wir zusammen unterwegs sind und unsere Jobs und alles sonstige Nervige hinter uns lassen können, während wir auf der Bühne dann laute, unfröhliche Musik spielen. Du musst das dialektisch sehen – weil wir so spielen, wie wir spielen, können wir ansonsten recht entspannte Menschen sein. Wobei – nach einem Auftritt brauch ich schon ein paar Minuten, um wieder runterzukommen. Das ist dann für die Dauer der Show schon irgendwie auch ernst gemeint und für mich mit intensiven Gefühlen verbunden. Es ist ja nicht zuletzt eine physische Angelegenheit, direkt vor voll aufgerissenen Verstärkern zu stehen und sich vom eigenen Lärm so mitreissen zu lassen. Da ist es schon so, dass man wie ein Schauspieler im Theater ein Stück in seiner Rolle aufgeht. Und hinterher kehrt man dann zur banalen Realität zurück und kann auch wieder lustig sein.

Wunderschöne Antwort, Flo! Sag mal, nicht nur, aber eben auch in eurem Doom-Bereich gibt es „komische“ Bands, die einen braunen Touch haben. Habt ihr schon mal Konzerte abgesagt, weil euch die mitspielenden Bands zu verdächtig waren; wie geht ihr mit der Thematik um?

Flo: Einen Auftritt haben wir mit CROWSKIN noch nie absagen müssen, weil’s bisher nicht dazu kam, dass wir mit dubiosen Bands zusammen eingeladen worden sind. Mit der Thematik gehen wir insofern um, als dass wir uns vorher informieren, wohin wir von wem und mit wem zusammen eingeladen werden. Meist sind das alles ja eh Leute, die wir kennen und denen wir vertrauen können. Sollte uns mal irgendwas komisch vorkommen, würden wir wohl die Veranstalter ansprechen, um herauszufinden, was dahinter steckt und dann überlegen wir, ob wir teilnehmen wollen oder ob wir uns mit Ansage von etwas zurückziehen.

Du bist ja EYEHATEGOD-Fan, sind die nicht auch ein bisschen „komisch“, hatten die nicht ne Split-Platte mit ANAL CUNT oder so? Will dich jetzt nicht an den Pranger stellen, es fiel mir nur auf, klaro, keiner hört nur astreine Musik, das wäre ja schlimm, dann müssten wir ja – bei aller Liebe – ja nur noch PC-korrekte Bands hören, und das wären ja dann nur CRASS und FUGAZI und das will ja nun auch keiner, haha.

Flo: Ja, ich finde die sehr gut und ja, es gibt eine Split-7″ von EHG und A.C. aus dem Jahr 1999, auf der beide Bands BLACK SABBATH Coversongs zum Besten geben und die EHG-Mitglieder waren wohl auch mit Seth Putnam befreundet. Ich mag jetzt aber gar nicht zuviel Platz an A.C. verschwenden, ausser vielleicht noch, dass man sich doch an den berechtigten Kritikpunkten denen gegenüber abarbeiten sollte und nicht, wie so oft üblich, oberflächliche Generalablehnung formulieren, die gar nicht auf Fakten, sondern auf Gerüchten basiert. „Komisch“ sind EHG sicher insofern, als dass die Band nicht immer unbedingt AJZ-kompatibel wirkt. Aber wenn Du Dir die „Slow Southern Steel“- oder die Noisey-Dokumentation anguckst (kann man alles auf Youtube abrufen), kommen sie doch als überraschend reflektierte Zeitgenossen rüber. Was sie von A.C. meiner Meinung nach fundamental unterscheidet ist, dass sie eine drastische Reflexion eines kaputten Umfelds sind, das sie eben nicht glorifizieren, während sowas wie A.C. mit stumpfem Humor reaktionäre Klischees wiedergegeben haben.

Habt ihr eigentlich Konsens-Lieblingsbands und Konsens-Hass-Bands?

Flo: Konsens-Hass-Bands fallen mir auf Anhieb ehrlich gesagt nicht ein, ausser vielleicht so Müll wie FREI.WILD. Konsens-Lieblings-Bands haben wir schon einige wie z.B die, mit denen wir zusammen Tonträger gemacht haben oder die, zu denen wir immer wieder alle zusammen, sozusagen als „Betriebsausflug“ zum Konzert gehen wie z.B. EYEHATEGOD, GRAVES AT SEA, METH DRINKER … Ein netter Gründungsmythos ist ja, dass sich die komplette erste Reihe der Zuschauer beim Konzert von BRAINOIL, MOHO und CONFESSED CRIME in Potsdam 2004 einige Monate später im Proberaum als CROWSKIN eingefunden hat, um mal was zusammen zu machen, nachdem uns nicht zuletzt an jenem Abend aufgefallen ist, dass wir alle jene Bands richtig abgefeiert haben.

Flo, eine Frage hab ich die ganze Zeit nicht gestellt: „muss“ bei Crowskin eigentlich immer eine Frau singen, haha – nee, habt ihr es mal mit nem Sänger probiert? Fällt ja schon auf, dass ihr „female-fronted“ seid, gibt ja leider viel zu wenig Frauen in Bands…

Flo: Puh, „müssen“ steht nicht zur Debatte. Es muss in erster Linie musikalisch und zwischenmenschlich passen unter uns, nicht mehr, nicht weniger. Wir wollen ja nicht professionell sein und uns nach irgendwelchen Kriterien casten (lassen). Es hat ganz am Anfang auch wirklich keine Rolle gespielt, wer welchen Geschlechts war, weil wir uns als Fans dieser Art von Musik zusammengefunden haben, um mal zu sehen, was wir miteinander zustande kriegen. In Potsdam gab’s auch schon immer auch Frauen in den C-Bands, ganz selbstverständlich und ohne das mehr als nötig zu thematisieren. Die erste Neu-Besetzung am Mikro hat dann ebenfalls echt ausschliesslich unter dem Aspekt stattgefunden, dass Alex von ihrer Stimme und ihrer Art her zu uns reingepasst hat. Beim damaligen Brainstorming, wen wir denn fragen könnten, waren auch Männer auf der Liste. Nach und nach hat sich dann aber über die Jahre hinweg herausgestellt, dass es durchaus ein vertretenswertes Statement ist, dass eine Frau vorne steht, so als Zeichen. Und bandintern tut es uns auch gut, dass jemand mit weiblichem Blickwinkel dabei ist, die verhindert, dass wir eine reine Jungenfreizeit werden. Von daher war es jetzt bei der Suche tatsächlich ein Kriterium und wir sind froh, dass wir nun mit Ulla wieder eine Frau am Gesang haben, die beweist, dass Frauen Männern in stimmlicher Hinsicht absolut ebenbürtig sind.

Kommen wir zum Ende…Festival oder kleines AJZ?

Flo: Hat beides seine Reize, im Zweifel aber eher das AJZ. Aber die machen ja auch Festivals, insofern können wir beides haben.

HOSEN oder ÄRZTE?

Flo: Da antworte ich nun persönlich, weil ich keine Ahnung habe, ob die anderen überhaupt eine Meinung dazu haben und wenn ja, wie die ausfällt. Darüber haben wir uns noch nie unterhalten. Obwohl – ich habe massive Verständnislosigkeit geerntet, als ich mal bei einer Autofahrt die „Bis zum bitteren Ende“ aufgelegt und sie komplett mitgesungen habe. Früher waren’s ganz klar die HOSEN, nach ihrer Rückkehr haben die ÄRZTE aber ganz deutlich überholt. Die sind dann doch viel schlauer und witziger als die immer behäbiger und langweiliger gewordenen HOSEN.

Kiss oder AC/DC?

Flo: Ich bleibe bei meiner Antwort vom letzten Mal, als Du mir die Frage gestellt hast: MOTÖRHEAD. L…i hat sich aber sowohl KISS als auch AC/DC live angeguckt in den letzten Jahren und fand beides gut. Aber auch er geht zu MOTÖRHEAD…

Flo, danke für das Interview. Habt ihr noch einen Gruss an unsere Leserschaft?

Flo: Ich habe Dir für das Interview zu danken. Ist ja nicht selbstverständlich, dass ein Kioskheft wie das Trust eine Band wie uns portraitiert, mit einer Monate alten Platte, die seit letztem Jahr nicht mehr aufgetreten ist, ganz ohne aktuellen Hype oder Anzeigenkauf und mit möglicherweise eher geringem Interesse der potentiellen Heftkäuferschaft, was Euch ziemlich egal zu sein scheint. Daher dafür Daumen hoch! Doom on, tune down, pass out!

Discography:

  • Demo (selbst veröffentlicht, 2005)
  • Split 12″ mit BLACK SHAPE OF NEXUS (Vendetta, 2008)
  • „Harmony of Death“ 7″ (Monocore, 2008)
  • Split 12″ mit BLACK FREIGHTER (Vendetta, 2009)
  • Beitrag zur „A Fucking Tribute to Slap-A-Ham Records“Compilation 12“ (Fucking Kill, 2010)
  • Beitrag zur „Clone III“ Compilation 12″ (Blinddate, 2010)
  • „Black Lava“ 12″/CD (Vendetta/Wolfbiker, 2011/2012)
  • Beitrag zur „The Rot Box“ 3×7″ Compilation (Fucking Kill, 2012)
  • „Ganz ins Herz“ 12″/CD (Per Koro/Wolfbiker/Ecocentric, 2015)
  • Interview: Jan Röhlk

    Links 2016:
    Crowskin auf Bandcamp
    Crowskin auf Discogs

    Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0