März 17th, 2007

CHUNG (#103, 12-2003)

Posted in interview by andreas

Wäre ich ein Kerl, hätte ich bei jedem CHUNG Konzert dicke Eier. So aber bekommen ich mit wundervoller Regelmässigkeit heisse Ohren verpasst… CHUNG könnten ihre Musik statt Kung Fu Rawk oder Spazzwave einfach auch nur Tsunami nennen.

Denn wenn sie rocken, bewegt das den Meeresboden und die Welle rollt an. CHUNG, das sind Nick Neumann mit Gesang und Gitarre, Till Ganzkopf bearbeitet das Keyboard, Jens Ahlers ackert an den Drums, Tim Shapland bedient den Bass.

***

Ich habe euch mit „The Demented Mentors Of Spazzwave“ kennengelernt. Wie ist die im Vergleich zu der ersten Platte?

Nick: Die hat ’nen Bass und Keyboard. (Gelächter)

Die sind also später dazu gekommen?

Nick: Ja, wir haben 98 mal angefangen mit zwei Gitarren und Schlagzeug. Also Jens war noch dabei und ein anderer Typ, Hanno, der ist ausgestiegen, und wir haben dann diese Platte aufgenommen, aber auch nicht viel gespielt in der Konstellation. Dann kamen noch mal zwei andere dazu, und dann hat es ziemlich lange gedauert, bis wir endlich mal so in dieser Konstellation zusammen waren.

Till: Eine konfuse Situation eigentlich. War das jetzt vor zwei oder drei Jahren? Ja, das war vor drei Jahren. Da sassen wir bei Jens auf der Terrasse, die waren gerade bei der Neuformierung, und hatten mich als erstes gefragt, ob ich Lust hätte mitzumachen. Hier war auch die ursprüngliche Intention, dass ich mit dem Keyboard die Basslinien ersetze. Erstmal weil sie noch keinen Bassisten hatten. Bei einigen Stücken hört man… da ist es ja auch noch immer so, dass ich reinen Bass spiele. Nachher kam Tim dazu, der hat den Bass sozusagen voll übernommen, und es ist nach und nach gewachsen.

Nick: Wir haben das live auch nie richtig hingekriegt, also mit zwei Gitarren eine bassiger zu spielen. Das war immer zu soundabhängig und dann wollten wir doch wieder mit Bass spielen. Also ich wollte auf jeden Fall irgendwann Bass haben, weil ich auch nicht kontinuierlich singen und Gitarre spielen kann. Also nicht ständig gleichzeitig, das habe ich einfach nicht drauf. Und dann muss eben ein ziemlich fetter Bass da sein, der die Pausen auffängt, so dass du dann halt darauf irgendwie noch Sound machen kannst.

Und Tim kommt von den Moorat Fingers?

Nick: Da spielt er aber Gitarre. Eigentlich ist er Bassist. Er war früher Bassist in England und hat aber in Deutschland nie eine Band gefunden, in der er Bass spielen konnte. Da hat er angefangen, Gitarre zu spielen. Und witzigerweise, als wir ihn irgendwann gefragt hatten, ob er nicht vielleicht doch spielen will, hatte er einen Monat vorher seine Bassanlage verkauft. Das war alles etwas ärgerlich.

Ist er quasi der Verantwortliche dafür, dass Rock’n’Roll Elemente reingekommen sind, auch so etwas traditionelles wie Mundharmonika wie bei „Mission Off“?

Till: Das ist aber ein ganz altes von der ersten Scheibe noch.

Nick: Aber ich mindestens genauso. Also Tim und ich sind so in der Richtung auf jeden Fall interessiert. Nicht, dass wir das unbedingt machen wollen. In seinen anderen Bands lebt er das dann halt auf der Gitarre aus. Aber so dieses Rock’n’Roll Element hat bei Chung nicht so viel zu suchen oder in ’ner kranken Form, sag‘ ich mal.

Till: Aber ich finde schon, dass wir uns in den letzten Sachen schon ein bisschen davon entfernen, obwohl nicht ganz, ab und zu…

Nick: …du ja sowieso, du kannst doch gar kein Rock’n’Roll auf dem Ding spielen…

Till: Ich bin ja auch kein Rock’n’Roll Fan.

Wer ist der Hauptverantwortliche für die Schubkraft?

Nick: Live oder beim Songs machen?

Beim Songs machen….

Nick: Wir arbeiten eigentlich wie früher auch. Na ja früher mit Party Diktator haben wir immer Session gemacht, haben Parts rausgezogen und die weiter entwickelt. Aber soviel Session machen wir eigentlich nicht. Jeder bringt zwei Parts mit in den übungsraum und da spielen wir drauf rum, kucken, was rauskommt.

Ist doch auch ’ne Session…

Till: Ja, wir machen auch Sessions, auf jeden Fall.

Nick: Wir haben früher Sessions gemacht, die wirklich mitten im Beat anfingen, ohne dass jemand… okay unbewusst spielst du wahrscheinlich schon Sachen, die du Zuhause mal irgendwie… versuchst du ja einzubringen… Aber es gibt auf jeden Fall schon so zwei bis drei Parts, die man versucht umzusetzen oder kuckt, ob die rocken.

Till: Das hebt sich nachher irgendwann gleichgewichtsmässig auf. Manchmal bringt der eine mehr ein, manchmal der andere. Aber es ist nicht so, dass wir jetzt einen Songwriter oder so etwas in der Art hätten. Ich glaube live ist sicherlich unsere Maschine der Jens. Der macht immer einfach Schub…

Nick: Ja, ohne Jens wären wir gar nichts.

Es ist schon bemerkenswert, also die Platte ist ja schon relativ druckvoll, aber dass ihr live dann noch einen Zahn zulegt…

Till: Im Intro ist ne Kritik…

Nick: …findest du die druckvoll, das ist schön…

Till: ….da hat so ein Typ geschrieben ja leider bringt die Platte nicht das rüber, was die Band live schafft.

Klar natürlich, aber ich finde die Platte nichtsdestotrotz…

Nick: Ey, die ist im übungsraum aufgenommen auf Harddisc. Die haben wir komplett selber aufgenommen, also Jens hat die abgemischt.

Ich habe mir vorgestern nochmal „Dive Bomb“ angehört von Party Diktator (mein Ansatz wird von spöttischem Gelächter begleitet) und ich muss sagen mit Chung schafft ihr das, aber Party Diktator ist ganz einfach so bratz, man bleibt stehen, paralysiert, und Chung ist total hüftwackelmässig….

Nick: Ja, das wollten wir…

Till: Ja, ja, das ist auch bezweckt.

…habt ihr euch weiterentwickelt, also auch persönlich, dass ihr irgendwie mehr Spass habt?

Nick: Also wenn du jetzt Matthias fragen würdest, dann würde er natürlich nein sagen, aber..

Till: Nö, nicht unbedingt…

Aber wir fragen nicht Matthias, sondern machen ein Chung Interview…

Nick: Quatsch. Nee klar, das war schon so die Intention ein bisschen mehr auf 4/4 zu gehen, und das schon tanzbarer zu machen, warum nicht?

Till: Es ist aber auch nur die Hälfte von Party Diktator und da sind mittlerweile auch viele Jahre dazwischen…

Nick: Wir haben es echt nicht geschafft, damals eine gute Platte aufzunehmen. Also ich finde „Dive Bomb“ auch Scheisse. Live war es eigentlich viel besser, fand ich.

Bei „Hot Ears“ habt ihr dieses Comic Voice Sample, habe ich es mal genannt. Ist das, um einen Gegensatz zum restlichen brachialen Sound zu erzielen?

Nick: Habe ich nicht so gesehen. Eigentlich ist das ein Song über das Musikbusiness. „Hot Ears“ – ich kann’s nicht mehr hören – also so war’s eigentlich gemeint. Ich hab‘ den Voice Transformer von meiner Freundin geschenkt gekriegt und da musste ich den auch einsetzen. Nein Quatsch, ich wollte den auch haben.

Till: Nee, war auch ein guter Effekt…

Nick: Ich wollte den eigentlich für live haben, aber das ist schwer umzusetzen, das geht halt immer nicht, weil die Band zu laut, ist so ’ne technische Frage.

Till: Am Anfang haben wir den wie bei der Single einfliessen lassen, nachher nicht mehr, obwohl wir es eigentlich hätten sicherlich machen können. Aber wir haben uns einfach auch gesagt, zuviel davon dann geht ja auch genau dieser Gimmick verloren. Also eigentlich darf man es echt in nicht mehr als zwei Stücken machen. Viele Bands, die so was mit Stimmen machen, machen es in vielen Stücken, dann wird es aber langweilig. Daher haben wir es auch in keinem anderen Stück wieder aufgegriffen.

Habt ihr schon einen Plan, in welche Richtung ihr euch weiterentwickeln werdet musikalisch, neue Interessen, andere Elemente, Reggae reinbringen… (geht in totalem Gelächter unter)

Nick: Was mir liegen würde, na ja, ich nenne das jetzt mal noch hypnotischere Songs zu machen. Also noch länger auf Park stehen zu bleiben, aber da ist halt irgendwie Tim zum Beispiel strikt dagegen, weil er hängt so in seinem Rockschema ein bisschen fest. Es ist manchmal sehr schwierig so was dann auszuarbeiten, weil er dann auch das Interesse verliert. Spielst du das das erste Mal, dann macht’s ihm noch Spass, aber das Interesse kann er verlieren. Dann musst du ihm halt immer ganz schnell in den Arsch treten.

Till: Ein Teil, der uns, glaube ich, auszeichnet ist, dass jeder von uns teilweise auch aus einer ganz anderen Richtung musikalisch vom Hören kommt. Wir treffen uns an vielen Punkten und dann geht man auch ganz weit voneinander weg. Und ich glaube daher ist es für mich auch interessant, wohin es gehen wird, weil ich glaube jeder von uns hat im Hinterkopf seine kleine eigene Vorstellung. Also ich würde sicherlich ganz andere Sachen in Zukunft einfliessen lassen als jemand anders bei uns. Und dadurch entsteht bei uns einfach die Mixtur aus dem Ganzen, und deswegen weiss man auch nie genau, wohin es gehen wird.

Könnt ihr beschreiben, wo jeder aus der Band musikalisch herkommt und was die Schnittmenge ist tatsächlich. Okay, fangen wir an, Nick, wo kommst du her, was bringst du ein, was ist dein Konsens?

Nick: Mein Konsens ist Noise Rock auf jeden Fall. Das bin ich. Aber wie gesagt, jetzt kommt wieder ein alter Spruch, ich höre natürlich ganz viele verschiedene Sachen.

Aber was dürfest du zum Beispiel nicht in der Band machen?

Nick: Also, ich glaube, da gibt es keine Beschränkung…

Till: Glaube ich auch nicht…

Nick: …aber ich meine, wir würden kein Dub machen, das wäre nicht unser Ding. Also er (Till) steht zum Beispiel überhaupt nicht auf Rock’n’Roll. Sobald das auch nur den leisesten Anflug davon hat, ist schon der Arsch ab. Und Tim und ich stehen schon auf alte Blues Sachen, bei mir auf bestimmte Leute bezogen. Ich will’s auch nicht machen. So ein Element wie jetzt zum Beispiel eine Mundharmonika einzubringen natürlich schon, Slide-Gitarre, kein Problem, aber das müssen halt wir sein und nicht Robert Johnson.

Okay Till, wie ist es bei Dir?

Till: Ich habe eigentlich wirklich, glaube ich, alle Bäder (???) durchgemacht musikalisch, sehr viele zumindest. Wie gesagt, so klassische Rock’n’Roll Elemente, das liegt mir nicht so ganz, mit Ska generell tu ich mich auch sehr schwer. Aber ich denke mal mittlerweile liegt bei mir der Schwerpunkt ein bisschen auf New Wave / No Wave Geschichten, alte Sachen, ein bisschen Punkeinflüsse.

Was ich manchmal sehr gerne mag, aber auch nicht zuviel davon, sind so minimalelektronische Sachen, die aber nicht so loungemässig, sondern eben mehr krachig sind. Mein Ziel wäre, dass wir für die Band eben irgendwann noch mal die Stimmungswelle mehr schaffen.

Nick: Das stimmt, ganz wichtiger Punkt.

Till: Wir haben einmal das Problem… wir spielen die ersten fünf Stücke, dann kommt „Mission“, dann geht’s ein bisschen runter und danach geht’s immer nur bababababa. Und da muss einfach irgendwo mal eine kleine Bremse rein, weil man das kräftemässig eigentlich nicht wirklich aushält. Irgendwann ist man echt wirklich kurz vorm Umfallen.

Nick: Ja nicht wegen den Kräften. Das ganze Programm ist einfach nicht sehr dynamisch.

Till: Da würde ich gerne so ein bisschen schon mit Sample Effekten arbeiten. Ein, zwei ruhigere Stücke, wo einfach auch ein bisschen mehr Raum entsteht. Breite Fläche und wo wir selbst, aber genauso auch der Zuhörer, einfach mal kurz so ein bisschen runterkommen können, um dann wieder eine Steigerung reinzubringen in das Ganze.

Ist einfach zuviel Power, und das geht nicht unbedingt nur rein ums Körperliche, sondern auch vom Geist kann man irgendwann nicht mehr. Ich glaube auch als Zuhörer ist man nach einer dreiviertel Stunde, das reicht dann irgendwann, echt erschlagen. Ich höre uns ja nicht zu.

Nee, erschlagen ist man nicht, man kann echt nur mit dem Arsch wackeln… Tim, welche Teile deines musikalischen Backgrounds musst du bei Chung rauslassen, weil sie sagen, das ist ein no, no, sie wollen es nicht spielen?

Tim: Ich muss gar nichts von meinem musikalischem Hintergrund aus Chung rauslassen, denn ich kann es immer reinschmuggeln, heimlich ein Riff schreiben, von dem niemand mitbekommt, welchen bestimmten Stil oder Einfluss es hat. Denn sie würden es so hören, wie es ist und nichts vom Einfluss, den erkennst du für dich selber und was du spielst.

Also hintergehst du sie…?

Tim: Ja sicher…

Nick: Fuck you…. (Gelächter)

Tim: Wenn du „Louie, Louie“ auf dem Bass wirklich verzerrt und total abgefuckt spielst, hört es sich an wie ein Big Black Song. Jemand würde das als etwas anderes hören und deswegen etwas anderes dazu spielen. So kannst du mit wirklich allem, was du willst, davon kommen.

Auf der Homepage ist mir aufgefallen, dass die so strictly 80ies ist mit Erdbeereis und After Eight Eis Farben…

Till: Eigentlich nur rosa und grün…

Nick: So ein trendy Bursche, der macht das immer.

Till: Es ist nachher der Effekt, der damit leider Gottes entsteht, aber eigentlich sollte das eben genau nicht so blöd in olivgrün oder Rottönen oder braun mit geraden Linien sein. Die wird auch noch mal neu überarbeitet. Es wird keine normale, so wie alle anderen zu sehen sind, werden. So ist es genauso bei unserem Artwork, dass wir nicht dieses klassische unbedingt wollen, ein Foto vorne drauf von uns als Band.

Die Bilder, die dort zu sehen sind, sind verzerrt. Da kommt wieder distortion ins Spiel, ist das für euch der Weg die Welt oder das Leben zu sehen anstatt naturalistisch…

Till: Eher ’ne Art von Krach.

Nick: Glaub‘ die meint was anderes…

Till: Du meinst diese Bilder, die man da anklicken kann, und dass die farblich alle überzogen sind. Das ist halt eben das Ganze einfach immer ein bisschen zu überziehen.

Nick: Es gibt was hinter dem Krach. Das ist so wie es hinter der Schärfe auch Geschmack gibt, also wenn du dir jetzt zum Beispiel Tabasco auf die Zunge träufelst. Aber es dauert, bis du es schmeckst. Erst mal tut’s halt weh. Ob das jetzt der Weg ist… ich mag auch gerne clean spielen, finde ich auch total super, echt, wirklich super staubtrocken. Weil ich finde, dass wir eigentlich oft zu matschig sind. Das ist mein Wunsch für die Zukunft, wirklich total verzahnt zu spielen und auch wirklich ganz wenig zu spielen an der richtigen Stelle, nicht nur, aber damit zu arbeiten und nicht auf einem Ton rumzubratzen.

Till: Das Ganze ein bisschen sauberer ausführen…

Nick: Es ist nicht so schwierig, eine Wand zu erzeugen.

Wollt ihr nach vorne gehen oder Kompositionen darbieten?

Till: Nee, nee…

Nick: Du kannst ja auch trocken nach vorne gehen.

Till: Ja, ich glaub‘ das kann man trotzdem. Also es geht nicht darum so eine Wand von Lärm zu erzeugen. Ich würde eher sagen, dass man sozusagen damit die Energie einfach versucht ein bisschen zu zentrieren.

Nick: Was Till vorhin meinte mit der Dynamik, dass Bratz Song dann auch eigentlich viel bratziger kommen, als wenn du davor noch vier andere Bratz Songs gespielt hast.

Al: Sind deine Texte eigentlich quasi ein persönliches Geheimnis oder warum sind die nicht abgedruckt?

Nick: Hab‘ ich nicht für nötig befunden. Liest du dir viele Texte durch von Platten, wo dann auch welche dabei sind?

Andrea: Ja.
Al: Eigentlich immer.

Nick: Ich auch. Hast du einen speziellen Song, der dir aufgefallen ist? Ich find’s eigentlich relativ verständlich. Das liegt dann auch an meiner Stimme…

Till: Ich weiss nicht, ob’s immer so verständlich ist.

Im Party Diktator Interview hatte ich gelesen, dass der Gesang als Instrument eingesetzt wurde….

Nick: Das war auf jeden Fall eine Idee am Anfang…

Damals…

Nick: …aber auch eine Sache der Faulheit, weil….

Willst du nicht analysiert werden oder deine Texte?
Al: Ja genau, das meinte ich mit diesem Geheimnis…

Nick: Also wenn ich ehrlich sein sollte, müsste ich eigentlich deutsch singen, wenn ich das mit meinem Anspruch zusammen bringen sollte. Es kommt mir immer unehrlicher vor, englisch zu singen. Ich weiss es nicht. Aber ich kann’s auch nicht. Ich hab’s mal probiert und finde meine Stimme hört sich auch nicht besonders gut an in deutsch, da passt englisch besser zu. Es ist echt schwer zu beschreiben. Ich mag auch einfach so Einwürfe, die müssen auch nicht unbedingt verstanden werden, du musst es am Ton schon hören, was gemeint ist. Es ist etwas schwierig zu erklären.

Till: Wir können das als Rubrik noch mal auf die Homepage bringen, dass wir die Texte da drauf packen.

Sprecht ihr Mädels mit euerer Musik an?

Till: Es fällt sicherlich auf, das kriegen wir ansonsten nicht zu sehen, das irgendwie schon des öfteren bei uns relativ viele Frauen im Publikum sind. Was ich persönlich auch… nicht deswegen, weil es Frauen sind, aber ich find’s angenehm, weil dadurch einfach nicht so eine reine Mackerstimmung entsteht, das finde ich eigentlich ganz gut.

Rezipieren die euere Musik genauso wie Typen?

Till: Das ist ne gute Frage.

Achtet mal darauf und sagt mir noch mal Bescheid…

Till: Ich glaube, dass es immer noch leider Gottes so ist, dass generell Konzertbesucher mehr Männer sind und bei Mädels nicht so populär ist, da irgendwie abzuposen. Ich weiss nicht, warum Mädels weniger auf Konzerte gehen. Aber auch beim Plattenverkauf letztendlich ist es immer so, dass wir bei weitem mehr Platten an Männer verkaufen, wenn am Abend 10, 20 Platten weggehen, werden davon meist nur zwei von Mädels gekauft.

In euerem Gästebuch war ein Eintrag, dass das Cover von „Hot Ears“ als sexistisch empfunden wurde…

Till: Dieser Idiot, ja, das war ernst gemeint, aber der darauffolgende hat genau richtig geantwortet.

Nick: Also der Typ auf der Single ist aus so einem Satiremagazin, „Harakiri“, aus Frankreich, und das gibt es, glaube ich, gar nicht mehr. Ich hab das mal auf dem Sperrmüll gefunden, und da ist er halt drin. Die haben mit ihm eine Wahlkampagne gemacht, ihn als Bürgermeister Kandidat aufgestellt, und das ging über mehrere Seiten. Unter anderem waren da diese beiden Fotos drin. Da gibt es auch noch mehr, die sind echt sehr gut. Und sein Name taucht aber irgendwie nur so als Pseudonym auf. Das haben die richtig durchgezogen vier Wochen lang, an jeder Ecke hingen diese Plakate.

Ihr seid auf einer Spex Compilation vertreten, habe ich gehört…

Nick: Ja, das habe ich auch gehört… Wir waren etwas verwundert, ehrlich gesagt.

Wart ihr da jetzt nicht involviert?

Till: Wir sind da schon involviert, die Leute, die es gehört haben von der Spex, sind wohl von der Platte recht angetan, es sollte eigentlich auch eine der präsentierten Platten werden, aber es hat nicht ganz gereicht wohl und dementsprechend ist das eben auf deren Mist, würde ich sagen, gewachsen, dass sie die Platte dann wohl so gut finden, dass sie ein Stück da drauf bringen von.

Ist das ein Karrieresprung?

Till: Nee. Da denkt sicherlich jeder anders wiederum. Also ich fand das erstens, muss ich echt sagen, eine irre Vorstellung, weil dieser blöde Sampler, diese Dinger, die fliegen ja in einer Gott weiss wie hohen Auflage herum, und da ist dann ein Teil, ein Viertel von mir sozusagen, in einem Stück mit drin.

Und das liegt dann in ganz vielen Haushalten rum. Und manche sagen geil, behalten es, manche schmeissen es in die Ecke, manche landen auch in Mülltonne, aber dass so eine komische unbewusste Streuung halt eben entsteht. Das ist sicherlich auch der Vorteil, dass du Leute erreichen kannst, die niemals zu einem Konzert von uns kommen würden und die sich das auch anhören können. Aber ich finde diese paradoxe Vorstellung, dass man in so vielen Haushalten mit so einem Anteil vertreten ist, schon ganz amüsant.

Wollt ihr nicht berühmt werden und Rockstars…?

Nick: Nee, viel zu alt, ey.

Till: Wir sind nicht mehr attraktiv genug für die junge….

Nick: Mein Ziel ist es, nicht drauf zu zahlen. Das ist das einzige Ziel, was ich habe. Ich bin Barkeeper und lebe von so wenig Geld, das können sich viele Leute überhaupt nicht vorstellen. Und wenn wir auf Tour gehen, dann kucke ich, dass das Geld, was ich sonst in der Bar verdienen würde, das muss halt danach irgendwie da sein. Und wenn noch mehr passieren könnte, dass man vielleicht mal ein bisschen was über hat, das ist cool.

Till: Das ist das eine Ziel, dass du nichts drauf zahlst und eine gewisse Art von Spass hast. Was ich persönlich finde… also eben genau der Moment beim live Spielen, wenn du merkst, dass es den Leuten gefällt. Das ist für mich eigentlich der aller wichtigste Moment. Mir machen auch die Vorbereitungen und Proben Spass, das ist die eine Seite, aber das, was am stärksten rüberkommt ist einfach wirklich, wenn du live spielst und dann merkst, den Leuten gefällt es.

Wollt ihr noch irgendwelche Lebensweisheiten loswerden?

Jens: „Kap Horn liegt auf Lee, jetzt heisst es…“, aber das sag‘ ich nicht…

Nick: Das musst du jetzt rausfinden. („auf Gott vertrau’n“… – d. Verf.)

Jens: Und „Einmal holt uns die See und das Meer gibt keinen von uns zurück“. Du musst unbedingt mal „La Paloma“ von Hans Albers anhören. Du muss dir den Text mal richtig reinziehen philosophisch betrachtet. Du wirkst entdecken, dass dort alles drin steckt, was dein Leben ausmacht. La Paloma, ade auf Matrosen, ohé!

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www.chungmusik.de

Interview & Fotos: Andrea Stork

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