März 11th, 2007

Boygroups machen dick! Konzertrückblick (#61, 12-1996)

Posted in artikel by jörg

BOYGROUPS MACHEN DICK !!!!!!! (oder: von Fäkalsprache und Rumgeheule)

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Teil 1: Shelter

Also mir fällt es echt schwer nicht genau den gleichen Tenor anzuschlagen, wie alle anderen, die Shelter zum Kotzen finden. Deshalb wird vielen das hier vom Sinn und Wortlaut wohl auch bekannt vorkommen. Der Witz aber ist, dass man bei Shelter nicht einmal krampfhaft etwas schlecht machen muss. Scheisse stinkt halt, auch wenn man sie noch so sehr in Frappan Folie einwickelt. Konkret heisst das, ich war im Forellenhof zu Salzgitter bei einem Shelter Konzert zu gegen.

Man man man, ich weiss gar nicht genau, worüber ich mich zuerst auskotzen soll. Das Ganze geht schon gut los, am Einlass nämlich. Der Forellenhof ist eine Jugendkulturwerkstatt, was soviel wie städtisches Jugendzentrum bedeutet. Eintrittspreis an diesem Abend 24,- DM, in Worten Vierundzwanzig. ähm, habe ich irgend etwas in Sachen Preisinflation in Jugendzentren verpasst, oder was? Naja, in Wirklichkeit versteht man sich ja wohl auch eher als Club denn als Jugendzentrum.

Seitens des Forellenhofs beteuert man zwar, dass der Eintrittspreis vom Shelterschen Tourmanagement diktiert wurde, aber macht`s das besser? So was sollte man ja dann doch wohl gar nicht erst buchen, oder besser noch gar nicht erst hingehen (und wir fassen uns alle an die eigenen Nasen). Da der Preis schon im Vorfeld bekannt war, haben wir also schnell mal die Gästeliste klar gemacht, dachten wir. Ein Typ vor uns, mit so einem wichtigen Plastikkärtchen an der Hose, meinte auch auf der Gästeliste zu stehen. Doch die Mädels am Einlass konnten seinen Namen nicht finden.

Der Typ machte also voll den Wind und wurde rein gelassen. Schon sichtlich verunsichert suchten die Einlasserinnen nach meinem Namen und gaben vor ihn gefunden zu haben, jedoch mit einem Kopfschütteln und dem Kommentar wohl die falsche Liste zu haben. Na da bin ich mir doch mal sicher, dass mein Name da nicht drauf stand, zumal diese Gästelistegeschichte für uns an diesem Abend auch `ne ziemlich unsichere Sache war. Egal egal, drinnen war es so ätzend voll, dass man kaum noch ein Bein los bekam. Hier eröffnete sich mir auch gleich unglaubliches, Photos oder Aufnahmen machen war nich`, nur mit Photopass. Ja spinn ich, wo bin ich hier bloss.

Meine Laune sank so gegen… ach was weiss denn ich, sie war einfach mies. Um das Ganze jetzt nicht unnötig zu strecken, reihe ich einfach mal die weiteren grössten Klopfer auf, die mir aus erster Hand zugetragen wurden. Shelter jammerten schon bei ihrer Ankunft in Salzgitter über dieses und jenes, Bühne zu klein, PA zu klein, zu wenig zu essen und und und. Man bestand auf einen eigenen Backstage Raum. Alle anderen Bands konnten sehen wo sie bleiben. Eigenen Koch hatte man natürlich auch dabei, und glaubt mal nicht, dass der Tour Manager im Tourbus mitfahren durfte. Nee nee, der konnte schön mit der Bahn nachkommen.

Dass der Bus zu klein für alle wäre braucht sich auch niemand einzubilden. Das war so`n super Luxus Nightliner Teil in dem eine halbe Schulklasse Platz hätte. Alles natürlich nur üble Nachrede, die ich nicht nachprüfen kann, aber bei dem ganzen Rockbusiness hier gerne bereit bin zu glauben. Na wenigstens hat Shelter Sänger Ray während des Konzerts nicht wieder von einer Punk Show gesprochen, denn davon ist man genau so weit entfernt wie die Sex Pistols.

Ist in meinen Augen überigens auch voll Punk, wenn eine Konzert Agentur wie Blue Star den Forellenhof für die Konzertplakate bezahlen lässt. Nun zum Konzert selbst noch ein paar Zeilen. Musikalisch sind Shelter ja inzwischen eh zu angepassten Green Day/Offspring/Take That/Back Street Boys Poppern pervertiert, zumindest was das letzte Album Mantra angeht. Es gibt reichlich abgedroschene Posen und Sprüche sowie einen lächerlichen Stagedive Contest.

Ach nee, eigentlich möchte ich gar keine weiteren Worte über diese scheissige Veranstaltung verlieren, denn es gibt weitaus lustigeres im Leben, zum Beispiel Bon Jovi in Wolfsburg. Aber dazu nächstes Mal mehr (Heavy Metal lebt). Der Abend war Scheisse, der Hunger gross und die Aral Tanke zum rechten Zeitpunkt am rechten Ort.

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Teil2: Refused / Madball / Kickback / & andere

Und wieder sind wir im Forellenhof. Heute kostet `s nur 17 Märker. Na da war ich ja beruhigt, dass diese als Non-Profit angekündigte Show so günstig war. Grund meiner Anwesenheit waren Refused, deren neue Platte ja so toll sein soll. Dabei trug ich die alten Platten kürzlich erst zum Second Hand Mann. So waren wir also alle gespannt was da kommen würde, aber das stellte sich bald als nicht besonders viel heraus.

Alle Bands an diesem Abend, die ich mir antat, kamen über den Status der Belanglosigkeit nicht hinaus. Refused waren zwar nicht soooo schlecht, aber auch nicht besser als diese ganzen neuen langweiligen Zahnarzt blutige Wurzeln, Behandlungen schmerzen, jeder kann ein Zahnarzt sein, blutige Wurzeln etc.

Das ganze kam voll NYHC Style verpackt, echt klasse diese Persiflage. Kurz zuvor schienen sie die Diskonebelmaschine in ihre Gewalt gebracht zu haben, denn aus dem Raum drangen ultrafette Nebelschwaden. Ich möchte aber nicht ausschliessen, dass das auch andere Gründe gehabt haben könnte, höhö. Das Fenster öffnete sich und es wurde noch das Pink Floyd Stück `Wish you were here` zum Besten gegeben.

Meiner energischen Forderung nach einem Madonna Stück wurde leider nicht entsprochen, aber egal, gelacht haben wir gut. Und auf ein Neues: Der Abend war mau, der Hunger gross, die Aral Tanke zum rechten Zeitpunkt am rechten Ort.

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Teil3: Bon Jovi

Ach, warum eigentlich bis zum nächsten Mal warten. Meine Oma sagt immer, Junge… na ihr kennt den Spruch. Also dieser Zirkus war mindestens genau so lustig wie letztes Jahr Beiohäsart, Abprollen ohne Ende. Aber der Reihe nach. Claudia fragt mich also allen Ernstes, ob wir nicht zum Bon Jovi Konzert nach Wolfsburg wollen.

Ich hielt`s für`n Witz, war aber keiner, schlimm genug. Eben noch schnell ein paar Bedingungen gestellt so von wegen: ich zahl nix, du fährst, ich kann prollen so viel ich Lust habe & das wichtigste, ich bekomme deine Sonnenbrille. Na dann, alles klar und los ging`s. Angekommen, raus aus dem Auto, Tarnbrille auf die Nase und gleich mal die ersten „Heavy Metal lebt` Slogans durch die Lüfte geschickt und die ersten irritierten Blicke geerntet.

Nach dem an den Kassenhäuschen gut über den politisch korrekten Preis von 65,-DM gelacht wurde und Frau von draussen genau so gut auf die Bühne gucken konnte, wie der Eintritt zahlende Mob, passierten Frau und Mann also nicht die Schranken der Sicherheits ss und lachten draussen gut ab. Da ich langsam wohl jeden der ca. 5000 ebenfalls draussen stehenden Schnauzbartträger davon überzeugt hatte, dass Heavy Metal lebt, konnte ich den, mit Böllerschüssen untermalten, Beginn der Show mit einem „Voll Evil“ kommentieren.

Dazu noch ein bisschen hysterisches Gekreische, als Donschonbovi die Bühne betritt. Doch was war das, ausser mir schien so recht niemand an den Rand der hysterischen Ohnmacht zu treten. Und an den Rand der Ohnmacht geriet ich wirklich. Hatte doch dieser singende Volkswagen die gleiche Brille auf wie ich.

Ja isses wahr, das war jetzt wohl `nen Eigentor. Schnell versuchte ich meine Scham noch durch ein paar „Heavy Metal lebt` Sprüche zu kaschieren, als das erste Lied auch schon zu ende war. Ha, betretenes Schweigen unter den Schnauzbartträgern, kein überschwenglicher Beifall, nix. Gut so, konnten doch so alle diejenigen, die es immer noch nicht wussten, erfahren „Heavy Metal lebt`. Beim zweiten Song das gleiche Bild, als es mich plötzlich von hinten auf die Schulter tickt.

Mädel (oder Typ) mit Tränen in den Augen: „Du stehst im Weg“ Na so was, da habe ich wohl einem echten Fan die Sicht genommen. So`n Pech aber auch. Darauf noch ein kurzes Heavy Metal lebt und mal eben den Standort gewechselt. Viel besser wurde es dann auch in den nächsten Minuten nicht. Ob`s wohl am Sound lag? Eines Punkers Casi klingt auf jeden Fall nicht schlechter als dieser Brei. Apropos nächste Minuten.

Claudia meinte, es wäre langsam Zeit zu gehen, da die Schnauzbärte schon ziemlich genervt seien von den ständigen Sprüchen. Ich wollte bleiben und weiter stänkern, aber sie überredete mich mit `ner Einladung zum Essen bei der örtlichen Chinafrau. Somit verliessen wir leider viel zu früh diese Ansammlung verwirrter Menschen.

Wer weiss was noch alles geschehen wäre. Aber seid nicht traurig, wir werden uns sicher mal wiedersehen, auf Mallorca, sollte mich jemals jemand dorthin verschleppen. Also Mädels und Jungens, lasst es Euch gesagt sein, Heavy Metal lebt & Boygroups machen dick.

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Text: Torsten

Photos: Olli Meyer & Axel

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