März 21st, 2020

BOTCH aus #82, 2000

Posted in interview by Jan

BOTCH

Wenn ich das vergangene Jahr mal so Revue passieren lasse, muss ich sagen, dass nur wenige Hardcorebands hängen geblieben sind. Das stimmt schon ein bisschen seltsam. Andererseits gab es da schon ein paar herausragende Bands, die vielleicht auf dem ersten Blick wenig gemeinsam haben mögen, aber doch gar nicht so schlecht zueinander passen. At The Drive-In war auch für mich eindeutig die Gewinner. Und auf der anderen Seite stehen eben so brutale Gruppen wie Dillinger Escape Plan oder eben Botch. Was die drei Bands verbindet, ist der Umgang mit dem, was man unter „Hardcore“ versteht.

Keiner der Gruppen hat irgendwas mit dem x-ten, phantasielosen Old-School-Aufguss zu tun, den uns viele Bands so gerne präsentieren wollen. Und alle drei haben sie so viel Energie und klingen so aufregend, dass man eben irgendwie noch weiter Lust hat, den Begriff „Hardcore“ als Genrebegriff zu akzeptieren, zu dem man sich zugehörig fühlt. Botch machen diese Musik immerhin schon seit 1995. Die „John Birch Conspiracy“-Single entdeckte ich damals durch Zufall, und ich blieb vor allem an ihrer Version von „O Fortuna“ aus der „Carmina Burana“ hängen. Mittlerweile ist die Band bei einem ehemaligen Metallabel, bei Relapse, gelandet, klingt immer noch genauso gut und war irgendwann im Winter auf Deutschland-Tour. Und da entstand auch dieses Interview mit Gitarrist Dave und Bassist Brian.

Wahrscheinlich langweilt euch die Frage, aber das ist mir eigentlich egal: Eure erste Single hieß „John Birch Conspiracy“, und ich hab mich immer gefragt, was das bedeutet. Also wer ist John Birch?
Dave: John Birch war meines Wissens nach ein Soldat, der in Übersee getötet worden ist. Er stellte sowas wie den „idealen“ Amerikaner dar, war aber tatsächlich ein fürchterlich nationalistischer und konservativer Mensch. Es gründete sich dann eine Gruppe namens „The John Birch Society“. Ich habe versucht, ihre Schriften zu lesen, aber ich muss zugegeben, dass ich das absolut nicht verstehe. Das Zeug ist so weit draußen. Als wir die Single raus brachten, gab es so viele Hardcore-Bands mit rechten Ansichten, das wir das einfach kommentieren mussten.

Ist John Birch in den USA denn bekannter?
Brian: Die Leute haben sicherlich schon den Namen gehört, aber selbst Freunde von mir, denen ich die Platte gegeben habe, wussten nicht wirklich was damit anzufangen.

Wie haben denn die Leute darauf reagiert damals?
Dave: Viele Leute wussten nicht so recht, wie sie reagieren sollten. Einige haben das tatsächlich ernst genommen und dachten, wir wären eine rechtsextreme Band. Sie regten sich ziemlich auf. Aber ich denke, die meisten wussten, woher wir kommen.

Brian: Ich denke, das uns viele Leute als seltsam ansahen, aber die meisten nahmen den Titel dann doch als einen Scherz.

Den Titel der neuen Platte, „The Fall of the New Romans“, hab ich ebenfalls als Kommentar auf die politischen Zustände in den USA angesehen.
Dave: Richtig. Die gesamte Platte dreht sich darum, dass sich Amerika wie ein Imperium verhält und die Welt zu regieren versucht. Es ist so seltsam, wenn ich hier in Europa sehe, wie sehr Amerika das Leben infiltriert hat. Selbst wenn Amerika so großartig sein sollte, heißt das nicht, dass dieses Imperium für immer existieren wird. Aber die Leute tendieren dahin, das zu übersehen. Es gibt große Probleme in den USA, die niemand wirklich beachtet.

Ihr erwähnt Nero in einem Lied – welchen amerikanischen Politiker würdet ihr denn mit ihm vergleichen?
Dave: Für mich ist das mehr ironisch, weil Nero damals Rom nieder gebrannt hat. Es geht darum, Musik zu hören und zuzusehen, wie alles zusammenbricht. Es ist sehr einfach, auf alle die Probleme hinzuweisen, aber es ist wesentlich schwieriger, Lösungen zu finden.

Auf der „John Birch Conspiracy“ 7″ habt ihr ein Teil aus „Carmina Burana“ gespielt. Auf der neuen CD ist ein elektronisches stück drauf. Seht ihr da eine direkte Linie – dass ihr etwas in eure Musik integriert, was aus einem ganz anderen Background stammt?
Dave: Das Stück von Carl Orff ist wirklich gut, aber man erwartet es nicht unbedingt in unserem Kontext. Wir wollten es einfach nehmen und so laut wie möglich spielen. Ich denke schon, dass wir zeigen wollten, dass man etwas aus anderen Musikstilen gewinnen und die eigene Musik damit bereichern kann. Man muss eben nicht nur andere Metal- oder Hardcorebands hören. Dieser Techno-Song entstand, weil ein Freund von uns elektronische Musik macht. Er nahm eines unserer Lieder und nahm es vollkommen auseinander. Das fasziniert mich, weil man so neue Sounds in seltsamen Zusammenhängen herstellen kann. Ich denke aber nicht, dass der Song wirklich ein Teil des Albums ist. Er ist mehr eine Ergänzung, weil er so interessant ist.

Siehst Du das denn als eine mögliche Richtung an, in die sich Botch entwickeln könnte? Oder was es einfach nur nett, das mal gemacht zu haben?
Brian: Das ist sicher nicht die Richtung, in die wir gehen wollen. Ich denke schon, dass es möglich ist, bestimmte Sounds in unsere Musik zu integrieren. Aber sonst war das eine einmalige Sache.

Dave: Ich denke ganz einfach auch, dass es viel interessanter ist, die normalen Instrumente zu benutzen – also Gitarre, Bass und Schlagzeug – und herauszufinden, was für seltsame Geräusche man damit erzeugen kann. Ich mag das mehr, als dafür ein Keyboard zu benutzen.

Würdet ihr so etwas live benutzen?
Brian: Du meinst Elektronik? Also wir haben einen Sampler, den wir zwischen den Songs benutzen. Aber darüber hinaus würde ich nicht gehen…

Dave: Das ist einfach schwierig, so etwas aus dem Studio herauszuholen und es auf einer Bühne zu nutzen.

Wie lange macht ihr diese Musik eigentlich schon? Die erste Single kam 1995 raus, oder?
Brian: Ja, allerdings war Botch damals unsere Band und wir wussten nicht so recht, was wir machen sollten. Wir wollten nur die Musik spielen, die wir mochten.

Ihr müsst ja fast die älteste Band sein, die dies Art von Hardcore macht.
Dave: Schätzungsweise.

Brian: Ich schätze, dass man Converge mit uns vergleichen kann. Und die gibt es seit zehn Jahren. Die haben ja auch die diversen Veränderungen mitgemacht.

Wie ist das dann, wenn man ansieht, dass plötzlich eine Menge Band diesen Stil spielen?
Dave: Washington ist sehr weit weg vom Rest der USA. Wir touren deswegen nicht sehr oft, und die Leute haben sehr seltsame Ideen, wer wir eigentlich sind. Sie erwarten etwas völlig anderes wegen unserer Platte. Viele Bands, mit denen wir spielen, sind noch sehr jung und haben sehr viele Metaleinflüsse. Die Leute erwarten daher auch, dass wir nur schwarze Klamotten tragen und Slayer-T-Shirts tragen. Dabei sind wir echte Hardcore-Kids. Ich sehe momentan auch, dass viele Leute eine Verbindung zwischen uns, Dillinger Escape Plan und Coalesce ziehen wollen, und sie versuchen, uns einfach zu kopieren. Dabei realisieren sie nicht, dass man eigentlich ein ähnliches Ergebnis kriegt, wenn sie verschiedene Musikstile hören. Das ist sehr seltsam.

Ich hab gerade lange darüber diskutiert, ob diese Musik eigentlich Metal oder Hardcore ist. Ich bin mir nicht sicher, ich ziehe mittlerweile das Wort Noise vor.
Dave: Es hat ja eh jeder eine andere Definition von Hardcore, weil jeder aus einer anderen Richtung kommt. In meiner Definition und meiner Sichtweise von Hardcore sind wir definitiv eine Hardcoreband.

Brian: Es wäre wahrscheinlich besser, wenn Plattenrezensenten die CDs ohne Hülle und so bekommen würden, so dass die Leute sie erst einmal hören. Sonst gucken sich die Leute erst die Hülle an und entwickeln so schon eine Meinung.

Okay: Themenwechsel. Ich hatte den Eindruck, als ob ihr ein Gesamtkonzept habt, dass ihr sozusagen eine Art „Image“ kreieren wollt. Stimmt das?
Dave: Ich hab da viel drüber nachgedacht. Ich denke, etliche der Bands aus diesem Genre haben ein visuelles Element. Wenn man zum Beispiel Converge nimmt. Ich glaub nicht, dass das bei uns so ist.

Brian: Viele Bands benutzen dieses Death/Satan/Evil-Zeugs, was ziemlich albern ist. Unsere Musik ist sehr chaotisch, sehr destruktiv. Das Bild von New York, das wir für die neue CD benutzt haben, passt da sehr gut, weil es sowas wie Niedergang symbolisiert. Ich finde das wirkungsvoller als irgendwelche satanischen Bilder.

Dave: Es haben einfach zu viele Bands dieses Gore-Element benutzt. Ich denke, dass sich das überlebt hat. Es schockiert einfach nicht mehr.

Ich fühlte mich durch das Cover der neuen Platte sehr an „Blade Runner“ oder „Escape from New York“ erinnert. Spielen solche Filme eine Rolle für euch?
Brian: Ich habe gerade mal die Hälfte von „Blade Runner“ gesehen.

Dave: Ich hab „Blade Runner“ mal in einem Kino gesehen, wo der Sound so schlecht war, dass ich die Hälfte der Dialoge verpasst habe. Aber die Bilder wirkten schon noch. Ja, es passt zu unserer Musik…

Interview: Dietmar Stork

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