Oktober 3rd, 2019

BLIND IDIOT GOD aus #177, 2016

Posted in interview by Jan

„SST war das einzige Label, das uns je bezahlt hat“

„We were supposedly the loudest band to ever play CBs. I think Hilly Kristal banned us—or didn’t want us back after that—because a bunch of stuff fell out of the ceiling and he was worried we were going to blow out the PA. It’s just because we don’t have a singer so we can push things a little harder.“ (Andy Hawkins)

Es war eine der erfreulicheren Erscheinungen des vergangenen, doch eher unerfreulichen Jahres. Ein neues Album von Blind Idiot God, verbunden mit der Nachricht, dass auch Konzerte in Europa folgen. Ein Grund, bei Andy Hawkins, einzig verbliebener Gründer der famosen Band, per E-Mail nachzufragen, wie es so geht.

Unglaublich – du bist jetzt seit 30 Jahren mit Blind Idiot God dabei. Und ist es über 20 Jahre her, seit ein Album erschien. Es war zu lesen, dass du seit 2001 an „Before Ever After“ gearbeitet hast. In dieser Zeit lief nicht alles rund, unter anderem verließen Ted Epstein und Gabriel Katz die Band. Hast du irgendwann daran gedacht, in den Sack zu hauen?
ANDY HAWKINS: Nein, daran habe ich nie gedacht. Zum Teil, weil ich ein sehr elastisches Zeitgefühl habe, teils, weil ich ein hartnäckiger Hurensohn bin. Die Ideen hinter der Band sind ebenfalls elastisch genug, um Personalwechsel zu überleben. Und ich hatte genug Glück, eine neue Rhythmusabteilung zu finden, die diese Ideen versteht und schätzt. An einer Idee festzuhalten, kann schwierig sein, aber ich dachte, dass diese Ideen noch nicht am Ende waren. Ich mag die Ergebnisse, die wir erzielt haben, weshalb ich denke, dass es es wert war, ihnen treu zu bleiben.
Oberflächlich betrachtet unterscheidet sich die Musik auf „Before Ever After“ nicht allzu sehr von damals, als ihr aufhörtet, Musik zu veröffentlichen. Auch wenn ich zustimme, wenn du sagst, dass sie einen weiteren Schritt in Richtung Fluss, Improvisation und losere Strukturen darstellt. Die Stücke entstanden offenbar über einen sehr langen Zeitraum mit wechselnden Musikern. Wie hast du es hingekriegt, den Fokus zu behalten? Oder ist das einfach so passiert?
Noch einmal: Ich würde sagen, dass es Ideen sind, die diese Band zusammenhalten – wie jede gute Band. Sowohl Tim Wyskida als auch Will Dahl haben sich schnell eingefügt und scheinen ihren Platz im Getöse ohne viel Anleitung gefunden zu haben.
Ein Label für die eigene Musik zu gründen scheint etwas zu sein, das viele Musiker heutzutage in Betracht ziehen. Wo liegt der Vorteil daran?
Es gibt den offensichtlichen Vorteil, dass du dich nie wirst verklagen müssen. Außerdem ist es gut, die Kontrolle über alle Aspekte der Präsentation zu haben und alle anfallenden Kosten zu kennen.
Du hast in einem Interview kürzlich über ein schweres Sextett mit zwei Schlagzeugern, zwei Gitarren, Bass und Sängerin gesprochen, an dem du arbeitest. Gibt es da Neuigkeiten?
Wir werden uns in den kommenden Monaten einige Sängerinnen anhören und haben beinahe ein ganzes Album voll Material. Die Band hat immer noch keinen Namen und wird klingen wie nichts, was man bisher gehört hat. Wir hoffen, 2016 aufnehmen und spielen zu können.
Wahrscheinlich kann keiner von euch von Blind Idiot God leben. Was macht ihr sonst so?
Nun, das weiß man nie. Jede schwere Instrumental-Band befindet sich einen Soundtrack oder ein Stück in einem Computerspiel entfernt davon, ganz oben zu landen – ha! Ich habe tatsächlich genug Geld als Gitarrist für Filmmusiken in den Neunzigerjahren verdient, um wenigstens ein paar Jahre nicht arbeiten zu müssen. Es gab ein paar tolle Konzerte, und es ist nicht so schwer mit Musik Geld zu verdienen, wenn du ein bisschen Talent hast.

Die Frage ist: Was genau musst du tun, um die Miete zu bezahlen? Ich ging zur Schule, um Filmkomposition zu erlernen, und meine kurze Zeit im Filmgeschäft war lang genug, mich von der Illusion zu kurieren, es hätte keine Nachteile. Ganz offensichtlich machen wir keine Musik, um reich zu werden, aber die meisten, die das tun, sind weder in der Lage, zu tun, was sie wollen, noch immer enthusiastisch darüber, was die Öffentlichkeit von ihnen erwartet. Alle drei von uns sind körperlich fit und leben davon, die Fähigkeiten einzusetzen, die wir über die Jahre erworben haben. Ich sage immer: Der beste Weg, künstlerische Integrität zu garantieren, ist ein Brotjob…
Wegen meiner SST-Obsession möchte ich gern wissen: Verfolgst du in irgendeiner Weise, was da heute abgeht?
Ich muss gestehen, dass ich kaum weiß, was bei SST passierte, nachdem wir sie verlassen hatten. Die Jahre danach vergingen sehr schnell. Ich mag vieles, was sie veröffentlicht haben, und sie waren das einzige Label, dass uns wirklich bezahlt hat. Aber abgesehen von einem Interview neulich mit einem Typen, der eine Doku über das Label macht, währenddessen der Interviewer allerlei amüsante Geschichten über die verheerenden Kämpfe beim Label erzählte, weiß ich nicht, was bei denen los ist.
Ich schätze, du wirst Nein sagen, aber ich frag’s trotzdem: Wäre es heute möglich, ein Label zu betreiben, dass für Rock so wichtig ist, wie es einstmals SST oder Dischord waren?
Wahrscheinlich nicht, angesichts der Tatsache, dass das Musikgeschäft inzwischen viel fragmentierter ist, sowohl in Bezug auf Genres als auch hinsichtlich des Vertriebs des Produkts. Es gibt so viele stilistische Nischen und Vertriebswege, dass es keine besondere Anziehungskraft gibt, wie sie Labels wie SST oder Dischord geformt hat. In jenen Tagen reichte es schon, aus der gleichen Stadt zu sein wie eine andere Band, um bemerkt zu werden. Heute, in dieser immer weiter schrumpfenden Welt, interessiert sich niemand groß dafür, woher du kommst, und nirgends ist überall. Es scheint nur wichtig zu sein, mit welchen Stunt du die Aufmerksamkeit der Leute fesselst.
Sag mal, ist Will Dahl eigentlich verwandt mit Tim Dahl (Child Abuse et al.)?
Laut Will nicht!
Und seid ihr mit dem Dub Trio befreundet? Sie schienen eine Weile weiterzumachen, was ihr angefangen hattet. Und sie kommen, wie ihr, aus New York.
Nie getroffen. Und die Ähnlichkeit mit uns ist oberflächlich. Jeder hat seine eigenen Ideen und Motive für die Musik die er macht, und die kommen durch.
Ihr habt nur einmal mit einem Sänger aufgenommen, einen Song mit Henry Rollins für den Film „Freaked“. Ich meine gelesen zu haben, dass du über ein separates Projekt mit Gesang nachdenkst. Wird das passieren? Oder ist das gar schon passiert?
Ich bin ein großer Fan von einiger Musik mit Gesang, und ich habe verschiedenes Material verschiedener Genres, das ich mit Gesang konzipiert habe. Einiges ist aufgenommen, inklusive Gesang, einiges nicht. Der Vorteil der Fragmentierung des Musikgeschäfts ist, dass Projekte nicht mehr ein so spezifisches Zielpublikum erfordern, um anzukommen, und dass Hörer heute mehr verschiedene Arten von Musik mitkriegen.

Interview: Stone

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