März 17th, 2007

ANTI-FLAG (#105, 04-2004)

Posted in interview by andreas

Das Interview haben Dennis McVean, Tim Homuth, Tom Dittrich und Jakob Dalby geführt. Fast wäre es nicht zustande gekommen, weil die Deutsche Bahn ihr Bahnnetz mal wieder nicht unter Kontrolle hatte und wir einen ausserplanmässigen langen Aufenthalt von einer Stunde in Lüneburg verbringen durften (Buchtipp: Das Bahnhasserbuch).

Mit `ner dreiviertel Stunde Verspätung und einer interessanten „ich hab `ne Hardcoreband und habe früher das TRUST gelesen“ Bekanntschaft die uns zum Club führte, trafen wir dann bei der „Fabrik“ an, wo wir erst mal wie die Bekloppten an die Fensterscheiben klopften um zum Interviewtermin eingelassen zu werden. Daraufhin liess die Kassedame erst mal die Jalousien runter.

Wir klingelten dann im Lieferanteneingang (oder so) Sturm und wurden dann auch tatsächlich noch reingelassen. „Ach, ihr macht ein Interview. Mit VIER Mann? Muss das sein?“, maulte jemand der Verantwortlich war, sich aber leider nicht vorstellte. „Och…jaaaa“ „Grummelgrummel“ machte der Verantwortliche und zog dann nimmer wieder gesehen ab. Nach fünfzehn Minuten kam dann plötzlich wie aus dem nichts Pat Thetic (der Schlagzeuger der Band) und gab gut gelaunt Antwort auf unsere Fragen. (Tim)

***

Hey Pat, werdet Ihr immer noch von der CIA beobachtet? (ein Titel vom Album „Die For The Gouverment“ heisst „I`m being watched by the CIA“)

Pat: Wir werden auf jeden Fall beobachtet. Ich weiss nicht genau, denn ich habe nicht mitbekommen, dass in letzter Zeit etwas verschwunden wäre. Wir haben auch noch keine Post bekommen, die schon geöffnet wurde. Dieser Song war nur ein Scherz, aber es passieren schon merkwürdige Dinge und wir sind sicher, dass wenn nicht schon vor dem 11. September, dass sie dann doch danach ein Auge auf uns geworfen haben. Und entweder haben sie entschieden, dass wir es nicht wert sind oder sie beobachten uns weiter, um sicher zu gehen, dass wir nichts tun, was sie nicht wollen, dass wir es tun.

Zur aktuellen amerikanischen Politik. Wie ist Deine Meinung zu JFK the second. John F. Kerry?

Pat: (lacht) Wird er so in Europa beworben? Er ist auf jeden fall ziemlich reich und das erschreckt mich ganz schön.

Denkst Du, er könnte ernsthaft Amerikas Zukunft sein oder ist er nur eine übergangslösung?

Pat: Auf jeden Fall besser als Bush. Ich nehme jeden für den übergang. Wenn ich auf lange Sicht wählen würde, würde ich auf jeden Fall für Nader stimmen, aber auf kurze Sicht brauchen wir so schnell es geht einen Wechsel, denn ich glaube wir gehen in eine sehr gefährliche Richtung, also nehme ich die schnelle Lösung, weil ich es muss.

Nun zu „Terror State“, eurem neuen Album. Denkst Du, dass es poppiger geworden ist als eure alten Alben? Wollt Ihr die breite Masse damit erreichen ?

Pat: Denkst Du, dass es poppig ist? Wenn ich an Pop denke, denke ich an Britney Spears oder so.

Poppig, wie die Ramones auch poppig waren…

Pat: Interessant. Nun ja, ich habe einen Helden namens Billy Bragg, der macht politischen Folk und ich habe ihn einmal getroffen. Er hat mir erzählt, als ich meinte ich sei in einer Band mit soziopolitischer Botschaft und fragte ob er einen Rat für mich hätte, dass man gute Songs schreiben müsse, denn wenn man das nicht tut, gibt es keine Aufmerksamkeit.

Ich denke, dass wir versuchen gute Songs zu schreiben, egal ob sie nun notwendigerweise poppiger sind, denn die Botschaft kommt besser an, wenn das Transportmittel gut ist. Wenn der Song scheisse ist, hört sich das ja auch keiner an. Wir versuchen auch nicht bewusst, die Massen zu erreichen, aber wir versuchen immer bessere Songs zu schreiben, damit die Leute zuhören und unser Anliegen ernst nehmen.

Auf eurem neuen Album kann man genau wie auf der BYO Split-LP mit den Bouncing Souls, wieder den Gegensatz von Kampfbereitschaft zu Friedfertigkeit sehen und hören. Inwieweit ist es für euch zu verantworten, für seine Ideale mit Gewalt einzutreten, gleichzeitig aber die Fahne des „Pazifismus“ hochzuhalten?

Pat: Pazifist zu sein, ist wie ein Alkoholiker zu sein. Du versuchst immer ein besserer Pazifist zu werden. Aber jede Revolution oder jeder Wechsel, der durch Gewalt erreicht wurde, wird nicht halten, denn Gewalt macht immer alles kaputt. Das Ziel ist es also einen friedlichen Wechsel in den Köpfen der Menschen zu erwirken, ohne Gewalt auszuüben. Manchmal, und das ist die Frage, denn ich würde niemals Gewalt gegen Menschen unterstützen, kann man ein Fenster oder so einschlagen, denn das bringt die Aufmerksamkeit der Menschen und die Aufmerksamkeit der Medien, was evtl. manchmal einen negativen Effekt mit sich führt, dann aber wiederum die Aufmerksamkeit der Menschen bringt.

Würdet Ihr es in Erwägung ziehen, von Fat Wreck auch noch auf ein grösseres Label, also ein Major zu gehen, um mehr Leute, vor allem Jugendliche zu erreichen? Und unter welchen Bedingungen?

Pat: Meine Standardantwort auf diese Frage ist: Ich würde mit jedem zusammen arbeiten, der meine Stimme grösser macht, ohne das zu ändern, was ich tue. Wenn jemand wie Rupert Murdoch oder der Typ von Virgin, ich weiss seinen Namen nicht… Mr. Virgin, zu uns kommen und sagen würde: „Ich gebe euch `nen ganzen Haufen Geld. Ich gebe euch die Vertriebsmöglichkeiten, die eure Platte in jeden Laden auf der Welt bringt.

Und ihr könnt sagen und tun, was ihr wollt“, würde ich auf jeden Fall „ja“ sagen. Aber wenn sie sagen würden: „Wir geben euch das Geld unter der Bedingung, dass ihr dies und das so tut, wie wir es wollen“, wäre ich nicht daran interessiert. Das ist das schöne an Fat Wreck. Fat erlaubt uns das zu tun, was wir wollen und wie wir es wollen und unterstützt uns dabei mit den Ressourcen, die es uns ermöglichen, z.B. nach Deutschland zu kommen.

https://www.youtube.com/watch?v=pFyMk0HsQik

Ihr seid also zufrieden mit Fat Wreck?

Pat: Ja, Fat Wreck ist grossartig, tolle Leute und sie wissen, wie man eine Platte veröffentlicht und…

… und Fat Mike muss ganz offensichtlich ein guter Koch sein.

Pat: (lacht) Ja, was? Er ist ein guter Koch?

Er sieht jedenfalls so aus…

Pat: Ah ja, ich denke schon, aber ich glaube mittlerweile hat er Leute, die für ihn kochen. Ich weiss nicht.

Das ihr jetzt auf so riesigen Festivals wie dem Hurricane spielt…

Pat: Ich weiss, dass das ein riesiges Festival ist, wir haben aber auch erst heute erfahren, wie riesig das ist. Ich werde mit David Bowie abhängen, wir werden die besten Freunde.

Was hältst Du denn von Bowie?

Pat: Ich denke David Bowie ist cool, er hat die Transsexualität und die Androgynität zu den Massen gebracht und ihnen die Möglichkeit gegeben zu verstehen, dass man nicht notwendigerweise ein Junge oder ein Mädchen sein muss, dass es ein Zwischenstadium geben kann, in dem man sich wohlfühlt.

Dass ihr jetzt auf dem Hurricane spielt, könnte ja einige „Die- Hard Fans“ dazu bringen zu sagen, ihr würdet euch jetzt total ausverkaufen. Was hältst Du denn von so was?

Pat: Seit ich 15 war, wurde mir gesagt, dass ich mich ausverkaufen würde. Das ist also nichts neues für mich. Die Wahlen, die ich für mich treffe, müssen die sein, die für mich Sinn machen. Das interessante an den Leuten, die mir das damals erzählten ist, dass sie nun Schreibtischjobs haben. Ich bin mir klar geworden, dass ich auf so was nichts geben darf.

Wie steht Ihr denn so zu Straight Edge?

Pat: Für mich ist Straight Edge eine Entscheidung, die ich für mich treffe, wenn andere Leute trinken wollen, dann ist das okay für mich, ich habe keine Probleme damit, es ist eine Entscheidung die mich von Tag zu Tag führt. Wir sind nicht richtig offiziell Straight Edge.

Als wir jünger waren, gab es Partys, auf denen jedermann trank, ausser uns, und jeder fragte uns, warum wir es nicht tun, deshalb sagten wir, wir seien Straight Edge, um nicht genervt zu werden. In diesem Sinn wurde es irgendwie zu einer Identität für uns. Es ist aber keine Identität für uns, wie für manch anderen, denn wir sind keine Fans davon, anderen zu sagen was sie tun sollen. Wir bieten Ihnen nur Auswahlmöglichkeiten.

Wie ist denn der Support durch Darkest Hour zustande gekommen? Ihr unterscheidet euch musikalisch ja doch ziemlich…

Pat: Denkst Du? Wir sind mit ihnen auch schon in den USA getourt. Sie sind nette Jungs. Wir sind halt gerne mit Leuten unterwegs, mit denen wir gut auskommen. Das trifft auf Darkest Hour zu, und sie haben ähnliche Werte, die wir auch haben. Und wir finden ihre Musik grossartig.

Und was sagt das Publikum?

Pat: In den USA ist es unserem sehr ähnlich. Punkrockkids, die auch mal ein bisschen Metal hören und ein bisschen härteren Punkrock als Anti-Flag. Bei Darkest Hour ist das Ziel dem von Anti-Flag ähnlich, nur der Weg ist ein anderer.

Was haltet ihr denn von Religion?

Pat: Religion hat keinen grossen Stellenwert in meinem Leben. Wie auch immer. Ich kenne viele Aktivisten, die regelmässig in die Kirche gehen. Es ist mir auch egal, ob die nun religiös sind oder nicht, es hat bloss keinerlei Einfluss auf mein Leben.

Einige Worte an den Verfassungsschutz? (*wir sprachen kurz über diesen*)

Pat: (lacht) Ja, versucht unsere Akte von der CIA zu bekommen, und seht nach ob wir euch gefährlich werden könnten

Vielen Dank für das Gespräch

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Übersetzung: Dennis McVean

Links (2015):
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