Oktober 3rd, 2019

ALTE SCHULE MASTHORN aus # 176, 2016

Posted in interview by Jan

ALTE SCHULE MASTHORN

Es ist nicht ganz einfach, Leute zu interviewen, die man schon sehr lange kennt. Der Vorteil ist: man kann über vieles mal länger reden. Der Nachteil: für Außenstehende ist es oft nicht so interessant, weil man den Background nicht teilt. Ob uns die Balance geglückt ist, euch ein tiefschürfendes Gespräch zu präsentieren, was nicht zu „Inzucht“-mäßig wirkt, müsst ihr entscheiden, der Wille dazu war in jedem Falle da.

Es ist ja so: bei den wunderbaren HipHopern der ALTE SCHULE MASTHORN (ASM) aus Köln kenne ich die beiden Musiker/Texter/Sänger Lukas und Matthias schon viele Jahre. Beide kommen aus der selben Gegend, die Peripherie Bergisch Gladbach/Leverkusen, wir sind ähnlich alt (unter 40), haben Entwicklungen durchgemacht, mit beiden habe ich mal Musik gemacht (bei Betty und El Critique) und trotz meines Frankfurter Exils hat man sich irgendwie noch auf dem Schirm. Beide kommen aus dem Punk, spielten in vielen Bands, machten ein Label, veranstalteten Konzerte, tun dies immer noch…

Lukas trommelt zurzeit bei den Senkrechtstartern von Mülheim Asozial aus Köln und ist auch in der AZ Köln-Konzertgruppe aktiv, Matthias hat viele Jahre Konzerte im Haus der Jugend Kolbergerstraße Leverkusen und im Kulturausbesserungswerk Leverkusen veranstaltet und Technik gemacht…
Ihre eigene Rap-Band gibts schon einige Zeit, jüngst erschien neues Material, dass mich wieder sehr begeisterte. Auch live sind die beiden gut, sie haben interessantes zu sagen, checkt ASM aus, veranstaltet Konzerte mit denen, kauft Leute, kauft!

Ok, Sleaford Mods ist mehr un-PC, Astronautalis hat mehr Skillz und Gun Shot und all die anderen kann man eh nicht erreichen: ASM sind trocken und unfunny, aber genau das gefällt mir. Eine Anekdote wegen früher sei erlaubt: als Matthias noch ordentlich gesoffen hat und ich bei ihm pennte, meine Kontaktlinsen in zwei Schnapsgläser ablegte, die Mutter am nächsten Tag das weg schüttete in der Annahme, der Sohnemann hat mal wieder mit den Kumpels zu viel Schnaps… ja, das war lustig.

Es war auch Matthias, der mir Jahre später mal eine NWA-CD brannte und das war ein großer Schock, wie geil das war! Als 12 jähriger passierte mir so ein Schock, als ich zum ersten Mal die Sex Pistols und AC/DC hörte, dann etwa später, als ich zum ersten Mal Operation Ivy und den amerikanische Hardcore hörte und dann noch mal einige Jahre später der NWA-Schock. Das es so etwas schönes überhaupt gibt! Danke! Nun viel Spass auf der Schulbank mit ASM!

Matthias und Lukas, schön, dass ihr Zeit habt. Ihr seid eigentlich (Deutsch-) Punks, die vor Jahren eine Punk-Aktualisierung im HipHop vorfanden. Kann man das so sagen?
Lukas: Na ja, (Deutsch-) Punks, weiß ich nicht, ob wir das sind. Wir sind beide, glaube ich, eher aus unserer frühen Jugend Deutsch-Punk sozialisiert. Also klassisch mit am Brunnen abhängen plus Kasi und Dosenbier. Und Punk ist für mich auch heute noch so das Ding, wo ich mich am meisten zu Hause fühle. HipHop hat sich da bei mir eher so eingeschlichen über Anarchist Acadamy. Das war, soweit ich mich erinnere, so mein erster Berührungspunkt mit HipHop. Ab diesem Punkt wuchs dann auch mein interresse an dieser Musik bzw. Kultur. Und es kamen weiter Bands wie Too Strong oder RAG, aber auch MCs wie Torch, dazu, mit den ich sowohl musikalisch wie auch textlich viel anfangen konnte.

Da Matthias ein ähnlich großes interresse an HipHop hatte, kam die Idee auf, mal selber was in die Richtung zu machen. Und das war dann sozusagen der Grundstein für Alte Schule Masthorn.
Matthias: Ja, genau so ist das. Ich hatte allerdings schon früher Berührungspunkte mit HipHop oder Rap, die kommerziellen US-Sachen Anfang der 90er, Public Enemy, Ice Cube, N.W.A. usw., denen konnte ich auch irgendetwas abgewinnen, hab mich aber damals nicht weiter dafür interessiert. Auseinandergesetzt habe ich mich auch erst nach der „Anarchist Academy – Solingen, wir kommen im Jahr IV“- EP. Da wurde mir bewusst, dass HipHop auch anders geht, als das, was ich bis dahin kannte. Dann lernte ich auch Advanced Chemistry, Too Strong usw. kennen und bin dann irgendwie dran geblieben.

Anarchist Academy waren ja für viele die Band in den 90er, die Deutsch-Punk-Textgut über das neue Medium HipHop transportieren. Haben ja auch auf Deutsch gerappt. Ich liebe die ja auch immer noch, ein „Rap über die Liebe“, yeah. Hatten aber die nicht im Rückblick auch das gleiche Problem wie früher 80er Deutsch-Punk? Dann doch ziemlich platte Parolen, etwas unterkomplexe Analysen, Skills- mässig ziemlich rumpelig, somit eigentlich fast nur ironisch gebrochen ertragbar?
Lukas: Na, da hast du schon irgendwie recht, Lieder wie „Bundestag brenn“ oder „Wer das Geld hat, hat die Macht“ sind ohne Frage relativ platt, aber Anarchist Academy war halt gerade dadurch, dass sie textlich sehr nah an den Punk-Texten waren, die perfekte Einstiegsdroge in den HipHop. Spätere Sachen fand ich auch gar nicht mehr so platt und auch style-mässig relativ gut. Hab vor kurzem nochmal in die „Rappelkisten Kids“-LP reingehört und muss sagen, dass ich das auch unironisch noch gut finde, zum Beispiel Zeilen wie „Das Öl auf den Rädern des Verdrängungsmechanismus ist immer noch der Spiesser-Mikrokosmos-Katechismus“ von deadly T, die halte ich auch heute noch für ne‘ Hammer Line.

Aber es gibt natürlich textlich und stilistisch noch viel besseren HipHop, aber der war mir damals halt noch unbekannt. Matthias hat da warscheinlich noch ne andere Sicht drauf, weil der auch früher wie ich viel Ami-Zeug gehört hat. Ich habe halt anfänglich viel Rap auf Deutsch gehört und erst etwas später angefangen, englischsprachigen Rap zu hören, aber dann auch immer mehr Rap in den verschiedensten Sprachen.

Matthias: Ja, „Einstiegsdroge“ für den Deutschpunker trifft es schon ganz gut. Lieder wie „Bundestag brenn“, „Des Teufels rechte Hand“, „Accion Mutante“ usw. kamen manchen Deutschpunktexten oder – Messages schon nahe und öffneten dann nebenbei den musikalischen Horizont, bestimmt nicht nur bei uns beiden. Und so macht man sich dann auf die Suche nach anderen Bands aus der Richtung. Ich find auch vieles noch echt gut und höre es auch relativ regelmässig. Die „Rappelkistenkids“ auch am meisten, aber auch die neue „No World Order“ höre ich gerne. Gibt’s auch auf Tape, worüber ich mich, da ich ja immer noch ein Tape-Deck im Auto habe, besonders freue. Skillstechnisch gibts da aus heutiger Sicht natürlich schwierige, holprige Sachen, aber das kann man meiner Meinung nach nicht aus dem zeitlichen Kontext heben.

Anfang der 90er wurde das erste Mal auf Deutsch gerappt (Advanced Chemistry, Too Strong, TCA Microphone Mafia usw.); das war gar nicht so einfach, da die Leute damals ja fast ausschließlich von Ami-Rap beeinflusst wurden, da dann einen lockeren Style in deutscher Sprache rauszuhauen. Da gibts auch viel interessante Literatur zu, wie sich das alles in Deutschland entwickelt hat und Anarchist Academy waren, soweit ich weiss, zeitlich da mitten drin, ich glaube, um 1992/1993 und klar, dass sich da noch viel entwickeln musste. Die meisten heutigen Rapper, die auf Deutsch rappen, sind auch von deutschsprachigem Rap beeinflusst und oder damit aufgewachsen, die können sich ganz anders an den unterschiedlichsten Veröffentlichungen orientieren.

Es ist ja interessant, dass das, was für Punk gilt – die Amis sind „uns“ eben voraus – auch für HipHop stimmt. Wenn man Toxoplasma 1982 mit den Bad Brains 1982 vergleicht, da liegen ja ganze Universen dazwischen und die erste Toxo ist ja mega. Und wenn du auf HipHop schaust… die ersten zwei Cypress Hill- und die ersten zwei Anarchist Academy-LPs, das ist ja auch nicht gerade nen kleiner Abstand. Wir kommen zu diesem Komplex noch genauer, denn nicht unselten sind die Amis Technikmässig überlegen, reissen aber auch die dümmsten textlichen Klöpse, siehe Public Enemy mit den antisemitischen Aussagen von Professor Griff.
Lukas: Weiß ich jetzt nicht, ob man das so pauschal sagen kann. Wenn du jetzt zum Beispiel die erste Razzia von 1983 nimmst, denk ich da nicht unbedingt, dass „die Amis“, wie du sagst, so weit voraus waren. Andererseits finde ich es auch eher müssig, darüber nachzudenken, was wer wie jetzt wo wie früher gemacht hat. Sowohl textlich wie auch musikalisch gab und gibt es dort Scheisse und hier Scheisse. Und vielleicht ist es auch so, dass der Rap, der auf Deutsch entstand, erstmal besser ins Ohr ging, weil Mensch das einfach verstanden hat. Cypress Hill waren und sind mir eigentlich egal. Ob die jetzt die krasseren Styls oder die besseren Beats hatten, egal. Hat mir irgendwie der Zugang zu gefehlt. Interresant zum Beispiel an Anarchist Acadamy war halt der Inhalt, also sozusagen, dass man gemerkt hat, mit dem Medium HipHop geht mehr, als man dachte. Und da ich auch nicht so der Englisch-Experte war, funktionierte das mit deutschen-Texten einfach besser.

Was haltet ihr von der Anarchist Academy (AA)-Reunion? Hannes Loh ist ja nicht mehr dabei.
Lukas: Die Reunion hab ich nicht so mitverfolgt. Schätze halt die alten Sachen, weil, wie schon gesagt, ich das Gefühl habe, dass sie mich das stark beeinflusst hatten.

Matthias: Ich find es auch schade, dass er nicht mehr dabei ist, mich hat es immer sehr interessiert, was er wie in welcher Deutlichkeit gesagt hat, zum Beispiel „Wenn die Nacht am tiefsten“ von der „Rappelkistenkids“. Immerhin ist er mit 3 Skits auf dem neuen Album dabei. Es wird seine Gründe haben. Die Reunion finde ich voll ok und hab mich auch darüber gefreut. In der Zwischenzeit gabs ja auch noch LA RESISTANCE (Anarchist Academy Callya, Microphone Mafia, Chaoze One, Meditias), wo sie neue Sachen beigetragen haben.

Guter politischer HipHop aus den 90er in Deutschland, was gibt es noch als Inspiration, Fischmob, Freundeskreis?
Lukas: Freundeskreis hab ich viel gehört, hasse die mittlerweile aber. Also, genauer gesagt habe ich eine absolute Antipathie gegen Max Herre entwickelt. Der ist einfach ne Schmierwurst. Fischmob sind irgendwie an mir vorbeigezogen. Meine absoluten Lieblings-Crew aus der Zeit sind RAG. Das ist jetzt vieleicht nicht der absolute Polit-Rap, aber, oder gerade deswegen, fand und finde ich die extrem gut. Irgendwie waren Rag auch einer der wenigen Bands im HipHop, die fast ohne dieses ganze Macker- bzw. Poser-Vokubalar ausgekommen sind und trozdem zwei lupenreine Alben gemacht haben. Also sowohl textlich wie auch Beat- und Reim-technisch extrem gut waren. „Blauer Samt“ von Torch und „Spiegelschrift“ von Fiva MC sind beides so Alben, die mich stark geflasht haben, ist zwar nicht mehr 90er, aber waren beides so Alben, wo ich bei verschiedenen Textzeilen echt berührt war.

Beides ist eher von den Texten sehr persönlich, aber dadurch auch wieder politisch. Und das ist eigentlich auch das, was mir am besten gefällt, also, auf einer persönlichen Ebene auch Politik mit in die Texte einfließen zulassen. Da wird man dann quasi besser reingezogen, als wenn es nur Parolendreschrei ist.

Matthias: Freundeskreis hab ich gar nicht viel gehört, war mir zu kommerziell, das hat mich damals schon immer abgeschreckt. Heute sehe ich das alles wesentlich relaxter mit der Kommerzialität und Popkultur, wenn es mir was gibt, ist es mir egal, ob es im Radio läuft oder sonstwo. Aber damals war es mir sehr wichtig, dass es underground und möglichst DIY ist. In den 90er gab es schon viele Sachen, die ich heute noch gerne höre, auch so entwicklungstechnisch. „Blauer Samt“ von Torch ist allerdings von 2000, habe ich auch viel gehört und auch so Sachen, die irgendwo einen gemeinsamen Nenner mit Punk hatten, das war dann meistens irgenwas gegen Nazis oder Gesellschaftskritisches.

Spontan fallen mir da aus den 90er noch Too Strong, Krombacher MC, State Of Departmentz, Fresh Familee, Cod X, Absolute Beginner und R.A.F. (ReimendeAntiFaschisten) ein. Es gab ja damals auch schon Kollabos zwischen Punk- und Rapbands, wie zum Beispiel Goldene Zitronen und Easy Business bei 80 000 000 Hooligans (von 1992, glaube ich). Jedenfalls haben diese Bands glaubwürdige Geschichten aus ihrem Leben erzählt und das dann in einen größeren Kontext (gesellschaftlich oder politisch) gestellt, das hat mich interessiert. Ja und RAG kann man gar nicht oft genug erwähnen, egal, ob Style oder Inhalt. Ich hab‘ das auch eigentlich nie verglichen, ob Ami-Bands – egal, ob jetzt Punk oder Hip Hop – den Bands aus Deutschland voraus waren; das hat mich gar nicht interessiert, tut es auch heute nicht. Wenn es mir was gibt, ist es gut, wenn nicht, dann nicht.

Eure Haupt-Einflüsse in Bezug auf HC-Punk in den 90er, liege ich da mit …but Alive und Muff Potter bei Lukas und mit Rachut bei Matthias total falsch? Wie seht ihr Nagel und Kettcar heute? Punk-Verräter, die sich für ihr heutiges Tun und Reden vor 15 Jahren selber eine aufs Maul gegeben hätten? Dagegen der Jens, voll sich treu geblieben? Ist ja immer schwer, dieses „sich selbst treu bleiben“, aber auch nicht stehen bleiben…
Lukas: Bei mir waren das auf jeden Fall …but Alive und Muff Potter, aber auch die Sachen von Rachut sind nicht an mir vorbeigezogen. Dackelblut würde ich durchaus auch mit in diese Liste aufnehmen. Ob ich Nagel und Kettcar für Punkverräter halte? Wohl eher nicht. Erstmal wäre da ja die Frage, was die am Punk verraten haben. Die machen halt jetzt kommerzielle Musik, manches davon gefällt mir, manches nicht. Haben nach meiner Meinung dadurch auch keine Überschneidungspunkte mehr mit der DIY-Szene. Was ich jetzt aber auch nicht verwerflich finde.

Müsste ja auch sonst davon ausgehen, das alles, was abseits der Szene ist, scheisse ist. Ob die sich für ihr heutiges Tun vor 15 Jahren selber aufs Maul gehauen hätten, weiß ich nicht und ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, was mir oder der Punk-Szene diese Erkenntnis bringen sollte. Dieses „sich selbst treu bleiben“ klingt für mich auch eher nach stumpfer Oi-Mentalität, also so konservativ und krampfhaft an den alten Idealen festhalten und die zu absoluten Über-Tugenden zu machen. Im schlechtesten Fall kommen da dan noch so komische Verbote hinzu, wie Punk darf nicht elektronisch sein, Punk muss DIY sein, Punk darf nicht kommerziell sein etc. Ich finds halt, glaube ich, auch wichtiger, sich weiter zu entwickeln, was jetzt nicht zwangweise heißen muss, dass man kommerzielle Musik macht. Eher, das man sich und seine Ansichten von Zeit zu Zeit auch mal hinterfragt und sich nicht immer nur auf Vergangenes beruft.

Zum Beispiel gibt es ja auch so Bands wie Slime, die von sich behaupten, das sie sich voll „selbst treu geblieben sind“, wo ich aber eher denke, „ihr seid voll hängengeblieben“. Ich für meinen Teil mag die DIY-Kultur, ich mag kleine Shows, mag, dass emanzipatorische Themen dabei eine wichtige Rolle spielen. Ich halte aber trotzdem Menschen, die da andere Wege einschlagen, nicht kategorisch für Verräter, eigentlich halte ich „Verräter“ auch für ein absolutes Scheiss-Wort. Zehn Mal mehr nerven mich Leute, die mir erzählen wollen, was Punk ist und was anscheinend kein Punk ist.

Matthias: Schön gesagt! Dem stimme ich genau so voll und ganz zu!!! Es gibt so viele verschieden gefärbte Definitionen von Punk, die sich alle für „die einzig wahre Definition“ halten, und ich hab dieses sektenähnliche Gehabe echt satt. Mit den Bands liegst du schon richtig, ich hab aber auch noch viel klassischen Deutsch-Punk wie VKJ, Razzia, Slime, Popperklopper, Blut & Eisen u.ä. gehört, und höre ich auch immer noch gelegentlich.

Yo, ASM ist irgendwie der Ferienhaus-Ort von Lukas Eltern, könnt ihr euch noch an die ersten Proben und Aufnahmen erinnern? So etwas vergisst man ja nicht (auch wenn gewisse Tondokumente einen manchmal….)?
Matthias: Ja klar erinnern wir uns daran. Wir sind öfter mal ein Wochenende in die Alte Schule Masthorn gefahren, hatten alles an Hifi- und Technik-Equipment, was wir so hatten, dabei und haben dann damit rumgespielt. Wir hatten am Anfang leider nur ein Mikro, so musste einer immer durch Kopfhörer rappen; witzig war das, aber die Aufnahmen freuen uns heute immer noch, ja.
Lukas: Die Alte Schule Masthorn war ein Ferienhaus meiner Eltern, da haben Matthias und ich angefangen, Punk-Texte auf HipHop-Beats zu rappen, was immer sehr viel Spass gemacht hat. Auf die Aufnahmen haben wir dann immer ASM geschrieben und uns später gedacht, dass das auch ein feiner Bandname wär. So von wegen Alte Schule/old school/ HipHop und so…

Lukas, bei Mülheim Asozial rappst du ja auch ein Gangsta-Stück, bist aber hauptberuflich deren Schlagzeuger. Bei Lambs machst du ja noch mit, was macht ihr da? Deine ex-Bands kenne ich ja ein wenig, die mächtigen Zone 30, Fehlproduktion (wo schon Christoph Bass spielte, der das heute bei Mülheim Asozial macht und vorher u.a. bei den Backchats aus Bonn) und Betty (hüstel). Bock, was zu den einzelnen alten Bands zu sagen, habe ich welche vergessen?
Lukas: Wer ist Mülheim Asozial? Vor allem, was ist das für ein bescheuerter Bandname? Mit Lambs machen wir Musik, die ich ganz gerne mag. Zone 30, das war noch „real“, Felproduktion war dann nicht mehr so real, aber textlich etwas besser, Betty war halt so Crust. Dann gab es noch Grabowski, das war eigentlich sehr gut, ging aber leider irgendwann zu Ende.

Es wurde ja schon mal angesprochen, dass einen bei englischen Texten das Macker-Gehabe nicht so stört, immer wieder NWA als Beispiel. „Fuck the Police“ natürlich völlig krass, aber dann auch mal ein Hauch von Sexismus. Ich hörte, dass Public Enemy bei ihrem letzten Auftritt in Köln bei ihrer „Catering-Liste“ darauf bestanden, dass Nutten am Start sein müssen, die natürlich schwarz sein sollten. Bei einer deutschen links-Rap-Band würde man ja hier … den Amis und Brits lässt man allerdings sehr sehr viel durchgehen. Gibt es Grenzen? Hört ihr dann auf Deutsch nur den „PC-Rap“, Chaosone, Sokee und Konsorten?
Lukas: Ist schon irgendwie krass, dass man gerne mal bei englischen Sachen über Scheisse hinweghört, kann ja eigentlich nicht behaupten, dass man das jetzt gar nicht verstehen würde. Bin da aber selber auch so unterwegs, bin aber gelegentlich auch geschockt, was ich da abgefeiert habe, wenn ich mir mal die Mühe gemacht habe, die Texte mal genau zu lesen. Denke aber, dass das kein HipHop-spezifisches Problem ist, gerade bei Bands mit so legendärem Status wird gerne mal weggehört, da können dann die Misfits singen „Ich habe deine Freundin vergewaltigt und es ist mir scheissegal“, das läuft dann in der AZ-Kneipe und interessiert niemand (Anmerkung Jan: der Text geht ein bisschen anders, die Mutter wurde vergewaltigt, geht dann vielleicht mehr in diese „Motherfucker“-Schiene).

Zu NWA kann ich nichts sagen, hab ich nie bewusst gehört. Die Story zu Puplic Enemy wundert mich jetzt nicht wirklich, da gabs ja schon mal diese unsägliche Dating-Show mit Flavor Flaw, „Flavor in Love“, das war ja schon Sexismus in Reinform und hat bei mir auch dazu geführt, das ich keinen Bock mehr auf diese Band hatte. Würde Public Enemy jetzt aber auch nicht als „links“ bezeichnen, deswegen hinkt für mich ein bisschen der Vergleich mit „was man wem wo wie durchgehen lässt“. Ich meine, Bands wie KIZ, denen lässt man auch gerne einiges durchgehen, auch in der linken Szene. Ich für meinen Teil höre auf Deutsch eher weniger „PC-Rap“ (merke gerade, dass ich die Bezeichnung nicht mag). Chaos one interessiert mich zum Beispiel gar nicht, mit Sookee hab ich mich am Anfang eher schwer getan, weil mir das zu viel Phrasendrescherei war, mitlerweile gibt es Tracks von ihr, die ich extrem gut finde, zum Beispiel „Nichts Gemeinsam“ hat mich textlich stark geflasht, weil es da stark um Selbsreflexion geht, was mir bei anderen sogenannten „PC-Bands“ oft fehlt.

Zum Thema „Sexismus im Rap“ hab ich eine nicht ganz eindeutige Meinung. Ich merke oft, dass ich Rap häufig verteidige, obwohl ich mich damit gar nicht so wohl fühle. Merke nämlich oft, dass ich da Sachen relativiere, die mich selber nerven. Ich höre halt MCs wie Edgar Wasser, fatoni, audio 88 und grim 104 und die benutzen durchaus Vokabular, was jetzt in manscher Leuten Augen nicht klar geht. Ich halte besagte Künstler aber nicht für Sexisten oder homophobe Arschlöscher, da es meistens aus dem Kontext der Texte klar wird, welche Position sie haben. Andererseits kann ich das auch so einfach sagen, weil ich durch die meisten Äusserungen (als heterosexueller Mann) halt nicht diskrimminiert oder herabgewürdigt werde.

Einerseits finde ich, dass Rap durchaus überspitzen darf und sollte, andererseits gibt es auch Textzeilen bei besagten Rappern, wo ich mir auch denke, was soll das jetzt. Das Grundproblem an der HipHop-Szene (und den meisten Szenen) ist, dass sie hauptsächlich aus heterosexuellen Männern bestehen, die viel zu wenig über ihre Privilegien nachdenken. Das führt natürlich dazu, dass sich die meisten in dieser Rolle gefallen und weil sie es sich leisten können, jeden Scheiss machen oder rappen. Oft verstehe ich auch nicht, wie da gewisse Wörter legetimiert werden, zum Beispiel „schwul“ oder „bitch“ sind ja zwei sehr geläufige Schimpfwörter im deutschen Rap, da wird dann aber schnell gesagt, dass das nur so bablabla und gar nicht diskriminierent gemeint ist.

Diese Argumentationsline find ich halt extrem bescheuert; zum Beispiel würde kein weisser Raper auf die Idee kommen, das Wort „Nigger“ in den Mund zu nehmen, weil sich alle klar sind, dass das eindeutig diskriminierend ist. Leider besteht dieser Konsens jedoch nicht, wenn es um Frauen und homosexuelle Menschen geht. Was mich auch zuhnemend nervt ist, wie männliche Rapper weibliche Rapper bewerten. Angefangen von Sprüchen wie „Für ne Frau ganz gut“ bis zu „Ich finde, Frauen sollten eher so feminin rappen“. Bei so Sprüchen fällt mir dann doch oft auf, wie stark sexistisch das alles noch geprägt ist, wobei Typen, die sowas sagen, meistens auch noch denken, das seien Komplimente. Ich denke mir dann immer, ihr könnt das ja einfach gut oder schlecht finden und auch eure Meinung dazu sagen.

Aber die Musik nach dem Geschlecht der Person, die sie macht, zu bewerten, find ich irgendwie das Unterste. Ich habe aber trotzdem die Hoffnung, dass sich da noch viel verändern wird. Sehe auch, das verschiedene MCs sich da duraus weiterentwickeln; zum Beispiel Huss und Hoden, die zu Anfang mit dem Wort „schwul“ fast inflationär umgegangen sind, das in letzter Zeit stark reflektiert und anscheinend begriffen haben, das sie damit auch durchaus anderen Menschen wehtun und es deswegen nicht mehr benutzen. Was mich irgendwie freut, da es mir Hoffnung gibt, das Menschen durchaus in der Lage sind, sich und ihre Aussagen selbst zu hinterfragen und daraus auch Konsequenzen ziehen.

Matthias: Es gab vor ASM wohl schon diverse Bandversuche, doch die sind nie über den Proberaum hinausgekommen, EL CRITIQUE war eine davon, was da raus gekommen ist, war einfach zu geil und zu gefährlich für diese Welt, nicht wahr, der Herr?! Ich hab sehr viele Konzerte gemacht und gemischt und ASM ist eigentlich die erste ernstzunehmende Band, an der ich wirklich beteiligt bin. Zu Public Enemy fällt mir seit der MTV-Show von Flavor Flav sowieso nichts mehr ein. Das mit der Catering-Liste hab ich noch nicht gehört, aber dazu muss ja wohl auch nichts mehr gesagt werden. Unfassbar!

Obwohl, ich hab auch schon bei Bands, die ich veranstaltet habe, Streitereien erlebt, wo es darum ging, dass ein Bandmitglied die Gage für ein „Freudenhaus“ ausgeben wollte und die anderen eher für Benzin. Auch hier fällt mir nichts mehr zu ein! Höre ich auf Deutsch nur den „PC-Rap“? Nein. Ich höre das, was mir was gibt, auch wenn ich einige der Ansichten mal nicht vertreten kann. Der sogenannte „PC-Rap“ ist mir oft zu plakativ und parolenbehaftet, wie auch der sogenannte „Zecken-Rap“. Ich habe dabei auch oft den Eindruck, viele dieser Bands oder Einzelkünstler wollen genau in eine bestimmte Schublade passen, eine bestimmte Hörerschaft erreichen, das hört man dann irgendwie raus und das macht es für mich dann eher uninteressant, wirkt aufgesetzt.

Die Bezeichnung sagt ja schon, dass es „PC“ sein soll, somit ist schon ein Rahmen von außen gesetzt, in den die Musik und der Text dann rein soll. Ich denke, man sollte es so machen, wie man es fühlt oder halt das ausdrücken, was man ausdrücken möchte. An welche Formen man sich dann hält, muss man selbst entscheiden, und man weiss selber immer am besten, wie man sich anhören soll. Wenn es dann in die eine oder andere Schublade passt, bitte schön, wenn nicht, dann nicht. Aber natürlich gibt es Grenzen bei dem, was die Leute so von sich geben. Ich kenne ein paar Leute, die finden zum Beispiel Kollegah super lustig. Geht für mich gar nicht, kann ich kein Lied zu Ende hören und erst recht nicht drüber lachen.

Ich konnte auch den Hype um K.I.Z., auch in der Punk-Szene, nicht verstehen. Ich kann mir das, auch wenn es „ja gar nicht so gemeint ist“, nicht anhören. Ich denke, es gibt ausreichend Möglichkeiten, sich zu artikulieren, da muss man sich nicht unbedingt dem Ballermann-Vokabular bedienen. Bei den Sachen in nichtdeutscher Sprache ist das einfacher, da man über vieles besser hinweghören kann, setzt man sich jedoch mit den Texten auseinander, wird es jedoch auch hier oft schwierig, mit „gutem Gewissen“ weiter zu hören. Oft reicht es mir schon, einen Video-Clip von der ein oder anderen Band zu sehen. Auch wenn die Aussage des Textes mir nicht direkt aufstösst, verhindern die Videos oft, dass ich die Musik dann höre, auch wenn sie mir erstmal irgendwie zugesagt hat.

Ihr habt ja auch einen Song zu dem Thema, „Macho-Scheiss“; worum ging es da, und wer ist ZenZero?
Lukas: Das Lied „Macho-Scheiss“ geht eher gegen ein Männlichkeitsbild, das mich nervt und dem ich nicht entsprechen will. Ohne jetzt Diskriminierung gegenüber Frauen relativieren zu wollen, gibt es auch gesellschaftliche Zwänge, wie man als Mann zu sein hat. Diese Zwänge nerven und hindern einen daran, sich so zu entwickeln, wie man das gerne will. Das Lied richtet sich haupsächlich gegen Männer, die dem vorgegeben Männlichkeitsbild entsprechen und einem das auch noch aufdrängen wollen. ZenZero ist ein Freund und gleichzeitig (nach meiner bescheidenen Meinung) einer der besten Rapper Kölns.

Kann man das auch so bilanzieren: ihr hattet nach der üblichen Fun-Phase dann gewisse Ideale in Bezug auf Punk, wurdet dann enttäuscht, saht dann im HipHop eine Verbesserung? Vielleicht ist es da nicht besser als im Punk, sondern nur „anders, eben gleich gut oder schlecht“. Das Sexismus-Männlichkeits-Problem im HipHop ist ja ähnlich ungelöst wie im Punk. Was haltet ihr von Lady Bitch Ray?
Lukas: Das kann man, glaube ich, so nicht bilanzieren. Bin weder enttäuscht vom Punk noch sehe ich im HipHop eine Verbesserung. Sowohl Punk als auch HipHop haben beide so ihre negativen und positiven Eigenschaften. Sei es im Punk und Hardcore der Dogmatismus oder die ganze Männlichkeit-Scheisse im HipHop. Und diese Denkweise, was ist jetzt besser oder schlechter… ehrlich gesagt weiß ich nicht ganz, was mir diese Vergleich bringen soll.

Es gibt halt viel Punk, der mir gefällt und viel HipHop, der mir gefällt. Aber sowohl in der einen wie auch in der anderen Szene gibt es einen Haufen Idioten. Das „Sexismus-Männlichkeits-Problem“ ist ja auch ein gesamtgesellschaftliches Problem und es wäre etwas naiv, anzunehmen, dass irgendeine Szene das jetzt besser überwunden hätte als eine andere. Vielleicht mag die Punk-Szene damit vermeintlich reflektierter umgehen, die gleichen Mechanismen sind aber auch da vorhanden. Ich mag halt Künstler_innen, die mit sich und ihren vermeintlichen Rollen in dieser Gesellschaft reflektiert umgehen und da spielt es keine Rolle, ob sie HipHop oder Punk machen.

Matthias: Lady Bitch Ray, interessiert mich nicht. Ich bin nicht von Punk enttäuscht und ich bin auch nicht von HipHop enttäuscht. Wenn überhaupt bin ich von Menschen enttäuscht und was sie von sich gegeben haben. Enttäuscht werden setzt aber eine gewisse Erwartungshaltung voraus und da bin ich eher zurückhaltend. Welcher Szene sie sich zugehörig fühlen wollen oder welche sie bedienen wollen, ist mir egal. Und natürlich kann ich nicht, nur weil der Stempel „Punk/Crust/HC/Trash oder-was-auch-immer“ oder „HipHop“ drauf ist, alles cool finden, was es da gibt oder irgendeine tiefgründigere Reflektion als in anderen Musikbereichen, Szenen oder Menschen, vorraussetzen, nur weil ich die Musik mag. Das wäre schon sehr naiv.

Was ich als großen Vorteil an HipHop sehe, ist der Minimalismus, die Konzerte sind viel schneller „aufgebaut“. Aber diese „Diss-Tradtion“ find ich dann wieder so lächerlich. Ist ASM eigentlich Elektro-Punk-Rap? Das Plastic Bomb sagte ja, dass sich bei euch „Minimalisten-Punk mit Minimalisten-Electro paart“. Es war auch die Rede von „DÜSENJÄGER trifft Electro und Schnittmengen von Punkrock, Indie, HipHop und Elektro, ein sehr wilder und chaotischer Soundhaufen“.
Matthias: Die unkomplizierte Konzertmöglichkeit im HipHop (Anlage + Mikro = fertig) mag ich auch. Wir machen das ja auch so, deshalb konnten wir schon oft in echt kleinen Räumen/Wohnungen/Kellern o.ä. sehr spontan spielen und da macht es auch oft am meisten Spaß. In welche Musikschublade ASM jetzt passt, sollen sich andere überlegen. Wir machen halt mit 2x Gesang und 1x PC das, was wir gut finden und auch mit unseren begrenzten Ausdauerfähigkeiten, was das Erstellen von Beats angeht, hinbekommen. Es gibt ja unzählige von Duos, die ähnlich strukturiert sind, es aber um Längen besser machen und können. Wir hängen dann da wieder in unserer Punksozialisation, wollen, das es irgendwie knallt und uns gefällt.

Wir sitzen nicht monatelang an einem Lied und basteln da dran rum, suchen nach einem noch geileren Effekt und so weiter. Strukturell mehr Punkrock als Elektro, würde ich also sagen.

Ich finde es bei euch sehr interessant, dass ihr einerseits kämpferische Stücke schreibt, aber auch einen gewissen düster Depri-Touch habt, wie bei „Beim Versuch die Wände hochzulaufen“. Dazu habt ihr ja ein klasse Video gedreht, rauchen, aus dem Fenster schauen, rauchen, TV, Cola trinken…Feiner Tune. Klassischer Punk-Song Stichwort „Boredom“. Es gibt da noch Songs mit ähnlichem Sujets von euch, „schlafen/aufstehen/richtig/falsch“ oder „Heute kann es regnen“, also Themen wie Resignation, (weiter) kämpfen, eine gewisse Ambivalenz. Ist ASM Emo-Rap?
Matthias: Emo-Rap…mmhhh, klingt schonmal scheisse. Rap ist sowieso der kleinste Teil unserer Musik. Wir können ja auch nicht gut rappen. Wir hören halt viel Rap und wollen das deshalb auch manchmal machen. Unsere Bandstruktur lässt das auch gut zu, also machen wir es. Auch wenn unsere Texte manchmal, wie du es nanntest, einen „düster-depri-Touch“ haben, haben wir viel Spaß dabei.

Covert ihr eigentlich was, nö oder?
Matthias: Covern machen wir eigentlich sehr gerne, allerdings nur bei Konzerten. Wir haben zum Beispiel mal ein Schleim-Keim-Medley auf einen Busta-Rhymes-Beat gemacht, Molotow Soda auf Eminem, United Balls auf Missy Elliot. Das war immer sehr lustig, aber aufnehmen würde ich sowas nicht.

Ich mag euren „Eisenbahn“- Song und Text sehr, möchtet ihr den erläutern?
Lukas: In dem Lied „Wir haben eine Eisenbahn gebaut“ geht es um die oft dumme und oberflächliche Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte. Auslöser für den Text war der Kommentar eines Professors von mir, der zur deutschen Kolonialzeit nur zu erzählen hatte, was Deutschland da alles tolles gemacht hat. Also die Eisenbahn nach Namibia gebracht oder das gute deutsche Bier nach China. Zu den ganzen Verbrechen der deutschen Kolonialherren wusste er hingegen nichts zu sagen. Ich war, ehrlich gesagt, ganz schön fassungslos, dachte irgendwie, das ist genauso bescheuert wie so Sprüche „Hitler war zwar doof, aber der hat ja die Autobahnen gebaut“.

Irgendwie hab ich aber auch das Gefühl, das es hierzulande keine Aufarbeitung der Kolonialzeit gibt und gab. Und das von einem Land, was sich immer damit brüstet, ja so mega-Geschichtsreflektiert zu seien. Aber trotzdem fällt dann sowas wie der Genozid an den Herero in Namibia mal unter den Teppich. Oder wird geschichtlich so verdreht, dass es nicht mehr so schlimm klingt.

Erzählt doch mal was zu den Aussagen in den Songs „ Diktatur der Ausgelasenheit“, „ Nationenquatsch“ und „Nichts gesagt“?
Lukas: Also, in „Diktatur der Ausgelasenheit““ geht es um Menschen, die einem vorschreiben wollen, wie mensch Spass zu haben hat, also das Mensch tanzen oder Alkohol konsumieren muss. Es nervt dann enorm, wenn besagte Menschen nicht akzeptieren können, dass mensch auch ohne Alkohol, tanzen etc. Spass haben können uind das auch so wollen und das nicht tun, weil sie verklemmt sind. In „Nationenquatsch“ geht es darum, dass Nationalstaaten ein absolut absurdes Konstrukt sind, wenn man mal genauer darüber nachdenkt. In „Nichts gesagt“ geht es darum, dass zwischenmenschliche Kommunikation immer auch ihre Grenzen hat.

Und das man, wenn man diese Grenzen erreicht hat, auch leider nicht mehr miteinander weiterkommt. Ganz schön düster, vielleicht kann man aber auch immer dazu lernen und sich weiter in Kommunikation zu üben, um erst gar nicht an seine Grenzen zu stoßen.

Ihr seid ja schon eine Message-Band, was ist diese, Revolution?
Lukas: Sind wir ne „Message-Band“? Keine Ahnung, wir schreiben halt Sachen, die uns beschäftigen, seien sie nun politisch oder persönlich. Die Intention ist aber sicher nicht, Leuten irgendeine Message zu vermitteln, sondern wenn, dann eher Leute zum nachdenken anzuregen. Von Revolution halte ich nicht viel, weil ich immer denke, dass ich mit der Erste sein könnte, der an die Wand gestellt würde. Dann doch lieber kleine Schritte in die richtige Richtung, in der Hoffnung, dass Menschen sich ändern und weiter entwickeln.

Würdet ihr sagen, ASM sind „PC“? Weil ich würd das nicht sagen, aber das heißt ja nicht, dass man nicht für Fortschritt ist…
ASM und PC… ich würde sagen: auf keinen Fall. Weder sind wir in allen Belangen hundert Prozent politisch korrekt, noch haben wir den Anspruch, dass das so sein müsste. Menschen machen Fehler und sind so unterschiedlich, dass ich nicht glaube, dass es sinnvoll wäre, wenn wir alle immer danach streben, „PC“ zu sein. Ich fänds schon mal schön, wenn Mensch anfangen würde, zu anderen Menschen cool zu seien. Aber vielleicht meint „PC“ ja genau das.

Es gibt diese Initiative, dass man im HC nicht mehr „behindert“ und „schwul“ abwertend verwendet, ich mache das schon so, aber natürlich aus total aufgeklärter Gender-Perspektive heraus, *Augenzwinkern*.
Lukas: Ich denke oft, dass Wörter erstmal nicht gut oder böse sind. Der Kontext oder das Umfeld, in dem man sie benutzt, ist eher das Problem. Also, wenn ich jetzt in einer Gruppe von Leuten bin, wo ich einschätzen kann, wie das, was ich sage, aufgenommen wird, finde ich es auch nicht schlimm, dass nicht alles gesagte „PC“ ist. Es geht halt bei solchen Wörten viel darum, dass die Gefahr besteht, andere Menschen damit zu verletzen; wenn man sich nun unter Menschen aufhält, wo man das nicht einschätzen kann, finde ich es eher schwer unsensibel, wenn man dann trotzdem solche Wörter raushaut. In Songtexten finde ich solche Wörter eigentlich nur in einem ironischen oder bewusst überspizten Kontext ok. Also vor allem, wenn ersichtlich wird, dass die Künstler_in damit etwas kritisch aufzeigen will.

Gibt es Rap-Bands, mit denen ihr euch verbunden fühlt?
Matthias: Die Konzerte, die wir zusammen mit anderen Rap-Bands hatten, waren leider im Nachhinein eher die enttäuschendsten Konzerte. Das ist, denke ich, einfach nicht unser „Biz“. Mit vielen Rappern kann ich als Person leider nichts anfangen und ihre Coolness geht mir nur auf die Nerven. Das soll jetzt nicht pauschalisieren. Ich mache seit vielen Jahren auch HipHop-Jams, mit Graffiti-Aktionen, Breakdance-Battles usw. und habe hier schon Kontakt mit vielen Rappern gehabt, die wirklich cool waren und sind. Leute wie Toni L, Aphroe oder die Jungs von TEXTA waren wirklich total nette Leute, obwohl ich von denen eher erwartet hätte, dass sie einen auf Chef machen, doch dem war gar nicht so. Es gibt aber auch unendlich viele, ob nun bekannt oder unbekannt, die sich für mein Empfinden einfach unsympathisch verhalten (sich über alle lustig machen, an allem rumnörgeln, sich wie Kings aufführen usw.).

Seid ihr mit eurer ersten Scheibe „Schnipselwerkstatt“ von 2010 noch zufrieden? Bzw. gab es davor ja noch was, „mix-tape“?
Matthias: Ja, ich bin noch zufrieden mit den ASM-Sachen. Manche Sachen würde ich heute nicht mehr oder anders machen, aber das ist ok so.

Lukas: Dito.

Was war bislang euer geilster und oder dümmster Auftritt?
Matthias: Wir haben schon echt unterschiedliche Auftritte gehabt, aber zu den Betitelungen „geil“ und „dumm“ fällt mir jetzt nicht so viel ein. Eins der schönsten Konzerte fand ich in Köln, in einem Kneipenkeller auf der Kegelbahn; und eins der miesesten fand ich in Amsterdam, da haben wir auch früher aufgehört, weil sich ein Teil des Publikums „stärker“ fand als der Rest und leider nicht aufhören konnte, dies permanent durch aggressives Verhalten unter Beweis zu stellen.

Matthias, mit dir war ich ja zwei Mal in Frankfurt bei HipHop-Konzerten, Edo Majika und Dead Prez. Wieso waren diese beiden dir wichtig?
Matthias: Weil ich sie viel gehört habe und gerne mal live sehen wollte. Gerade bei Edo Maajka bietet sich die Gelegenheit nicht oft. Habe mich auch sehr über dein Interview mit ihm in einer TRUST-Ausgabe gefreut.

Ice-T oder Ice Cube?
Matthias: Usher.

Lukas: Missy Elliot.

Lukas, findest du als Mitglied von Mülheim Asozial nicht, dass es eigentlich momentan zu viele lustige Parodie-Hommage-Deutsch-Punk-Bands gibt? Warum nicht das besingen, was man richtig gut findet anstatt das immer schon dümmlich-prollige nochmal nachträglich aufwärmen?
Lukas: Es gibt auf jeden Fall zu viele Parodie-Hommage-Deutsch-Punk Bands. Ich weiß aber immer noch nicht, wer Mülheim Asozial ist. Wer guten Deutsch-Punk hören will, sollte sich mal Kackschlacht anhören.

Matthias, gibt es dein Label eigentlich noch, du hattest du mal für die Ruhrpott HC-Band Misfit Society nen Label gemacht oder?
Matthias: Ja, ich habe mit Jan damals einen Teil der Platte bezahlt und da haben wir uns schnell einen Namen für ausgedacht bzw. wir haben denselben Namen genommen, unter dem wir damals regelmässig Konzerte veranstaltet haben. Wir haben aber kein Label im eigentlichen Sinne gegründet, wir fanden nur, dass die LP von MISFIT SOCIETY unbedingt rauskommen sollte und haben sie nur mit ein bisschen Geld unterstützt, danach gabs das Label quasi nicht mehr. Genauso verhielt es sich mit POMMES RECORDS, das ist auch der Jan, der uns somit finanziell geholfen hat. Vielen Dank an dieser Stelle nochmal, so kann dieses DIY-Ding funktionieren!

Ihr seid beide seit vielen Jahren in der Szene aktiv, Matthias war ja lange Zeit der Soundmann-Technik-Veranstalter im Kulturausbesserungswerk Leverkusen; wie verhindert ihr, dass ihr ausbrennt und von der Szene enttäuscht werdet?
Matthias: Leider konnte ich das nicht verhindern (Zwinker-Zwinker).

Lukas: Ich brenne gerade aus…Hab aber Bock, dass ich wieder Bock auf die Szene bekomme.

Word up!

Interview, Einleitung: Jan Röhlk
Kontakt: alteschulemasthorn.bandcamp.com

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