März 17th, 2007

AGENT ORANGE (#77, 08-1999)

Posted in interview by andreas

Ehrlich gesagt, wusste ich gar nicht, dass es Agent Orange überhaupt noch gibt. Meine erste Reaktion auf eine anstehende Tour der Band war dementsprechend, dass ich hier schon wieder alte Musiker notdürftig ihre Arbeitslosenunterstützung aufbessern sah. Ein kleiner Fehler.

Agent Orange hat es nämlich die ganzen Jahre über gegeben. Die Surfpunker der ersten Stunde hatten nur ein wenig Pech mit ihrer Plattenfirma, so dass das Album „Virtually Indestructible“ gar nicht erst auf den wellen des Atlantiks nach Europa trieb. Sänger Mike Palm und seine beiden anderen Bandmitglieder haben nun aber persönlich das Surfbrett eingefettet und kommen in Kürze auf Deutschlandtour.

***

Ich wusste nicht, dass es euch tatsächlich noch gibt. Ihr habt ja regelmässig Platten gemacht und habt live gespielt, ohne dass es jemand hier in Deutschland mitbekam. Woran lag das?

Mike: Sagen wir, wir waren in einer etwas unglücklichen Situation mit unserem Plattenlabel und unserem Management gefangen. Es dauerte Jahre, das zu lösen, und wir bemerken immer noch die Auswirkungen. Alles, was wir tun konnten, war, unsere Reputation als Live-Band aufrecht zu erhalten und so viele Konzerte wie möglich zu spielen. Deswegen haben wir unsere letzte Platte auch „Virtually Indestructible“ genannt. Sie konnten uns einfach nicht stoppen!

Viele Bands machen gerade ein Comeback. Bei vielen geht es nur um das Geld (siehe Youth Of Today). Habt ihr je solche Vorwürfe zu hören bekommen?

Mike: Nein, noch nie. Das liegt daran, dass wir ständig auf Tour waren. AGENT ORANGE waren immer aktiv. Wir sind zurückgekehrt in den Untergrund für einige Zeit, aber wir haben uns nie aufgelöst. Ich persönlich finde Reunion-Tourneen ekelhaft.

Ich frag mal andersherum: Offenbar gibt es ein Bedürfnis für ältere Bands – vielleicht, weil jüngere nicht unbedingt interessant sind. Hast Du eine Erklärung dafür?

Mike: Ich denke, viele Dinge sind einfach zu formelhaft geworden. Punk hiess mal, offen zu sein für seltsame und verstörende Dinge. Mittlerweile ist es, wie alle Formen von Mainstream-Unterhaltung, ein weit akzeptierter Stil geworden. Neue Bands können das mit einem sehr einfachen Rezept ziemlich leicht nachmachen. Alles ist ein bisschen seicht geworden.

Wie viele Original-Mitglieder spielen eigentlich noch bei euch?

Mike: Das ist eine gute Frage, weil normalerweise die Anzahl der alten Mitglieder ein Indiz dafür ist, wie sehr der ursprüngliche Sound erhalten blieb. Ich bin der ursprüngliche Sänger, Gitarrist und Songwriter der Band, und ich hatte das Gefühl, dass es nicht möglich ist, mit dem Original-Bassisten und dem Schlagzeuger die alte Kraft zu erhalten. Sie waren zudem sehr eigensinnig und hatten kein echtes Interesse an der Band. Wir sind nicht sehr freundlich auseinander gegangen, und ich vermisse sie nicht! Das jetzige Line-Up spielt länger zusammen als das erste. Und jeder, der uns live sieht, wird merken, dass wir viel besser sind!

Auf der neuen Platte sind einige Lieder, die man heute als „Alternative“ bezeichnen würde, sie sind nicht besonders hart, aber dafür sehr melodisch. Andere sind eher Hardcore-Punk. In welche Richtung willst Du die Band denn entwickeln?

Mike: AGENT ORANGE war anfangs eine „Prä-Hardcore-Band“. Wir sind eher melodiös als Hardcore. Ich mag es schnell, kompakt und auf den Punkt gebracht. Ich möchte die Gruppe in ein neues Territorium führen, ohne den Original-Stil zu verlieren.

AGENT ORANGE ist bekannt als Surfpunk-Band. Ich habe nie ganz verstanden, wie Surfen oder Snowboarding und Punk zusammenpassen, weil ich mich dafür nicht interessiere.

Mike: Es ist das Gefühl dabei. Wenn Du von Punkrock begeistert bist, dann hast Du eine Idee, wie es ist, sich vom Rande eines Berges mit einem Snowboard unter den Füssen zu werfen. Oder mit einem Skateboard in die Luft zu springen. Oder sich in eine zerstörerische Welle zu werfen. Es macht Spass, es ist gefährlich, und es ist aufregend! Du fühlst dich lebendig dabei!

Was erwartest Du eigentlich von Deutschland? Die jüngeren Kids werden euch ja kaum noch kennen...

Mike: Ich hoffe, dass jeder, der mal was von AGENT ORANGE gehört hat, zu den Shows kommt. Hier in den USA haben wir beständig getourt und haben viele jüngere Fans. Ich hoffe, dass das auch der Fall in Deutschland sein wird. Vielleicht brauchen wir eine Weile dafür, aber wir werden es schaffen! Ich hoffe, dass wir „Virtually Indestructible“ schon bald in Deutschland veröffentlichen können.

Wenn wir dann zurück in den USA sind, nehmen wir ein paar neue Lieder auf. Wir brauchen jetzt dringend ein Label, dem wir vertrauen und das uns hilft, das Publikum überall in der Welt zu erreichen, das uns kennt. AGENT ORANGE gibt es zwar schon lange, aber wir haben einige Dinge noch nie gemacht, die ich anfangs vorhatte. Ich denke, AGENT ORANGE hat noch eine Menge zu bieten, weil wir immer noch neugierig sind.

***

Agent Orange ist folgendermassen zu erreichen:

Per e-mail: Mike@AgentOrange.net

Per Post: Agent Orange, PO Box 16385, Encino, CA, USA 91416

Die Adresse der Web-Seite ist www.AgentOrange.net

Interview: Dietmar Stork

Links (2015):
Wikipedia
Facebook
Discogs

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0