September 7th, 2008

TWO GALLANTS (#126, 10-2007)

Posted in interview by jörg

Adam Stephens und Tyson Vogel sind die Two Gallants. Gallants lässt sich als Hausfreunde übersetzten. Das sind die Typen, die eigentlich doch weniger Freunde des Hauses sind als solche der Frau des Hauses, was man aber so nicht sagen darf.

Diese zwei Gallants haben sich nach einer Geschichte von James Joyce benannt, was der Sache einen weit weniger pikanten Anstrich gibt, allerdings auch schon dezent andeutet, dass diese Hausfreunde eher dem Boheme-Flügel des Folk zuneigen als der Protest-Fraktion – wobei Folk auch schon etwas in die Irre führt.

Eigentlich sind die Two Gallants nicht zuletzt eine Rockband, Gitarre Schlagzeug, Gesang, nur eben ganz minimalistisch, ein Duo, höchstens gelegentlich verstärkt mit ein paar Streichern. Ihre Energie auf der einen Seite, die akustische Gitarre auf der anderen, Adam Stephens Stimme, die mich ein wenig an den jungen Rod Stewart erinnert, wenn er Country sang – was hat das mit unserer Arbeitsausgabe zu tun?

Die Two Gallants werden oft in eine Reihe gestellt, deren wesentliche Exponenten Woody Guthrie, Pete Seeger und Bob Dylan heissen und die gelegentlich kühn um einen gewissen Conner Oberst (Bright Eyes) als vorläufig letzte Blüte ergänzt wird.

Und der ist Fan der Gallants, die folglich auf dem mittlerweile wohl einschlägig bekannten Label Saddle Creek veröffentlichen. Interessanter für unseren Schwerpunkt: Jene Folk-Tradition hat politische Implikationen, die ja durchaus mit dem Proletariat verknüpft sind, sei es, dass Guthrie senior als Mitglied der Kommunistischen Partei für die Arbeiter sang, sei es, dass Dylan – für den Guthrie der prägende Einfluss war – den Protestsong wie kaum ein zweiter popularisierte und sich später umso vehementer davon distanzierte.

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Irgendwie war es immer so eine Sache mit der Musik des Volks oder eben der Leute: Kam sie von ihnen? War sie vor allem für deren Erbauung gedacht? Oder sollte es in einem weiter reichenden Sinne Musik für das Volk sein, irgendwie dessen Emanzipation herbeiführen? Ich will gar nicht verhehlen, dass nicht nur wegen der morgendlichen relativen Verdriesslichkeit da nicht viel ging. Zu gross das Thema? Zu schwer?

Adam Stephens: Ich denke nicht, dass das wir tun, in einer Linie steht – nicht, dass wir etwas völlig neues täten oder nicht von etwas beeinflusst wären, was vor uns kam. Aber um dich selbst in diese grössere Evolution von Musik in einem bestimmten Genre und dich in eine Reihe mit Leuten wie Bob Dylan und Woody Guthrie zu stellen, ist ein grosses Statement.

Ich denke nicht, dass wir irgendetwas getan hätten, dass uns berechtigen würde, uns in diese Kategorie zu stellen. Vielleicht in fünfzehn Jahren, wenn wir mehr erreicht, mehr Musik geschrieben haben, etwas, das wirklich Substanz hat, haben wir vielleicht das Recht dazu. Ich glaube es gibt heute niemanden, der wirklich dieser Tradition folgt.

Ganz offensichtlich seid ihr zwei Leute mit Gitarre und Schlagzeug. Wenn du akustische Gitarre spielst, endest du fast natürlich dabei, Songs zu spielen, die ein bisschen wie Folk klingen. Was würdet ihr sagen sind eure Einflüsse?

Adam: Ich denke wir haben hunderte Einflüsse, und vieles davon kommt aus der Folk-Richtung. Aber ich denke auch nicht, dass es Folk ist. Ich denke auch nicht, dass Dylan Folk ist. Das Wort ist ein missbrauchtes Wort. Es bezeichnet etwas, das von den Leuten für die Leute ist. In vielen Situationen ist es das nicht.

Es ist eher referentielle Musik. Leute spielen Musik, die 40 bis 60 Jahre vorher geschrieben wurde und erbrechen sie wieder. Es ist nicht wirklich die selbe Musik, die einmal von Minenarbeitern und Baumwollpflückern gemacht wurde, es ist versetzt. Aber ich schätze, wenn wir akustisch spielen ist es, was Leute folky nennen.

Aber das macht euch doch nichts aus, oder? Ihr könntet ja eine Band engagieren…

Adam: Ich denke, wir haben uns einfach an die Art gewöhnt, wie wir Dinge tun.

Gab es vorher gemeinsame Projekte, bevor ihr die Two Gallants gemacht habt?

Tyson: Nicht wirklich. Wir kennen uns schon sehr lange. Wir haben irgendwie immer Musik zusammen gemacht in verschiedener Form, aber es gab nichts Offizielles. Wir lebten beide in San Francisco und haben einfach Musik zusammen gemacht. Adam spielte allein in verschiedenen Cafés und bei offenen Bühnen in der Stadt, ich zog zurück, versuchte zur Art School zu gehen, was ziemlich genervt hat.

In euren Songs gibt es das Gefühl von Unterwegssein, die Sehnsucht danach. Wie wichtig ist San Francisco als Lebensmittelpunkt?

Tyson: Ich denke, es ist wirklich wichtig. Wir sind dort aufgewachsen und haben eine lange Beziehung zu der Stadt. Aber es ist auch gut, die Stadt zu verlassen. Es klingt vielleicht kitschig, aber es ist, wo ein Herz hingehört (Anm.: so ähnlich ist es zu hören – der Mann mit dem Akkubohrer, der genau zur Mittagszeit den Wintergarten bearbeitet…).

Wenn ihr an Musik als Mittel zum Leben denkt, was denkt ihr über Arbeit als Geld verdienen und Spass als Musikmachen. Kollidiert das? Denkt ihr manchmal, dass es ein Job wird? Hättet ihr manchmal gern mehr freie Zeit?

Adam:  Ich sehe Musik überhaupt nicht als Job, auch wenn es unser Einkommen ist. Und diese selbstzentrierte Sache, die wir die ganze Zeit machen, entfernt einen auf eine Art wirklich von einem grösseren Kampf, von Leuten, die wirklich schwitzen und schuften und den ganzen Tag in einem Job arbeiten, den sie hassen und kaum genug Geld verdienen, um zu überleben oder die Familie zu ernähren. Es ist schon schwer für uns, das nachzuempfinden.

Tyson: Das sehe ich auch so. Was ich noch hinzufügren möchte, ohne über die angenehmen Seiten zu sprechen, ist, dass es uns in eine gewisse Zwickmühle bringt. Nicht nur, dass wir auf Tour etwas nach innen kultivieren, es ist auch schwer, etwas nach aussen zu kultivieren – wie Freundschaften zum Beispiel.

Adam: Und San Francisco verändert sich so stark, dass man nie weiss wie die Stadt ist, wenn du wiederkommst. Die Leute verändern sich, die Gebäude verändern sich, die ganze Stadt verändert sich.

Tyson: Ja, es ist wirklich seltsam. Wie diese Dinge sich verändern, wie wir uns während unserer Reisen verändern. Du kommst zurück und bist mit zwei Welten konfrontiert, die sich beide verändern. Es ist schwer, da einen middle ground zu finden. Es ist nicht wie ein Job, aber es ist gleichzeitig wirklich schwer zu realisieren, dass du dich so sehr nach innen orientiert hast, dass es beunruhigend ist, sich wieder zu reintegrieren. Das beunruhigt mich an der Vergötterung des Rock’n’Roll, weil es das Menschliche aus der Erfahrung nimmt.

Inwiefern?

Tyson: Wir müssen immer noch jeden Tag scheissen. Es gibt so viel grundlegendes jeden Tag.

Wenn ihr zuhause seid, habt ihr dann noch Jobs, mit denen ihr Geld verdient?

Adam:  Nicht wirklich. Wir waren zu lange weg, um überhaupt einen Job zu kriegen, wenn wir wollten.

Was war der schlimmnste Job, den ihr je hattet, was der beste?

Adam: Wir beide haben vor der Band im gleichen Sandwichladen in San Francisco gearbeitet. Er heisst Marina Submarine, die besten Sandwiches der Welt. Es ist in der Steiner Street in der Marina, eine nettere Gegend der Stadt, aber das ist eines der älteren Geschäfte, die noch eher dreckig sind.

Wir haben da nicht zusammen gearbeitet, erst war ich da, dann Tyson. Ich weiss nicht, ob das der schlimmste Job war, den ich je hatte, aber ich habe ihn definitiv nicht gemocht. Es ist wirklich isolierend. Du arbeitest den ganzen Tag nur mit dem Eigentümer, und er spricht nicht sehr gut englisch und ist launisch. An einem Tag hasst er dich und regt sich den ganzen Tag über dich auf und am nächsten Tag ist er dein bester Freund. Aber es war kein harter Job.

Es war sehr leichte Arbeit. Der schlimmste Job war wohl ein Job in einer Gärtnerei. Ich habe Bäume und grosse Pflanzen geschleppt. Es war im Frühling und es regnete die ganze Zeit. Ich meine, es fühlte sich gut an am Ende eines Tages. Wenn du deine Hände benutzt hattest, deinen Körper, du hattest Schmerzen, aber es hatte einen Zweck.

Tyson:  Ich glaub ers schlimmste Job war wahrscheinlich bei Baskin Robbins, ein Eisgeschäft, in der ich eineinhalb Jahre gearbeitet habe, als ich 16, 17 war. Ich mochte immer, sogar im Sandwich-Shop, den Prozess der Interaktion zwischen Menschen. Aber an so einem Ort passiert nichts, das irgendetwas verbessern würde, es gibt keine Karriere, es führt nirgendwohin. Du hängst fest. Aber mein rechter Arm ist definitiv stärker geworden vom Eiskugeln formen.

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Interview: Stone

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