Februar 20th, 2007

PALE (#75, 04-1999)

Posted in interview by sebastian

Ohne grosse Erwartungen besuchte ich eines Abends ein Konzert, um relativ schnell sehr positiv überrascht zu sein.

Schon mit dem Zustand abgefunden viel Bier trinken zu müssen, lief es dann doch aufs Zuhören und rhythmische Bewegen hinaus. Auslöser waren PALE aus Herzogen……ähm….Aachen. Für das Interview habe ich mir dann Drummer Stephan geschnappt, der bereitwillig Rede und Antwort stand…

***

Hmm ihr seid Brüder habt ihr zusammen PALE gegründet oder wie ist PALE entstanden? Und habt ihr keine Probleme damit? Die meisten Bands, die ich kenne, in denen Geschwister sind, haben sich aufgelöst?

Stephan: Probleme gab’s noch nie so richtig innerhalb der Band, weil wir Brüder sind. Wir beide machen schon seit Ewigkeiten zusammen Musik, und daraus sind dann eben auch ein paar Sachen vor PALE entstanden… im Grunde genommen ist das aber unsere einzige „richtige“ Band, weil sie eben nicht nur aus uns beiden besteht, sondern aus Vieren, die auch sonst noch mehr verbindet, als nur die Musik. Ohne das könnten wir uns alle, denke ich, auch nicht vorstellen in einer Band zu spielen.

Wenn man etwas solange mit anderen zusammen macht, sollte eben auch alles andere irgendwie stimmen. Wir kommen nicht nur für ein zweimal-die-Woche-proben-Ding zu-sammen, sondern verbringen auch ansonsten viel Zeit miteinander. Dazu kommt, dass Musik auch etwas sehr persönliches ist, dass nicht funktioniert, wenn nicht alle irgendwo dasselbe dabei empfinden.

Hat sich die Besetzung nie geändert?

Stephan: Bis zum letzten Album hatten wir noch einen anderen Bassisten , aber der hat sich irgendwann für sein Studium entschieden.

Ja, ja Studenten! Wie kam es, dass ihr SODA REC gegründet habt?

Stephan: Naja, das war eigentlich eher eine spontane Sache. Nachdem wir die erste CD aufgenommen hatten, standen wir vor der Frage, ob wir diese an Plattenfirmen schicken, oder die Pressung, die Promotion, etc. in die Hand nehmen. Da wir eigentlich schon vorher alles selbst gemacht hatten, was die Band betraf, dachten wir uns, dass das ja nicht so schwer sein kann, und gründeten kurzerhand SODA REC.

Am Anfang war das erst mal nur für uns selbst, aber nach einiger Zeit dachten wir „Hey, was bei uns geklappt hat, können wir ja auch für andere machen“, und so haben wir uns Demos schicken lassen, telephoniert und dann noch einige andere Bands ins Programm aufgenommen. Dabei war uns von Anfang an wichtig, dass wir zu der Musik auch noch auf menschlicher Ebene mit denen klar kommen. Wir machen auch keine Verträge mit den Bands; wenn jemand bei einem anderen Label was rausbringen will, kann er das ruhig machen.

Leider traten dann in den letzten 2 Jahren immer mehr Probleme mit dem Label auf: alle Vertriebe verarschen dich, machen dir Hoffnung und sagen dann doch nein. Konzerte zu organisieren wird auch immer schwieriger, und überhaupt wird das ganze draufzahlen auch irgendwann zum persönlichen Problem, da nützen dir auch die tollsten Rezensionen nichts. Irgendwie bleibt einem die Stufe höher zu einem „richtigen“ Label verwehrt, wenn man in Deutschland agiert.

Hui, das klingt ja schon recht verbittert. Seid ihr denn schon so oft auf die Nase gefallen, weil ihr „zu nett“ seid?

Stephan: Naja, da gibt’s eigentlich nach 4 Jahren eine Menge Gründe, die einen ernsthaft an seinem tun zweifeln lassen. Neben dem ewigen Kampf um Auftritte, Rezensionen, Artikel, etc., ist es eben doch hauptsächlich der Schritt nach vorne, der einem irgendwie verwehrt bleibt. So toll sich die ganzen Underground-Sachen in Deutschland auch darstellen, läuft es doch im Endeffekt auf dasselbe wie bei den Majors heraus: Interesse zeigen, sich unendlich viel Zeug schicken lassen, Hoffnung machen, und dann nach 2 Monaten doch der Spruch „ist nicht absetzbar…wer will sowas schon aus Deutschland haben?“. Irgendwann zermürbt einen das einfach.

Ich weiss nicht, ob das irgendwas mit „zu nett sein“ zu tun hat…wir machen alles so, wie wir das für richtig halten, anders ginge es auch nicht, glaube ich. Das gab es ja schon mal Anfang der Neunziger, wo jeder nur NYHC Bands booken wollte, und alle europäischen Bands auf der Strecke blieben (mit einigen Ausnahmen natürlich).

Ist diese Ignoranz auch der Grund, warum man euren Namen nach 3 Longplayern immer noch nicht überall in Deutschland kennt? Denn an der Qualität der Musik liegt es ja ganz eindeutig nicht?

Stephan: Ein paar Leute kennen uns schon in Deutschland, aber eben nicht so viele, wie es sein könnten. Das Interesse an Musik aus der Gitarren-Ecke ist allerdings hier auch nicht so gross; Jedenfalls nicht, wenn man als Band aus Deutschland kommt. In anderen Ländern sieht es da entschieden besser aus. Verkaufen wir hier so zwischen 3 und 5 CDs auf einem Konzert, sind das im Ausland um einiges mehr.

Nur als Beispiel: auf der Spanien-Tour letztes Jahr waren es meistens um die 120 Zuschauer und davon haben sich fast die Hälfte irgendwas – T-Shirt, CDs – von uns gekauft. Ich habe auch in Spanien und England zum ersten Mal so richtig gesehen, dass die Leute während des Konzerts offensichtlich Spass hatten und sich zu deiner Musik bewegen – und das obwohl keiner von denen vorher was von uns gehört hatte. Egal ob es den Leuten hier gefällt, was man da auf der Bühne macht, ausser Applaus ist da meistens nichts drin.

Spielt aber irgendeine noch so schlechte Amiband, kriegen sich die meisten auf einmal nicht mehr ein und schmeissen `ne Party vor der Bühne. Ich will jetzt nicht sagen, dass das immer so ist, aber man bekommt in Deutschland schnell den Eindruck, dass sich die Leute von heimischen Bands nicht so richtig unterhalten lassen wollen, sondern mehr die kritische Arm-verschränker-Haltung einnehmen. Im Grunde genommen geht es doch bei Konzerten sowieso nur darum zusammen Spass zu haben.

Ja, scheint wohl leider so zu sein. Der Prophet gilt nichts im eigenen Land, oder so ähnlich hiess das doch, oder? Du sagest aber auch, dass es allgemein noch schwerer wird. Wie erklärst du dir das?

Stephan: Der finanzielle Aspekt wird dann leider auch bei einem selbst irgendwann entscheidend, weil man merkt, dass man sich aufgrund der Ignoranz und des vermeintlichen Hipstertums anderer auf einmal keine Anzeigen oder Promo-sachen mehr leisten kann. Im Moment sieht es so aus, als ob wir nur noch unser nächstes Album als CD rausbringen werden, und dann noch eben eine kleine split-Single Serie auf Vinyl.

CD, weil besser absetzbar?

Stephan: Eigentlich genau aus diesem Grunde. CDs sind billiger und werden eigentlich schneller verkauft. Wenn das Album gut läuft, gibt es dann wahrscheinlich auch noch eine Vinyl-Version davon. Tja, um Vinyl rauszubringen, muss man heute sehr idealistisch sein, allerdings zahlt einem der Idealismus nur selten das Mittagessen. Welche Bands sind denn z.Z. auf SODARECORDS?“ Im Moment sind da noch RENO KID, SOULMATE, SOMETREE DORK ASTRONAUT und RYDELL aus England. Mit denen wir übrigens nächsten Monat eine Split-Single rausbringen werden.

Apropos finanzielle Situation. Wovon lebt ihr? Vom Label alleine wohl noch nicht oder?

Stephan: Ne, vom Label lässt es sich bestimmt nicht leben. Wir beide haben noch eine Graphikagentur nebenbei, und die wirft genug Geld ab um halbwegs davon zu leben. Ausserdem bleibt so auch noch was für das Label übrig. Ihr geht jetzt doch wieder auf Tour. Wo soll es denn überall hingehen?

Die Tour startet am 28.Juli und endet dann wahrscheinlich am 18/19. August. Zuerst gehen wir für 6 Auftritte nach England, dann Holland/Belgien, Deutschland – aber nur 4 Gigs – und dann ab nach Spanien, näheres steht dann aber auch erst im April fest. Im Mai spielen wir dann aller Voraussicht nach noch ein paar Auftritte in Norddeutschland mit SOULMATE zusammen.

Bekommt ihr das Touren unter einen Hut mit Euren Jobs, oder gibt es da mal Probleme?

Stephan: Naja wie oben schon gesagt, sind wir zwei selbständig und können uns das so einteilen wie wir wollen. Die anderen beiden studieren noch und sind so auch recht flexibel.

Ok, jetzt mal was ganz anderes. Warum macht ihr die Musik, die ihr macht und nicht Heavy Metal?

Stephan: Eine nicht ganz einfache Frage. Wir sind eigentlich alle mit so einer Art von Musik aufgewachsen. Der ganze Kram aus den 80er wie HüSKER Dü, LEMONHEADS, NAKED RAYGUN, etc. hat einen ziemlichen Teil meiner Jugend ausgemacht. Daneben aber auch noch viel anderes, was man vielleicht nicht so direkt in unserer Musik mitbekommt. Ich denke, dass 4 Leute eben das machen, was am besten ihre Gefühle ausdrückt, und das ist eben das, was man im Moment von uns hört.

Emobands wird nachgesagt, sie seien seichte Unterhaltung, ohne grosse Aussage. Wie steht ihr dazu?

Stephan: Ich denke, dass das ein ziemlicher dummer Vorwurf ist. Musik drückt immer etwas aus… naja, jedenfalls wenn es nicht gerade Bubble-gum-Pop ist. Einige meiner persönlichen Lieblingssongs mögen vielleicht von solchen Leuten als seicht bezeichnet werden, aber für mich bedeuten sie etwas, und dabei kommt es noch nicht mal darauf an, ob man die Texte kennt oder sie versteht. Wenn diese dann noch von persönlichen Dingen handeln und mir etwas vermitteln können, dann kann man das wohl nicht mehr nur als blosse Unterhaltung bezeichnen. Die Sache mit der Aussage ist bei sowas wohl immer politisch – oder wenigstens gesellschaftskritisch – gemeint.

Naja, dazu kann ich nur sagen, dass wir alle wohl unsere zum Teil sehr engagierte Meinung haben, aber so etwas ist eben kein Thema für unsere Art mit der Musik umzugehen. Mal umgekehrt gefragt: wäre Emo-Pop immer noch seicht, wenn man politische Texte hinzu nimmt, oder muss man dann auch direkt ins Hardcore-Lager wechseln. FUGAZI sind ja wohl das, was man eine gesellschaftskritische Band nennt, aber trotzdem haben sie unglaublich schöne Popsongs gemacht.

***

Ok, dem ist nicht viel hinzu zu fügen. Mir bleibt nur noch euch aufzufordern, dass alle die jetzt mal gerne etwas von PALE hören möchten, doch mal deren Homepage (http://www.thepalefour.de) zu besuchen. Dort könnt ihr euch von jeder Band ein Stück anhören und bei Gefallen gleich Kontakt aufnehmen.

Für alle die kein Internetanschluss haben hier die „normale“ Anschrift:

PALE
c/o S. Kochs
Hauptstr. 85
52134 Herzogenrath

PALE sind:

Holger Kochs – Gesang,Gitarre

Christian Dang – Gitarre, Gesang

Jürgen Hilgers – Bass

Stephan Kochs- Schlagzeug

Interview: Jörg Warras

Links (2015):
Wikipedia
Facebook
Discogs

 

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0