März 18th, 2007

Kolumnen Dolf, Stone, Jan (#119, 08-2006)

Posted in kolumne by jörg

DOLF

Leute es wird immer besser, jetzt muss ich mich mal wieder mit einem Thema beschäftigen zu dem ich mich zum letzten Mal hier im Oktober 2003 und zum ersten mal im Dezember 1999 ausgelassen habe. Anlass hierfür sind ein paar – ich sag mal – Firmen die e-mails verschicken die im Betreff „Newsflash“ stehen haben. Da erwartet man dann das da in der Mail steht: „Künster XY bei Motoradunfall in Frankreich gestorben“ – zack. Das ist eine KURZMELDUNG, welches in diesem Fall die übersetzung von „Newsflash“ ist.

Aber, wenn man solche Mails nicht bekommt, mag man es ja vielleicht gar nicht glauben, (aber es stimmt) das sind dann teilweise bis zu 10 Seiten (!) Text in so einer Kurzmeldung untergebracht. Nicht nur das das in der länge KEINE Sau interessiert, es ist einfach falsch. Basta. Schreibt da „Laberflash“ oder sonst was in Betreff, aber es ist kein Newsflash. Zum fast gleichen Thema schrieb ich im Dezember 1999: „Und wenn ich schon dabei bin, wenn du unnötige Massenmailings (bulkmails) verschickst, dann doch bitte mit kurzem – auf den Punkt gebrachten – Inhalt/Text & verdammtnochmal benütze die bcc Funktion & nicht die cc Funktion. Die meisten Menschen sind scheisse, das wird durch die virtuelle Welt mal wieder klar wir Pisse nach dem 7. Bier.“

In der gleichen Kolumne regte ich mich auch drüber auf das Leute unangeforderte Dateien verschicken, das ist immer noch unhöflich und vor allem hochgradig unprofessionell. Heute wird ja gerne damit „argumentiert“ das es ja bei schnellen Leitungen „egal“ wäre, wie gross die e-mail oder die angehängten Dateien sind. Das ist totaler Bullshit!! Denn darum geht es nicht, nur weil es theoretisch möglich ist, heisst das noch lange nicht das es auch praktisch Sinn macht. Das ist ungefähr so wie in der „echten“ Welt. Auch da macht es keinen Sinn das erste A4 Blatt als „Anschreiben“ zu vergeuden, dann auf dem zweiten irgendeine Inhaltsübersicht, auf dem dritten geht es dann mal langsam los….

und dann hat man da X-Seiten Text den man genausogut auf 2 Seiten – also 1 Blatt hätte packen können. DARUM geht es. Weniger ist mehr. Spart Papier und spart an Datenmengen. Das gilt übrigens auch für Photodateien, so wie die von der Digicam oder dem Handy kommen haben die viel zu viel Auflösung für den Bildschirm um die mal eben kurz anzugucken, verkleinert die Datenmenge, nochmal, nur weil es über die Hochgeschwindigkeitsleitung so schnell geht muss man das nicht machen! Das ist alles so überflüssig und wenn das so weitergeht – egal wie schnell das Internet noch wird – dann ist das Internet irgendwann kaputt und DU bist mitschuld weil du nicht nachdenkst. Apropo denken, neulich wurde ich in einem Interview gefragt was ich denn so von MP3/Internet/Downloads halten würde und das hab ich darauf geantwortet:

„Ich finde es eine ganz schlimme Entwicklung das viele Sachen nur noch auf Daten reduziert werden. Früher war ein Wort auf einem Stück Papier eben das, Tinte und die Fähigkeit des Menschen das Wort dorthinzuschreiben. Jetzt ist das gleiche Wort nur noch Daten – also Einsen und Nullen. Das gleiche geschieht auch mit Fotos, Kunst, Filmen und eben auch Musik. Die Kunst – sag ich jetzt mal der Einfachheit halber – wird auf Daten reduziert. Man könnte jetzt sagen das ein Filmstreifen auch „nur Daten in einer anderen Form“ enthält oder eben eine Schallplatte.

Ich seh das aber anders. Wenn es mal Standard ist das alle mit Terrabyte grossen Datenspeichern rumlaufen wo sie innerhalb von Minuten hunderte von Musikstücken, Filmen und was sonst noch draufspielen können, dann verliert das einfach an „Wert“, weil die Menschen keinen Bezug mehr zu den Dingen haben. Letzendlich verlagert sich ein ganzer Bereich in die virtuelle Welt und die echte Welt wird immer ärmer oder eben immer weniger Leute kennen das echte Leben und immer mehr wachsen nur mit den Daten auf. Ich denke das ist keine gute Entwicklung…..“

Auch keine gute Entwicklung ist das Leute nicht mehr boykottieren und es keine schwarzen Listen mehr gibt. Es kann doch nicht angehen das es keine Bands/ Labels/ Konzertorte/ Veranstalter/ etc. gibt die sich auf die eine oder andere Weise scheisse verhalten, wieso wird das nicht öffentlich gemacht bzw. eben zum Boykott aufgerufen. Also wenn ich mir vorstelle das meine jahrelange Lieblingsundergroundpunkband plötzlich Deutschrock spielt und auf komischen Festivals und/oder Plattenlabels auftaucht dann muss man seinem Unmut doch Luft machen.

Oder wenn ein einst ok’er Laden plötzlich nur noch Scheissbands anbietet und viel zu hohe Eintrittspreise bzw. Getränkepreise verlangt. Oder wenn ein Veranstalter (egal ob lokal oder tour) Bands scheisse behandelt. Undsoweiter und so fort. Oder ist alles gut, alle lieb, nett und ehrlich? Ich glaube nicht, aber ich denke da ist was verschwunden, bleibt zu hoffen das es ganz schnell wieder auftaucht. Ich will wieder mehr – gut begründete – Boykottaufrufe.

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Der zärtliche Zyniker

Nach Zärtlichkeit ist mir nicht unbedingt zumute. Nach Zynismus schon gleich gar nicht. Im Moment ist kaum Zeit, sich Befindlichkeiten zum Thema zu machen. Die Notwendigkeiten fressen mich auf. Deswegen – nicht, weil mir nichts einfiele – schiebe ich das Verfassen dieses Textes nebst anderem vor mir her, damit ich die essentiellen Dinge erledigen kann. An diesem Wochenende fiel einer meiner Termine aus, was überraschend entspannte Zustände ermöglichte. Ich, nicht faul, benutzte sie, um mich emsig zu reproduzieren.

Und in ein paar Tagen bin ich diesem Irrenhaus für ein paar Tage entflohen. Dort wird es warm sein. Andalusia with fields full of grain / i have to see you again again / take me, spanish caravan…, singt Jim Morrison in meinem Kopf. Draussen ist Sommer, prall, herrlich, voller Menschen, die sich zumindest für ein paar Momente ignorant zu den Härten ihres Alltags stellen. Eis essen, nackich am See liegen, ein Bier am Mittag, ein törichtes Grinsen im Gesicht, glatt geneigt, einmal nicht die Konkurrenz im Privatleben fortzusetzen, zumindest kann es so erscheinen. Und ich will auch gar nicht darüber sinnieren, ob es vielleicht doch so ist.

Doch als ich neulich nachts, eine dieser drei, vier, fünf warmen Nächte, die es in einem durchschnittlichen Bremer Sommer gibt, am Fluss entlang nach Hause ging, müde schon um Mitternacht (eine Freitagnacht), wusste, ich würde nur noch schlafen, und eine alte Liebe traf, der ich nun gar nicht mehr nachhing (wie ich erneut feststellte), machte ich den verheerenden Vergleich: Was wir damals sonst noch trieben, wie die Welt voller Möglichkeiten schien – nicht als Chancen gedacht, die dann eben nur allzu selten eintreffen – und in dummer kindlicher überheblichkeit nicht einsehen wollten, dass es schon seinen Grund hatte, warum die meisten Menschen so elendig in der Tretmühle endeten, dass es keineswegs ihre mangelhafte, unterlegene Sicht der Dinge war, die sie dorthin verschlug, sondern eben genau die Möglichkeiten dieser Gesellschaft.

Und jetzt: Mittendrin in der Scheisse, permanent Kalkulationen anstellend, wie dem gröbsten Elend zu entgehen wäre. Und dann das gelegentliche Jobangebot. Nachdem der den Verhältnissen geschuldete Mist bedacht ist – Was muss ich in meine Bewerbung schreiben? Mit wem habe ich es zu tun? Kann ich damit rechnen, dass nach der vorläufigen Frist weitere Beschäftigung möglich ist? Wenn nicht, erlaubt mir der Job, zumindest andere Jobs nebenher zu betreiben? Kann ich mich dem inhaltlichen Programm des Jobs gemäss verstellen, die entsprechenden Heucheleien leisten? – muss ich beinahe kotzen. Im Grunde ist das ja auch schlimmer noch als die mir gleichfalls Unwohlsein bis hin zur körperlichen übelkeit verursachende Euphorie über die Erfolge der Deutschen Mannschaft bei der Fussballweltmeisterschaft.

Sehr witzig: Ein Typ sagt im Interview im Zusammenhang mit dem Begriff Patriotismus, das habe damit nichts zu tun, es sei doch völlig normal, dass man sein Land liebe. Und der fragende Journalist der taz, die das wissen wollte, fand schlicht gar nichts dabei. Ich habe mich dann gefreut, als Deutschland aus dem Wettbewerb flog, was allerdings auch nicht verhinderte, dass der dritte Platz weltmeisterlich gefeiert wurde, gleich bei mir um die Ecke, mit besoffenen Fahrern, denen die Polizei dies im nationalen Taumel durchgehen liess. Und angeblich wurden sogar in der Roten Flora zu Hamburg – jenem Hort der political correctness – auf einem Konzert Punks gesehen, die schwarzrotgoldene Iros trugen.

Und Wochen vorher am Hafenklang – ich wartete auf ein Interview – der Sieg gegen Polen auch von „der Szene“ bejubelt wurde. Es wird schon so sein, dass die Partei für die Nation nicht neu ist (und sie muss auch gar nicht den aktuellen Beschlüssen der Regierung gelten – sie soll auch schliesslich viel grundsätzlicher sein, unabhängig von Tagespolitik, als Verbundenheit mit dem Staat, in den man nunmal ganz zufällig geboren wird und dem man per Staatsgewalt als Teil des Staatsvolks zugeschlagen wird), sondern jetzt eben den vermeintlich unverdächtigen Zweck (ist ja nur Sport, so lautet die lachhafte Behauptung, die dann doch nicht erklärt, warum Leute sich dann die Staatsfarben ins Gesicht malen) zum Anlass nimmt, um sich zu entblössen. Die Fahnen an den Autos sind natürlich nur der Ausdruck des Gedankens, nicht der Gedanke selbst.

Und nichtmal darüber habe ich den letzten zwei Wochen nachgedacht. Wenn ich aus Andalusien wiederkomme, erwarten mich wieder diese Kalkulationen, die einen glatt ins Irrenhaus bringen könnten, wäre man nicht schon da. Und dann bin ich wieder fort. Beschäftige mich mit etwas ganz anderem, habe mich in einer Laune dazu hinreissen lassen, mich als Künstler (!) zu bewerben bei einem Festival in Tabor.

Wenn es danach etwas zu erzählen gibt, werde ich das tun. Und Tokyo – meine Güte, wie lange das her ist. Sushi und Kento’s mit den Oldie-Bands und ihrem Fantasie-Englisch und den Geschäftsleuten mit den gedungenen Bräuten, die mir ein Gespräch über Merkel aufdrängen wollten (deren Wahl ich in Japan erlebte, letztes Jahr im September), die englische Künstlerin, die im gleichen Haus lebte wie unsere Gastgeberin und meinte, sie könne aus den Energien an der Handfläche unglaublich entlegene Dinge über Menschen herauslesen, und unsere Gastgeberin, die uns schalkhaft den Kühlschrank öffnete und sagte, dies sei unser Essen, und dann die Tür an der anderen Seite öffnete – und das sei ihres.

Die uns graubraunen Bohnenschleim auftischte, in dem sicheren Wissen, den europäischen Geschmack damit garantiert nicht zu treffen, was uns unmittelbar anzusehen war, während sich Fäden vom Napf mit dem Schleim zu unseren höflich verzogenen Mündern zogen. Das Verbeugen allerorten und diese schwüle Nacht in den wochenends zu Fussgängerzonen umfunktionierten Einkaufsstrassen nahe des Hauptbahnhofs, das irre Pulsieren dieser Stadt und die alten Tempel und Schreine mittendrin. Und ein Onzen, das traditionelle japanische Bad, nach Männlein und Weiblein getrennt, weshalb ich meinen deutschen Mitbaderinnen erzählen musste, wie die durchschnittliche Grösse des japanischen Gemächts ist, was aber bekanntlich im nichterigierten Zustand unmöglich und deshalb uninteressant ist.

Interessanter war, als einzige Langnase unter lauter Japanern zu sein (zugegeben, es mögen ein paar Koreaner darunter gewesen sein), deren Kinder mich neugierig beäugten, weil sie wohl noch nie einen Menschen mit so vielen Haaren am Leib gesehen hatten. Die heissen vulkanischen Quellen, die dirch verschiedene Pools und über Steinbänke liefen, der bestirnte Himmel über mir, ich sag euch, es war grossartig.

Koto-Musik plätscherte über die Szene und ich legte mich nach dem Bad auf eine Matte draussen und war umgehend entschlummert wie ein Baby, trotz des Geräuschs der verschiedenen Massage-Automaten, die die Menschen auf ihnen durchwalkten, dass es gar nicht gesund aussah, aber wahrscheinlich war… Es gäbe viel zu schreiben. Mal schauen, ob es irgendwann Zeit dafür gibt. Bis dahin werde ich darüber nachdenken, ob man nicht an den Voraussetzungen etwas ändern kann.

stone

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It is raining, raining in my face

Das einzig Konstante der letzten und der diesmaligen Kolumne ist eigentlich, dass sie wieder mit einem Zitat der Hard-Ons betitelt ist. Denn entgegen meinen Selbsterkenntnissen in der letzten TRUST-Ausgabe – Klinik hift bei schwerer Depression nicht bzw. will ich nicht machen – bin ich dann doch in die Klinik gegangen.

In Berlin habe ich mich jetzt zum dritten Mal geistig verzettelt und bin dahin gefahren, wo ich nie hin wollte, zu meinen Eltern nach Kiel, die mich schon zwei Mal in einer schweren Depression „erlebt hatten“. Und in Kiel bin ich jetzt seit Anfang Mai 2006 in einem Zentrum für integrative Psychatrie, also korrekte freiwillige Einweisung in Hirnrissbunker. Wobei, freiwillig, ja stimmt schon, meine Schwester hatte mich bei der Anmeldung noch quasi mit betreut, denn so richtig alleine reingegangen wäre ich nicht, wahrscheinlich wusste ich im Unterbewussten, dass ich von den Eltern da noch mal einen Motivationsschub bekommen würde.

Und, wie isset in der Klapse? Erschreckend normal, nur ist der Unterschied, dass man nicht die normale Krankenhaus-Atmosphäre serviert bekommt, sondern ein Aktivitätsprogramm. Morgens um sieben raus, kneippen gehen, also wechselnde warm-kalt-Wasserbäder (mit einem Fichtennadelzusatz, von dem man prima Hautausschlag bekommt), dann Frühstück, Anti-Depressivum-Verabreichung (von denen man schöne Pickel und viel Appetit bekommt), Frühsport, Arzt-Visite, Zirkeltraining, Mittagessen um 11:30, nachmittags Psycho-Therapie, Ergo-Therapie (d.h. man ist handwerklich tätig, Seidenmalerei, Speckstein-Bearbeitung) und psychoedukative Gruppe, wo man über die Krankheit Depression aufgeklärt wird und über das, was man an Therapien so mitmacht. Abends um 18:00 gibts Abendbrot, gegen 22:00 seine „das Grübeln verhindernde“ Tablette und dann pennen.

Man kann jederzeit rausgehen, Sachen einkaufen, also hat alles mit dem, was man meint, über Psychatrien zu wissen, nichts zu tun. Natürlich muss man nicht, wenn man eine Depression hat, sofort in die Klinik, jetzt war es nur bei mir schon die dritte, und das wollte ich dann nicht mehr ambulant machen. Bei denen, die ich hier kennengelernt habe, war das anderes, die sind, nachdem sie rausgefunden haben, was ihre Krankheit ist, direkt in die Klinik gegangen. Meistens sind Leute hier, die an irgendeiner Veränderungsstelle im Leben stehen und damit nicht zu Recht kommen, z.B. eine Frau, die jetzt Mutter ist, ein technischer Ingenieur, der selber gekündigt hat und damit nicht klar kam, sogar ein Psychologe, der arbeitslos wurde oder auch diverse Rentner.

Das Schwierigste ist für mich, es tatsächlich zu akzeptieren, dass Depression eine Krankheit ist, quasi ein Hirnbruch. Falls ihr euch selber mal testen wollt, ob ihr eine Depression habt, dann hier (aus: Hautzinger: Manisch-depressive Störungen): „Von einer voll ausgeprägten depressiven Episode spricht man, wenn folgende Symptome für mindestens zwei Wochen vorhanden sind und zu deutlichen Beeinträchtigungen führen: 1 a) Sich traurig, deprimiert fühlen oder b) das Interesse an Dingen verlieren, die einem normalerweise Spass machen (wie z.B. Hobbys); Hinzu kommen müssen mindestens drei oder vier weitere der folgenden Symptome: 2) Schlafschwierigkeiten, v.a. Probleme beim Ein- und Durchschlafen; frühmorgendliches Erwachen oder zu viel schlafen kann aber auch auftreten, 3) Appetitverlust oder -steigerung, wobei es häufiger vorkommt, dass man kaum Hunger verspürt, 4) Konzentrationsprobleme oder Schwierigkeiten, sich sogar bei alltäglichen Dingen zu entscheiden, 5) Schuldgefühle, Gefühl von Wertlosigkeit oder ein sehr geringes Selbstwertgefühl.

Man hält sich für unfähig oder macht sich selbst Vorwürfe und grübelt, 6) Gefühl von Verlangsamung des eigenen Denkens oder von Bewegungen; umgekehrt kann man sich so unruhig fühlen, dass man kaum still sitzen kann, 7) Energielosigkeit oder ständige Müdigkeit bzw. Erschöpfung, 8) Gedanken an den Tod oder Selbstmord. Hauptsächlich Punkt 4, 5 und 8 waren bei mir so stark, dass ich den Schritt gemacht habe. Jetzt ist es hier ein bisschen besser geworden durch den vorstrukturierten Tag, aber noch weit entfernt von gut.

Zumindest hat sich ein bisschen die Stimmung aufgehellt und der Antrieb wurde wieder besser, ich habe wieder mein eigenes Sport-Programm aufgenommen und freue mich wieder, zu lesen, zum Zeitungskiosk zu gehen, um mir eine Tageszeitung zu kaufen, wo ich übrigens festgestellt habe, dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung viel interessanter ist, als ich dachte, gerade im Vergleich zu den sonst üblichen linken Medien wie die taz, die ich ein Jahr im Abo hatte. Mal ehrlich, wo als in der FAZ liest man denn so eine Kontakt-Anzeige eines Vermittlungsinstitutes „for Elite Marriages. Wenn ihnen eine gute Ehe wichtig ist“?

„Deutsche Traumfrau, resident in der Schweiz, 36, 176 – Eine aparte, brünette Schönheit, 5-sprachig, an EU- & US-Universitäten absolviert, per Profession multikulturell enorm erfahren, bietet sie in ihrer gesamten Struktur eine unwiderstehliche anziehende Balance und Wärme. Sie ist durchgehend humanistisch geprägt, politisch und ökonomisch hoch gebildet und wertet sehr differenziert ihr Umfeld – eine ledige, kinderlose Frau mit ausgeprägtem Familiensinn, Pioniergeist und perfekt für die klassische Ehe mit globalem Fokus.“ Globaler Fokus?

Per Profession multikulturell enorm erfahren? Ja nee, is klar. Interessant fand ich aber in der ebenfalls sehr interessanten Sonntagsausgabe der FAZ die Erklärung des Namens Cocktail, der von dem „Stopfenverschluss („Cock“) grosser Schnapsfässer stammt, deren Bodensatz („tail“) von findigen Wirten oft bedenkenlos zusammengeschüttet wurde“. Fandet ihr vielleicht jetzt nicht so interessant wie ein Review des vierten Teils der DVD-Serie „Jetzt wird es schmutzig“ von und mit Gina Wild, war so ging so, oder ein Review der neuen Mini-CD der Die Mimmi`s namens „Du bist Deutschland“ (leider noch nicht gehört, aber netter Text zum Titeltrack plus ZK, Male und SYPH-Cover), kann ich auch verstehen, aber wirklich witzig fand ich das Buch „Bullshit“ von Harry G. Frankfurt, erschienen 2006 im Suhrkamp Verlag.

Ein amerikanischer Philosophie-Professor untersucht das Phänomens des Bullshits und beginnt grandios das schmäle Bändchen mit der einfachen und wahren Feststellung „Zu den auffälligsten Merkmalen unserer Kultur gehört die Tatsache, dass es so viel Bullshit gibt“. Er gibt für die Entstehung von Bullshit an: „Das Fehlen jedes siginifikanten Zusammenhangs zwischen den Meinungen eines Menschen und seiner Kenntnis der Realität wird natürlich noch gravierender bei einem Menschen, der es für seine Pflicht als moralisch denkendes Wesen hält, Ereignisse und Zustände in allen Teilen der Welt zu beurteilen“. Knapp 80 Seiten nette Lektüre, kann ich ebenso empfehlen wie das Buch von Heinz Strunk, „Fleisch ist mein Gemüse.

Eine Landjugend mit Musik“, 15. Auflage 2006, wo es um einen arbeitslosen Halbalkoholiker geht, der in einer Schlagerkapelle Mucke macht. Flott und schön kurzweilig. Von der neuen Ausgabe vier des Fanzines „Der gestreckte Mittelfinger“ habe ich noch nicht alles gelesen, mit dabei sind aber zwei längere Portraits des Schlachhofs in Wiesbaden und dem Frankfurter Autonomen Ladens Au, sollte man sich bestellen unter www.dergestrecktemittelfinger.de.

Irgendwie habe ich das Gefühl, ich bin Konsument von Kulturprodukten mit eher fäkalistischem Background, aber das ist bestimmt nur mein Eindruck Doppelpunkt Klammer nach rechts geschlossen. Die zwei schönsten Sprüche der letzten Zeit waren für mich einmal „Leben ist das, was passiert, während man Pläne verfolgt“ und „Keine Angst, die gute Laune wird vorüber gehen“; es ist doch irgendwie alles seltsam mit dem Leben und wo man sein wollte und wo man ist oder wo man dachte, dass man ist, ja oder nicht?

Is doch wahr! In diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes Leben, „fuck the world and save yourself“ steht über dem Eingang der Berliner Bar „Franken“, kann man so eigentlich nicht stehen lassen, weil es zu sehr nach Egoismus klingt; da halte ich es doch lieber mit Motörhead und wünsche euch noch mal ein schönes Leben und:

Don`t forget the joker!

Jan Röhlk

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